Rechtssache C-414/02
Spedition Ulustrans, Uluslararasi Nakliyat ve. Tic. A.S. Istanbul
gegen
Finanzlandesdirektion für Oberösterreich
(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes [Österreich])
„Zollkodex der Gemeinschaften – Artikel 202 – Entstehung der Zollschuld – Vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft – Begriff des Zollschuldners – Mithaftung des Dienstgebers für die Schuld eines Dienstnehmers, der bei der Wahrnehmung zollrechtlicher Pflichten ein rechtswidriges
Verhalten gesetzt hat“
Leitsätze des Urteils
Zollunion – Entstehung einer Zollschuld infolge des vorschriftswidrigen Verbringens von Waren – Begriff des Zollschuldners
– Arbeitgeber des Verbringers – Einbeziehung durch eine nationale Regelung – Voraussetzungen für die Zulässigkeit
(Verordnung Nr. 2913/92 des Rates, Artikel 202 Absatz 3)
Artikel 202 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der im Fall vorschriftswidrigen Verbringens einer eingangsabgabenpflichtigen
Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft der Dienstgeber Mitschuldner der Zollschuld des Dienstnehmers ist, der die Ware in
Besorgung von Angelegenheiten des Dienstgebers verbracht hat, sofern diese Regelung voraussetzt, dass der Dienstgeber am Verbringen
der Ware beteiligt war, obwohl er wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Verbringen vorschriftswidrig
war.
(vgl. Randnr. 45 und Tenor)
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URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
23. September 2004(1)
„Zollkodex der Gemeinschaften – Artikel 202 – Entstehung der Zollschuld – Vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft – Begriff des Zollschuldners – Mithaftung des Dienstgebers für die Schuld eines Dienstnehmers, der bei der Wahrnehmung zollrechtlicher Pflichten ein rechtswidriges
Verhalten gesetzt hat“
In der Rechtssache C-414/02betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Beschluss vom 6. November 2002, eingegangen am 19. November 2002, in dem Verfahren
Spedition Ulustrans, Uluslararasi Nakliyat ve. Tic. A.S. Istanbul
gegen
Finanzlandesdirektion für Oberösterreich
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann, J.‑P. Puissochet (Berichterstatter) und
R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,unter Berücksichtigung der Erklärungen
- –
der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, vertreten durch F. Brenneis als Bevollmächtigten,
- –
der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
- –
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.‑C. Schieferer als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Mai 2004,
folgendes
Urteil
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Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 202 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates
vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, im Folgenden: Zollkodex).
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Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Spedition Ulustrans, Uluslararasi Nakliyat ve. Tic. A.S.
Istanbul (im Folgenden: Spedition Ulustrans) und der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (im Folgenden: Finanzlandesdirektion)
über die Zahlung einer Zollschuld, die durch das vorschriftswidrige Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft
entstanden sein soll.
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- Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
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Artikel 201 des Zollkodex lautet:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
- a)
- wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird oder
- b)
- wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den
Einfuhrabgaben übergeführt wird.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.
(3) Zollschuldner ist der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung
die Zollanmeldung abgegeben wird.
Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Angaben zugrunde, die dazu führen, dass die gesetzlich
geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften
auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgaben der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert
haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie unrichtig waren.“
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Artikel 202 des Zollkodex bestimmt:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
- a)
- wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird oder
- b)
- wenn eine solche Ware, die sich in einer Freizone oder einem Freilager befindet, vorschriftswidrig in einen anderen Teil des
Zollgebiets der Gemeinschaft verbracht wird.
Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und
177 zweiter Gedankenstrich.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.
