SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 28. April 2005(1)
Verbundene Rechtssachen C‑346/03 und C‑529/03
Francesco Atzori, Giuseppe Atzeni und Giuseppe Ignazio Boi
und
Marco Scalas und Renato Lilliu
gegen
Regione Autonoma della Sardegna
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Cagliari [Italien])
„Staatliche Beihilfen – Entscheidung, mit der von der Region Sardinien an landwirtschaftliche Betriebe gewährte Beihilfen für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden – Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfragen – Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen auf die Landwirtschaft – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Verfahrensmängel – Begründung – Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt“
I – Einleitung
II – Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen
A – Die allgemeine Regelung für staatliche Beihilfen
B – Staatliche Beihilfen in der Landwirtschaft
III – Sachverhalt der Ausgangsverfahren
A – Die Vergabe der Beihilfen durch die Regionalregierung von Sardinien
1. Das Regionalgesetz Nr. 44/1988
2. Die Anwendung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988
a) Der Beschluss vom 30. Dezember 1988
b) Der Beschluss vom 27. Juni 1990
c) Der Beschluss vom 20. November 1990
d) Der Beschluss vom 26. Juni 1992
3. Das Regionalgesetz Nr. 17/1992
B – Die Verfahrensweise der Kommission
C – Die Entscheidung 97/612
1. Begründung der Entscheidung
2. Tenor der Entscheidung
D – Die Rückforderung der Beihilfen
E – Die Rechtsstreitigkeiten vor dem Tribunale Cagliari
IV – Die Nichtigkeitsklagen
V – Die Vorlagefragen und das Verfahren vor dem Gerichtshof
VI – Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
A – Fragestellung
B – Allgemeine Überlegungen
C – Die Nichtigkeitsklage und die Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
1. Die Nichtigkeitsklage
a) Gewöhnliche Konstellation
b) Die Klagebefugnis des Einzelnen
i) Anfechtbare Rechtsakte
ii) Das unmittelbare und individuelle Betroffensein
2. Die Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
3. Das Verhältnis zwischen der Nichtigkeitsklage und der Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
a) Ergänzungsverhältnis
b) Koexistenz
D – Der Inhalt der Entscheidung und die Möglichkeiten ihrer Anfechtung
1. Der Inhalt der Entscheidung
2. Zur Anfechtbarkeit
VII – Prüfung der Gültigkeit der Entscheidung
A – Die Rechtsgrundlage
1. Das Verhältnis zwischen den Agrarpolitiken und dem Wettbewerb
a) Einführung
b) Die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen in der Landwirtschaft
c) Abgeleitetes Recht
2. Die Rechtsgrundlage der Entscheidung
a) Die Beihilferegelung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988
b) Die Beihilfen gemäß den Beschlüssen der „Giunta regionale“
i) Unterglasanbau
ii) Forstwirtschaftliche Unternehmen
iii) Kaninchenzüchter
iv) Verschuldete landwirtschaftliche Betriebe
c) Schlussfolgerung
B – Die Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
1. Inhalt des Vertrauensschutzgrundsatzes
2. Der Vertrauensschutz im Bereich staatlicher Beihilfen
3. Anwendung im vorliegenden Fall
a) Die Rechtswidrigkeit
b) Die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt
i) Voruntersuchung
ii) Förmliches Verfahren
c) Gesamtwürdigung
C – Andere Mängel
1. Verfahrensfehler
2. Die Begründung der Entscheidung
3. Die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt
a) Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b EG
b) Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c EG
VIII – Die Folgen der Gültigkeit der Entscheidung
IX – Ergebnis
I – Einleitung
1. Zwei Ermittlungsrichter der zivilrechtlichen Abteilung des Tribunale Cagliari (Italien) haben dem Gerichtshof die Frage unterbreitet, ob die Entscheidung 97/612/EG der Kommission vom 16. April 1997 (im Folgenden: Entscheidung)(2) rechtlich gültig ist. Mit dieser Entscheidung hatte die Kommission festgestellt, dass bestimmte Beihilfen, die die Regionalregierung von Sardinien nach dem Regionalgesetz Nr. 44/1988 im Bereich der Landwirtschaft vergeben hatte, rechtswidrig und gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.
2. Ungeachtet der verschiedenen im Vorlagebeschluss angeführten Rechtsmängel dieser Entscheidung hat der Gerichtshof über drei grundlegende Aspekte zu befinden: die Zulässigkeit der Vorlagefragen, die Anwendbarkeit der im Vertrag enthaltenen, allgemein geltenden Wettbewerbsbestimmungen auf die Landwirtschaft und den Vertrauensschutzgrundsatz als Nichtigkeitsgrund.
3. Mit dem ersten Aspekt ist der besondere Zusammenhang zwischen der Nichtigkeitsklage und dem Vorabentscheidungsersuchen angesprochen, eine Frage, die sich zu einem Teil überschneidet mit der Diskussion über den Zugang des Einzelnen zu den Gemeinschaftsgerichten, da der Rechtsakt, dessen Gütligkeit die italienischen Richter bezweifeln, auch vor dem Gericht erster Instanz angefochten worden ist.
4. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Rechtsgrundlage der Entscheidung, die im Zentrum der von den vorlegenden Gerichten geäußerten Bedenken steht, nach deren Auffassung die Wettbewerbsbestimmungen, auf die die Entscheidung gestützt wurde, hier nicht anwendbar sind.
5. Drittens wird zu erörtern sein, wie sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Bereich der staatlichen Fördermaßnahmen auswirkt, und zwar nicht als Voraussetzung für die Haftung eines Staates, der seinen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft nicht nachkommt, sondern als Grund für die Nichtigerklärung von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane.
6. Schließlich werden die übrigen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu behandeln sein, die sich auf das Verfahren des Erlasses der Entscheidung, auf ihre Begründung und auf die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt beziehen.
II – Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen
A – Die allgemeine Regelung für staatliche Beihilfen
7. Nach Milton und Rose Friedman hat „die Intervention einer Regierung zugunsten der Unternehmen ihres Landes zur Folge, dass auch die Unternehmen anderer Länder ihre Regierungen um Hilfe ersuchen, um die ergriffenen Maßnahmen zu kompensieren“(3). Unabhängig von der Kontroverse über die Fortdauer staatlicher Subventionierung – ein Ausschnitt aus der umfassenderen Diskussion über Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsleben – rechtfertigen solche staatlichen Interventionen die Besorgnis der Gemeinschaft, bedenkt man die Auswirkungen staatlicher Beihilfen auf die Verwirklichung des Binnenmarktes, der eine Verschärfung des Wettbewerbs unter den Wirtschaftsteilnehmern mit sich bringt, und damit auch die Gefahr, dass die Neutralität nicht gewahrt bleibt(4).
8. Der EG-Vertrag enthält zu diesem Themenkomplex drei Vorschriften, die Teil seiner Wettbewerbsbestimmungen sind und sich als rechtlich außerordentlich relevant erwiesen haben(5):
1. Artikel 87 EG:
– Absatz 1 erklärt Beihilfen für unzulässig, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmens- oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
Von dieser allgemeinen Regel legen die folgenden Absätze bestimmte Ausnahmen fest:
– Nach Absatz 2 „sind“ – also in jedem Fall – bestimmte Beihilfen sozialer Art, zur Beseitigung von Schäden infolge außergewöhnlicher Ereignisse oder zugunsten bestimmter Regionen in Deutschland zulässig.
– Nach Absatz 3 „können“ weitere Beihilfen zulässig sein, die die wirtschaftliche Entwicklung von Gebieten mit außerordentlich niedriger Lebenshaltung oder erheblicher Unterbeschäftigung fördern sollen oder andere der dort ausdrücklich aufgeführten Tatbestände erfüllen.
2. Artikel 88 EG(6):
– Nach Absatz 1 ist die Kommission zur Überprüfung der in den Mitgliedstaaten bestehenden Beihilferegelungen verpflichtet.
– Gemäß Absatz 2 hat die Kommission im Fall ihrer Feststellung, dass eine überprüfte Beihilfe nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, den betroffenen Staat dazu aufzufordern, die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten – in diesem Fall ist eine unmittelbare Anrufung des Gerichtshofes möglich –; ausnahmsweise kann der Rat in diesen Fällen anderes festlegen.
– Absatz 3 verpflichtet die Staaten, die Kommission über die beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu unterrichten, damit, wenn diese den Wettbewerb verfälschen, das Verfahren nach Absatz 2 eingeleitet werden kann.
3. Artikel 89 EG:
– Dieser Artikel ermächtigt den Rat zum Erlass zweckdienlicher Durchführungsvorschriften für die Artikel 87 EG und 88 EG und zur näheren Festlegung der Anwendungsbedingungen des Artikels 88 Absatz 3 EG und derjenigen Arten von Beihilfen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind.
9. Nach diesen Vorschriften vollzieht sich die Überwachung staatlicher Beihilfen in drei Phasen: In der ersten Phase haben die Staaten alle geplanten Beihilfevergaben anzumelden, in der zweiten Phase prüft die Kommission die Beihilfepläne oder führt ihre fortlaufende Überprüfung bereits bestehender Beihilfen weiter, und in der letzten Phase kann die Erstattung rechtswidrig erlangter oder mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarer Vorteile verlangt werden. In jedem Fall hängt die Effizienz der Regelung von der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission ab, die für die Gewährleistung einer unverfälschten Wettbewerbsordnung eine zentrale Rolle innehat.
B – Staatliche Beihilfen in der Landwirtschaft
10. Die vorstehenden Bestimmungen gelten für jede Unternehmen oder Produktionszweigen gewährte staatliche Vergünstigung unabhängig von der in Frage stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit. Allerdings unterliegen sie im Bereich des Verkehrs (Artikel 73, 76 und 78 EG) und der nationalen Sicherheit (Artikel 296 Absatz 1 Buchstabe b EG) verschiedenen Vorbehalten.
11. Auch für den Bereich der Landwirtschaft enthält Artikel 36 EG folgende spezielle Regel:
„Das Kapitel über die Wettbewerbsregeln findet auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen nur insoweit Anwendung, als der Rat dies unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 33 im Rahmen des Artikels 37 Absätze 2 und 3 und gemäß dem dort vorgesehenen Verfahren bestimmt.
Der Rat kann insbesondere genehmigen, dass Beihilfen gewährt werden
a) zum Schutz von Betrieben, die durch strukturelle oder naturgegebene Bedingungen benachteiligt sind, oder
b) im Rahmen wirtschaftlicher Entwicklungsprogramme.“
12. Im Unterschied zu anderen Bereichen ergibt sich somit die Befugnis der Kommission zur Überprüfung und Überwachung von Beihilfen im Bereich der Landwirtschaft nicht unmittelbar aus dem Vertrag, sondern aus Regelungen und mit den Einschränkungen, die der Rat festlegt(7).
13. Allerdings sehen alle Verordnungen über die Einführung gemeinsamer Marktorganisationen die Anwendbarkeit der Wettbewerbsbestimmungen vor. Nur Güter, für die es solche allgemeinen Regelungen noch nicht gibt, wie Kartoffeln außer Kartoffelstärke, Pferdefleisch, Honig, Kaffee, agrarisch gewonnene Alkohole, alkoholhaltiger Essig und Kork unterliegen Artikel 4 der Verordnung Nr. 26 des Rates vom 4. April 1962 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen(8), der vorsieht:
„Artikel [88] Absatz 1 und Absatz 3 Satz 1 des Vertrages ist auf die Beihilfen anzuwenden, die für die Produktion der in Anhang [I] des Vertrags aufgeführten Erzeugnisse oder den Handel mit diesen gewährt werden kann.“
III – Sachverhalt der Ausgangsverfahren
A – Die Vergabe der Beihilfen durch die Regionalregierung von Sardinien
1. Das Regionalgesetz Nr. 44/1988
14. Am 13. Dezember 1988 erließ die Autonome Region Sardinien das Gesetz Nr. 44(9) über die Errichtung eines Garantiefonds für die Landwirtschaft.
15. Artikel 5 dieses Gesetzes sieht Beihilfen zugunsten von landwirtschaftlichen Betrieben vor, deren Finanzlage durch widrige Umstände beeinträchtigt worden ist. Um zur Liquidität dieser Unternehmen beizutragen, können nach der Bestimmung Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu 15 Jahren – einschließlich eines tilgungsfreien Zeitraums von bis zu drei Jahren – zu vergünstigten Zinssätzen vergeben werden, um kurzfristige Finanzverpflichtungen zu konsolidieren.
16. Außer durch dieses Gesetz selbst werden diese Darlehen nach dessen Artikel 5 Absatz 4 näher geregelt durch das Gesetz Nr. 1760 vom 5. Juli 1928 über die Vergabe von landwirtschaftlichen Darlehen(10).
2. Die Anwendung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988
17. Die „Giunta regionale“ ist befugt, durch Ad-hoc-Beschluss im Einzelfall die konkreten Modalitäten für die Gewährung der Darlehen festzulegen, insbesondere die Voraussetzungen ihrer Vergabe, den oder die begünstigten Sektoren, den Beihilfebetrag, bezogen auf die Verschuldungshöhe, sowie die Laufzeit. Sie hat dies in vier Fällen getan.
a) Der Beschluss vom 30. Dezember 1988(11)
18. Das widrige Ereignis, das die Krise auslöste, war der Preisverfall für Erzeugnisse des Unterglasanbaus, der dazu führte, dass die Produktionskosten nicht gedeckt werden konnten.
19. Voraussetzung für die Gewährung der Darlehen war eine kurzfristige Verschuldung des begünstigten Betriebs in Höhe von mindestens 75 % des Wertes der Bruttoerzeugung im Bezugsjahr. Die Laufzeit der gewährten Darlehen entsprach der im zugrunde liegenden Gesetz vorgesehenen Höchstdauer von 15 Jahren.
b) Der Beschluss vom 27. Juni 1990(12)
20. Angesichts der Lage der forstwirtschaftlichen Betriebe wurde beschlossen, die Vergünstigungen nach Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 Besitzern von für einen rentablen Einschlag noch nicht reifen Beständen zu gewähren. Die Beihilfen dienten der Tilgung oder Konsolidierung der vor dem 30. Juni 1990 für die Realisierung von Investitionen und die Bewirtschaftung der Bestände eingegangenen Schulden, der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kontenüberziehungen und der Schulden bei den Arbeitskräften (für Löhne), den Grundbesitzern (den Pachtanteil) und den Lieferanten (für gelieferte Waren).
21. Wie im erstgenannten Fall wurde auch diesmal nur verlangt, dass der Gesamtbetrag der kurzfristigen Verschuldung mindestens 75 % der Bruttoerzeugung ausmachte; allerdings wurde die Laufzeit der Darlehen auf nur 13 Jahre (mit tilgungsfreiem Zeitraum von drei Jahren) festgesetzt.
c) Der Beschluss vom 20. November 1990(13)
22. Infolge einer Seuche, die im Frühjahr 1990 in Sardinien grassierte, erlitten die Kaninchenzüchter Einbrüche in den Erträgen aus ihren Betrieben.
23. Die Züchter, die mindestens 20 % ihres Tierbestands verloren hatten, kamen in den Genuss einer zweifachen Vergünstigung, nämlich mittels zinsverbilligter Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bei tilgungsfreier Zeit von drei Jahren) in Höhe von a) bis zu zwei Jahresraten (oder vier Halbjahresraten) von bereits aufgenommenen langfristigen Verbindlichkeiten und b) zusätzlich in Höhe des Finanzbedarfs ihres Betriebs während eines Jahres.
d) Der Beschluss vom 26. Juni 1992(14)
24. In diesem Fall wurde die Beihilfe in Anbetracht der sich fortlaufend verschlechternden Marktlage und witterungsbedingter Schwierigkeiten allen landwirtschaftlichen Betrieben gewährt.
25. Voraussetzung war diesmal eine kurzfristige Verschuldung des Betriebes in Höhe von mindestens 51 % der Bruttoerzeugung im Bezugsjahr 1991. Das Darlehen, das für eine Laufzeit von 15 Jahren (bei drei tilgungsfreien Jahren) gewährt wurde, konnte für die Tilgung zinsverbilligter Betriebskredite, von Schulden aus mittelfristigen Darlehen (ausgenommen für den Kauf von Landmaschinen) und für noch ausstehende Jahresraten mehrjähriger Darlehen, die für Schäden durch Naturkatastrophen gewährt worden waren, verwendet werden.
3. Das Regionalgesetz Nr. 17/1992
26. Das Regionalgesetz Nr. 17 vom 27. August 1992(15) enthält die technischen Durchführungsbestimmungen für Finanzierungen nach Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988.
B – Die Verfahrensweise der Kommission
27. Am 1. September 1992 meldete Italien bei der Kommission das Regionalgesetz Nr. 17/1992 an. Im Fall des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 und der auf seiner Grundlage erlassenen Vorschriften war dies versäumt worden.
