Rechtssache C-382/02

Cimber Air A/S

gegen

Skatteministeriet

(Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 – Steuerbefreiung bei Ausfuhren nach einem Drittland – Begriff der Luftfahrzeuge, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sind – Steuerbefreiung der Versorgung für einen Inlandsflug“

Leitsätze des Urteils

Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie – Befreiungen bestimmter Umsätze, die sich auf Luftfahrzeuge beziehen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind – Geltungsbereich – Umsätze, die sich auf Luftfahrzeuge beziehen, die für Inlandsflüge eingesetzt werden – Einbeziehung – Begriff der „Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sind“ – Beurteilung durch die nationalen Gerichte

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9)

Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 der Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, der bestimmte Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit, die sich auf Luftfahrzeuge beziehen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, ist dahin auszulegen, dass die in diesen Bestimmungen bezeichneten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen für Luftfahrzeuge, die von solchen Gesellschaften für Inlandsflüge eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Die Frage, ob eine Luftfahrtgesellschaft hauptsächlich im internationalen Verkehr im Sinne des genannten Artikels 15 Nummer 6 tätig ist, ist jedenfalls für diejenige Gesellschaft zu bejahen, bei der die nicht internationalen Tätigkeiten spürbar weniger bedeutsam sind als ihre internationalen. Insoweit ist es Sache der nationalen Gerichte, die jeweilige Bedeutung der internationalen und nicht internationalen Tätigkeitsbereiche dieser Gesellschaft zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung können alle Faktoren berücksichtigt werden, die auf die relative Bedeutung der betreffenden Verkehrsart hinweisen, insbesondere der Umsatz.

(vgl. Randnrn. 30, 39-40, Tenor 1-2)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
16. September 2004(1)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 – Steuerbefreiung bei Ausfuhren in ein Drittland – Begriff der Luftfahrzeuge, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sind – Steuerbefreiung der Versorgung für einen Inlandsflug“

In der Rechtssache C-382/02betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Beschluss vom 9. Oktober 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Oktober 2002, in dem Verfahren

Cimber Air A/S

gegen

Skatteministeriet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer),



unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richterin N. Colneric,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2004,unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Cimber Air A/S, vertreten durch R. Mikelsons, advokat,

der dänischen Regierung und des Skatteministeriet, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering, advokat,

der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und N. B. Rasmussen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2004,

folgendes



Urteil



1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cimber Air A/S und dem Skatteministeriet (dänisches Finanzministerium) wegen eines Antrags auf Erstattung der Mehrwertsteuer, die für nach dänischem Mehrwertsteuerrecht nicht erstattungsfähige Lieferungen für Luftfahrzeuge entrichtet wurde.


Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3
Artikel 15 der Sechsten Richtlinie, der die Steuerbefreiungen bei Ausfuhren in ein Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen regelt, bestimmt:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

1.
Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden;

2.
Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, mit Ausnahme der vom Abnehmer selbst beförderten Gegenstände zur Ausrüstung oder Versorgung von Sportbooten und Sportflugzeugen sowie von sonstigen Beförderungsmitteln, die privaten Zwecken dienen;

6.
Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Luftfahrzeuge eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

7.
Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung der in Nummer 6 genannten Luftfahrzeuge;

9.
andere Dienstleistungen als die nach Nummer 6, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Luftfahrzeuge und ihrer Ladungen bestimmt sind;

...“

Nationales Recht

4
Die Vorschriften über die Mehrwertsteuerbefreiung sind in der Lov om mervaerdiafgift (Mehrwertsteuergesetz) vom 16. August 2000 (im Folgenden: Gesetz vom 16. August 2000) enthalten. Ihre Bestimmungen regeln die Erhebung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen, die für Luftfahrtgesellschaften bestimmt sind.

