SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
L. A. GEELHOED
vom 10. März 2005(1)



Rechtssache C-392/02



Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Königreich Dänemark


„Verstoß gegen Artikel 10 EG sowie gegen die Artikel 2 und 8 des Beschlusses 94/728/EG, Euratom des Rates über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften – Finanzielle Haftung der Mitgliedstaaten für die Eigenmittel – Unterlassene Zahlung eines Betrages von 140 409,60 DKK für Zölle, die aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden, der vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte (Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften), nicht erhoben wurden“






I – Einleitung

1.        In dieser Rechtssache beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Dänemark dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht (insbesondere aus Artikel 10 EG sowie aus den Artikeln 2 und 8 des Beschlusses 94/728/EG, Euratom des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften, im Folgenden: Eigenmittelbeschluss 1994) (2) verstoßen hat, dass die dänischen Behörden der Kommission nicht einen Betrag von 140 409,60 DKK zuzüglich Verzugszinsen hierauf ab 20. Dezember 1999 zur Verfügung gestellt haben.

2.        Hinter diesem auf den ersten Blick technisch erscheinenden Streit verbergen sich im Grundsatz unterschiedliche Ansichten über Art und Umfang der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem Beschluss 94/728. Dies veranlasste eine Reihe von Mitgliedstaaten – das Königreich der Niederlande, die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Belgien, die Republik Portugal, das Königreich Schweden und die Republik Italien –, als Streithelfer zur Unterstützung des Königreichs Dänemark aufzutreten.

3.        Die unterschiedlichen Ansichten der Kommission auf der einen und des Königreichs Dänemark und der es unterstützenden Mitgliedstaaten auf der anderen Seite ergeben sich im erweiterten Kontext des EG-Vertrag-Titels „Finanzvorschriften“ (Artikel 268 EG bis 280 EG), so wie diese Vorschriften seit der Annahme des so genannten „Delors-Pakets“ im Jahr 1988 durchgeführt werden. Damit wurde den von 1979 bis 1987 beinahe jährlich aufgetretenen Konflikten zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament als Haushaltsmitgesetzgebern wegen des Umfangs und der Zusammensetzung des Gemeinschaftshaushalts ein Ende gesetzt. Bei der Darstellung des rechtlichen Rahmens dieser Rechtssache soll diesem erweiterten Kontext Beachtung geschenkt werden, weil er für die Beurteilung der in dieser Rechtssache aufgeworfenen Rechtsfragen nicht ohne Bedeutung ist.

II – Allgemeiner Kontext und rechtlicher Rahmen

A – Die Eigenmittel

4.        Aufgrund unterschiedlicher Ursachen war seit 1979 die jährliche Beschlussfassung über den Gemeinschaftshaushalt immer komplizierter geworden. Erstens waren durch den Beitritt Griechenlands, Spaniens und Portugals die Unterschiede beim Wohlstand innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erheblich gewachsen. Man befürchtete, dass durch die geplante Vollendung des Binnenmarktes diese Wohlstandsunterschiede noch weiter wachsen würden. Dies führte dazu, dass verstärkt die politische Frage nach einem umfangreicheren Beitrag der Gemeinschaft für die Regionen mit geringerem Wohlstand gestellt wurde. Zweitens zeigte sich in diesem Zeitraum, dass die Bewältigung der obligatorischen Ausgaben für die Landwirtschaft im Bereich Garantie immer mehr Probleme aufwarf. Der Anteil dieser Ausgaben an den ohnehin schon überlasteten Gemeinschaftsausgaben wuchs auf über 70 %. Dadurch, dass die obligatorischen Gemeinschaftsausgaben die nicht obligatorischen Gemeinschaftsausgaben, für die das Europäische Parlament nach Artikel 272 EG Mithaushaltsbehörde war und eine besondere Zuständigkeit besaß, zu verdrängen drohten, entstand drittens ein fast ständiges Patt zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament.