28. Die Kommission teilte der Anmeldung das Aktenzeichen N 557/93 zu und erbat von den nationalen Behörden mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 und 27. Mai 1993 weitere Auskünfte, die am 24. März, 2. April und 3. Dezember 1993 erteilt wurden. Ein weiteres Mal wurden ergänzende Angaben am 28. Februar 1994 angefordert, die am 25. April 1994 gemacht wurden.
29. Mit Entscheidung vom 1. August 1994 wurde gegen Italien das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) eingeleitet, und zwar zum einen wegen der Beihilfen nach Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988, da dieser Artikel nach „seiner sehr allgemein gehaltenen Formulierung nicht geeignet [sei], die Einhaltung der Gemeinschaftskriterien für die Beurteilung von Beihilfen an in Schwierigkeiten geratene landwirtschaftliche Betriebe zu gewährleisten“, und zum anderen wegen der Beschlüsse der Regierung von Sardinien, da diese nach den der Kommission vorliegenden Informationen mit diesen Kriterien nicht vereinbar seien.
30. Mit einer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Mitteilung(16), in der das genannte Schreiben wiedergegeben war, wurden der betroffene Mitgliedstaat, die übrigen Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert.
31. Die italienische Regierung gab ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 30. Januar, 25. August und 1. Dezember 1995 ab.
32. Allerdings erfuhr die Kommission in einem anderen Verfahren vom Regionalgesetz Nr. 33 vom 5. Dezember 1995(17), nach dessen Artikel 36 Absatz 4 die Beihilfen gemäß Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 an in Schwierigkeiten geratene landwirtschaftliche Betriebe nach Maßgabe „der von der Gemeinschaft festgelegten einschlägigen Kriterien“ zu vergeben sind. Aus diesem Grund ersuchte die Kommission am 21. Dezember 1995 um weitere Erläuterungen, die ihr am 22. Februar 1996 gegeben wurden.
33. Die erteilten Auskünfte überzeugten die Kommission nicht, und in ihrer Entscheidung vom 25. Juli 1996 wies sie darauf hin, dass die 1995 vorgenommene Änderung zusammen mit der gesamten Regelung geprüft werde. Dessen ungeachtet erklärte sie mit der Begründung, über die Anwendung der Gesetzesänderung sei ihr nichts Näheres mitgeteilt worden, gegenüber dem betroffenen Mitgliedstaat, dass die ihr vorliegenden Informationen eine Stellungnahme zu der Gesetzesänderung nicht ermöglichten.
C – Die Entscheidung 97/612
34. Mit dieser Entscheidung vom 16. April 1997 wurde das am 1. August 1994 eingeleitete Verfahren abgeschlossen. Da sie den Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen bildet, ist kurz ihr Inhalt darzulegen, der klar in zwei Teile zerfällt: Im ersten Teil werden die Gründe dargelegt, die den zweiten, verfügenden Teil rechtfertigen.
1. Begründung der Entscheidung
35. Im ersten Teil werden im Einzelnen das Gesetz Nr. 44/1988 und die Beschlüsse der sardischen Regierung über die Beihilfevergaben, die Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt, die Stellungnahme Italiens und die Beurteilung dargelegt, wonach diese Maßnahmen rechtswidrig und mit dem freien Wettbewerb unvereinbar seien.
36. Es heißt dort, wegen der unterlassenen Anmeldung der eingeführten Regelung und ihrer Anwendung, ohne dass die Kommission sich habe äußern können, seien die „Verstöße … besonders gravierend“, zumal Italien nicht bestritten habe, dass die besonderen Vorschriften für staatliche Beihilfen zugunsten in Schwierigkeiten geratener landwirtschaftlicher Betriebe hier Geltung hätten, und auch die Anwendung der Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten nicht beantragt habe(18). Nach diesen nach der Verfahrenseröffnung in Kraft getretenen Leitlinien seien die vergebenen Beihilfen angesichts der Art der ausgegebenen Darlehen auch weder Rettungsbeihilfen noch Umstrukturierungsbeihilfen, denn es habe keine Pläne zur Wiederherstellung der Rentabilität der Betriebe ohne Wettbewerbsverfälschungen gegeben; dies werde auch nicht durch die von den Banken durchgeführte Analyse der Finanzkraft der Darlehensnehmer geheilt.
37. Ferner werden die Gründe dargelegt, aus denen das Vorbringen der italienischen Regierung zu den Ursachen der übermäßigen Verschuldung der begünstigten Betriebe nicht durchgreife: So seien die witterungsbedingten Faktoren (Dürre) in der Landwirtschaft ein normales Risiko, weiterhin Marktkrisen von allen Unternehmern durchzustehen, mangelnde Vermarktungsorganisation sei ein geschäftsfremder Gesichtspunkt, und die hohen Zinssätze rechtfertigten nur auf das Notwendige begrenzte Beihilfen in Höhe des Unterschieds zwischen dem ausgehandelten Zinssatz und dem tatsächlichen, höheren Zinssatz.
38. Hinsichtlich der forstwirtschaftlichen Betriebe werde die Abgrenzung der als Investitionskosten anzusehenden Maßnahmen verwischt, da die Beihilfen Verbindlichkeiten aus der normalen Betriebsführung, aus Soziallasten, Löhnen und Gehältern abdecken sollten. Was die Kaninchenzüchter angehe, so sei nicht nachgewiesen, dass es einen Plan zur Ausmerzung der Tierseuche gegeben habe und dass die Darlehen auf die Verlusthöhe begrenzt worden seien. Jedenfalls sei zu keinem Zeitpunkt der Nachweis geführt worden, dass die geltenden Kriterien für Beihilfen eingehalten worden seien.
39. Sodann wird in der Entscheidung festgestellt, dass sich die geprüfte Regelung unmittelbar auf die Kosten ausgewirkt habe und den Begünstigten Vorteile gegenüber anderen Erzeugern verschafft habe; hierdurch seien die Bedingungen des innergemeinschaftlichen Handels verändert worden. Folglich sei die Regelung im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, ohne dass die Ausnahmen nach den Absätzen 2 und 3 eingriffen.
40. Die Ausnahmen nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstaben a und c seien offensichtlich nicht anwendbar, und Italien habe auch keine Informationen vorgelegt, nach denen eine Anwendung von Buchstabe b in Betracht zu ziehen sei.
41. Wie aus Artikel 87 Absatz 3 EG hervorgehe, müssten die dort genannten Beihilfen für die Realisierung eines der in dieser Bestimmung aufgeführten Ziele erforderlich sein; dies scheide aber aus, da „Italien [hierfür] keine Argumente geliefert [habe] … und auch die Kommission … solche Argumente nicht [habe] feststellen“ können. Hinsichtlich der Ausnahmen nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c stellte die Kommission „in Anbetracht der vorstehenden Analyse und der geltenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften fest, dass die fraglichen Beihilfen ihrem Wesen nach Betriebsbeihilfen [seien] und daher die Bedingungen des betreffenden Wirtschaftszweigs oder des betreffenden Gebiets nicht dauerhaft [hätten] verbessern können“.
42. Im letzten Teil der Begründungserwägungen wird erläutert, warum die unrechtmäßig erhaltenen Finanzbeihilfen, bestehend aus der Differenz zwischen den Marktzinsen für die erhaltenen Konsolidierungsdarlehen und den den Beihilfeempfängern tatsächlich gewährten Zinsen, zurückzufordern seien.
2. Tenor der Entscheidung
43. Nach alledem enthält die Entscheidung folgenden Tenor:
– Die Beihilfen, die die Region Sardinien nach Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 und nach den Beschlüssen der „Giunta regionale“ vom 30. Dezember 1988, vom 27. Juni und 20. November 1990 und vom 26. Juni 1992 gewährte, werden für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt (Artikel 1).
– Italien wird aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung die Beihilfen aufzuheben und innerhalb von sechs Monaten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfen zurückzufordern (Artikel 2).
– Italien hat die Kommission über die zur Durchführung der Entscheidung getroffenen Maßnahmen zu unterrichten und es ihr so zu ermöglichen, die Einhaltung dieser Verpflichtungen ohne weiteres zu überprüfen (Artikel 3).
– Die Entscheidung ist an die „Italienische Republik“ gerichtet (Artikel 4).
D – Die Rückforderung der Beihilfen
44. Die Autonome Region Sardinien führte die Entscheidung mit folgenden Maßnahmen durch:
– Sie setzte die Überweisung ihrer Zinsanteile an die Banken ab dem ersten Quartal 1997 aus.
– Sie hob Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 auf.
– Sie forderte die gewährten Beihilfen mit Dekreten des „Assessorato all’Agricultura“ vom 18. Dezember 1997 zurück.
45. Diese Dekrete wurden den Beteiligten – laut dem ersten der beiden Vorabentscheidungsersuchen – am 16. November 2001 mitgeteilt.
E – Die Rechtsstreitigkeiten vor dem Tribunale Cagliari
46. Giuseppe Atzeni und 51 weitere Personen reichten beim Tribunale Cagliari eine Zivilklage gegen die Autonome Region Sardinien ein, die unter dem Aktenzeichen 3/2003 geführt wird. Eine entsprechende Klage erhoben Marco Antonio Scalas, Renato Lilliu und weitere 389 Beteiligte; ihrer Klage wurde von dem Gericht das Aktenzeichen 5777/2003 zugeteilt.
47. Im ersten Rechtsstreit beantragen die Kläger, die Regionalvorschriften über die Streichung der Beihilfen außer Anwendung zu lassen und die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Beträge zu verurteilen. Hilfsweise beantragen sie, einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Regelung festzustellen und die Leistung von Schadensersatz anzuordnen.
48. Im zweiten Verfahren beantragen die Kläger, dass sie der Rückzahlungspflicht enthoben werden und dass die Region Sardinien den Kreditinstituten ihren Beitrag zu den Zinsen leistet. Für den Fall, dass der angefochtene Rechtsakt gültig sein sollte, beantragen sie die Feststellung, dass die Behörden für die erlittenen Schäden haften und dass diese ersetzt werden.
49. In beiden Prozessen ist bei den zuständigen Richtern beantragt worden, beim Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der Gültigkeit der Entscheidung einzureichen.
IV – Die Nichtigkeitsklagen
50. Herr Atzeni und weitere Landwirte suchten nicht nur bei den nationalen Gerichten um Rechtsschutz nach, sondern erhoben außerdem beim Gericht erster Instanz eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission(19); laut den Akten schlossen sich die Herren Scalas und Lilliu dieser Klage nicht an.
51. Die Kommission erhob gegen diese Klage eine Unzulässigkeitseinrede, für die sie zwei Gründe anführte: Erstens sei die Klage nach Fristablauf erhoben, und zweitens seien die Kläger von dem angefochtenen Rechtsakt nicht individuell betroffen.
52. Das Gericht gab mit Beschluss vom 29. Mai 2002 der Unzulässigkeitseinrede aus dem erstgenannten Grund statt, ohne die zweite Rüge zu erörtern. Es stellte fest, da die angefochtene Entscheidung im Amtsblatt vom 11. September 1997 veröffentlicht worden sei und die Gemeinschaftsgerichte erst am 25. Januar 2002 mit der Klage befasst worden seien, sei die Frist abgelaufen und die Klage daher unzulässig(20).
53. Über weitere Klagen wurde ebenso entschieden(21).
V – Die Vorlagefragen und das Verfahren vor dem Gerichtshof
54. Die Ermittlungsrichter der Zivilabteilung des Tribunale Cagliari haben die beiden Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Entscheidung gültig ist.
55. Im Vorlagebeschluss vom 29. April 2003 in der Rechtssache C‑346/03 werden folgende rechtliche Mängel der Entscheidung aufgeführt:
„a) Fehlende Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen die Artikel 32, 33, 34, 35, 36, 37 und 38 EG-Vertrag;
b) Verstoß gegen die Vorschriften, die das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag regeln;
c) Verstoß gegen die Vorschriften, die das Verfahren nach Artikel 88 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag regeln;
d) mangelhafte Begründung der Entscheidung nach den Artikeln 253 in Verbindung mit 88 Absatz 3 und 87 Absatz 1 EG-Vertrag;
e) Verstoß gegen die und falsche Anwendung der Verordnung Nr. 797/85 des Rates zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur;
f) Verstoß gegen die und Nichtbeachtung der „besonderen Vorschriften für Beihilfen zugunsten in Schwierigkeiten geratener landwirtschaftlicher Betriebe“ und der „Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“.
56. Im Vorlagebeschluss vom 20. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑529/03 wird zunächst auf die Ausführungen im vorherigen Vorlagebeschluss verwiesen, weiterhin werden zusätzliche Nichtigkeitsgründe genannt. So wird der Grundsatz des Vertrauensschutzes angeführt, und zwar angesichts der verstrichenen Zeit zwischen der Verkündung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988, der Einleitung des gemeinschaftlichen Verfahrens, dem Erlass der Entscheidung und der an die Landwirte ergangenen Rückzahlungsverfügungen. Daneben wird ein Begründungsmangel der Entscheidung beanstandet und unter weiteren Gesichtspunkten beleuchtet.
57. Nach Artikel 20 des Statuts haben Herr Scalas und Herr Lilliu als Kläger im Ausgangsverfahren der Rechtssache C‑529/03 und die Kommission beim Gerichtshof fristgerecht schriftliche Erklärungen eingereicht.
58. Mit Beschluss vom 6. Mai 2004 sind die beiden Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichem Verfahren, für die Schlussanträge und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
59. In der Sitzung vom 16. Februar 2005 waren die Prozessbevollmächtigten von Herrn Atzeni u. a. und der Herren Scalas und Lilliu sowie die Bevollmächtigten der Kommission zugegen und haben mündlich verhandelt.
60. Schließlich ist auf eine dritte Vorlagefrage des Tribunale Cagliari hinzuweisen, die in der Rechtssache C‑285/04 (Medda) gestellt wurde; diese Rechtssache ist bis zur Beantwortung der hier geprüften Vorabentscheidungsersuchen ohne Fortgang.
VI – Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
A – Fragestellung
61. Die Kommission wirft in ihren Erklärungen ein interessantes Problem auf, nämlich das der verfahrensrechtlichen Folgen der gleichzeitigen unmittelbaren und mittelbaren Anfechtung ein und derselben Entscheidung. Dieser Punkt ist nicht unbeachtlich, da er zur Unzulässigkeit der Vorlagefragen der italienischen Richter führen kann – eine von Amts wegen zu prüfende Frage, denn sie betrifft eine zwingende Verfahrensvoraussetzung.
62. Auf den ersten Blick erscheint die Rechtslage einfach: Eine an einen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit von staatlichen Beihilfen und deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, wird von Einzelpersonen angefochten, und zwar zum einen durch eine Nichtigkeitsklage beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften und zum anderen durch Klagen gegen die in ihrem Land ergriffenen Maßnahmen zur Durchführung des gemeinschaftlichen Rechtsakts, dessen Gültigkeit in den vor den nationalen Gerichten anhängig gemachten Verfahren bestritten wird.
63. Indessen ergibt sich ein komplexeres Bild durch das Hinzutreten weiterer Faktoren: Das Gericht erster Instanz hat über die Klagebefugnis der Kläger nicht befunden, die Entscheidung ist nicht begrenzt auf die Prüfung der gewährten Beihilfen, sondern behandelt auch die diesen zugrunde liegende Regelung, und schließlich – und grundlegend – erscheint die im EG-Vertrag enthaltene Regelung der den Einzelnen zu Gebote stehenden Reaktionsmöglichkeiten unbefriedigend.
B – Allgemeine Überlegungen
64. In jeder Rechtsordnung bestehen nebeneinander normative Instrumente verschiedener Art, die nach dem Grundsatz einer Hierarchie aufgebaut sind. Die Spitze bildet die Verfassung, gefolgt auf den unteren Stufen von den Gesetzen und Verordnungen. Sieht man von der Verfassung ab, in der als Architekt der Rechtsordnung das souveräne Volk in Erscheinung tritt, so handelt es sich um allgemeine Bestimmungen der verfassungsmäßigen Gewalten in Gestalt der Volksvertreter einerseits und der Verwaltung andererseits.
65. Daneben gibt es weitere, normalerweise von der Verwaltung stammende Akte mit anderem Bedeutungsgehalt, deren Abgrenzung zu den vorgenannten Normsetzungen nicht einfach erscheint, auch wenn eine zweckmäßige Methode darin besteht, zunächst zu prüfen, ob sie sich in ihrer Anwendung erschöpfen oder neues Recht schaffen, bevor festgestellt wird, ob sie an eine Mehrheit von Personen oder an nur einen Adressaten gerichtet sind.