(3) Zollschuldner sind:
- –
- die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat;
- –
- die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass
sie damit vorschriftswidrig handeln;
- –
- die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder
Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht
worden war.“
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Artikel 203 des Zollkodex sieht vor:
„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,
- –
- wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
(3) Zollschuldner sind:
- –
- die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat;
- –
- die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie
die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen;
- –
- die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts
der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war;
- –
- gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer
einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben.“
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Artikel 213 des Zollkodex sieht vor:
„Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.“
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Artikel 221 Absatz 1 des Zollkodex lautet:
„Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.“
Nationales Recht
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§ 79 Abs. 2 des Zollrechts‑Durchführungsgesetzes (BGBl. 1994/659, im Folgenden: ZollR‑DG) bestimmt:
„Eine Zollschuld, die für einen Dienstnehmer oder sonstigen Beauftragten eines Unternehmers entstanden ist, weil dieser in
Besorgung von Angelegenheiten seines Dienstgebers oder Auftraggebers bei der Wahrnehmung zollrechtlicher Pflichten ein rechtswidriges
Verhalten gesetzt hat, entsteht im selben Zeitpunkt auch für den Dienstgeber oder Auftraggeber, soweit dieser nicht bereits
nach einer anderen Bestimmung in derselben Sache Zollschuldner geworden ist.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorabentscheidungsfrage
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Am 5. Dezember 1996 verbrachte ein Dienstnehmer der Spedition Ulustrans vier Maschinen zum Spulen von Spinnstoffen in das
Zollgebiet der Gemeinschaft. Aus der Schweiz kommend passierte er als Lenker eines auf die Spedition Ulustrans zugelassenen
LKW das Grenzzollamt Höchst (Österreich), ohne die mitgeführten Waren der vorgesehenen Gestellung zuzuführen.
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Mit Bescheid vom 11. Dezember 1996 teilte das Hauptzollamt Feldkirch (im Folgenden: Hauptzollamt) gemäß Artikel 221 Absatz 1
des Zollkodex dem betreffenden Dienstnehmer die für die rechtswidrig eingeführten Waren entstandene Eingangsabgabenschuld
in Höhe von 770 684 ATS (davon Zoll in Höhe von 83 770 ATS und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 686 914 ATS) mit.
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Die Finanzlandesdirektion stellte mit in Rechtskraft erwachsener Berufungsentscheidung vom 27. April 2000 fest, dass gegenüber
dem Lenker gemäß Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a des Zollkodex eine Zollschuld in der vom Hauptzollamt festgesetzten Höhe
entstanden sei.
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Mit Bescheid vom 27. Februar 1997 hatte das Hauptzollamt der Spedition Ulustrans gemäß Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a des
Zollkodex in Verbindung mit § 79 Abs. 2 ZollR‑DG außerdem den Abgabenbetrag mitgeteilt, den sie aufgrund ihrer gesamtschuldnerischen
Haftung für die von ihrem Dienstnehmer geforderten Abgaben schulde.
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Die Spedition Ulustrans erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die mit Berufungsvorentscheidung vom 11. September 1997 als
unbegründet abgewiesen wurde. Sie erhob daraufhin beim Berufungssenat IV der Region Linz bei der Finanzlandesdirektion einen
Rechtsbehelf, der mit Entscheidung vom 21. November 2000 ebenfalls abgewiesen wurde. Die Finanzlandesdirektion führte aus,
das Hauptzollamt habe zu Recht das Leistungsgebot nicht nur an den Fahrer, sondern als weiteren Gesamtschuldner gemäß § 79
Abs. 2 ZollR‑DG auch an die Spedition Ulustrans gerichtet, die als Dienstgeberin dafür Sorge habe tragen müssen, dass das
Verhalten des Fahrers als Dienstnehmer den berufsspezifischen Anforderungen im internationalen Warenverkehr genüge.
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Die Spedition Ulustrans hat sich daraufhin an den Verwaltungsgerichtshof gewandt und u. a. geltend gemacht, da sie an den
Rechtsverstößen des Fahrers nicht beteiligt gewesen sei, dürfe sie nicht als Zollschuldnerin herangezogen werden.
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Das vorlegende Gericht führt hierzu zweierlei aus.