5.        Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, legte die Kommission im Februar 1987 ein Paket von Vorschlägen für eine tief greifende Veränderung der öffentlichen Finanzen der Gemeinschaft (das so genannte Delors-Paket) vor. Darüber konnte der Europäische Rat vom Februar 1988 in Grundzügen Übereinstimmung erzielen. Die Beschlussfassung betraf vier Grundelemente der Gemeinschaftsfinanzen. Diese vier Elemente sind seit 1988 für das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren und für den Inhalt des Gemeinschaftshaushalts maßgebend geblieben. Die Beschlussfassung über den jährlichen Haushalt, wie sie in Artikel 272 EG förmlich geregelt ist, erfolgt üblicherweise innerhalb des durch diese vier Elemente abgegrenzten Rahmens.

6.        Diese Elemente sind:

a)        Der mittelfristige Finanzrahmen

Dieser Rahmen wird gewöhnlich vom Europäischen Rat auf Vorschlag der Kommission für einen Zeitraum von fünf oder sechs Jahren festgelegt. Nach 1988 wurde er nochmals im Dezember 1992 vom Europäischen Rat von Edinburg und im März 1999 vom Europäischen Rat von Berlin festgelegt. In diesem Rahmen wird die Entwicklung der Höchstgrenze der Ausgaben der Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit und für die wichtigsten Haushaltsposten gesondert festgelegt. Er bildet, in stärker ausgearbeiteter Form, den Gegenstand interinstitutioneller Vereinbarungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission. Mit diesen interinstitutionellen Vereinbarungen wird jeweils der quantitative Rahmen festgelegt, innerhalb dessen der Haushaltsgesetzgeber in dem betreffenden Zeitraum operieren muss.

Natürlich spielen verteilungspolitische Erwägungen bei der Gliederung und Zusammensetzung der mittelfristigen Finanzrahmen eine große Rolle.

b)        Der Eigenmittelbeschluss

Jedem mittelfristigen Finanzrahmen steht ein Eigenmittelbeschluss gegenüber, in dem die Einnahmen geregelt werden, die die Gemeinschaft benötigt, um die im Finanzrahmen vorgesehenen Ausgaben zu tätigen. Bei der Bemessung der verschiedenen „Eigenmittel“ der Gemeinschaft und der Beiträge der Mitgliedstaaten hierfür spielen natürlich auch verteilungspolitische Motive eine große Rolle. Dabei pflegen die Mitgliedstaaten genau auf die Positiv- oder Negativsalden zu achten, die sich für sie aus der Summe aus Einnahmen und Beiträgen ergeben.

c)        Die Haushaltsdisziplin

Das labile haushaltspolitische Gleichgewicht zwischen den mittelfristigen Finanzrahmen und den Eigenmitteln ist in sich von Haushaltsüberschreitungen bedroht. Daher werden seit 1988 bei jeder neuen finanziellen Vorausschau Vorbeugungsmaßnahmen gegen unvorhergesehene Ausgabenentwicklungen getroffen. Diese Maßnahmen, die nunmehr in der Verordnung (EG) Nr. 2040/2000 des Rates vom 26. September 2000 betreffend die Haushaltsdisziplin3 –ABl. L 244, S. 27. festgelegt sind, haben vor allem die Kontrolle der Agrarausgaben zum Inhalt.

d)        Die Strukturfonds

In der bereits erwähnten Verteilungsperspektive im Hinblick auf die Wohlstandsunterschiede innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nehmen die Ausgaben für die Strukturfonds einschließlich des Kohäsionsfonds einen zentralen Platz ein. Bei der Beschlussfassung über die finanziellen Vorausschauen wird die Verteilung der Mittel aus den Strukturfonds auf die einzelnen Mitgliedstaaten gewöhnlich präzise ausgearbeitet. Nach jeder Feststellung der finanziellen Vorausschauen werden die Gemeinschaftsvorschriften über die Strukturfonds normalerweise neu bewertet.