66. Aus dieser Perspektive ergeben sich zwei wichtige Überlegungen. Erstens ist die individuelle Klagebefugnis zur unmittelbaren Anfechtung allgemeiner Bestimmungen des höchsten Ranges, d. h. der Gesetze, zu begrenzen, da diese von Vertretern des Volkes erlassen werden und sich ihre Kritik über die Wahlen vollzieht. Unabhängig davon, dass im Übrigen die Verfassungswidrigkeit auf anderem Wege geltend gemacht werden kann, greift diese Begründung jedoch nicht durch, wenn die in Frage stehenden Normen nicht von den Gesetzgebungsorganen stammen. Zweitens müssen die Staatsbürger Rechtsnormen im Interesse der Rechtssicherheit innerhalb der ausdrücklich festgelegten Fristen anfechten; in manchen Fällen sprechen jedoch die Anforderungen des Legalitätsgrundsatzes dafür, ihre Rüge auch mittelbar, nämlich über die zu ihrer Durchführung ergehenden Akte zuzulassen.
67. Die Übertragung dieser Überlegungen auf die Gemeinschaftsebene begegnet ernsten Schwierigkeiten, bedenkt man die Eigenart dieses – auch als „normatives Chaos“ bezeichneten(22) – rechtlichen Rahmens und die Beschränkungen, die für die Anfechtung von Rechtsakten der Gemeinschaftsorgane durch natürliche und juristische Personen gelten, auch wenn der Vertrag über eine Verfassung für Europa(23) das Bild insofern vereinfacht, als in den Artikeln I‑33 ff. zwischen Gesetzgebungsakten (Gesetze und Rahmengesetze) und anderen Rechtsakten (Verordnungen und Entscheidungen)(24) klar unterschieden wird und außerdem die Fälle festgelegt werden, in denen der Einzelne den Gerichtshof anrufen kann(25).
C – Die Nichtigkeitsklage und die Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
1. Die Nichtigkeitsklage(26)
a) Gewöhnliche Konstellation
68. Die Nichtigkeitsklage ist mit einer doppelten Zwecksetzung geschaffen worden: Zum einen geht es darum, zu überwachen, dass die Organe das Gemeinschaftsrecht wahren, und zum anderen um Rechtsschutz für die Kläger (natürliche und juristische Personen, Mitgliedstaaten und Organe)(27).
69. Ihr Klagegegenstand ist beschränkt auf die gemeinsamen Handlungen des Europäischen Parlaments und des Rates sowie die Handlungen des Rates, der Kommission und der Europäischen Zentralbank, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt, und auf die Handlungen des Europäischen Parlaments „mit Rechtswirkung gegenüber Dritten“ (Artikel 230 Absatz 1 EG). Außerdem können Nichtigkeitsklagen erhoben werden gegen die Beschlüsse des Rates der Gouverneure und des Verwaltungsrats der Europäischen Investitionsbank (Artikel 237 Buchstaben b und c EG)(28).
70. Die Nichtigkeitsgründe bestehen in Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm und Ermessensmissbrauch (Artikel 230 Absatz 2 EG). Die ersten beiden Nichtigkeitsgründe betreffen die formelle Rechtmäßigkeit und sind von Amts wegen beachtlich(29), die beiden letztgenannten Rechtsmängel betreffen die materielle Rechtmäßigkeit und müssen von den Beteiligten gerügt werden.
71. Die beschränkte Klagebefugnis ist eines der Hauptmerkmale der Nichtigkeitsklage. Anders als die privilegierten Kläger – die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat – können der Rechnungshof und die Europäische Zentralbank die Klage nur zulässig erheben, soweit es um die Wahrung ihrer Rechte geht, und natürliche und juristische Personen nur gegen die an sie ergangenen Entscheidungen oder diejenigen Entscheidungen, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen (Artikel 230 Absätze 3 und 4 EG)(30).
b) Die Klagebefugnis des Einzelnen
72. Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Recht des Einzelnen auf Zugang zum Gerichtshof in zweierlei Hinsicht beschränkt ist: Es ist zum einen begrenzt durch die mit der Klage anfechtbaren Rechtsakte und zum anderen durch bestimmte erforderliche persönliche Eigenschaften.
i) Anfechtbare Rechtsakte
73. Mit der ersten Beschränkung wird eine unmittelbare Anfechtung von allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen, da die Klage nur gegen Entscheidungen gerichtet werden kann. Sie ist ebenso unzulässig gegen Verordnungen, es sei denn, in einer Verordnung verbirgt sich eine Entscheidung, da in diesem Fall nach der Rechtsprechung die Wahl der Form des Rechtsakts nichts an seinem Wesen ändert(31).
74. Eine Abgrenzung der Fälle, in denen eine Maßnahme anfechtbar ist, ist dennoch schwierig. Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Grundkriterium nach dem Urteil in den Rechtssachen Confédération Nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat(32) im Anwendungsbereich des Rechtsakts liegt, da die Entscheidung auf ihre Adressatin begrenzt bleibt, während die Verordnung auf abstrakt und als Gruppen umrissene Personenkreise anwendbar ist. Dabei verliert ein Rechtsakt seine allgemeine Geltung und damit seinen Normcharakter nicht dadurch, dass sich die Rechtssubjekte, auf die er in einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, wenn feststeht, dass diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt im Zusammenhang mit seiner Zielsetzung umschrieben ist(33).
75. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass an die Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidungen faktisch normativen Charakter haben, da sie allgemein und abstrakt nach neutralen Kriterien abgegrenzte Sachverhalte betreffen.
ii) Das unmittelbare und individuelle Betroffensein
76. Die gemeinschaftsrechtliche Nichtigkeitsklage steht einer Person jedoch nicht bereits dann offen, wenn sie gegen einen mit der Klage anfechtbaren Rechtsakt gerichtet wird, sondern, wie ich in meinen Schlussanträgen vom 9. November 1999 in der Rechtssache Comité d’entreprise de la Société Française de Production u. a./Kommission(34) formuliert habe, „[n]ur die doppelte Voraussetzung, dass der Einzelne, an den die Entscheidung nicht gerichtet ist, zugleich unmittelbar und individuell betroffen ist, verschafft ihm die Klagebefugnis“.
77. Ein unmittelbares Betroffensein liegt grundsätzlich vor, wenn zwischen der Entscheidung und der Änderung der subjektiven Rechtsstellung des Betreffenden ein Kausalzusammenhang besteht, auch wenn die Entscheidung in manchen Fällen möglicherweise noch Durchführungsmaßnahmen der nationalen Behörden bedarf(35).
78. Was die zweite Bedingung anbelangt(36), so kommt hier der erstmals im Urteil in der Rechtssache Plaumann/Kommission(37) und seither in ständiger Rechtsprechung(38) bestätigte Grundsatz zum Tragen, dass ein anderer als der Adressat eines gemeinschaftlichen Rechtsakts von diesem nicht individuell betroffen ist, es sei denn, dass dieser „ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten“.
79. In diesem Sinne ist im Urteil Van der Kooy u. a./Kommission(39) entschieden worden, dass ein Unternehmen grundsätzlich nicht eine Entscheidung der Kommission anfechten kann, mit der sektorbezogene Vergünstigungen untersagt werden, wenn diese ihm nur infolge seiner Zugehörigkeit zu der in Frage stehenden Branche und als potenzieller Begünstigter der Regelung zustehen, da es sich dann um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite handelt, die auf objektiv bestimmte Sachverhalte Anwendung finden und rechtliche Wirkungen gegenüber allgemein und abstrakt beschriebenen Personengruppen entfalten (Randnr. 15). Hingegen ist nach dem Urteil Italien und Sardegna Lines/Kommission das Erfordernis individueller Betroffenheit erfüllt, wenn der Kläger in seiner Eigenschaft als tatsächlich Begünstigter der Beihilfe handelt (Randnrn. 34 bis 36)(40).
2. Die Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
80. Der Vertrag hat ein umfassendes Rechtsschutzsystem geschaffen, innerhalb dessen dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe übertragen ist(41). Daher werden die der Nichtigkeitsklage eigenen Grenzen durch andere Mechanismen ausgeglichen, unter denen die Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts, die dem gleichen Zweck dient, einen besonderen Platz einnimmt(42).
81. In diesen Fällen wendet sich der Betroffene vor dem nationalen Gericht gegen eine Handlung der staatlichen Stellen seines Landes und macht zu seiner Verteidigung geltend, dass eine dieser Handlung zugrunde liegende Gemeinschaftsnorm rechtswidrig sei.
82. Ungeachtet der Erfordernisse, die sich aus dem Verfahrensrecht des einzelnen Mitgliedstaats ergeben, fängt diese Regelung die Nachteile ab, die sich aus der Frist und der eingeschränkten Klagebefugnis für den Zugang zu den Gemeinschaftsgerichten ergeben.
3. Das Verhältnis zwischen der Nichtigkeitsklage und der Vorlagefrage nach der Gültigkeit eines Rechtsakts
83. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ergänzen sich die verschiedenen Verfahrenswege und können nebeneinander existieren.
a) Ergänzungsverhältnis
84. Anders als die Nichtigkeitsklage kann das Vorabentscheidungsersuchen zur Gültigkeit eines Rechtsakts nicht nur Entscheidungen und ähnliche Rechtsakte zum Gegenstand haben, sondern jedwede allgemein geltende Bestimmung. Wie in dem Urteil Les Verts/Parlament zum Ausdruck kommt, sind natürliche und juristische Personen auch gegen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung geschützt, die sie nicht unmittelbar vor dem Gerichtshof anfechten können. Wenn die administrative Durchführung dieser Handlungen den Gemeinschaftsorganen obliegt, können diese Personen vor dem Gerichtshof eine direkte Klage gegen die Durchführungsmaßnahmen erheben, die an sie gerichtet sind oder die sie unmittelbar und individuell betreffen, und dabei ihre Klage mit der Rechtswidrigkeit des zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsakts begründen. Obliegt die Durchführung den nationalen Stellen, so können die Betroffenen die Ungültigkeit von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung vor den nationalen Gerichten geltend machen und diese veranlassen, sich mit Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof zu wenden (Randnr. 23).
85. Folglich steht der Weg des Vorabentscheidungsverfahrens nur offen, wenn eine Nichtigkeitsklage nicht möglich ist(43) und eine nationale Durchführungsmaßnahme erlassen wurde. Ebenso scheidet eine entsprechende Vorabentscheidungsfrage offensichtlich aus, wenn keine staatliche Maßnahme erlassen wurde. Ist aber in diesem Fall auch keine unmittelbare Anfechtung möglich, so erscheint die Vollständigkeit des Rechtsbehelfssystems fraglich(44).
b) Koexistenz
86. Diese Besonderheit ist bereits im Urteil Rau u. a.(45) hervorgehoben worden: Es heißt dort, dass die Möglichkeit, gegen die Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans unmittelbar zu klagen, „die Klage vor einem innerstaatlichen Gericht, mit der der Rechtsakt einer innerstaatlichen Behörde zur Durchführung dieser Entscheidung unter Berufung auf deren Rechtswidrigkeit angefochten wird, nicht ausschließt“ (Randnr. 12).
87. Wäre jedoch hinsichtlich einer Entscheidung, die nicht fristgerecht angefochten wurde, uneingeschränkt ein Vorabentscheidungsersuchen zulässig, selbst wenn eine solche Anfechtung möglich gewesen wäre, so würde die Ausschlusswirkung der Fristen mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen umgangen(46). Deshalb wurde mit dem Urteil Deggendorf(47) der vom Gerichtshof im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten entwickelte Grundsatz auf den Einzelnen übertragen, wonach ein Beihilfeempfänger, der eine Entscheidung der Kommission über die Beihilfe hätte anfechten können, aber die Klagefrist ungenutzt verstreichen ließ, nicht mittels einer Klage bei den nationalen Gerichten gegen Maßnahmen der nationalen Behörden zur Durchführung dieser Entscheidung deren Rechtmäßigkeit erneut in Frage stellen kann (Randnr. 17), und zwar – wie sich aus den Urteilen Accrington Beef(48) und Wiljo(49) ergibt – auch dann nicht, wenn der Rechtsakt an einen Mitgliedstaat gerichtet ist, dessen Behörden ihn aber dem Betroffenen so rechtzeitig mitgeteilt haben, dass er ihn hätte anfechten können(50).
88. Die Deggendorf-Rechtsprechung ist sehr diskussionswürdig(51), und der Gerichtshof wird bei Gelegenheit zu entscheiden haben, ob sie genauer auszuformen oder aufzugeben ist, denn sie begegnet folgenden wichtigen Einwänden:
a) Sie beruht auf der Rechtssicherheit, jedoch weist dieser Grundsatz den beiden Rechtsbehelfen keine Rangordnung zu, und er hat auch nicht immer Priorität gegenüber dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit, zumal das Gemeinschaftsrecht selbst bestimmte Fälle normiert, in denen diese Priorität nicht gegeben ist. So kann mit der Unanwendbarkeitseinrede nach Artikel 241 EG eine Verordnung in Frage gestellt werden, obgleich die Frist für ihre unmittelbare Anfechtung verstrichen ist. Im Namen der Rechtssicherheit können die Wirkungen eines Urteils zeitlich beschränkt, aber nicht die gerichtliche Kontrolle von Gemeinschaftshandlungen eingeschränkt werden.
b) Sie unterscheidet nicht zwischen allgemeinen Bestimmungen und Durchführungsmaßnahmen, sondern sieht durchweg dieselbe Lösung vor. Sie verpflichtet damit den Bürger zur Inanspruchnahme der Nichtigkeitsklage, und zwar sogar vorsorglich, ohne ihm angesichts der in der Rechtsprechung anerkannten Beschränkungen der Klagebefugnis eine Gewähr für die Zulässigkeit seiner Klage zu bieten.
c) Sie steht in Widerspruch zu den Urteilen Foto-Frost, Binder und Behn Verpackungsbedarf(52), in denen die Vorlage ohne weitere Erörterung als zulässig angesehen wurde, obgleich die Kläger der Ausgangsverfahren die Entscheidungen der Kommission, deren Gültigkeit vor dem nationalen Gericht in Frage gestellt wurde, bei den Gemeinschaftsgerichten hätten anfechten können. Im Urteil Universität Hamburg(53) wurde sogar anerkannt, dass die Ablehnung eines Antrags durch die Behörden eines Mitgliedstaats die einzige Maßnahme darstellte, die unmittelbar an die betroffene Einzelperson gerichtet war, „von der sie notwendigerweise innerhalb eines angemessenen Zeitraums Kenntnis [erhielt] und die sie vor Gericht anfechten [konnte], ohne Schwierigkeiten beim Nachweis ihrer Klagebefugnis zu haben“, weshalb sie „die Möglichkeit haben [müsse], im Rahmen einer nach nationalem Recht erhobenen Klage gegen die Ablehnung [ihres] Antrags die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung der Kommission geltend zu machen, die als Grundlage für die gegen [sie] ergangene nationale Entscheidung [diente]“ (Randnr. 10).
d) Sie verlangt vom nationalen Gericht eine Prüfung der Klagebefugnis des Betroffenen für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage bei den Gemeinschaftsgerichten sowie die weitere Nachprüfung, ob er diese Klage erhoben hat. Nach dem Urteil Rau hingegen braucht nicht geprüft zu werden, „ob der Kläger des Ausgangsverfahrens die Entscheidung unmittelbar vor dem Gerichtshof anfechten kann“ (Randnr. 11). Wenn überdies an dieser Klagemöglichkeit Zweifel bestünden, wäre eine Auslegungsfrage vorzulegen, von deren Ergebnis wiederum die Vorlage der Frage nach der Gültigkeit abhängig wäre. Damit entstünde ein zu kompliziertes und gekünsteltes System, das mehr Nachteile als Vorteile mit sich brächte.
e) Schließlich verkennt sie die Grundlage und das Wesen des Verfahrens nach Artikel 234 EG als Instrument der gerichtlichen Zusammenarbeit. Denn besteht für den Betroffenen kein Motiv, Nichtigkeitsklage zu erheben, so kann das nationale Gericht nicht in den Dialog mit dem Gerichtshof eintreten, selbst wenn es den zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Rechtsakt für rechtswidrig hält oder seiner Auffassung nach bei dessen Durchführung zuvor unerkannte Rechtsmängel zu Tage getreten sind. Anders formuliert, wird die Vorlage vom Parteiverhalten abhängig gemacht, so verfälscht dies die vom Vertrag geschaffene Zusammenarbeit zwischen Gerichten(54), denn es könnte auch eine Vorlagefrage für unzulässig erklärt werden, die die Gültigkeit eines Rechtsakts aus anderen Gründen in Frage stellt als den mit der Nichtigkeitsklage geltend gemachten.
89. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in einem Fall, in dem ein nationales Gericht Zweifel an der Gültigkeit eines Rechtsakts hegt, während beim Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage anhängig ist, nach dem Urteil Masterfoods und HB(55) das nationale Gericht die Möglichkeit hat, entweder das Verfahren bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung der Gemeinschaftsgerichte nach Artikel 230 EG auszusetzen oder ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen.
D – Der Inhalt der Entscheidung und die Möglichkeiten ihrer Anfechtung
1. Der Inhalt der Entscheidung
90. In Artikel 1 der Entscheidung werden die Beihilfen, die die Region Sardinien gemäß Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 vergeben hat, und die vier Beschlüsse der „Giunta regionale“ für rechtswidrig und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt. Damit sind folglich zwei Ebenen angesprochen, nämlich einerseits die Beihilferegelung als solche, andererseits ihre konkreten Anwendungsfälle.
91. Der erste Teil dieses Ausspruchs hat allgemeinen und abstrakten Charakter, da er sich auf objektiv definierte, jedoch unbestimmte Situationen bezieht. Er zielt ferner auf die Aufhebung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, und schließlich bezieht er sich auf eine unbestimmte Mehrzahl von Personen. Unter diesen Umständen werden Einzelpersonen von dem Rechtsakt insoweit nicht unmittelbar und individuell betroffen und besitzen daher keine Klagebefugnis für seine unmittelbare Anfechtung.
92. Die Entscheidung der Kommission gilt jedoch auch den Beschlüssen, mit denen Beihilfen an individualisierbare Personen vergeben werden, und betrifft diese ausdrücklich, da sie sie zu deren Rückzahlung verpflichtet. Daher sind diese Personen als legitimiert zu betrachten, die Nichtigerklärung des verfügenden Teils der Entscheidung zu beantragen, soweit er sich auf diese Maßnahmen bezieht.
2. Zur Anfechtbarkeit
93. Diese zwei Aspekte unterscheidende Betrachtungsweise wirkt sich auf die gegen die Entscheidung bestehenden Klagemöglichkeiten aus.
94. Geht man davon aus, dass die Betroffenen die Entscheidung in zulässiger Weise unmittelbar anfechten können, so sind die Vorlagefragen für unzulässig zu erklären. Im gegenteiligen Fall besteht ein derartiger Einwand nicht.
95. Auch wenn es in den vorliegenden Rechtssachen verfahrensrechtlich korrekter erschiene, zunächst die Aktivlegitimation der Kläger und gegebenenfalls anschließend zu prüfen, ob sie in der vorgeschriebenen Frist gehandelt haben, hat sich das Gericht erster Instanz auf die Feststellung beschränkt, dass die Nichtigkeitsklage verspätet eingereicht wurde, und hierfür nur auf die Daten der Bekanntgabe des Rechtsakts im Amtsblatt und der Einreichung der Klageschrift abgestellt.
96. Damit werden den Klägern alle Nachteile aus der verspäteten Anrufung der Gemeinschaftsgerichte aufgebürdet.
97. Diese Lösung ist jedoch angesichts der Begleitumstände und der vorstehend angestellten Überlegungen nicht zwingend.
98. Die Entscheidung war nicht an die Empfänger der Beihilfen gerichtet, sondern an den italienischen Staat. Obgleich sie in Teilen die Empfänger unmittelbar und individuell betraf, wurden diese weder von Italien noch der Kommission beteiligt. Diese fehlende persönliche Information kann durch andere Mittel ausgeglichen werden, sie ist aber zunächst einmal anzustreben, wozu derjenige in der besseren Lage ist, der über die entsprechenden Verzeichnisse der Beihilfenvergaben verfügt(56). Um solche Probleme zu vermeiden, erschiene es sinnvoll, ein wirksames System vorzusehen, um Dritte sowohl über die Einleitung als auch über den Abschluss eines Verfahrens zu informieren, das die Rechtswidrigkeit oder Unvereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt betrifft. Zumindest aber sollte die Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage nach der Theorie der actio nata berechnet werden, also ab dem Zeitpunkt, von dem an die Klageerhebung überhaupt möglich war. Jede andere Lösung wäre trügerisch und verkürzte die Verteidigungsrechte von natürlichen und juristischen Personen(57).
99. Da die Entscheidung zudem einen doppelten Inhalt hat, erscheint es nicht verfehlt, davon auszugehen, dass den betroffenen Bürgern der unmittelbare Zugang zu den Gemeinschaftsgerichten partiell verwehrt ist und sie die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nur indirekt angreifen können.
100. Alle diese Gründe sprechen dafür, dass der Gerichtshof, falls er in dieser Frage Zweifel hegen sollte, die Vorlagefragen zulässt.
VII – Prüfung der Gültigkeit der Entscheidung
101. Nach Auffassung der nationalen Richter weist die Entscheidung verschiedene Rechtsmängel auf, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: das Fehlen einer Rechtsgrundlage, die Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und sonstige Mängel sowohl formaler Art (Verfahrensfehler und unzureichende Begründung) als auch inhaltlicher Art (Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt).
A – Die Rechtsgrundlage
102. Der erste angeführte Ungültigkeitsgrund bezieht sich auf die Verbindlichkeit der im Vertrag enthaltenen Vorschriften über Beihilfen im Bereich der Landwirtschaft. So wird geltend gemacht, in Anbetracht von Artikel 36 EG sei Artikel 87 EG, auf den die Entscheidung gestützt ist, im Agrarsektor nicht anwendbar, da der Rat ihn nicht in die Verordnung Nr. 26 einbezogen habe.
103. Dieses Vorbringen gibt Anlass, den Zusammenhang zwischen der Landwirtschaft und dem freien Markt sowie seine Auswirkungen im vorliegenden Fall zu untersuchen.
1. Das Verhältnis zwischen den Agrarpolitiken und dem Wettbewerb
a) Einführung
104. Die gemeinsame Agrarpolitik ist eines der Integrationsmittel, um die wirtschaftlichen Ziele der Gemeinschaft zu erreichen. Dieser Gedanke erklärt die erste der Bestimmungen über die „Landwirtschaft“, den Artikel 32 EG, wonach „der Gemeinsame Markt … auch die Landwirtschaft und den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen [umfasst]“, zu denen die Erzeugnisse des Bodens, der Viehzucht und der Fischerei gehören.
105. Die von Anfang an bestehende Bedeutung der Landwirtschaft kann nicht verbergen, dass sich, wie in anderen Bereichen, das Zusammenwachsen auch in negativer Weise vollzieht, nämlich mittels der Ersetzung der staatlichen Interventionen durch die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Freiheiten im Gemeinsamen Markt(58).
106. Diese Option bedeutet jedoch, wie sich aus Artikel 2 EG ergibt und durch weitere Bestimmungen des Vertrages bestätigt wird, kein absolutes Verbot staatlicher Eingriffe. Es werden verschiedene Ausnahmen zugelassen, wenn diese auch dem vorrangigen Gemeinschaftsinteresse untergeordnet bleiben.
107. In diesem Sinne sind die in Artikel 33 EG genannten Ziele wirtschaftlicher Art, wenngleich sie auch einen sozialen Schwerpunkt haben, der für bestimmte Aspekte des Vertrages prägend ist. Demgemäß sieht Artikel 34 EG die Schaffung „einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte“ vor, die je nach Erzeugnis Preisregelungen, Beihilfen für die Erzeugung und die Verteilung, Einlagerungs‑ und Ausgleichsmaßnahmen und gemeinsame Einrichtungen zur Stabilisierung der Ein‑ oder Ausfuhr bis hin zu einem bloßen Verweis auf die gemeinsamen Wettbewerbsregeln einschließt(59).
108. Die von den Staaten im Bereich der Landwirtschaft gewährten Vergünstigungen tragen einen ausgeprägt sektorbezogenen Charakter, es handelt sich um wirtschaftliche Interventionsmaßnahmen, die den sich aus den allgemeinen Bestimmungen ergebenden Kriterien unterliegen, auch wenn sie Besonderheiten aufweisen, die auf den Merkmalen dieses Sektors oder auf den umweltbezogenen, gesundheitlichen und sozialen Bedingungen beruhen, die sie vielfach beeinflussen.
109. Es erscheint daher nicht richtig, wenn ohne weiteres jede nationale Beihilfe abgelehnt wird, denn häufig dienen solche Eingriffe der Förderung des Wettbewerbs und geben den Wirtschaftsteilnehmern den Status der Gleichheit zurück, der verfälscht wurde. In bestimmten Situationen tragen sie, sofern eine ausreichende Rechtfertigung gegeben ist und die grundlegenden Prinzipien der Beihilfevergabe gewahrt bleiben, zum freien Spiel der Marktkräfte bei.
b) Die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen in der Landwirtschaft
110. Obgleich seit dem Inkrafttreten des Vertrages viele Jahre vergangen sind, sind die Beziehungen zwischen der gemeinsamen Agrarpolitik und dem Wettbewerb nicht klar abgegrenzt(60); dabei wurde die nähere Regelung in das sekundäre Recht verwiesen. Es besteht kein Zweifel, dass die Lage der europäischen Landwirtschaft der umstandslosen Anwendung der Vorschriften über die Gewährleistung des freien Wettbewerbs entgegenstand, jedoch sind diese Hindernisse heute verschwunden, wenngleich diese Aussage noch etwas zu nuancieren bleibt(61). Eine andere Möglichkeit – die keineswegs zu verachten ist, weil ihr der Vertrag ebenfalls Raum gibt – bestünde darin, insoweit eine eigene Regelung zu schaffen.
111. Für die erste Alternative spricht Artikel 32 Absatz 2 EG, wonach „[d]ie Vorschriften für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes … auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Anwendung [finden], soweit in den Artikeln 33 bis 38 nicht etwas anderes bestimmt ist“, womit der Agrarsektor, wenn auch unter Wahrung seiner besonderen Anforderungen, der allgemeinen Regelung für den Gemeinsamen Markt unterstellt wird.
112. Artikel 36 EG macht seinerseits die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften davon abhängig, dass der Rat sie „unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 33“ angeordnet hat(62). Aus dieser Formulierung wird eine Hierarchie abgeleitet, in der, wie sich aus dem Urteil McCarren(63) und noch klarer aus dem Urteil Maizena/Rat(64) ergibt, die Agrarpolitik den Vorrang besitzt, auch wenn dies mit einem Vorbehalt für den Kernbereich des Wettbewerbs zu verbinden ist, ohne dessen Wahrung der Gemeinsame Markt verfälscht würde(65).
113. Die Vorschriften des Vertrages über die Landwirtschaft bilden keinen geschlossenen und eigenständigen Rahmen, in dem für die Wettbewerbsbestimmungen kein Platz wäre. Letztere bilden vielmehr einen Teil des Ganzen(66), der nicht ignoriert werden darf(67).
114. In diesem Kontext steht die Verordnung Nr. 26, die faktisch die Ausarbeitung einer eigenen Wettbewerbspolitik für den Agrarsektor ermöglicht, auch wenn dies noch nicht in Angriff genommen worden ist(68). Vielmehr haben die Gemeinschaftsorgane, wie bereits erwähnt, mittels des abgeleiteten Rechts die Anwendung der Artikel 87 bis 89 EG in allen Bereichen des Sektors vorgesehen.
c) Abgeleitetes Recht
115. Dieser Verweis des Artikels 36 EG auf den Willen des Rates hat eine prompte Antwort in der Verordnung Nr. 26 gefunden, die für den Handel mit den in Anhang I des Vertrages aufgeführten Erzeugnissen und deren Gewinnung gilt, ausgenommen Hilfsstoffe für deren Herstellung – wie Lab(69) oder Dünge‑ und Pflanzenschutzmittel(70).
116. Nach dieser horizontalen Regelung sind die Artikel 87, 88 Absatz 2 und 89 EG im fraglichen Bereich nicht anwendbar, jedoch ist angesichts der einsetzenden Gemeinschaftspolitik in diesem Bereich die Rechtfertigung für diese Ausklammerung mit der Schaffung der Marktorganisationen geschwunden, womit für die Heranziehung dieser Bestimmungen in der Agrarpolitik – auch wenn es Vorschläge zur Aufhebung dieser Beschränkungen gab(71) – in jeder Teilregelung, so wie es allgemein geschehen ist, – und soweit sie keine ausdrücklichen Ausnahmen enthält – entsprechende Anordnungen der Anwendbarkeit der Vertragsbestimmungen über die Beihilfen erforderlich wurden.
117. Anders verhält es sich mit Erzeugnissen, für die keine Gemeinschaftsregelungen erlassen wurden und die, wie in den Urteilen St. Nikolaus Brennerei(72) und Société d’initiatives et de coopération agricoles/Kommission(73) festgestellt worden ist, mangels einer speziellen Regelung gemäß der Verordnung Nr. 26 nur Artikel 88 Absätze 1 und 3 Satz 1 EG unterliegen, wonach die Kommission zu staatlichen Beihilfen nur Empfehlungen abgeben kann.
118. Man kann auch der Auffassung sein, dass die in der Verordnung Nr. 26 vorgesehenen Beschränkungen nur vorläufiger Art sind, so dass im Einklang mit dem System des Vertrages die Artikel 87 und 88 EG nach Ende der Übergangszeit uneingeschränkt auf die Landwirtschaft anwendbar wären(74).
119. Nach alledem ist zur Prüfung der Rechtsgrundlage einer Handlung der Kommission in diesem Bereich zunächst festzustellen, ob sie durch eine Verordnung gedeckt ist, die eine entsprechende ausdrückliche Ermächtigung enthält. Sodann ist gegebenenfalls, wenn eine gemeinsame Marktorganisation nicht besteht, die Verordnung Nr. 26 in ihren Auswirkungen zu prüfen. Schließlich ist ansonsten die direkte Geltung der Wettbewerbsbestimmungen hinsichtlich der einzelnen erlassenen Maßnahmen in Betracht zu ziehen.
2. Die Rechtsgrundlage der Entscheidung
120. Die Entscheidung beruht auf Artikel 88 Absatz 2 EG (wenngleich in ihr auch auf Absatz 3 Bezug genommen wird) und Artikel 87 Absatz 3 EG. Die nationalen Richter bezweifeln jedoch, dass die Kommission diese Vorschriften nach der Verordnung Nr. 26 anwenden durfte, da diese nur die Anwendung der in ihr genannten Bestimmungen über staatliche Beihilfen erlaubt, zu denen diese Vorschriften nicht gehören.
121. Es sind daher die einzelnen Feststellungen unter einem doppelten Gesichtspunkt zu prüfen: dem allgemeinen Rahmen, den das Regionalgesetz Nr. 44/1988 zieht, und den besonderen Regeln in den auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassenen Beschlüssen, um so zu einer allgemeinen Bewertung zu gelangen.
a) Die Beihilferegelung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988
122. Mit dem Gesetz wurde ein Garantiefonds für die Landwirtschaft geschaffen. Artikel 5 des Gesetzes enthält eine Beihilferegelung für Betriebe, deren finanzielle Lage sich infolge widriger Ereignisse verschlechtert hat.
123. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Anwendung der Vertragsbestimmungen über staatliche Interventionen aus der Verordnung (EWG) Nr. 797/85 des Rates vom 12. März 1985 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur(75), die später vielfach geändert und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2328/91 des Rates vom 15. Juli 1991 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur(76) kodifiziert und abgelöst wurde.
124. Artikel 1 der Verordnung Nr. 797/85 sieht eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und ihrer Entwicklung vor. Artikel 1 der Verordnung Nr. 2328/91 nennt unter den Zielen dieser gemeinsamen Maßnahme einen Beitrag zur Verbesserung der Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe durch Verstärkung und Neuausrichtung ihrer Strukturen und die Förderung ergänzender Tätigkeiten (Artikel 1 Absatz 1 Ziffer ii) und daneben die Erhaltung einer lebensfähigen landwirtschaftlichen Gemeinschaft als Beitrag zur Entwicklung des sozialen Gefüges in den ländlichen Gebieten, in dem den Landwirten ein angemessener Standard, einschließlich des Ausgleichs der Auswirkungen naturbedingter Nachteile in den Berggebieten und benachteiligten Gebieten, gewährleistet wird (Artikel 1 Absatz 1 Ziffer iii).
125. Nach seinem Zweck fällt daher das Regionalgesetz Nr. 44/1988 unter diese Verordnungen(77).
126. Da die Verordnung Nr. 797/85 die Einhaltung der Artikel 87 bis 89 EG (Artikel 31) vorschreibt – und ebenso die Verordnung Nr. 2328/91 (Artikel 12 Absatz 1 und 35) –, unterliegen die nationalen Regelungen den Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen, ohne dass die Verordnung Nr. 26 ins Spiel kommt.