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Erstens bestehe in der aktuellen Kommentarliteratur keine Einigkeit über den Begriff des Zollschuldners. Einigen Autoren zufolge
sei § 79 Abs. 2 ZollR‑DG mit Artikel 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex unvereinbar, da er ohne Rücksicht auf
die dort aufgelisteten subjektiven Tatbestandsmerkmale alle Dienstgeber oder Auftraggeber eines Dienstnehmers oder Beauftragten,
der zollrechtliche Pflichten verletze, in den Kreis der Zollschuldner einbeziehe. Andere Autoren verträten die Ansicht, dass
die Frage, wer im Fall der vorschriftswidrigen Einfuhr einer Ware Zollschuldner sei, davon abhänge, wie die „Person, welche
die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht ha[be]“, im Sinne von Artikel 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich
des Zollkodex definiert werde. Es handele sich immer – zumindest mittelbar – um den Unternehmer, da dieser die beförderte
Ware in seinem Gewahrsam habe, während der Lenker nur Besitzdiener oder Besitzmittler sei. Dieser zweiten Ansicht zufolge
sei § 79 Abs. 2 ZollR‑DG nicht mit Artikel 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex unvereinbar, sondern im Hinblick
auf Artikel 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich des Zollkodex schlicht überflüssig.
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Zweitens trage die Spedition Ulustrans vor, dass § 79 Abs. 2 ZollR‑DG eine „Haftungsnorm“ sei. Ihrer Ansicht nach dürfe der
nationale Gesetzgeber eine solche Norm ohne Beschränkung durch das Gemeinschaftsrecht weiterhin erlassen.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Wird im Wege des § 79 Abs. 2 ZollR‑DG (der eine Zollschuld auch für den Dienstgeber oder Auftraggeber im selben Zeitpunkt
entstehen lässt, in dem eine Zollschuld für den Dienstnehmer oder sonstigen Beauftragten eines Unternehmers entstanden ist,
weil dieser in Besorgung von Angelegenheiten seines Dienstgebers oder Auftraggebers bei der Wahrnehmung zollrechtlicher Pflichten
ein rechtswidriges Verhalten gesetzt hat) eine gegenüber Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex unzulässige und daher mit dem
Gemeinschaftsrecht im Konflikt stehende Ausdehnung des Begriffes des Zollschuldners vorgenommen?
Zur VorlagefrageBeim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
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Die Finanzlandesdirektion trägt vor, der Zollkodex ermächtige die Zollbehörden, von allen ihnen nach den „geltenden Vorschriften“
einschließlich der nationalen Bestimmungen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Erhebung der Zollschuld
sicherzustellen. Die Artikel 201 ff. des Zollkodex führten also nur eine Mindestharmonisierung des Begriffes des Zollschuldners
herbei und hinderten die Mitgliedstaaten nicht daran, weitere Vorschriften, wie z. B. § 79 Abs. 2 ZollR‑DG, zu erlassen, um
die Schuld vom Dienstgeber zu erheben. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift sei, dass das rechtswidrige Verhalten
in Besorgung von Angelegenheiten des Unternehmers gesetzt worden sei, dass also der Dienstnehmer oder Beauftragte beabsichtigt
habe, die Interessen des Unternehmers und nicht seine eigenen wahrzunehmen.
- 20
Die österreichische Regierung führt aus, gemäß Artikel 8 Absatz 1 des Beschlusses 2000/597/EG, Euratom des Rates vom 29. September 2000
über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 42) würden die Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs,
die zu den Eigenmitteln der Gemeinschaften gehörten, von den Mitgliedstaaten nach den innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
erhoben, die gegebenenfalls den Erfordernissen der Gemeinschaftsregelung anzupassen seien. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe
somit den Mitgliedstaaten die Wahl der für die Erhebung der Zölle ihrer Auffassung nach effektivsten Mittel überlassen wollen.
