BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

18. Dezember 2003

Rechtssache T-215/02

Santiago Gómez-Reino

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Beamte — Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) — Beistandspflicht — Anfechtungs — und Schadensersatzklage, die offensichtlich unzulässig ist und der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

Vollständiger Wonlaut in französischer Sprache   II-1685

Gegenstand:

Klage auf Aufhebung einer Reihe von Maßnahmen betreffend Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und wegen Beistandsleistung nach Artikel 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie auf Ersatz des angeblichen Schadens.

Entscheidung:

Die Klage wird als offensichtlich unzulässig und als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten im Verfahren der einstweiligen Anordnung T-215/02 R und C-471/02 P(R).

Leitsätze

  1. Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Vorbereitende Maßnahme – Entscheidung über die Einleitung von Verwaltungsuntersuchungen – Unzulässigkeit

    (Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

  2. Beamte – Beistandspflicht der Verwaltung – Umfang – Öffentliche und persönliche Diffamierung eines Beamten in Presseartikeln – Verpflichtung, die zur Wiederherstellung des geschädigten Ansehens des Beamten erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen – Grenzen

    (Beamtenstatut, Artikel 24)

  3. Beamte – Klage – Schadensersatzklage – Klage wegen der solidarischen und subsidiären Pflicht der Verwaltung, den einem Beamten durch einen Dritten zugefügten Schaden zu ersetzen – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Verpflichtung des Betroffenen, sich zuvor an die nationalen Gerichte zu wenden, um Ersatz des Schadens vom Schadensverursacher zu erlangen

    (Beamtenstatut, Artikel 24 Absatz 2 und 91)

  1.  Das Vorliegen einer beschwerenden Maßnahme im Sinne der Artikel 90 Absatz 2 und 91 Absatz 1 des Statuts ist eine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Klage eines Beamten gegen das für ihn zuständige Organ. Gegen Handlungen oder Entscheidungen kann aber nur dann Anfechtungsklage erhoben werden, wenn sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers unmittelbar und sofort dadurch beeinträchtigen können, dass sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise ändern. In Beamtensachen sind Maßnahmen zur Vorbereitung einer abschließenden Entscheidung nicht beschwerend und können daher nur inzidenter im Rahmen von Klagen gegen anfechtbare Maßnahmen angegriffen werden. Auch wenn bestimmte rein vorbereitende Maßnahmen den Beamten beschweren können, soweit sie den Inhalt einer späteren anfechtbaren Handlung beeinflussen können, so können sie doch nicht Gegenstand einer eigenständigen Klage sein und müssen mit einer gegen diese Handlung gerichteten Klage angegriffen werden.

    Lediglich Maßnahmen zur Vorbereitung einer etwaigen Entscheidung der Anstellungsbehörde sind die Entscheidungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) über die Einleitung oder Wiederaufnahme einer Verwaltungsuntersuchung und die Ermittlungsmaßnahmen dieses Amtes in Bezug auf die Durchführung einer einen Beamten betreffenden internen Untersuchung durch die Verwaltung sowie die Übermittlung des Abschlussberichts mit den Ergebnissen und Empfehlungen des Direktors des Amtes durch das Amt an die Anstellungsbehörde. Das Gleiche gilt sowohl für die Weigerung des Amtes, dem betroffenen Beamten bestimmte Unterlagen über eine angeblich gegen ihn laufende interne Untersuchung zu übermitteln und ihm zu gestatten, sich im Rahmen dieser Untersuchung zu verteidigen, als auch für die Entscheidung des Organs selbst, eine interne Untersuchung einzuleiten und durchzuführen.

    (Randnrn. 46, 47, 50, 53 und 55)

    Vgl. Gerichtshof, 10. Dezember 1969, Grasselli/Kommission. 32/68. Slg. 1969, 505. Randnrn. 4 bis 7; Gerichtshof. 1. Februar 1979. Deshormes/Kommission. 17/78, Slg. 1979. 189, Randnr. 10; Gerichtshof. 14. Februar 1989. Bossi/Kommission. 346/87. Slg. 1989, 303, Randnr. 23; Gericht, 13. Juli 1993, Moat/Kommission. T-20/92, Slg. 1993. II-799, Randnr. 39; Gericht. 6. Juni 1996. Baiwir/Kommission, T-391/94.Slg. ÖD 1996, l-A-269 und II-787, Randnr. 34; Gericht, 18. Juni 1996. Vela Palacios/WSA. T-293/94, Slg. ÖD 1996. I-A-305 und II-893. Randnr. 22

  2.  Der Verwaltung steht bei der Wahl der Maßnahmen und Mittel der Anwendung des Artikels 24 des Statuts ein Ermessen zu, und sie muss - insbesondere bei schweren und nicht begründeten Beschuldigungen - nach dieser Vorschrift die Maßnahmen ergreifen, die zur Wiederherstellung des beschädigten Ansehens eines Beamten, dessen berufliche Ehrenhaftigkeit in Frage gestellt worden ist, objektiv erforderlich und angemessen sind.

    Bei einer angeblichen öffentlichen und persönlichen Diffamierung eines Beamten durch Presseartikel, die hauptsächlich gegen das Organ selbst gerichtet sind, muss der Beamte gemäß seiner Treuepflicht, die für den gesamten Bereich der Beziehungen zwischen ihm und dem Organ gilt, diesem das Recht einräumen, sein Ansehen so zu verteidigen, dass die eigenen Interessen des Organs nicht beeinträchtigt werden.

    (Randnrn. 62 und 73)

    Vgl. Gericht, 26. Oktober 1993, Caronna/Kommission, T-59/92, Slg. 1993, II-1129, Randnrn. 64, 65 und 92, und die dort zitierte Rechtsprechung; Gericht, 19. Mai 1999, Connolly /Kommission, T-34/96 und T-163/96, Slg. ÖD 1999, I-A-87 und II-463, Randnr. 130

  3.  Die Klage eines Beamten auf Schadensersatz aufgrund der in Artikel 24 Absatz 2 des Statuts normierten solidarischen und subsidiären Pflicht der Verwaltung, den Schaden zu ersetzen, der einem Beamten aufgrund seiner dienstlichen Stellung und seines Amtes von einem Dritten zugefügt worden ist, ist nur dann zulässig, wenn der geschädigte Beamte nicht zuvor - gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten - Ersatz des Schadens vom Schadensverursacher erlangen konnte.

    (Randnr. 82)

    Vgl. Caronna/Kommission, Randnrn. 31 bis 33