127. Soweit an dieser Regelung irgendein Zweifel bestünde, wäre jedenfalls auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach sich die Wettbewerbsbestimmungen des Vertrages unmittelbar auf die Landwirtschaft erstrecken.
b) Die Beihilfen gemäß den Beschlüssen der „Giunta regionale“
128. Wenn die italienischen Grundbestimmungen über die Vergabe der Beihilfen den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen unterliegen, so gilt das Gleiche logischerweise auch für ihre konkreten Anwendungen. Dies steht aber der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfung der Entscheidung der Kommission hinsichtlich der Beihilfen der Autonomen Region Sardinien nicht entgegen, und zwar unabhängig davon, dass der Gerichtshof nicht über das Regionalgesetz zu entscheiden hat(78).
i) Unterglasanbau
129. Mit dem Beschluss vom 30. Dezember 1988 wurden Darlehen vergeben, um dem Preisverfall von Erzeugnissen des Unterglasanbaus zu begegnen(79).
130. Wie bereits ausgeführt, fällt diese Handlung unter die Verordnung Nr. 797/85, die die Kommission zur Anwendung aller Bestimmungen des Vertrages über staatliche Beihilfen ermächtigt.
ii) Forstwirtschaftliche Unternehmen
131. Mit dem Beschluss vom 27. Juni 1990 wurden forstwirtschaftliche Betriebe begünstigt, deren Bestände noch nicht für einen rentablen Einschlag reif waren.
132. Auch wenn der Begriff der „Landwirtschaft“ im Sinne des Vertrages sehr weite Grenzen hat und auch Viehzucht und Fischerei umfasst, schließt er doch forstwirtschaftliche Betriebe nicht ein, ebenso wenig wie forstwirtschaftliche Erzeugnisse zu den „landwirtschaftlichen“ Erzeugnissen im Sinne des Anhangs I des Vertrages gehören, selbst wenn beide Bereiche bekanntermaßen miteinander in Verbindung stehen(80).
133. Insoweit ist der Hinweis der Kommission auf das Urteil vom 25. Februar 1999(81) relevant, wonach „Anhang [I] … nicht allgemein Bäume und Erzeugnisse der Landwirtschaft [erfasst], auch wenn einige dieser Erzeugnisse, isoliert betrachtet, in den Geltungsbereich der Artikel [32 bis 38] des Vertrages fallen können“.
134. Gelten somit nicht die Besonderheiten gemäß Artikel 36 EG, so sind die staatlichen Interventionen ohne weiteres den Gemeinschaftsnormen mit allgemeiner Geltung unterstellt.
iii) Kaninchenzüchter
135. Unter Kaninchen grassierte in der Region im Frühjahr 1990 eine Seuche. Ihre Züchter kamen in den Genuss der im Beschluss vom 20. November 1990 vorgesehenen Vergünstigungen.
136. Es handelt sich hier um einen Sektor, der anders als die Forstwirtschaft zur Landwirtschaft gehört und damit der Verordnung Nr. 797/85 unterliegt. Allerdings besteht für ihn eine spezielle Regelung in Gestalt der Verordnung Nr. 827/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für bestimmte in Anhang I des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse(82).
137. Nach Artikel 5 dieser Verordnung sind die Artikel 87 bis 89 EG „auf die Erzeugung der im Anhang genannten Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen anwendbar“, wobei zu diesen Erzeugnissen auch sonstige lebende Tiere gehören (Punkt 01.06).
iv) Verschuldete landwirtschaftliche Betriebe
138. Angesichts der Marktlage und wegen der Verschlechterung der klimatischen Bedingungen wurden mit dem Beschluss vom 26. Juni 1992 Beihilfen allen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung gestellt, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten.
139. In den vorliegenden Rechtssachen ist angesichts der genannten Daten die Verordnung Nr. 2328/91 zu berücksichtigen, unter deren materiell-rechtliche Geltung das Handeln auf Regionalebene fällt. Dies hat zur Konsequenz, dass alle Wettbewerbsbestimmungen des Vertrages anwendbar sind.
c) Schlussfolgerung
140. Nach dem Vorstehenden ist die Anwendung der Artikel 87 bis 89 EG auf das Regionalgesetz Nr. 44/1988 und die vier praktischen Maßnahmen zu seiner Durchführung gerechtfertigt. Es bestehen sekundärrechtliche Vorschriften, die dies gestatten, darunter – wie im Fall der Kaninchenzüchter – spezielle Regelungen. Aber auch wenn es sich anders verhielte, böte sich dem Gerichtshof eine gute Gelegenheit für die Feststellung, dass der Vertrag, wenn man seinen Wortlaut und Regelungsgehalt abwägt, die Entscheidung deckt.
B – Die Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
141. In den Vorlagebeschlüssen wird dem langen Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der regionalen Vorschriften, der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Italien, dem Erlass der Entscheidung der Kommission und der Rückforderung der ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes große Bedeutung beigemessen. Dieser Grundsatz sei dadurch verletzt worden, dass die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nicht unverzüglich geprüft worden sei.
1. Inhalt des Vertrauensschutzgrundsatzes
142. Der Vertrauensschutz steht in enger Beziehung zur Rechtssicherheit, deren besonderer Ausdruck er ist, er hat aber nicht wie der Grundsatz der Rechtssicherheit einen klar objektiven Charakter, da er Schutz in individuellen Situationen gewähren soll. Dieser subjektive Charakter hat zur Folge, dass seine Schutzwirkung in großem Umfang von den Umständen des einzelnen Falles abhängt(83).
143. Schon vor langer Zeit vom Gerichtshof statuiert(84), hat seine Anerkennung eines langwierigen und fortschreitenden, mit der Entfaltung des Gemeinschaftsrechts zusammenhängenden Prozesses bedurft, was die Herausarbeitung einer klaren und stimmigen Definition erschwert hat(85).
144. Nach der Entwicklung der Rechtsprechung(86) greift der Grundsatz des Vertrauensschutzes dann ein, wenn mehrere Voraussetzungen zusammentreffen(87): ein Handeln der Gemeinschaftsbehörden, das bei den Betroffenen berechtigte Erwartungen hervorgerufen hat – so kann nach dem Urteil Kühn(88) Vertrauensschutz nur beansprucht werden, wenn die Kommission selbst zuvor eine Lage geschaffen hat, die Vertrauen erwecken konnte –, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Lage des Betroffenen fortbestehen würde, wobei diese Wahrscheinlichkeit für einen außenstehenden Beobachter nachzuvollziehen und anzuerkennen sein muss, um damit eine objektive Grundlage und Dimension zu gewinnen, so dass sie sich in eine zu der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht in Widerspruch stehende „begründete Hoffnung“ verwandelt, und schließlich das überwiegende Interesse der Betroffenen gegenüber dem gegebenen Allgemeininteresse.
145. Das Problem besteht in der Ermittlung der „Vertrauensgrundlage“, da die Lage des Betroffenen nur dann schutzwürdig ist, wenn diese vorhanden ist(89).
2. Der Vertrauensschutz im Bereich staatlicher Beihilfen
146. Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Vergünstigungen sind in jedem Fall zurückzuerstatten, es sei denn, dem stünde ein allgemeiner Rechtsgrundsatz entgegen(90). Unter diesen Ausnahmen kommt dem berechtigten Vertrauen der Betroffenen eine besondere Bedeutung zu, und die Rechtsprechung hat diesen Gesichtspunkt häufig behandelt, wobei sie danach unterscheidet, ob der Vertrauensschutz geltend gemacht wird, um sich einer Verpflichtung aus einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu entziehen oder um die Gültigkeit dieses Rechtsakts selbst gerichtlich anzufechten(91).
147. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Betroffenen angesichts der zwingend vorgeschriebenen Überwachung der Beihilfen durch die Kommission „auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen [dürfen], wenn sie unter Einhaltung des … vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde“, wobei es „einem sorgfältigen Gewerbetreibenden … regelmäßig möglich [sei], sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde“(92). Konkret kann der Betroffene daher nicht in die Rechtmäßigkeit einer Beihilfe vertrauen, wenn diese ohne vorherige Anmeldung gewährt wurde(93). Und sogar solange die Kommission noch keine Entscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe getroffen hat oder die Klagefrist gegen die Entscheidung nicht abgelaufen ist, hat der Empfänger keine Gewissheit über die Rechtmäßigkeit der geplanten Beihilfe(94). Folglich kann der Vertrauensschutzgrundsatz nicht angerufen werden, sofern man sich nicht zuvor vergewissert hat, dass der Mitgliedstaat die vorherige und ordnungsgemäße Anmeldung vorgenommen hat(95), da sich Unkenntnis des Systems der gemeinschaftlichen Überwachung von staatlichen Beihilfen nur schwerlich entschuldigen lässt(96).
148. Indessen braucht auch die Überprüfung durch die Kommission ihre Zeit, wie das Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache Italien/Kommission(97) beleuchtet, in dem das Vorbringen behandelt wurde, durch den langen Zeitraum zwischen der Beihilfevergabe und dem Erlass einer Entscheidung über ihre Rückforderung sei die Überzeugung hervorgerufen worden, dass die Beihilfen rechtmäßig seien. In dem Urteil wurde erstens die Anforderung aufgestellt, dass eine Verjährungsfrist für die Rückforderung des erhaltenen Betrages im Voraus festgelegt sein müsse, was ähnlich wie im vorliegenden Sachverhalt auch hinsichtlich des dort angefochtenen Rechtsakts nicht der Fall war (Randnr. 89)(98). Auch wenn in dem Urteil – unter Anführung weiterer Entscheidungen(99) – zweitens darauf hingewiesen wird, dass die Kommission mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit mit der Wahrnehmung ihrer Befugnisse nicht unbegrenzt lange warten darf (Randnr. 90), ist ihr, wird die Beihilfe nicht angemeldet, doch die Verzögerung nur von dem Zeitpunkt an zurechenbar, in dem sie vom Bestehen der Beihilfe Kenntnis erlangt (Randnr. 91).
149. Gerade eine verspätete Beschlussfassung war der Grund in dem einzigen Fall, in dem die Rückzahlung nicht verlangt wurde. So verhielt es sich im Entscheidungssachverhalt des Urteils RSV/Kommission(100) infolge der ungewöhnlichen Umstände des Falles(101), in dem eine Entscheidung angefochten worden war, mit der 26 Monate nach der Anmeldung der Beihilfe deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Aufhebung angeordnet wurde, wobei die Beihilfe zugunsten eines Sektors gewährt worden war, dem auch andere, bereits genehmigte Beihilfen zugute kamen, und die Mehrkosten einer Maßnahme decken sollte, die Gegenstand genehmigter Beihilfen gewesen war.
3. Anwendung im vorliegenden Fall
150. Die materiell-rechtliche Prüfung der vorliegenden Entscheidung ergibt zwei Problembereiche: Erstens die fehlende Anmeldung der Beihilfen, die deshalb rechtswidrig sind, und zweitens ihre Unangemessenheit im Hinblick auf den freien Wettbewerb, die zur Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt führt.
a) Die Rechtswidrigkeit
151. In der Entscheidung der Kommission wird zunächst festgestellt, dass die nach Artikel 5 des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 gewährten Vergünstigungen deshalb rechtswidrig seien, weil weder dieses Gesetz noch die auf seiner Grundlage ergangenen Beschlüsse bei ihr angemeldet worden seien.
152. Die fehlende Anmeldung ist eine leicht nachprüfbare Tatsache, was grundsätzlich schwer zu der Verzögerung passt, die in den vorliegenden Ausgangsfällen zu verzeichnen ist.
153. Zuvor allerdings sind die erlassenen Maßnahmen im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 87 bis 89 EG zu überprüfen. Dies ist manchmal keine leichte Aufgabe.
154. Überdies betreffen die festgestellten gemeinschaftsrechtlichen Verstöße nicht nur formale Aspekte, sondern auch das Wesen der fraglichen Beihilfen selbst. Insoweit ist die Rechtsprechung Boussac(102) relevant, wonach eine staatliche Beihilfe nicht allein deshalb zurückgefordert werden darf, weil sie nicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG angemeldet worden ist, also wegen ihrer formellen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, sondern nur dann, wenn sie materiell gemeinschaftsrechtswidrig ist.
155. Es handelt sich somit nicht um isoliert zu beurteilende Fragen, sondern diese sind eng miteinander verknüpft, was zur Prüfung des zweiten Aspekts der Entscheidung führt.
b) Die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt
156. Um die Frage des Zeitablaufs beurteilen zu können, sind die fraglichen Daten des Ausgangssachverhalts im Hinblick sowohl auf die Beihilfegewährung durch die sardische Regionalregierung als auch auf die einzelnen Handlungsschritte der Kommission zu bewerten.
157. Eine eingehende Prüfung führt zu einer differenzierteren Betrachtung dieser Datenangaben, also der Verabschiedung des Regionalgesetzes im Jahr 1988, der Verfahrenseinleitung im Jahr 1994, dem Erlass der Entscheidung im Jahr 1997 und der Rückforderung der rechtsgrundlos gezahlten Beträge im Jahr 2001.
158. Um die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts zu beurteilen, ist auf das pflichtgemäße Tätigwerden der Gemeinschaftsorgane abzustellen. Das Verhalten des betreffenden Mitgliedstaats beeinflusst die interne Sphäre seines Verhältnisses zu den Bürgern, kann aber nicht die Nichtigerklärung der Entscheidung begründen. Die strittigen Fristen beginnen deshalb mit dem Zeitpunkt, in dem die Kommission erstmals von Umständen erfuhr, aus denen sich das Bestehen von Beihilfen schließen ließ, also am 1. September 1992 mit der Anmeldung des Regionalgesetzes Nr. 17/1992. Der diesen Zeitraum beschließende Stichtag ist der Tag der Mitteilung der von der Kommission erlassenen Entscheidung.
159. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten lassen sich zwei Phasen unterscheiden: eine Phase der vorläufigen Ermittlungen und eine weitere Phase der förmlichen Überprüfung.
i) Voruntersuchung
160. Da das Regionalgesetz Nr. 44/1988 und die Beschlüsse der „Giunta regionale“ nicht angemeldet worden waren, waren in dieser Phase zunächst die einschlägigen Regelungen zu ermitteln, besonders das Wesen und die Reichweite der gewährten Vergünstigungen und ihre Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt(103).
161. Diese Phase erstreckte sich auf die Zeit von September 1992 bis August 1994, in der, am 29. Oktober 1992 und 27. Mai 1993, wiederholt Auskünfte von der italienischen Regierung angefordert wurden, die hierauf am 24. März, 2. April und 3. Dezember 1993 antwortete; ein letztes Auskunftsersuchen datiert vom 28. Februar 1994 und wurde am 25. April 1994 beantwortet.
162. Dieses Tätigwerden zeigt, dass es einen für die behauptete Nichtigkeit der Entscheidung relevanten Stillstand nicht gab. Unabhängig davon, dass ein solcher Stillstand im Ausgangsverfahren im Einzelnen auch nicht belegt worden ist, fällt ins Auge, dass die nationalen Behörden bestimmte Auskunftsersuchen nur verzögert beantworteten, so etwa das vom 27. Mai 1993 erst sechs Monate später.
ii) Förmliches Verfahren
163. Diese zweite Phase erstreckt sich von der Eröffnung des förmlichen Verfahrens im August 1994 bis zum Erlass der Entscheidung im April 1997.
164. Besondere Bedeutung kommt der Veröffentlichung der bereits erwähnten Mitteilung der Kommission im Amtsblatt zu, die gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG an die Mitgliedstaaten und Dritte gerichtet war und mit der diese ersucht wurden, innerhalb eines Monats „ihre diesbezüglichen Stellungnahmen“ einzureichen. Im Urteil Intermills/Kommission heißt es dazu, dass Artikel 88 Absatz 2 EG „keine individuelle Fristsetzung für die einzelnen Beteiligten verlangt“, sondern nur dazu verpflichtet, „dafür Sorge zu tragen, dass alle potenziell Betroffenen unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt gelten zu machen“. In dem Urteil wird hinzugefügt: „Die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt ist demnach ein angemessenes Mittel zur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens.“(104)
165. In diesen Zeitraum von 32 Monaten fallen verschiedene Vorgänge wie etwa die Stellungnahmen Italiens vom 30. Januar, 25. August und 1. Dezember 1995. Außerdem wurde die Regelung im letzten Quartal 1995 geändert, und im Dezember 1995 wurden daraufhin weitere Auskünfte angefordert, die am 22. Februar 1996 mitgeteilt wurden. Von Interesse erscheint auch, dass die Kommission angesichts der gegebenen Umstände beschloss, die Änderung von 1995 zusammen mit der gesamten Beihilferegelung zu überprüfen, was dem betroffenen Mitgliedstaat durch Entscheidung vom 25. Juli 1996 mitgeteilt wurde, auch wenn die Prüfung damals noch nicht abgeschlossen werden konnte, da Informationen über die Auswirkungen der Reform fehlten.