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§ 79 Abs. 2 ZollR‑DG sei vor diesem Hintergrund zu sehen. Dadurch, dass aufgrund dieser Bestimmung die Dienstgeber oder Auftraggeber
neben ihren Dienstnehmern oder Beauftragten, aus deren wirtschaftlichem Handeln sie einen Vorteil zögen, hafteten, werde die
Erhebung der Zollschuld wirksamer sichergestellt, als wenn allein die wirtschaftlich schwächeren und häufig zahlungsunfähigen
Dienstnehmer oder Beauftragten Zollschuldner wären. Ferner beachte § 79 Abs. 2 ZollR‑DG in vollem Umfang die allen Mitgliedstaaten
gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Mit ihm werde daher keine mit
Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex unvereinbare Ausdehnung des Begriffes des Zollschuldners vorgenommen.
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Die Kommission trägt vor, jedes Verhalten des Dienstnehmers dem Dienstgeber ohne weiteres zuzurechnen, ohne dessen tatsächlichen
„Tatbeitrag“ im Sinne des Artikels 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich zu berücksichtigen, komme nach der genannten Bestimmung
nicht in Betracht. Würde § 79 Abs. 2 ZollR‑DG von den nationalen Gerichten dahin ausgelegt, dass er eine unwiderlegliche Vermutung
für einen Zurechnungstatbestand in Bezug auf die Handlungen des Dienstnehmers aufstelle, müsste er für unvereinbar mit dem
Zollkodex erklärt werden.
Antwort des Gerichtshofes
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Der Gerichtshof ist in einem nach Artikel 234 EG eingeleiteten Verfahren nicht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit der
Vorschriften eines nationalen Gesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht befugt. Dagegen kann er dem vorlegenden Gericht alle Hinweise
zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit zu entscheiden (Urteile
vom 17. Dezember 1970 in der Rechtssache 30/70, Scheer, Slg. 1970, 1197, Randnr. 4, vom 6. Juni 1984 in der Rechtssache 97/83,
Melkunie, Slg. 1984, 2367, Randnr. 7, und vom 29. November 2001 in der Rechtssache C‑17/00, De Coster, Slg. 2001, I‑9445,
Randnr. 23).
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Die Vorlagefrage ist daher so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex
dahin auszulegen ist, dass es ihm zuwider läuft, dass nach § 79 Abs. 2 ZollR‑DG ein Dienstgeber als Mitschuldner einer Zollschuld
seines Dienstnehmers angesehen wird, wenn dieser in Besorgung von Angelegenheiten seines Dienstgebers bei der Wahrnehmung
zollrechtlicher Pflichten ein rechtswidriges Verhalten gesetzt hat.
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Erstens ergibt sich aus dem Wortlaut des Artikels 202 Absatz 3 des Zollkodex, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Kreis
derjenigen, die im Fall vorschriftswidrigen Verbringens einer eingangsabgabenpflichtigen Ware als Schuldner der Zollschuld
in Frage kommen, weit fassen wollte, ohne jedoch den Dienstgeber ohne weiteres neben seinem Dienstnehmer für dessen Zollschuld
haften zu lassen.
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Zunächst bezieht sich Artikel 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich des Zollkodex auf die „Person“, die die Waren vorschriftswidrig
verbracht hat, ohne festzulegen, ob es sich um eine natürliche Person handelt, wie z. B. den Dienstnehmer eines Unternehmens,
oder um eine juristische Person, wie z. B. das Unternehmen, das den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Waren
gesetzt hat. Folglich ist diese Bestimmung jedenfalls auf einen Dienstnehmer anwendbar, der die Waren eigenhändig in das Zollgebiet
verbringt, doch kommt auch ein Dienstgeber als Schuldner der Zollschuld in Betracht, wenn er eine „Person“ im Sinne dieser
Vorschrift ist, d. h., wenn er als derjenige angesehen werden kann, der mit seinem Verhalten den Grund für das vorschriftswidrige
Verbringen der Ware gesetzt hat.
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Sodann erwähnt Artikel 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich im Plural die „Personen“ – auch hier ohne festzulegen, ob es sich
um natürliche oder juristische Personen handelt –, die am vorschriftswidrigen Verbringen der Waren „beteiligt“ waren, d. h.
diejenigen, die in irgendeiner Weise an diesem Verbringen mitgewirkt haben. Voraussetzung für die Einstufung dieser Personen
als Zollschuldner im Sinne der betreffenden Bestimmung ist jedoch, dass sie an diesem Verbringen beteiligt waren, „obwohl
sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln“. Dieses Tatbestandsmerkmal
beruht somit auf subjektiven Elementen, die in bestimmten Fällen die Subsumtion unter den Begriff des Zollschuldners ausschließen.