5
§ 34 Absatz 1 des Gesetzes vom 16. August 2000, der die Befreiungen von Lieferungen für bestimmte Luftfahrzeuge von der Mehrwertsteuer betrifft, sieht vor:

„Folgende Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen sind von der Steuer befreit:

7.
die notwendige Ausstattung, die zum Gebrauch an Bord von Flugzeugen und auf Schiffen im internationalen Verkehr geliefert wird, mit Ausnahme von Sportflugzeugen …, sowie die Leistungen, die für derartige Flugzeuge erbracht werden …;

8.
der Verkauf und die Vermietung von Flugzeugen … mit Ausnahme von Sportflugzeugen und Sportbooten;

9.
die Instandsetzungen, die Wartungen und die Umbauten der in Nr. 8 genannten Flugzeuge … sowie die Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der festen Ausstattung dieser Flugzeuge;

16.
die Lieferung von Proviant und anderen notwendigen Gegenständen an Versorgungsunternehmen sowie für Schiffe oder Flugzeuge zum Gebrauch an Bord oder zum Verkauf an Passagiere usw. in Übereinstimmung mit den Zollvorschriften.“

6
Somit stellen nach § 34 Absatz 1 Nummern 7 und 16 des Gesetzes vom 16. August 2000

Start- und Landeabgaben,

Treibstoff,

Catering und

Gepäcktransport

„Lieferungen“ und „Dienstleistungen“ nach Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Richtlinie dar und sind nur dann steuerbefreit, wenn diese Leistungen für einen Flug ins Ausland erbracht werden.

7
Für Einkäufe für internationale Flüge einschließlich Transitflüge kann die Mehrwertsteuer nach § 45 Absatz 3 des Gesetzes vom 16. August 2000 erstattet werden, was für Einkäufe für Inlandsflüge nicht der Fall ist.


Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

8
Die Cimber Air A/S ist eine Luftfahrtgesellschaft, deren Haupttätigkeit der regionale Linienverkehr in Europa in Zusammenarbeit mit ihren beiden Partnern SAS und Lufthansa ist. Sie führt Inlandsflüge in Dänemark und internationale Flüge zwischen Dänemark und dem Ausland durch. Außerdem betreibt sie Linien, bei denen Abflug- und Ankunftsort im Ausland liegen.

9
Im Ausgangsverfahren ist das Skatteministeriet der Auffassung, dass bestimmte Lieferungen für Luftfahrzeuge der Cimber Air A/S, die für Inlandsflüge eingesetzt werden – d. h. zwischen in Dänemark gelegenen Flughäfen –, nicht von der Mehrwertsteuer zu befreien seien, weil die Steuerbefreiung nur Flugzeugen zugute kommen könne, die für internationale Flüge eingesetzt würden. Die Cimber Air A/S ist der Meinung, dass alle Lieferungen für Luftfahrzeuge, die für Inlandsflüge eingesetzt würden, in den Genuss der Befreiung kommen müssten, da sie hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sei.

10
Die Cimber Air A/S erhob demnach vor dem Vestre Landsret Klage mit dem Antrag, das Skatteministeriet zu verpflichten, anzuerkennen, dass Waren und Leistungen, die ab 30. April 2001 an die Cimber Air A/S geliefert worden sind, von der Mehrwertsteuer befreit sind, da die Cimber Air A/S hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist.

11
Die Cimber Air A/S hat außerdem beantragt, das Skatteministeriet zu verpflichten, ihr die von ihr ohne Rechtsgrund zu viel gezahlte Mehrwertsteuer zu erstatten. Hierbei handelt es sich um den Mehrwertsteuerbetrag, den die Cimber Air A/S an Lieferanten für verschiedene Lieferungen, die für reine Inlandsflüge oder im Zusammenhang mit diesen Flügen erbracht wurden, entrichtet hat.

12
Die Parteien streiten über die Frage, ob Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit dessen Nummer 6 der Mehrwertsteuererhebung auf Lieferungen für die Luftfahrzeuge der Cimber Air A/S – die hauptsächlich im internationalen Flugverkehr tätig ist – entgegensteht, die für einen Inlandsflug eingesetzt werden.