166. Trotz Vorliegens einer nur schwerlich zu rechtfertigenden Verzögerung gab es somit keinen Stillstand in der Tätigkeit der Kommission.
c) Gesamtwürdigung
167. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte, des doppelten Inhalts der Entscheidung und des ihr vorangegangenen Handlungsablaufs ist zusammenfassend festzustellen, dass ein berechtigtes Vertrauen der Begünstigten nicht verletzt wurde, denn zum einen sind die fehlende Anmeldung des Regionalgesetzes Nr. 44/1988 und der zu seiner Durchführung ergangenen Beschlüsse sowie die öffentliche Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung zu berücksichtigen und zum anderen erscheint der bis zum Erlass der Entscheidung verstrichene Zeitraum hierfür nicht hinreichend lang.
C – Andere Mängel
168. Vor jeder weiteren Überlegung ist nochmals hervorzuheben, dass die Beihilfen mit der Entscheidung für rechtswidrig und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurden. Die erste Feststellung beruht auf der Beihilfevergabe, ohne dass die Kommission die geplanten Beihilfen hatte prüfen können, die zweite Feststellung ist gestützt auf Artikel 87 Absatz 1 EG, da die Voraussetzungen für die in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels festgelegten Ausnahmen nicht vorlägen.
169. Diese doppelte Feststellung genügt den vom Gerichtshof formulierten Anforderungen, bei denen seit den Urteilen Boussac und Tubemeuse zu unterscheiden ist zwischen der materiellen Rechtswidrigkeit und der verfahrensrechtlichen Rechtswidrigkeit, so dass das Fehlen einer förmlichen Anmeldung der Beurteilung im Hinblick auf den freien Wettbewerb nicht vorgreift.
170. Im vorliegenden Fall ist auch nicht die fehlende Anmeldung, die die Rechtswidrigkeit der Beihilfen bewirkt, strittig erörtert worden, sondern deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und die Frage des ordnungsgemäßen Tätigwerdens.
171. So sind nacheinander die Fragen einer pflichtwidrigen Bearbeitung, einer unzureichenden Begründung und einer etwaigen materiellen Rechtmäßigkeit der Beihilfen zu erörtern.
1. Verfahrensfehler
172. Bis zu dem Erlass der Verordnung Nr. 659/1999 verfügte die Kommission nicht über Rechtsvorschriften, die ihr Tätigwerden im Fall bereits beschlossener oder tatsächlich gewährter Beihilfen festlegten. Sie folgte vorher der Rechtsprechung des Gerichtshofes, der seit dem Urteil vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache Italien/Kommission(105) ein spezielles Kontrollverfahren entwickelt und sich dafür auf die Regeln gestützt hatte, die im Fall einer erfolgten Anmeldung galten.
173. So wurden im Urteil Boussac folgende einzelne Schritte benannt:
– Stellt die Kommission fest, dass ohne ihre vorherige Beteiligung eine Beihilfe zugelassen oder geändert wurde, so ersucht sie den betreffenden Staat um eine Stellungnahme, nach der sie ihm die sofortige Aussetzung der Bewilligung und gegebenenfalls der Durchführung der Beihilfen aufgeben und alle Unterlagen, Auskünfte und genauen Daten anfordern kann.
– Liegen diese Informationen der Kommission vor, so prüft sie die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt. Soweit der betroffene Mitgliedstaat nicht Stellung genommen hat, kann sie das Verfahren abschließen und eine sachgerechte Entscheidung erlassen, mit der sie gegebenenfalls die Rückforderung der Beihilfen anordnet.
– Setzt der Mitgliedstaat die Beihilfevergabe nicht aus, so kann die Kommission unter gleichzeitiger Fortführung ihrer Prüfung in der Sache auch unmittelbar den Gerichtshof anrufen, um eine Vertragsverletzung feststellen zu lassen.
174. Im vorliegenden Fall unternahm die Kommission, nachdem sie von den mutmaßlichen Beihilfen erfahren hatte, eine Voruntersuchung, die in die förmliche Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 mündete, in dessen Verlauf Italien mehrfach Stellung nahm und das mit der strittigen Entscheidung abgeschlossen wurde.
175. In dieser Ereignisabfolge lässt sich kein wesentlicher Verstoß feststellen, der zur Nichtigkeit der abschließenden Entscheidung führen könnte.
176. Im Übrigen ergeben sich folgende weitere Überlegungen:
a) Das Regionalgesetz Nr. 44/1988 – ergänzt durch das Regionalgesetz Nr. 17/1992 – sah in Artikel 5 die Vergabe von zinsverbilligten Darlehen vor, die nach Artikel 5 Absatz 4 außer durch dieses Gesetz selbst durch ein Gesetz von 1928 über die Vergabe von landwirtschaftlichen Darlehen geregelt wurden, das allerdings nicht die Beihilfen selbst näher regelte, sondern nur das Mittel ihrer Gewährung, und auch dieses nicht vollständig.
Folglich ist das Vorbringen unstimmig, wonach es sich um bereits vor Inkrafttreten des Vertrages vorgesehene Beihilfen handelte – in diesem Fall wäre Artikel 88 Absatz 1 EG zu beachten, der der Kommission und den Mitgliedstaaten die fortlaufende Überprüfung von bereits „bestehenden“ Beihilfen vorschreibt. Vielmehr handelt es sich eindeutig um neue Beihilfen(106).
b) Ebenso wenig greift das Vorbringen durch, demzufolge auch nach der Notifizierung des Regionalgesetzes Nr. 17/1992 die materielle Rechtmäßigkeit nicht geprüft worden sei, da mit dieser Anmeldung zunächst eine vorläufige Untersuchung einzuleiten war und verschiedene Verfahrensschritte erforderlich wurden.
Auch wenn in der Entscheidung die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt behandelt wird, hat die Zeitdauer der Bearbeitung keine Auswirkungen auf die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit, sondern ist in anderem Zusammenhang relevant, nämlich für die Anwendbarkeit des Vertrauensschutzgrundsatzes, die bereits erörtert wurde.
2. Die Begründung der Entscheidung
177. In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Portugal/Kommission(107) habe ich darauf hingewiesen, dass die Begründung „ein wesentlicher Bestandteil eines Rechtsakts“(108) ist und dass die Pflicht, Entscheidungen mit Gründen zu versehen, nicht nur dem Schutz des Einzelnen dient, sondern darüber hinaus bezweckt, dem Gerichtshof die richterliche Nachprüfung der Entscheidung in vollem Umfang zu ermöglichen(109). In der Rechtsprechung ist auch wiederholt betont worden, dass nach dem Vertrag in einem Rechtsakt die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die ihn erlassen hat, so klar und unzweideutig wiederzugeben sind, dass es den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme kennen zu lernen, und dem Gerichtshof, seine Kontrolle auszuüben. Jedoch brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, denn nicht nur der Wortlaut eines Rechtsakts ist zu berücksichtigen, sondern auch sein Zusammenhang sowie sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet(110).
178. Wegen der wirtschaftlich komplexen Natur der Beihilferegelungen sind in diesem Bereich die Begründungen von Entscheidungen besonders wichtig. Bereits im Urteil Kommission/Deutschland vom 12. Juli 1973(111) ist betont worden, dass eine Entscheidung hinreichend genau sein sollte, und weil es daran fehlte, wurde in den Rechtssachen Intermills/Kommission und Niederlande und Leeuwardeer Papierwarenfabrik/Kommission(112) der angefochtene Rechtsakt aufgehoben. Jedoch ist im Urteil Boussac entschieden worden, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat eine Beihilfe bewilligt, ohne sie zuvor angemeldet zu haben, die Entscheidung, mit der diese Beihilfe für unzulässig erklärt wird, nicht die tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handelsverkehr aufzeigen muss, da sonst diejenigen, die die Mitteilungspflicht verletzen, zu Lasten derjenigen begünstigt würden, die die Beihilfen in der Planungsphase anmelden (insbesondere Randnrn. 32 und 33).
179. Im Ausgangsfall werden in der Begründung der Entscheidung der Kommission das für den Erlass der Entscheidung durchgeführte Verfahren sowie die nationalen Vorschriften im Einzelnen dargelegt. Ferner wird ausgeführt, aus welchen Gründen die fehlende Anmeldung besonders schwerwiegend sei, weiterhin die Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten nicht anwendbar seien und schließlich das Vorbringen zu den Ursachen der übermäßigen Unternehmensverschuldung nicht durchgreife. Sodann werden die Wirkungen der Beihilfen und die Unanwendbarkeit der Ausnahmen gemäß Artikel 87 Absatz 2 Buchstaben a und c EG erörtert. Schließlich wird dargelegt, aus welchen Gründen die erhaltenen Beträge zurückgezahlt werden müssten.
180. Hieraus ergibt sich, dass eine hinreichende Begründung vorliegt. Man mag den Umfang oder den Inhalt der dargelegten Erwägungen kritisch beurteilen, jedoch sind die Gründe für die Entscheidung bekannt.
3. Die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt
181. Für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen sind, ebenso wie im Fall von Wettbewerbsbeschränkungen, die Marktwirtschaft und die europäische Integration zu berücksichtigen(113), denn ihre Gewährung verletzt die Gleichheit der verfügbaren Mittel und verfälscht die den Unternehmen zu Gebote stehenden Möglichkeiten, auch wenn sie, zumindest vorübergehend, zur Anpassung an neue Situationen, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder zu einer harmonischen regionalen Entwicklung beitragen können.
182. Dieser Interessenkonflikt findet Ausdruck in Artikel 87 EG, der staatliche Beihilfen untersagt (Absatz 1), aber eine Reihe von Tatbeständen auflistet, in denen Beihilfen zulässig sind, und schließlich bestimmte Fälle der Kommission zur Entscheidung zuweist (Artikel 2 und 3).
183. Wie sehr bald im Urteil vom 14. Dezember 1962 in der Rechtssache Kommission/Luxemburg und Belgien(114) entschieden worden ist, sind die Ausnahmen von der allgemeinen Regelung restriktiv auszulegen. Im Urteil Syndicat national des céréales u. a.(115) sind die für die Ausnahmen im Agrarbereich geltenden Grenzen präzisiert worden. Wie kürzlich im Urteil vom 11. November 2004 in der Rechtssache Spanien/Kommission(116) festgestellt wurde, hängen die Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten davon ab, ob zwischen den in diesen Staaten ansässigen Unternehmen des betreffenden Sektors wirksamer Wettbewerb besteht (Randnr. 29). Dieser Gedanke ist im Zusammenhang zu sehen mit der im Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache Griechenland/Kommission(117) – und auch in der vorherigen Rechtsprechung vielfach – getroffenen Feststellung, dass „weder der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe(118) noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaten oder eine Verfälschung des Wettbewerbs [ausschließen]“ (Randnr. 69), denn für die Beurteilung dieser Auswirkungen sind auch andere Umstände von wesentlicher Bedeutung, so etwa, „ob Beihilfen nebeneinander bestehen und ob die begünstigten Unternehmen in einem in besonderer Weise dem Wettbewerb ausgesetzten Sektor tätig sind“ (Randnr. 70), wozu auch die Landwirtschaft gehört(119).
184. Um die Rechtmäßigkeit der Beihilfen zu begründen, ist Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b und Absatz 3 Buchstaben a und c EG angeführt worden.
a) Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b EG
185. Nach dieser Bestimmung sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar „Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind“.
186. Im Urteil vom 11. November 2004 in der Rechtssache Spanien/Kommission wird insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den durch die außergewöhnlichen Ereignisse verursachten Schäden und der staatlichen Beihilfe verlangt, was eine genaue Schätzung der von den betroffenen Erzeugern erlittenen Schäden voraussetze (Randnr. 37).
187. Im vorliegenden Fall liegt kein Unglücksfall oder außergewöhnliches Ereignis vor, das besondere wirtschaftliche Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts erforderlich machte, denn weder die – wenngleich hartnäckige – Dürre noch die Marktkrise, die hohen Zinsen oder die mangelnde Vertriebsorganisation erfüllen diese Voraussetzung. Es fehlt auch eine – auch nur als Anhalt geeignete – Schätzung der von den Adressaten erlittenen Schäden.
b) Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c EG
188. Nach diesen Bestimmungen kann die Kommission bestimmte Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären, nämlich „Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht“ sowie „Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft“.
189. Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung des Artikels 87 Absatz 3 EG „über einen weiten Ermessensspielraum, den sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind“. Ferner darf der Gerichtshof „bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die zuständige Behörde nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen …, sondern [muss] sich darauf beschränken …, zu prüfen, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist“(120).
190. Im vorliegenden Fall weisen weder der Tenor noch die Begründungserwägungen der Entscheidung eine Unklarheit über die vorgenommene Beurteilung auf. Es besteht auch kein Grund für die Annahme, dass die Kommission ihre Befugnisse zu anderen Zwecken als den rechtlich vorgesehenen ausgeübt hätte.
191. In der Entscheidung wird auch auf die gemeinschaftlichen Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten eingegangen, die von Italien im Verwaltungsverfahren geltend gemacht worden waren. Sie waren im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens das Verfahren bereits eingeleitet war; aber auch wenn man sie zugrunde legt, sind doch die darin genannten Voraussetzungen in keinem der fraglichen Sachverhalte erfüllt.
VIII – Die Folgen der Gültigkeit der Entscheidung
192. Ist die Entscheidung rechtmäßig, so bedeutet dies nach dem Urteil Tubemeuse als logische Konsequenz des gemeinschaftsrechtlichen Verstoßes, dass die erhaltenen Beträge zurückzuzahlen sind.
193. Der Gerichtshof hat entschieden, dass bei fehlenden gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschriften über die Rückforderung von Beihilfen – jedenfalls bis zur Verordnung Nr. 659/1999 – die nationalen Bestimmungen anzuwenden sind(121), wobei dem Mitgliedstaat eine loyale Zusammenarbeit obliegt, um die sich stellenden Schwierigkeiten zu überwinden(122). In diesem Sinne ist im Urteil vom 29. Juni 2004 in der Rechtssache Kommission/Rat(123) festgestellt worden, dass die Verpflichtung des Mitgliedstaats, eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe aufzuheben, der „Wiederherstellung der früheren Lage [dient]“, die durch die Rückzahlung zuzüglich Verzugszinsen erreicht wird, da hierdurch der Begünstigte „den Vorteil [verliert], den er auf dem Markte gegenüber seinen Mitbewerbern besaß“ (Randnr. 42).
194. Aus den vorstehenden Ausführungen ist deutlich geworden, dass der betroffene Mitgliedstaat der Kommission weder die erlassenen Maßnahmen mitteilte noch die Betroffenen über die Einleitung des Verfahrens unterrichtete. Als er diese schließlich über die endgültige Entscheidung informierte, waren – unabhängig davon, dass sie von ihr möglicherweise auf anderem Wege vorher erfahren hatten – seit ihrem Erlass fast vier Jahre vergangen.
195. In den Ausgangsverfahren sind bestimmte Umstände hervorgehoben worden, auf die sich die Kläger für ihre Schadensersatzanträge stützen. Auch wenn der Gerichtshof über diesen Punkt nicht zu entscheiden hat, spricht nichts dagegen, dass er dem nationalen Gericht bestimmte für diese Frage zweckmäßige Hinweise gibt.
196. Im Mittelpunkt der Diskussion steht eine mögliche Staatshaftung wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts(124), besonders wegen einer Verletzung der Pflicht zur vorherigen Unterrichtung der Kommission, da der andere angeführte Aspekt nach dem innerstaatlichen Recht zu beurteilen ist, genauso wie eine mögliche Missachtung eines berechtigten Vertrauens der Betroffenen durch Italien.
197. Wenn die Begünstigten der Beihilfen, die wegen Verletzung der Verfahrensbestimmungen aufgehoben wurden, Schadensersatzklagen erheben(125), so ist es von großer Bedeutung, festzustellen, ob ein „hinreichend qualifizierter Verstoß“(126) vorliegt, um im Sinne des Urteils Brasserie du pêcheur und Factortame(127) eine Schadensersatzpflicht zu begründen.
198. Diese Feststellung obliegt dem nationalen Gericht, das, wenn sich insoweit für es Zweifel ergeben, dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vorlegen kann. Jedenfalls ist zu betonen, dass dann, wenn ein Schadensersatzanspruch anerkannt wird, der Schaden nicht mit den zurückzuzahlenden Beträgen deckungsgleich ist, weil dies auf eine indirekte Gewährung von rechtswidrigen und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen hinausliefe.
IX – Ergebnis
199. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Tribunale Cagliari folgendermaßen zu antworten:
Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Entscheidung 97/612/EG der Kommission vom 16. April 1997 über die von der Region Sardinien (Italien) im Sektor Landwirtschaft gewährten Beihilfen beeinträchtigen könnte.
1 – Originalsprache: Spanisch.
2 – ABl. L 248, S. 27.