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Schließlich sieht Artikel 202 Absatz 3 dritter Gedankenstrich des Zollkodex vor, dass Zollschuldner auch diejenigen Personen
sind – wiederum ohne die Angabe, ob natürliche oder juristische Personen gemeint sind –, die nach dem vorschriftswidrigen
Verbringen der Ware, d. h. nach dem Vorgang, der die Zollschuld hat entstehen lassen, die Ware erworben oder im Besitz gehabt
haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass
diese vorschriftswidrig verbracht worden war. Die Reichweite des Begriffes des Zollschuldners hängt damit in diesem Fall,
wie auch für die Anwendung des Artikels 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex, von einem subjektiven Tatbestandsmerkmal
ab.
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Die Prüfung des Artikels 202 Absatz 3 erster, zweiter und dritter Gedankenstrich des Zollkodex ergibt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber
zwischen den Fällen des ersten Gedankenstrichs einerseits sowie denen des zweiten und des dritten Gedankenstrichs andererseits
unterschieden hat. In den Fällen, die im ersten Gedankenstrich vorgesehen sind, kann der Dienstgeber als derjenige angesehen
werden, der selbst die Waren vorschriftswidrig verbracht hat und aus diesem Grund – allein oder gesamtschuldnerisch mit seinem
Dienstnehmer – Schuldner der Zollschuld wird. In den Fällen, auf die sich der zweite und der dritte Gedankenstrich beziehen,
ist der Dienstgeber an diesem Verbringen lediglich „beteiligt“ und kann nur dann als Gesamtschuldner betrachtet werden, wenn
bestimmte subjektive Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.
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Stellt sich heraus, dass das vorschriftswidrige Verbringen der Waren nicht dem Dienstgeber zuzuschreiben ist, sondern auf
einen Dienstnehmer zurückgeht, kann der Dienstgeber daher Schuldner der Zollschuld sein, wenn er an diesem Verbringen beteiligt
war, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn es mit Mitteln oder Personal seines Unternehmens erfolgt ist und er außerdem
wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig war.
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Mit Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex wird eine weite Definition des Begriffes des Zollschuldners angestrebt, die im Einklang
mit der in Artikel 213 des Zollkodex niedergelegten Regel steht, dass mehrere Schuldner derselben Zollschuld gesamtschuldnerisch
haften. Aufgrund von Artikel 202 Absatz 3 haftet der Dienstgeber jedoch nicht automatisch neben dem Dienstnehmer, der die
Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht hat, für dessen Zollschuld.
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Zweitens ist der Entwicklung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu entnehmen, dass nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers
die Personen, die Zollschuldner sind, nach Kriterien bestimmt werden sollen, die einen immer höheren Harmonisierungsgrad gewährleisten.
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Zunächst erging die Richtlinie 79/623/EWG des Rates vom 25. Juni 1979 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
über die Zollschuld (ABl. L 179, S. 31). Im zweiten Satz ihrer fünften Begründungserwägung hieß es bereits, dass es „gemeinsamer
Regeln für den Zeitpunkt [bedarf], zu dem die Zollschuld entsteht, damit eine einheitliche Anwendung der geltenden gemeinschaftlichen
Eingangs- und Ausfuhrbestimmungen gewährleistet wird“. Diese Richtlinie sah jedoch noch keine besonderen Regelungen zur Bestimmung
der Person vor, die für die Zollschuld haftet. Ihr Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a bestimmte lediglich, was als Zollschuld
galt: „die Verpflichtung einer natürlichen oder juristischen Person, die … [Eingangs- oder Ausfuhr]abgaben … zu entrichten“.