13
In Anbetracht dessen hat das Vestre Landsret beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.
Ist Artikel 15 Nummern 7 und 9 in Verbindung mit Artikel 15 Nummer 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 77/388/EWG des Rates) dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat berechtigt ist, Lieferungen für Flugzeuge, die für einen Inlandsflug eingesetzt werden, nicht von der Mehrwertsteuer zu befreien, auch wenn die Gesellschaft, die das Flugzeug verwendet, hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist, oder ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, diese Lieferungen von der Mehrwertsteuer zu befreien?

2.
Für den Fall des Bestehens einer solchen Verpflichtung: Nach welchen Kriterien – wie z. B. Umsatz, Sitzkilometer, Passagierkilometer oder Anzahl der Passagiere und Abflüge – bestimmt sich, ob eine Luftfahrtgesellschaft im Sinne von Artikel 15 Nummer 6 „hauptsächlich“ im internationalen Verkehr tätig ist?


Zur ersten Frage

14
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in diesen Bestimmungen bezeichneten Lieferungen und Dienstleistungen für Luftfahrzeuge, die von hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaften für Inlandsflüge eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

15
Die dänische Regierung trägt vor, dass, da Artikel 15 der Sechsten Richtlinie die Steuerbefreiung von Ausfuhren in ein Drittland betreffe, seine Nummern 7 und 9 nur für Lieferungen und Dienstleistungen für internationale Flüge gelten könnten, wobei diese Voraussetzung für jede einzelne Flugzeugbewegung zu prüfen sei. Die Nummer 6, nach der die in Artikel 15 genannten Lieferungen und Dienstleistungen im Hinblick auf die hauptsächliche Tätigkeit der Luftfahrtgesellschaft zu beurteilen seien, stelle bei einer Gesamtbetrachtung von Artikel 15 nur eine Ausnahme dar.

16
Die dänische Regierung stützt ihre Auslegung darauf, dass Steuerbefreiungen im Inland Gegenstand von Artikel 13 der Sechsten Richtlinie seien. Lieferungen für Inlandsflüge seien aber nach diesem Artikel nicht steuerbefreit, was unterstreiche, dass Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Richtlinie nicht für Lieferungen oder Dienstleistungen für Luftfahrzeuge gelte, die auf Inlandslinien eingesetzt würden, auch wenn die Gesellschaft, der sie gehörten, hauptsächlich Auslandsflüge durchführe.

17
Diese Auffassung wird von der Kommission geteilt, die außerdem darauf hinweist, dass die Steuerbefreiungstatbestände der Sechsten Richtlinie eng auszulegen seien, um den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu wahren. Dieser Grundsatz verlange die gleiche steuerliche Belastung aller inländischen Beförderungen.

18
Die Kommission räumt ein, dass Artikel 15 Nummer 6 der Sechsten Richtlinie ausdrücklich vom Grundsatz der steuerlichen Neutralität abweiche, weist aber darauf hin, dass in den Vorentwürfen nichts darauf hindeute, dass die Nummern 7 und 9 dieses Artikels eine solche Abweichung erlaubten, so dass die in diesen Nummern geregelte Steuerbefreiung nur Lieferungen und anderen Leistungen für Luftfahrzeuge zugute kommen könne, die allein im internationalen Verkehr verwendet würden.

19
Die Cimber Air A/S, die in der mündlichen Verhandlung von der deutschen Regierung unterstützt worden ist, legt Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Sechsten Richtlinie anders aus. Sie vertritt die Auffassung, dass sich die Mehrwertsteuerbefreiung für die in diesen Bestimmungen genannten Leistungen auf Luftfahrzeuge erstrecke, die für einen Inlandsflug eingesetzt würden, wenn die Luftfahrtgesellschaft, der sie gehörten, hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sei.