3 – Zitiert nach Calvo Caravaca, A. L., und Carrascosa González, J., Intervenciones del Estado y libre competencia en la Unión Europea, Madrid 2001, S. 171.
4 – „Kann diese Art von Interventionismus im Wirtschaftsleben bereits schwerwiegende Bedenken – jedenfalls theoretischer Art – hervorrufen, soweit das interne Wirtschaftssystem des einzelnen Staates in Frage steht, so wird, wenn es um die Verwirklichung eines supranationalen einheitlichen Marktes geht, ein fortbestehender Interventionismus einzelner Staaten durch Beihilfevergaben an ihre Unternehmen zu einem praktisch unüberwindbaren Hindernis“ (Fernández Farreres, G., „El control de las ayudas“, in: García de Enterría, E., González Campos, J., und Muñoz Machado, S. (Hrsg.), Tratado de derecho comunitario europeo, Bd. II, Madrid 1986, S. 620.
5 – Valle Gálvez, A., „Las ayudas de Estado en la Jurisprudencia del Tribunal de Justicia de las Comunidades Europeas“, in: Rodríguez Iglesias, G. C., und Liñán Nogueras, D. J. (Hrsg.), El derecho comunitario europeo y su aplicación judicial, Madrid 1993, S. 885.
6 – Aus zeitlichen Gründen ist – außer als bloße Leitlinie – die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 (ABl. L 83, S. 1), die Durchführungsvorschriften zu Artikel 88 EG enthält, in den Ausgangsverfahren nicht anwendbar.
7 – Mitteilung der Kommission – Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor (ABl. C 28 vom 1. Februar 2000, S. 2), Ziffer 3.1.
8 – ABl. Nr. 30, S. 993.
9 – Amtsblatt der Region Sardinien Nr. 46 vom 14. Dezember 1988.
10 – Von der Kommission als Anlage 6 ihrer schriftlichen Erklärung vorgelegt.
11 – Vgl. Anlage 2 der Erklärung der Kommission.
12 – Vgl. Anlage 3 der Erklärung der Kommission.
13 – Vgl. Anlage 4 der Erklärung der Kommission.
14 – Vgl. Anlage 5 der Erklärung der Kommission. Das Datum der Verabschiedung durch die „Giunta regionale“ war der 23. Juni 1992.
15 – Amtsblatt der Region Sardinien Nr. 35 vom 1. September 1992.
16 – Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag an die übrigen Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten betreffend eine Beihilfemaßnahme Italiens (Region Sardinien) zugunsten von in Schwierigkeiten geratenen landwirtschaftlichen Betrieben (ABl. 1994, C 271, S. 14).
17 – Amtsblatt der Region Sardinien Nr. 42 vom 13. Dezember 1995.
18 – ABl. 1994, C 368, S. 12. Die jüngste Fassung wurde veröffentlicht im ABl. 2004, C 244, S. 2.
19 – Rechtssache T‑21/02.
20 – Der Beschluss ist in der amtlichen Sammlung nicht wiedergegeben. Sein Tenor wurde veröffentlicht im Amtsblatt C 202, S. 28.
21 – So wurde etwa auch in der Rechtssache T‑4/02 die Klage als verspätet angesehen und daher durch Beschluss vom 29. Mai 2002 als unzulässig abgewiesen.
22 – Martín y Pérez de Nanclares, J., „El proyecto de Constitución europea: reflexiones sobre los trabajos de la Convención“, Revista de Derecho Comunitario Europeo Nr. 15, Mai/August 2003, S. 564.
23 – ABl. 2004, C 310, S. 1.
24 – Die materiell-rechtliche Definition des Europäischen Gesetzes entspricht der geltenden Verordnung und die des Rahmengesetzes der Richtlinie. Die Grundfunktion der Verordnung ist es, Gesetzgebungsakte und einzelne Bestimmungen der Verfassung durchzuführen, während die Entscheidung in allen ihren Teilen verbindlich ist, allerdings nur für ihre Adressaten, sofern sie solche bezeichnet.
25 – Zur Öffnung des Zugangs zum Gerichtshof vgl. Louis, J. V., „La fonction juridictionnelle, de Nice à Rome … et au-delà“, in: de Schutter, O., und Nihoul, P. (Hrsg.), Une Constitution pour l´Europe. Réflexions sur les transformations du droit de l´Union européenne, Brüssel 2004, S. 135 f.
26 – Vgl. Rodríguez Curiel, J. W., „Recursos contra la Comisión Europea en materia de ayudas de Estado interpuestos por personas físicas o jurídicas“, Revista Española de Derecho Europeo Nr. 2, April/Juni 2002, S. 259 ff.
27 – Vgl. meine Schlussanträge vom 3. Mai 2001 in der Rechtssache C‑315/99 P (Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg. 2001, I‑5281). Vgl. ferner Waelbroeck, M., und Waelbroeck, D., „Article 173“, in: Louis, J.‑V., Vandersanden, G., Waelbroeck, D., und Waelbroeck, M., Commentaire Megret. Le droit de la CEE, Bd. 10 (La Cour de Justice. Les actes des institutions), Brüssel 1993, S. 98, und Vandersanden-Barav, Contentieux communautaire, Brüssel 1977, S. 127.
28 – Castillejo Manzanares, R., „El recurso de anulación“, in: Mariño, F., Moreno Catena, V., und Moreiro, C. (Hrsg.), Derecho procesal comunitario, Valencia 2001, S. 151.
29 – Zum Beispiel Urteil vom 10. Mai 1960 in der Rechtssache 19/58 (Deutschland/Hohe Behörde, Slg. 1960, 471), in dem es heißt, dass der Rechtsmangel der Unzuständigkeit zu prüfen ist, obgleich er im dortigen Fall weder in der Klageschrift noch in der Klagebeantwortung förmlich geltend gemacht worden war.
30 – Vgl. allgemein Moitinho de Almeida, J. C., „Evolución jurisprudencial en materia de acceso de los particulares a la jurisdicción comunitaria“, in: Rodríguez Iglesias, G. C., und Liñán Nogueras, D. J. (Hrsg.), a. a. O., S. 595 ff. Indessen hat diese Aktivlegitimation des Einzelnen für die Nichtigkeitsklage, wie ich in meinen Schlussanträgen in der noch anhängigen Rechtssache C‑110/03 (Belgien/Kommission) ausgeführt habe, zu einer restriktiven Rechtsprechung des Gerichtshofes Anlass gegeben, die in der Lehre stark kritisiert worden ist (vgl. u. a. Sarmiento, D., „La sentencia UPA [C‑50/2000], los particulares y el activismo inactivo del Tribunal de Justicia“, Revista Española de Derecho Europeo Nr. 3, Juli-September 2002, S. 531 bis 577; Ortega, M., El acceso de los particulares a la justicia comunitaria, Barcelona 1999, insbesondere Kapitel 6 „Hacia una mejora del sistema de protección jurisdiccional de los particulares“). In seinen Schlussanträgen vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C‑50/00 (Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I‑6677) hat Generalanwalt Jacobs eine weite Auslegung befürwortet, wonach „ein Kläger von einer Gemeinschaftshandlung individuell betroffen ist, wenn die Handlung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf seine Interessen hat oder haben kann“ (Nr. 102, Ziffer 4). Das Gericht hatte sich dieser Auffassung ursprünglich in seinem Urteil vom 3. Mai 2002 in der Rechtssache T‑177/01 (Jégo-Quéré, Slg. 2002, II‑2365) angeschlossen, jedoch ist dieses Urteil am 1. April 2004 vom Gerichtshof aufgehoben worden (C‑263/02 P, Slg. 2004, I-3425). Dieser extensiveren Linie folgt auch der Vertrag über eine Verfassung für Europa, nach dessen Artikel III‑365 Absatz 4 zwei Möglichkeiten zu unterscheiden sind: Zum einen kann jede natürliche und juristische Person „die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen“ anfechten und zum anderen „Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“, was im Kontext der neuen im Verfassungsvertrag vorgesehenen normativen Instrumente zu sehen ist.
31 – Vgl. u. a. Urteile vom 5. Mai 1977 in der Rechtssache 101/76 (Koninklijke Scholten Honing/Rat und Kommission, Slg. 1977, 797, Randnrn. 6 und 7), vom 17. Juni 1980 in den verbundenen Rechtssachen 789/79 und 790/79 (Calpak/Kommission, Slg. 1980, 1949, Randnr. 7), vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 147/83 (Binderer/Kommission, Slg. 1985, 257, Randnr. 14) und vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C‑322/88 (Grimaldi, Slg. 1989, 4407, Randnr. 14).
32 – Urteil vom 14. Dezember 1962 (16/62 und 17/62, Slg. 1962, 901, Randnr. 2); vgl. auch Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 307/81 (Alusuisse/Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463, Randnr. 8).
33 – Urteile vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C‑298/89 (Gibraltar/Rat, Slg. 1993, I‑3605, Randnr. 17) und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C‑309/89 (Codorniu/Rat, Slg. 1994, I‑1853, Randnr. 18).
34 – C‑106/98 P (Slg. 2000, I‑3659, Nr. 15).
35 – In diesem Sinne Ortega, M., a. a. O., S. 54 bis 64, und die dort zitierte Rechtsprechung.
36 – In der Lehre ist diese Anforderung als „fast unüberwindbare Barriere“ oder als „echte Feuerprobe“ bezeichnet worden. Vgl. Kovar, R., und Barav, A., „Variations nouvelles sur un thème ancien: les conditions du recours individuel en annulation dans la CEE. À propos du cas d’un acte pris sous l’apparence d’un règlement“, Cahiers de Droit Européen 1976, Nr. 1, S. 75; Cortés Martín, J. M., „Afectación individual (230.4 CE): ¿un obstáculo infranqueable para la admisibilidad del recurso de anulación de los particulares?“, Revista de Derecho Comunitario Europeo Nr. 16, September/Dezember 2003, S. 1119 ff.
37 – Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62 (Slg. 1963, 211).
38 – Urteile vom 2. Juli 1964 in der Rechtssache 1/64 (Glucoseries Réunies/Kommission, Slg. 1964, 883), vom 23. November 1971 in der Rechtssache 62/70 (Bock/Kommission, Slg. 1971, 897), vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86 (Deutz und Geldermann/Rat, Slg. 1987, 941), vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑321/95 P (Greenpeace Council u. a./Kommission, Slg. 1998, I‑1651) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑298/00 P (Italien/Kommission, Slg. 2004, I-4087); vgl. auch Beschluss vom 21. Juni 1993 in der Rechtssache C‑257/93 (Van Parijs u. a./Rat und Kommission, Slg. 1993, I‑3335).
39 – Urteil vom 2. Februar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Slg. 1988, 219). Im gleichen Sinne auch Urteile vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C‑6/92 (Federmineraria/Kommission, Slg. 1993, I‑6357, Randnr. 14) und vom 19. Oktober 2000 in den verbundenen Rechtssachen C‑15/98 und C‑105/99 (Italien und Sardegna Lines/Kommission, Slg. 2000, I‑8855, Randnr. 33).
40 – Vgl. auch Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache Italien/Kommission (Randnr. 39). Aus der Lehre vgl. Koenig, C., Pechstein, M., und Sander, C., EU-/EG-Prozessrecht, 2. Aufl., Tübingen 2002, S. 203.
41 – Urteil vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83 (Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23).
42 – Zusammen mit der Einrede der Unanwendbarkeit und der Klage wegen außervertraglicher Haftung. Hinsichtlich der Unanwendbarkeitseinrede sei daran erinnert, dass sie nach dem Urteil vom 14. Dezember 1962 in den verbundenen Rechtssachen 31/62 und 33/62 (Wöhrmann/Kommission, Slg. 1962, I‑965) allein dem Zweck dient, den Rechtsunterworfenen gegen die Anwendung einer rechtswidrigen Verordnung zu schützen, ohne dass indessen die Verordnung selbst Gegenstand der Anfechtung ist. Vgl. Ortega, M., a. a. O., S. 139 bis 158 und 159 bis 188.
43 – Urteile vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78 (Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777, Randnr. 39) und vom 15. Februar 2001 in der Rechtssache C‑239/99 (Nachi Europe, Slg. 2001, I‑1197, Randnr. 36).
44 – In diesem Sinne Everling U., „L’avenir de l’organisation juridictionnelle de l’Union européenne“, in: La reforme du système juridictionnel communautaire, Institut d’Etudes Européennes, Brüssel 1994, S. 22.
45 – Urteil vom 21. Mai 1987 in den verbundenen Rechtssachen 133/85 bis 136/85 (Rau/BALM, Slg. 1987, 2289).
46 – Vgl. Gröpl, C., „Individualrechtsschutz gegen EG-Verordnungen. Rechtsschutzlücken im Konkurrenzverhältnis des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b EGV) gegenüber der Nichtigkeitsklage (Art. 173 EGV)“, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 1995, 583 ff.; Pache, E., „Keine Vorlage ohne Anfechtung? – Zum Verhältnis des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 I lit. b EGV zur Nichtigkeitsklage nach Art. 173 IV EGV)“, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1994, 615 ff.; und Tomuschat, C., Die gerichtliche Vorabentscheidung nach den Verträgen über die Europäischen Gemeinschaften, München 1964, S. 87 ff.
47 – Urteil vom 9. März 1994 in der Rechtssache C‑188/92 (TWD Textilwerke Deggendorf, „Urteil Deggendorf“, Slg. 1994, I‑833).
48 – Urteil vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C‑241/95 (Slg. 1996, I‑6699).
49 – Urteil vom 30. Januar 1997 in der Rechtssache C‑178/95 (Slg. 1997, I‑585).
50 – Verschiedene Autoren meinen, dass volle Kenntnis der gemeinschaftlichen Entscheidung, die Möglichkeit ihrer Anfechtung im Wege der Nichtigkeitsklage und die Stellung als unmittelbar und individuell Betroffener erforderlich sind. Vgl. Turner, S., „Challenging EC law before national court: a further restriction of the rights of natural and legal persons?“, Irish Journal of European Law 1/1995, S. 81.
51 – Die ernsten Bedenken der Literatur hat A. Barav („Deviation prejudicielle“, in: Les dynamiques du droit européen en début de siècle – Études en l’honneur de Jean-Claude Gautron, Paris 2004, S. 227 ff.) meisterlich zusammengetragen und analysiert.
52 – Urteile vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Slg. 1987, I‑4199), vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 161/88 (Slg. 1989, 2415) und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C‑80/89 (Slg. 1990, I‑2659), in denen Vorlagefragen nach der Gültigkeit von Entscheidungen über die Nacherhebung von Eingangsabgaben beantwortet wurden.
53 – Urteil vom 27. September 1983 in der Rechtssache 216/82 (Slg. 1983, 2771).
54 – In diesem Sinne Ritleng, D., „Pour une systématique des contentieux au profit d´une protection juridictionnelle effective“, in: Mélanges en hommage à Guy Isaac – 50 ans du droit communautaire, Bd. 2, Toulouse 2004, S. 735 ff., zitiert nach Barav, A., a. a. O., S. 244 (Anm. 100).
55 – Urteil vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C‑344/98 (Slg. 2000, I‑11369, Randnr. 55).
56 – Es erscheint unverhältnismäßig, von dem Einzelnen eine ständige Lektüre des Amtsblatts der Europäischen Union zu verlangen, um darin eine mögliche gemeinschaftliche Entscheidung zu finden, die seine Rechte verletzt. In diesem Sinne Hoskins, M., „Case C‑188/92, TWD Textilwerke Deggendorf GmbH v. Bundesrepublik Deutschland, Judgment of 9 March 1994, [1994] ECR I‑833“, Common Market Law Review 1994, S. 1402.
57 – Artikel II‑107 des Vertrages über eine Verfassung für Europa gewährt jeder Person, „deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind“, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
58 – G. M. Roberti („Le contrôle de la Commission des Communautés européennes sur les aides nationales“, Actualité Juridique Droit Administratif Nr. 6, 1993, S. 398) ordnet die staatlichen Beihilfen in einen Zwischenbereich zwischen der positiven und der negativen Integration ein, da ihre verschiedenen Formen häufig zu Instrumenten von größter Bedeutung für die Durchführung der Gemeinschaftspolitiken werden.
59 – Vgl. das Vorwort von J. L. Martínez López-Muñiz zum Buch von T. Prieto Álvarez, Ayudas agrícolas nacionales en el Derecho comunitario, Madrid 2001, S. 11 ff.
60 – Vgl. Blaise, J. B., „Liberté de concurrence en agriculture“, in: Raux, J. (Hrsg.), Politique Agricole Commune et construction communautaire, Paris 1984, S. 21; vgl. auch Dehousse, F., „Les règles de concurrence sur les aides d’état dans le secteur de l’agriculture“, Studia diplomatica Nr. 1-2, 2000, S. 41 bis 58.
