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Leitsätze

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1. Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Kostenaufteilung – Erledigung des Verfahrens durch Rücknahme einer Verfahrenshandlung – Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 als Lex specialis im Verhältnis zu Absatz 4 dieses Artikels – Rücknahme wegen oder ohne Einigung zwischen den Parteien – Unerheblichkeit

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 81 Absätze 3 und 4)

2. Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Kostenaufteilung – Widerspruchsverfahren – Verzicht eines Beteiligten auf seine Ansprüche – Gleichstellung mit unterliegendem Beteiligten – Ausnahme – Fälle des Artikels 81 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 – Zulässige Kostenaufteilung durch das Amt nach Erwägungen der Billigkeit – Weiter Entscheidungsspielraum

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 81 Absätze 1 bis 3)

3. Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Kostenaufteilung – Widerspruchsverfahren – Teilverzicht der Beteiligten auf ihre Ansprüche – Zulässige Kostenaufteilung durch das Amt nach Erwägungen der Billigkeit – Weiter Entscheidungsspielraum – Prüfung der Begründetheit des Widerspruchs nicht erforderlich

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 81 Absätze 1 bis 3)

4. Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Rückzahlung der Beschwerdegebühr bei Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Entscheidung von Amts wegen – Pflichten des Amtes – Grenzen

(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Artikel 1, Regel 51)

5. Gemeinschaftsmarke – Verfahrensvorschriften – Begründung der Entscheidungen – Artikel 73 Satz 1 der Verordnung Nr. 40/94 – Gleiche Tragweite wie Artikel 253 EG

(Artikel 253 EG; Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 73 Satz 1)

Leitsätze

1. Artikel 81 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ist im Verhältnis zu Absatz 4 dieses Artikels die speziellere Norm, da Absatz 3 die Fälle regelt, in denen der Umstand, dass das Verfahren gegenstandslos wird, die Folge der einseitigen Rücknahme einer Verfahrenshandlung ist, während Artikel 81 Absatz 4 der Verordnung Nr. 40/94 generell für alle Fälle der Erledigung des Verfahrens gilt. Artikel 81 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 ist auch dann anwendbar, wenn in einem Verfahren inter partes jeder der Beteiligten seine vorherige Verfahrenshandlung zurücknimmt. Dabei ist es für die Anwendung dieser Bestimmung unerheblich, ob der Grund für die Rücknahme der Verfahrenshandlung oder ‑handlungen in einer außerhalb des Verfahrens zwischen den Beteiligten erzielten Einigung liegt.

(vgl. Randnrn. 37-39)

2. Aus Artikel 81 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ergibt sich für das Widerspruchsverfahren, dass ein Beteiligter, der das Verfahren dadurch beendet, dass er, etwa durch Rücknahme der Anmeldung oder des Widerspruchs, auf seine Ansprüche verzichtet, einem unterliegenden Beteiligten gleichgestellt wird und daher grundsätzlich die von dem anderen Beteiligten aufgewandten Gebühren und Kosten zu tragen hat. Eine Ausnahme von dieser Regel besteht nur, wenn Artikel 81 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 eingreift, wonach, „[s]oweit … die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen oder soweit es die Billigkeit erfordert, … die Widerspruchsabteilung, die Nichtigkeitsabteilung oder die Beschwerdekammer eine andere Kostenverteilung [beschließt]“. Auch wenn diese Bestimmung somit zwei verschiedene Tatbestände vorsieht, in denen die Kosten anders zu verteilen sind als nach Absatz 1, schließt sie es doch nicht aus, dass beide Tatbestände gleichzeitig erfüllt sind. So kann das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), wenn die Kosten deshalb zu teilen sind, weil die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterlegen sind, die Anforderungen der Billigkeit berücksichtigen, wenn eine Kostenteilung allein nach Maßgabe des Erfolgs der gestellten Anträge zu einem unbilligen Ergebnis führen würde. Demnach verfügt das Amt für die konkrete Kostenaufteilung zwischen den Beteiligten über einen weiten Entscheidungsspielraum.

(vgl. Randnrn. 53-54)

3. Werden in einem Widerspruchsverfahren gemäß den Artikel 42 ff. der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sowohl die Gemeinschaftsmarkenanmeldung teilweise als auch, soweit sich das Widerspruchsverfahren durch die Einschränkung der Anmeldung noch nicht erledigt hat, der Widerspruch teilweise zurückgenommen, so verzichtet damit jeder Beteiligte teilweise auf seine Ansprüche Dieser Fall ist dem in Artikel 81 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 geregelten Fall gleichzustellen, dass die Beteiligten jeweils in einem oder mehreren Punkten unterliegen.

Daher dürfen in diesem Rahmen die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammern bei ihrer Entscheidung über die konkrete Kostenaufteilung unter den Beteiligten, für die sie über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügen, die Billigkeit berücksichtigen.

Für diese Entscheidung brauchen sie nicht, auch nicht summarisch, die Aussichten der Beteiligten zu prüfen, in den Verfahren zu obsiegen. Denn es widerspräche der Verfahrensökonomie, allein für die Kostenaufteilung die Begründetheit eines Widerspruchs zu prüfen

(vgl. Randnrn. 55-58)

4. Regel 51 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, wonach die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet wird, wenn der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht, ist zu entnehmen, dass über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr von Amts wegen entschieden wird, ohne dass der Beschwerdeführer beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) hierfür einen Antrag zu stellen braucht.

Das heißt indessen nicht, dass die Beschwerdekammer in jedem Fall, in dem sie eine Entscheidung aufhebt, von Amts wegen prüfen muss, ob diese Entscheidung auf einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften beruht, die die Anwendung der Regel 51 der Verordnung Nr. 2868/95 rechtfertigt. Auch der Antrag eines Beteiligten, ihm die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, kann eine solche Verpflichtung nicht begründen, wenn er nicht durch konkrete Angaben gestützt wird, mit denen eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften dargetan werden soll.

(vgl. Randnrn. 69-70)

5. Nach Artikel 73 Satz 1 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke sind die Entscheidungen des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung hat den gleichen Umfang wie die aus Artikel 253 EG.

Diese Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen soll dem doppelten Ziel dienen, die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und es außerdem dem Gemeinschaftsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Anforderungen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu entscheiden, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln.

(vgl. Randnrn. 72-73)