7.        In der vorliegenden Rechtssache geht es vor allem um den Zusammenhang zwischen der mittelfristigen Finanzvorschau und dem entsprechenden Eigenmittelbeschluss. Wie gesagt, beruht die Labilität des Konsenses über beide Beschlüsse in den Europäischen Räten vor allem auf den Salden, die sich aus der kombinierten Durchführung der Beschlüsse für die Mitgliedstaaten ergeben. Mit den Beiträgen hängen die Folgen, die die Bemessung der verschiedenen Eigenmittel für die Mitgliedstaaten im Einzelnen hat, eng zusammen. Hierzu ist noch darauf hinzuweisen, dass aus Artikel 268 Absatz 3 EG, wonach der Gemeinschaftshaushalt in Ausgaben und Einnahmen auszugleichen ist, hervorgeht, dass hinter den Erwartungen zurückbleibende Einnahmen bei den einen Eigenmitteln entweder durch andere Eigenmittel ausgeglichen werden oder zu einer Anpassung der in den finanziellen Vorausschauen vorgesehenen Ausgaben führen müssen. In beiden Fällen besteht für den der Beschlussfassung über die Ausgaben und Einnahmen der Gemeinschaft zugrunde liegenden Konsens ein gewisses Risiko. Im Hinblick auf den Hintergrund dieser inneren Anfälligkeit des gemeinschaftlichen Haushaltsverfahrens sind die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in den Eigenmittelbeschlüssen und in den entsprechenden Durchführungsregelungen genau festgelegt und werden von der Kommission gewöhnlich streng überwacht.

8.        In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Auslegung einiger Bestimmungen des Eigenmittelbeschlusses 1994 und der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (4) in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften geänderten Fassung (5) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1552/89). Diese Bestimmungen betreffen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft bei der Erhebung, der buchmäßigen Erfassung und der Übertragung von Zöllen als „Eigenmittel“ der Gemeinschaft.

9.        Im vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen des Eigenmittelbeschlusses 1994 maßgebend:

Artikel 2 Absatz 1

„Folgende Einnahmen stellen in den Haushalt der Gemeinschaften einzusetzende Eigenmittel dar:

a)
Abschöpfungen, Prämien, Zusatz- oder Ausgleichsbeträge, zusätzliche Teilbeträge und andere Abgaben auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten, die von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden, sowie Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker vorgesehen sind;

b)
Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle auf den Warenverkehr mit Nichtmitgliedstaaten, die von den Gemeinschaftsorganen eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden, sowie Zölle auf die unter den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl fallenden Erzeugnisse;

…“

Artikel 2 Absatz 3

„Die Mitgliedstaaten behalten von den Zahlungen gemäß Absatz 1 Buchstaben a und b 10 % für Erhebungskosten ein.“

Artikel 8 Absatz 1

„Die Eigenmittel der Gemeinschaften gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b werden von den Mitgliedstaaten nach den innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhoben, die gegebenenfalls den Erfordernissen der Gemeinschaftsregelung anzupassen sind. Die Kommission nimmt in regelmäßigen Abständen eine Prüfung der einzelstaatlichen Bestimmungen vor, die ihr von den Mitgliedstaaten mitgeteilt werden, teilt den Mitgliedstaaten die Anpassungen mit, die sie zur Gewährleistung ihrer Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften für notwendig hält, und erstattet der Haushaltsbehörde Bericht. Die Mitgliedstaaten stellen die Mittel nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a bis d der Kommission zur Verfügung.“

Nach Artikel 8 Absatz 2

„… erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig die zur Durchführung dieses Beschlusses erforderlichen Vorschriften sowie die Vorschriften über die Kontrolle der Erhebung der Einnahmen gemäß den Artikeln 2 und 5 und Vorschriften darüber, wie diese Einnahmen der Kommission zur Verfügung zu stellen und wann sie abzuführen sind“.

10.      Im vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen der Verordnung Nr. 1552/89 in der im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung von Bedeutung:

Artikel 2

„(1) Für diese Verordnung gilt ein Anspruch der Gemeinschaften auf die Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom [jetzt Beschluss 94/728] als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.

(1a) Der Zeitpunkt der Feststellung im Sinne von Absatz 1 ist der Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung im Sinne der Zollvorschriften.