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Diese Richtlinie wurde später durch Verordnungen ersetzt, und zwar die Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987
über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15) und die Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 des Rates vom 18. April 1988 über die zur Erfüllung
einer Zollschuld verpflichteten Personen (ABl. L 102, S. 5).
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Die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2144/87 lautete: „Die Vorschriften über das Entstehen der Zollschuld, über
die Bestimmung der Höhe der Zollschuld [und ihre Geltendmachung sowie über ihr Erlöschen] sind so wichtig für das gute Funktionieren
der Zollunion, dass ihre einheitliche Anwendung in der Gemeinschaft bestens gewährleistet werden muss. Daher müssen die geltenden
Bestimmungen der Richtlinie 79/623/EWG durch eine Verordnung ersetzt werden. Daraus ergibt sich eine größere Rechtssicherheit
für die Betroffenen.“
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Die Verordnung Nr. 1031/88 sah in ihrer fünften Begründungserwägung vor: „Ist eine Zollschuld dadurch entstanden, dass eine
Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht … worden ist, so ist zur Erfüllung der Zollschuld die
Person verpflichtet, die die Handlung begangen hat, durch die diese Zollschuld entstanden ist, wie auch jede andere Person,
die nach den geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten aufgrund einer solchen Handlung ebenfalls zur Erfüllung dieser Zollschuld
verpflichtet ist.“ Dementsprechend bestimmte Artikel 3 der Verordnung Nr. 1031/88, dass im Fall des vorschriftswidrigen Verbringens
der Ware zur Erfüllung der Zollschuld sowohl die Person, die die Ware in das Zollgebiet verbracht hat, als auch diejenigen
Personen „nach den geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten … gesamtschuldnerisch“ verpflichtet sind, die an diesem Verbringen
beteiligt waren oder die die Ware erworben haben oder im Besitz hatten, sowie alle weiteren Personen, die für dieses vorschriftswidrige
Verbringen verantwortlich sind.
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Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex, der die oben zitierten Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 2144/87 und 1031/88 ersetzt
hat, ist noch genauer als diese. Er verweist nicht mehr auf die „geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten“, sondern stellt
selbst die materiellen Voraussetzungen auf, von denen die Ausdehnung des Kreises der Zollschuldner auf Personen, die am vorschriftswidrigen
Verbringen der Ware „beteiligt“ waren, abhängt.
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Mit all diesen verordnungsrechtlichen Änderungen wurde zwar weder bezweckt noch gar bewirkt, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit
zu nehmen, Maßnahmen zu erlassen, die wirkungsvoll zur Umsetzung der mit den Zollvorschriften verfolgten Ziele, insbesondere
zur Erhebung der Zollschuld, beitragen können. Ebenso wenig haben sie die Mitgliedstaaten daran gehindert, gegebenenfalls
Regelungen zu treffen, in denen unter Beachtung dieser Ziele wie auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die tatbestandlichen
Voraussetzungen der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften genau festgelegt werden (vgl. zu einer nationalen Bestimmung, nach
der die Zollabgaben im Fall eines Verstoßes gegen das Zollrecht der Gemeinschaft erhöht werden, Urteil vom 16. Oktober 2003
in der Rechtssache C‑91/02, Hannl + Hofstetter, Slg. 2003, I‑0000, Randnrn. 18 bis 20).
- 39
Die Prüfung der vorerwähnten Vorschriften ergibt jedoch eindeutig, dass nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers seit
Inkrafttreten des Zollkodex die Kriterien, nach denen die Personen bestimmt werden, die Zollschuldner sind, abschließend geregelt
sein sollen.
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Sowohl zu dieser eindeutig zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers als auch zu dem in diesem Urteil
dargelegten Wortlaut und Sinn des Artikels 202 Absatz 3 des Zollkodex würden Vorschriften eines nationalen Gesetzes in Widerspruch
geraten, nach denen unter Verkennung der in Artikel 202 Absatz 3 zweiter und dritter Gedankenstrich genannten subjektiven
Tatbestandsmerkmale die Zollschuldnereigenschaft des Dienstnehmers automatisch auf dessen Dienstgeber erstreckt würde, ohne
dass der Nachweis erbracht ist, dass der Dienstgeber am Verbringen der Waren beteiligt war, obwohl er gewusst hat oder vernünftigerweise
hätte wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig war.