20
Die Cimber Air A/S und die deutsche Regierung rechtfertigen den Eingriff in den Grundsatz der steuerlichen Neutralität mit der Schwierigkeit bei der Abgrenzung, wann ein Luftfahrzeug für Inlandsflüge und wann für Auslandsflüge eingesetzt wird, welcher Teil der Leistungen von der Steuer befreit und welcher der Mehrwertsteuer unterworfen werden muss.

21
Folglich ist nach ihrer Ansicht der Umstand, dass das die Leistungen erhaltende Luftfahrzeug einer Luftfahrtgesellschaft gehört, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist, das entscheidende Kriterium, das den Buchstaben der Vorschrift gegenüber dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zugunsten einer Steuerbefreiung der in Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Sechsten Richtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und anderer Dienstleistungen überwiegen lässt. Dieses Kriterium erlaube eine einfache und kohärente Anwendung der Regeln des Artikels 15 Nummern 6, 7 und 9 der Sechsten Richtlinie.

22
Die Cimber Air A/S folgert aus dieser Auslegung für den Rechtsstreit im Ausgangsverfahren, dass die dänischen Vorschriften und ihre Anwendung, nach der die Steuerbefreiung nur den Luftfahrzeugen zugute kommt, die für einen internationalen Flug eingesetzt werden, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind.

Antwort des Gerichtshofes

23
Die Steuerbefreiungen stellen autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (vgl. u. a. Urteile vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85, Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1471, Randnr. 18, vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Randnr. 21, und vom 10. September 2002 in der Rechtssache C-141/00, Kügler, Slg. 2002, I-6833, Randnr. 25).

24
Dieses System beruht insbesondere auf zwei Grundsätzen. Zum einen wird die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt. Zum anderen lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht zu, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden.

25
Die Sechste Richtlinie kann zwar Steuerbefreiungen vorsehen, die in die in der vorhergehenden Randnummer erwähnten Grundsätze eingreifen, doch hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Steuerbefreiungen eng auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile SDC, Randnr. 20, vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I‑4947, Randnr. 12, und Kügler, Randnr. 28).

26
Im vorliegenden Fall sind nach Artikel 15 Nummern 7 und 9 der Sechsten Richtlinie die Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung der in Nummer 6 genannten Luftfahrzeuge und andere Dienstleistungen als die in Nummer 6 genannten, die für den unmittelbaren Bedarf der Luftfahrzeuge und ihrer Ladungen bestimmt sind, von der Mehrwertsteuer befreit.

27
Dieser Artikel 15 Nummer 6 betrifft „Luftfahrzeuge, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“.

28
Entgegen dem Vorbringen der Kommission und der dänischen Regierung bezieht sich somit die in Artikel 15 der Sechsten Richtlinie in den Nummern 7 und 9 sowie in Nummer 6 vorgesehene Steuerbefreiung formell auf Inlandsflüge von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, deren Tätigkeit hauptsächlich international ist.

29
Der von der Kommission angeführte Umstand, dass die inländischen Steuerbefreiungen eines Mitgliedstaats in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehen seien und dass die Befreiungsvoraussetzungen in Artikel 15 vollständig harmonisiert seien, kann Artikel 15 keinen anderen Sinn geben als denjenigen, der sich klar aus seinem Wortlaut ergibt.

30
Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in diesen Bestimmungen bezeichneten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen für Luftfahrzeuge, die von hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaften für Inlandsflüge eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer befreit sind.


Zur zweiten Frage

31
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Kriterien für die Feststellung, ob eine Luftfahrtgesellschaft hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist, zugrunde zu legen sind.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

32
Die Kommission und die dänische Regierung sind der Auffassung, dass diese Frage in Anbetracht der auf die erste Frage zu gebenden Antwort nicht zu beantworten sei.

33
Die Cimber Air A/S trägt vor, dass der in Artikel 15 Nummer 6 der Sechsten Richtlinie verwendete Begriff „hauptsächlich“ im Hinblick auf den gesamten Verkehr einer Luftfahrtgesellschaft zu beurteilen sei, wobei zum einen eine zeitliche Beurteilung und zum anderen eine Analyse der Produktions- und Verkaufskriterien vorzunehmen sei.