61 – Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich in diesem Sinne in seiner Stellungnahme zum XXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1991) ausgesprochen. Er hat darin ausgeführt, dass die allgemeinen Bestimmungen des Vertrages über den Wettbewerb auch im Agrarsektor anzuwenden seien. Jedoch erscheine es vorstellbar, dass eine solche Anwendung Ergebnis einer Abwägung zwischen den Zielen der europäischen Wettbewerbspolitik und den Besonderheiten der gemeinsamen Agrarpolitik sei (S. 263).
62 – Analog schreibt Artikel III‑230 des Vertrages über eine Verfassung für Europa vor: „Der Abschnitt über die Wettbewerbsregeln findet auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen nur insoweit Anwendung, als Europäische Gesetze oder Rahmengesetze dies nach Artikel III‑231 Absatz 2 unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels III‑227 bestimmen.“
63 – Urteil vom 26. Juni 1979 in der Rechtssache 177/78 (Slg. 1979, 2161, Randnr. 11).
64 – Urteil vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 139/79 (Slg. 1980, 3393, Randnr. 23). Im gleichen Sinne Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1994, I‑4973, Randnrn. 59 bis 61).
65 – Vg. Prieto Álvarez, T., a. a. O., S. 234 ff.
66 – In diesem Sinne Barthélémy, M., „La politique communautaire en matière d’aides d’Etat dans le secteur agricole“, in: Blumann, C., und Lange, D. (Hrsg.), Les distorsions de concurrence en matière agricole dans la CEE, Revue de Droit Rural Nr. 163, 1988, S. 80.
67 – So ein Teil der Lehre, vgl. z. B. Muffat-Jeandet, D., Artikel „Aides“ in der Encyclopédie Juridique Dalloz. Répertoire de Droit communautaire, Bd. I, Paris 1992.
68 – Vgl. Blaise, J. B., a. a. O., S. 23.
69 – Urteil vom 25. März 1981 in der Rechtssache 61/80 (Coöperatieve Stremsel‑ en Kleurselfabriek/Kommission, Slg. 1981, 851, Randnr. 21).
70 – Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C‑250/92 (DLG, Slg. 1994, I‑5641, Randnr. 23).
71 – Im März 1966 legte die Kommission dem Rat eine Mitteilung über Kriterien für die Einführung einer gemeinsamen Politik für landwirtschaftliche Beihilfen vor, mit der u. a. vorgeschlagen wurde, die Verordnung Nr. 26 dahin zu ändern, dass die Artikel 87 ff. für alle im Anhang I des Vertrages aufgeführten Erzeugnisse anwendbar würden (Dok. KOM[66] endg. vom 23. März 1966, dem Rat vorgelegt am 25. März 1966). Zu diesem Thema vgl. Ventura, S., Principes de Droit agraire communautaire, Brüssel 1967.
72 – Urteil vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82 (Slg. 1984, 1051, Randnr. 12).
73 – Urteil vom 5. Juli 1984 in der Rechtssache 114/83 (Slg. 1984, 2589, Randnr. 27).
74 – Diesen Gedanken hat bereits Generalanwalt Capotorti in seinen Schlussanträgen vom 16. Januar 1979 in der Rechtssache 91/78 (Hansen, Slg. 1979, 935) zum Ausdruck gebracht. Nach verschiedenen Erwägungen hat er festgestellt, „dass es im Rahmen des im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofes umrissenen Systems widersinnig wäre, wenn man den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beihilfen in landwirtschaftlichen Bereichen, die noch nicht durch eine gemeinsame Marktordnung geregelt sind (und die es vielleicht niemals sein werden), weiterhin freie Hand ließe. Zur Übereinstimmung mit dem System des Vertrages scheint mir die Feststellung notwendig, dass die Bestimmungen der Artikel [87 und 88] des Vertrages nach Ende der Übergangszeit auch für die Landwirtschaft Anwendung finden“. Der Gerichtshof hat diese Frage nicht angesprochen, da er sie für unbeachtlich hielt (Randnr. 11 des Urteils).
75 – ABl. L 93, S. 1.
76 – ABl. L 218, S. 1. Nach ihrem Artikel 41 ist sie seit dem 9. August 1991 anwendbar.
77 – Auch wenn aus zeitlichen Gründen nur die Verordnung Nr. 797/85 gilt, ist die nachfolgende Verordnung ihrem Inhalt nach ähnlich: So enthält Anhang II der Verordnung Nr. 2328/91 eine Übereinstimmungstabelle für beide Regelungen – unter Einbeziehung auch der Verordnung Nr. 1760/87 des Rates vom 15. Juli 1987 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 797/85, (EWG) Nr. 270/79, (EWG) Nr. 1360/78 und (EWG) Nr. 355/77 im Bereich der Agrarstrukturen und zur Anpassung der Landwirtschaft an die neuen Marktgegebenheiten sowie zur Erhaltung des ländlichen Raums (ABl. L 167, S. 1).
78 – Wie unten dargelegt, fällt der Beschluss vom 27. Juni 1990 über forstwirtschaftliche Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich der „Landwirtschaft“, zumindest nicht aus gemeinschaftlicher Sicht.
79 – Bereits oben – insbesondere im Abschnitt „Die Beihilfevergabe durch die Regionalregierung Sardinien“ – ist diese Regelung, ebenso wie die übrigen, näher dargelegt worden.
80 – So sieht etwa die Verordnung Nr. 797/85 die Beteiligung der Abteilung „Ausrichtung“ des Europäischen Ausrichtungs‑ und Garantiefonds für die Landwirtschaft an forstwirtschaftlichen Maßnahmen für landwirtschaftliche Betriebe vor wie Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen, Anlage von Wind‑ und Brandschutzstreifen und Wegen oder Verbesserung von Waldflächen (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d und Artikel 20).
81 – In den verbundenen Rechtssachen C‑164/97 und C‑165/97 (Parlament/Rat, Slg. 1999, I‑1139).
82 – ABl. L 151, S. 16.
83 – Parejo Alfonso, L., de la Quadra-Salcedo Fernández del Castillo, T., Moreno Molina, A. M., und Estella de Noriega, A. (Hrsg.), Manual de Derecho administrativo comunitario, Madrid 2000, S. 75 f., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.
84 – Nach Auffassung von F. Hubeau („Le principe de la protection de la confiance légitime dans la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes“, Cahiers de Droit Européen Nr. 2-3, 1983, S. 149) und R. García Macho („Contenido y límites del principio de la confianza legítima: estudio sistemático en la jurisprudencia del Tribunal de Justicia“, Revista Española de Derecho Administrativo Nr. 56, 1987, S. 563) wurde der im deutschen Recht schon vorher bestehende Begriff des Vertrauensschutzes erstmals im Urteil von 13. Juli 1965 in der Rechtssache 111/63 (Lemmerz-Werke/Hohe Behörde, Slg. 1965, 893) verwendet.
85 – Schwarze, J., „Tendencies towards a Common Administrative Law in Europe“, European Law Review Nr. 2, 1991, S. 870.
86 – Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung bietet u. a. Castillo Blanco, F. A., La protección de la confianza en el Derecho administrativo, Madrid 1998, S. 163 bis 199.
87 – Vgl. u. a. Schwarze, J., a. a. O., S. 949 ff., Parejo Alfonso, L., u. a., a. a. O., S. 76 bis 78, und Rodríguez Curiel, J. W., „Principios generales del derecho y recuperación de ayudas de Estado ilegales. En especial la confianza legítima“, Gaceta Jurídica Nr. 209, September/Oktober 2000, S. 33 bis 36.
88 – Urteil vom 10. Januar 1992 in der Rechtssache C‑177/90 (Slg. 1992, I‑35, Randnr. 14).
89 – Pescatore, P., „Les principes généraux du droit en tant que source du droit communautaire“, Rapport du 12econgrès de la Fédération internationale pour le droit européen, Bd. I, Paris 1986, S. 35.
90 – Dieses vom Gerichtshof bestätigte Prinzip ist Artikel 1 der Verordnung Nr. 659/1999 zu entnehmen, die nach der Veröffentlichung der Entscheidung in Kraft getreten ist.
91 – In diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C‑169/95 (Spanien/Kommission, Slg. 1997, I‑135, Randnr. 49).
92 – Urteil vom 11. November 2004 in den verbundenen Rechtssachen C‑183/02 P und C‑187/02 P (Demesa und Territorio histórico de Álava/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 44) und – darin zitiert – Urteile vom 20. September 1990 in der Rechtssache C‑5/89 (Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I‑3437, Randnr. 14), vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C‑169/95 (Spanien/Kommission, Slg. 1997, I‑135, Randnr. 51) und vom 20. März 1997 in der Rechtssache C‑24/95 (Alcan Deutschland, Slg. 1997, I‑1591, Randnr. 25).
93 – Urteil Demesa y Territorio histórico de Álava/Kommission (Randnr. 45), das insoweit das Urteil Alcan Deutschland (Randnrn. 30 und 31) zitiert.
94 – Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑91/01 (Italien/Kommission, Slg. 2004, I-4355, Randnr. 66), das gestützt ist auf das Urteil Spanien/Kommission (Randnr. 53), und das Urteil des Gerichts vom 14. Mai 2002 in der Rechtssache T‑126/99 (Graphischer Maschinenbau/Kommission, Slg. 2002, II‑2427, Randnr. 42).
95 – Fastenrath, U., „Verwaltungsrecht. Europarecht“, Juristenzeitung 1992, S. 1081.
96 – I. Pernice („Neues zum EG-Beihilfenverbot“, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1992, S. 66) empfiehlt Beihilfeempfängern, nachzuprüfen, ob die Beihilfen angemeldet worden sind und ob Verfahren nach Artikel 88 Absatz 3 EG eingeleitet wurden. Er empfiehlt darüber hinaus den Mitgliedstaaten, ihrerseits zu überprüfen, ob es nicht angemeldete Beihilfen gibt. Die Kommission selbst hat in einer im Amtsblatt veröffentlichten Mitteilung (ABl. 1983, C 318, S. 3 f.) betont, dass nicht angemeldete Beihilfen prekär bleiben.
97 – C‑298/00 P (Slg. 2004, I-4087).
98 – Artikel 15 der Verordnung Nr. 659/1999 legt für die wirksame Ausübung der Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen eine Verjährungsfrist fest.
99 – Urteile vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 52/69 (Geigy/Kommission, Slg. 1972, 787, Randnrn. 20 und 21) und vom 24. September 2002 in den verbundenen Rechtssachen C‑74/00 P und C‑75/00 P (Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, Slg. 2002, I‑7869, Randnr. 140).
100 – Urteil vom 24. November 1987 in der Rechtssache 223/85 (Slg. 1987, I‑4617).
101 – Der außergewöhnliche Charakter dieses Falles ist bereits im Urteil vom 28. Januar 2003 in der Rechtssache C‑334/99 (Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I‑1139, Randnr. 44) hervorgehoben worden. Aus der Lehre vgl. Götz, V., „Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts“, H. III, Subventionsrecht, Randnr. 108, S. 34.
102 – Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C‑301/87 (Frankreich/Kommission, „Urteil Boussac“, Slg. 1990, I‑307, Randnrn. 19 ff.). Das Urteil wurde bestätigt in den Urteilen vom 21. März 1990 in der Rechtssache C‑142/87 (Belgien/Kommission, „Urteil Tubemeuse“, Slg. 1990, I‑959, Randnrn. 15 bis 20), vom 21. November 1991 in der Rechtssache C‑354/90 (Fédération Nationale du Commerce Extérieur des Produits Alimentaires und Syndicat National des Négociants et Transformateurs de Saumon, Slg. 1991, I‑5505, Randnr. 13) und vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C‑39/94 (SFEY u. a., Slg. 1996, I‑3547, Randnr. 43).
103 – Im Urteil Boussac (Randnr. 72) wird der Kommission, bevor sie das förmliche Verfahren eröffnet, eine Überlegungs‑ und Untersuchungsfrist zuerkannt.
104 – Urteil vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82 (Slg. 1984, 3809, Randnr. 17).
105 – 173/73 (Slg. 1974, 709).
106 – Wäre es anders, so würde, um ein von der Kommission genanntes Beispiel aufzugreifen, ein Verweis auf die vertragsrechtlichen Regelungen des Zivilgesetzbuches von 1942 bedeuten, dass die Maßnahmen schon zu dieser Zeit galten.
107 – Schlussanträge vom 7. September 2004 in der Rechtssache C‑249/02 (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
108 – Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 131/86 (Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 905, Randnr. 37).
109 – Urteil vom 20. März 1959 in der Rechtssache 18/57 (Nold KG/Hohe Behörde, Slg. 1959, 91) und Folgeurteile.
110 – Urteile vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C‑350/88 (Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I‑395) und vom 15. April 1997 in der Rechtssache C‑22/94 (Irish Farmers Association u. a., Slg. 1997, I‑1809).
111 – Rechtssache 70/72 (Slg. 1973, 813, Randnr. 23).
112 – Urteil vom 13. März 1985 in den verbundenen Rechtssachen 296/82 und 318/82 (Slg. 1985, 809).
113 – Calvo Caravaca, A. L., und Carrascosa González, J., a. a. O., S. 231.
114 – Verbundene Rechtssachen 2/62 und 3/62 (Slg. 1962, 813). Im Zusammenhang mit der Auslegung des in Anhang I des Vertrages enthaltenen Verzeichnisses hat der Gerichtshof daran festgestellt: „Aus Artikel [32] Absatz 2 geht hervor, dass die auf dem Gebiet der Landwirtschaft vorgesehenen Abweichungen von den Vorschriften für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes eng auszulegende Ausnahmebestimmungen darstellen. Sie dürfen daher nicht ausdehnend ausgelegt werden.“
115 – Urteil vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 34/70 (Slg. 1970, 1233).
116 – Rechtssache C‑73/03 (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
117 – Rechtssache C‑278/00 (Slg. 2004, I-3997).
118 – Die Prozessbevollmächtigten der Kläger der Ausgangsverfahren haben in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass die Beihilfen pro Empfänger durchschnittlich zwischen 5 000 und 10 000 Euro betrugen.
119 – In diesem Sinne Urteil vom 11. November 2004 in der Rechtssache Spanien/Kommission, wo es heißt, es bestehe kein Zweifel daran, dass der Agrarsektor ein dem Wettbewerb in der Europäischen Union besonders stark ausgesetzter Sektor sei (Randnr. 29).
120 – Vgl. aus jüngster Zeit Urteile vom 26. September 2002 in der Rechtssache C‑351/98 (Spanien/Kommission, Slg. 2002, I‑8031, Randnr. 74), vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache C‑409/00 (Spanien/Kommission, Slg. 2003, I‑1487, Randnr. 93) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache Griechenland/Kommission (Randnr. 97); die letztgenannte Entscheidung ist gestützt auf das Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑456/00 (Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I‑11949, Randnr. 41).
121 – Vgl. u. a. Urteil vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82 (Deutsche Milchkontor/Deutschland, Slg. 1983, 2633, Randnr. 19) und die dort zitierte Rechtsprechung.
122 – Urteil vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 52/84 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 89, Randnr. 16).
123 – Rechtssache C‑110/02 (Slg. 2004, I-6333); darin zitiert werden die Urteile vom 4. April 1995 in der Rechtssache C‑350/93 (Kommission/Italien, Slg. 1995, I‑699, Randnrn. 21 und 22) und vom 7. März 2002 in der Rechtssache C‑310/99 (Italien/Kommission, Slg. 2002, I‑2289, Randnrn. 98 und 99).
124 – Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung und auch der Fragestellung selbst Alonso García, R., La responsabilidad de los Estados miembros por infracción del Derecho comunitario, Madrid 1997. Allgemein unter kritischer Bewertung García de Enterría, E., „El principio de protección de la confianza legítima como supuesto título justificativo de la responsabilidad patrimonial del Estado legislador“, Revista de Administración Pública, September-Dezember 2002, S. 173 bis 206.
125 – Generalanwalt Léger hat in seinen Schlussanträgen vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache C‑197/99 P (Belgien/Kommission, Slg. 2003, I‑8461, Nr. 74) darauf hingewiesen, dass sich auf „der nationalen Ebene … aus der Feststellung, dass eine staatliche Beihilfe rechtswidrig ist, mehrere wichtige Folgen ergeben“ können, darunter mögliche Staatshaftungsklagen des Beihilfeempfängers oder seiner Wettbewerber gegen den betreffenden Staat; hierauf hatte bereits Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen Tubemeuse (Nr. 7, letzter Absatz) verwiesen.
126 – Vgl. Keppenne, J.-P., Guide des aides d´État en droit communautaire, Brüssel 1999.
127 – Urteil vom 5. März 1996 in den verbundenen Rechtssachen C‑46/93 und C‑48/93 (Slg. 1996, I‑1029, Randnr. 51).