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Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob mit § 79 Abs. 2 ZollR‑DG eine solche automatische Erstreckung der Zollschuldnereigenschaft
erfolgt. Bei seiner Prüfung wird das betreffende Gericht diese Vorschrift so weit wie möglich im Licht von Wortlaut und Zweck
des Artikels 202 Absatz 3 des Zollkodex auszulegen haben. Insbesondere folgende Gesichtspunkte werden bei der Beurteilung
zu berücksichtigen sein.
- 42
Zunächst wäre § 79 Abs. 2 ZollR‑DG, wenn er dahin ausgelegt würde, dass er eine unwiderlegliche Vermutung dafür aufstellt,
dass der Dienstgeber neben seinem Dienstnehmer für dessen Schuld haftet, mit Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex unvereinbar.
Das würde selbst dann gelten, wenn § 79 Abs. 2 ZollR‑DG nur auf Fälle anwendbar wäre, in denen der Dienstnehmer in Besorgung
von Angelegenheiten seines Dienstgebers handelt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass in solchen Fällen der Dienstgeber
nicht den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Ware gesetzt hat und daher geltend machen kann, dass er von der
Vorschriftswidrigkeit dieses Verbringens nicht gewusst habe oder vernünftigerweise nicht habe wissen können.
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Sodann ist zwar richtig, dass es im Allgemeinen zweckdienlich ist, die Zollschuld vom Dienstgeber zu erheben, und dass dieser
gemäß Artikel 239 des Zollkodex die Erstattung oder den Erlass von Zollabgaben erreichen kann, doch folgt daraus nicht, dass
die Erstreckung der Zollschuldnereigenschaft auf den Dienstgeber in allen Fällen im Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht.
Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex ermöglicht es dem Dienstgeber nämlich, unter bestimmten Voraussetzungen der Qualifizierung
als Zollschuldner zu entgehen, während die Möglichkeit des Erlasses oder der Erstattung von Abgaben für den Zollschuldner
erst nachträglich, aufgrund anderer Voraussetzungen eintritt (vgl. zur Möglichkeit des Erlasses von Abgaben im Fall eines
„besonderen Umstands“, wenn kein Verschulden des Abgabenpflichtigen vorliegt, Urteil vom 7. September 1999 in der Rechtssache
C‑61/98, De Haan, Slg. 1999, I‑5003).
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Schließlich wäre § 79 Abs. 2 ZollR‑DG auch dann nicht mit dem Zollkodex vereinbar, wenn er als eine Vorschrift anzusehen wäre,
die die tatbestandlichen Voraussetzungen des Artikels 202 Absatz 3 erster Gedankenstrich des Zollkodex genauer bestimmt. Eine
solche Auslegung ließe, da nach ihr der Dienstgeber sehr weitgehend als „die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in
[das] Zollgebiet verbracht hat“, angesehen würde, Artikel 202 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex gegenstandslos
werden und machte es einem Dienstgeber, der nicht an diesem Verbringen beteiligt war und nicht von ihm wusste, unmöglich,
sich der Zollschuld zu entziehen.
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Nach alledem ist Artikel 202 Absatz 3 des Zollkodex dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der des § 79 Abs. 2
ZollR‑DG nicht entgegensteht, nach der im Fall vorschriftswidrigen Verbringens einer eingangsabgabenpflichtigen Ware in das
Zollgebiet der Gemeinschaft der Dienstgeber Mitschuldner der Zollschuld des Dienstnehmers ist, der die Ware in Besorgung von
Angelegenheiten des Dienstgebers verbracht hat, sofern diese Regelung voraussetzt, dass der Dienstgeber am Verbringen der
Ware beteiligt war, obwohl er wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass das Verbringen vorschriftswidrig war.
Kosten
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Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem
Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
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Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Unterschriften.
- 1 –
- Verfahrenssprache: Deutsch.