34
Der internationale Anteil am Verkehr sei über eine lange Zeitspanne hinweg zu bestimmen, so dass, wenn eine Luftfahrtgesellschaft über mehrere Jahre hinweg hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig gewesen sei und diese Tätigkeit im Laufe eines Jahres zurückgegangen sei, dies für dieses Jahr noch nicht zu einer anderen Behandlung der Luftfahrzeuge dieser Gesellschaft in mehrwertsteuerlicher Hinsicht führen könne.

35
In Bezug auf die Kriterien für die Bestimmung der Bedeutung des internationalen Verkehrs bei einer Luftfahrtgesellschaft schlägt die Cimber Air A/S vor, die zurückgelegten Sitzkilometer zu ermitteln, anhand deren der Anteil der mit den internationalen Flügen erzielten Umsätze bestimmt werden könne.

36
Indikatoren wie die Zahl der zahlenden Passagiere oder der Flüge bemäßen die Bedeutung der Tätigkeit einer Fluggesellschaft nicht ebenso exakt.

Antwort des Gerichtshofes

37
Aus den in den Randnummern 23 bis 25 des vorliegenden Urteils genannten Gründen hat der Begriff „Gesellschaft, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig ist“ eine gemeinschaftsrechtliche Bedeutung und ist eng unter Berücksichtigung dessen auszulegen, dass er als Grundlage für Mehrwertsteuerbefreiungen dient.

38
Die Auslegung hat die Divergenzen in Betracht zu ziehen, die zwischen verschiedenen Sprachfassungen der fraglichen Bestimmung bestehen. Die französische, die italienische, die spanische und die portugiesische Fassung von Artikel 15 Nummer 6 der Sechsten Richtlinie verwenden nämlich einen dem Wort „wesentlich“ entsprechenden Begriff, während die dänische, die deutsche, die englische und die niederländische Fassung „hovedsageligt“, „hauptsächlich“, „chiefly“ und „hoofdzakelijk“ verwenden. Nach diesen letztgenannten Begriffen bezöge sich die genannte Bestimmung auf diejenigen Fluggesellschaften, bei denen der internationale Verkehr lediglich gegenüber dem übrigen Verkehr überwiegt, während nach den erstgenannten der internationale Verkehr fast ausschließlich die Tätigkeit dieser Gesellschaften ausmachen müsste.

39
Aus dieser Analyse lässt sich ableiten, dass jedenfalls diejenigen Gesellschaften, bei denen die nicht internationalen Tätigkeiten spürbar weniger bedeutsam sind als die internationalen, als Gesellschaften anzusehen sind, die hauptsächlich im internationalen Verkehr tätig sind.

40
Auf die zweite Frage ist zu antworten, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, die jeweilige Bedeutung der internationalen und nicht internationalen Tätigkeitsbereiche dieser Gesellschaften zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung können alle Faktoren berücksichtigt werden, die auf die relative Bedeutung der betreffenden Verkehrsart hinweisen, insbesondere der Umsatz.


Kosten

41
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.
Artikel 15 Nummern 6, 7 und 9 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage – ist dahin auszulegen, dass die in diesen Bestimmungen bezeichneten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen für Luftfahrzeuge, die von hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaften für Inlandsflüge eingesetzt werden, von der Mehrwertsteuer befreit sind.

2.
Es ist Sache der nationalen Gerichte, die jeweilige Bedeutung der internationalen und nicht internationalen Tätigkeitsbereiche dieser Gesellschaften zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung können alle Faktoren berücksichtigt werden, die auf die relative Bedeutung der betreffenden Verkehrsart hinweisen, insbesondere der Umsatz.

Unterschriften.


1
Verfahrenssprache: Dänisch.