(1b) In Streitfällen wird davon ausgegangen, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden zum Zwecke der Feststellung im Sinne von Absatz 1 die Höhe der geschuldeten Abgabe spätestens anlässlich der ersten Verwaltungsentscheidung, mit der dem Abgabenschuldner die Schuld mitgeteilt wird, oder anlässlich der Anrufung der Justizbehörde, wenn diese Anrufung zuerst erfolgt, bestimmen können.

… “

Artikel 6

„(1) Bei der Haushaltsverwaltung jedes Mitgliedstaats oder bei der von jedem Mitgliedstaat bestimmten Einrichtung wird über die Eigenmittel Buch geführt, und zwar aufgegliedert nach der Art der Mittel.

(1a)       

(2) a)
Die nach Artikel 2 festgestellten Ansprüche werden vorbehaltlich Buchstabe b) dieses Absatzes spätestens am ersten Werktag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch festgestellt wurde, in die Buchführung aufgenommen.

b) Festgestellte Ansprüche, die in die Buchführung nach Buchstabe a) nicht aufgenommen wurden, weil sie noch nicht eingezogen wurden und für sie eine Sicherheit nicht geleistet worden ist, werden innerhalb der Frist nach Buchstabe a) in einer gesonderten Buchführung ausgewiesen. Die Mitgliedstaaten können auf die gleiche Weise vorgehen, wenn festgestellte Ansprüche, für die eine Sicherheit geleistet worden ist, angefochten werden und durch Regelung des betreffenden Streitfalls Veränderungen unterworfen sein können.“

(3) und (4). In diesen Absätzen des Artikels 6 werden die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die regelmäßige Übermittlung von Übersichten über die Buchführung an die Kommission festgelegt.

Artikel 17

„(1) Die Mitgliedstaaten haben alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Beträge, die den gemäß Artikel 2 festgestellten Ansprüchen entsprechen, der Kommission nach Maßgabe dieser Verordnung zur Verfügung gestellt werden.

(2) Die Mitgliedstaaten sind nur dann nicht verpflichtet, die den festgestellten Ansprüchen entsprechenden Beträge der Kommission zur Verfügung zu stellen, wenn diese Beträge aus Gründen höherer Gewalt nicht erhoben werden konnten. Ferner brauchen die Mitgliedstaaten im Einzelfall die Beträge der Kommission nicht zur Verfügung zu stellen, wenn sich nach eingehender Prüfung aller maßgeblichen Umstände des betreffenden Falles erweist, dass die Einziehung aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen auf Dauer unmöglich ist. Diese Fälle sind in dem Bericht gemäß Absatz 3 aufzuführen, sofern die zu dem am ersten Werktag des Monats Oktober des Kalendervorjahres geltenden Kurs in Landeswährung umgerechneten Beträge 10 000 ECU übersteigen. In dem Bericht sind die Gründe anzugeben, die den Mitgliedstaat gehindert haben, die betreffenden Beträge zur Verfügung zu stellen. Die Kommission kann dem Mitgliedstaat binnen sechs Monaten Bemerkungen übermitteln.

…“

B – Die Mitgliedstaaten und die Abgabenschuldner

11.      Im Eigenmittelbeschluss 1994 und in der Verordnung Nr. 1552/89 sind die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft bei der Feststellung, Erhebung, buchmäßigen Erfassung und Übertragung der in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und b bezeichneten Eigenmittel festgelegt. Es ist kennzeichnend für diese „traditionellen“ Eigenmittel, dass sie in vollem Umfang durch den Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegt sind und dass die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Erhebung und Übertragung dieser Mittel reinen Durchführungscharakter haben. Diese Durchführung bringt es mit sich, dass die Mitgliedstaaten gegenüber den einzelnen Abgabenschuldnern Hoheitsakte erlassen müssen, um zu erreichen, dass die geschuldeten Abgaben tatsächlich abgeführt werden und letztlich der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden können. Die hierfür erforderlichen Vorschriften sind, soweit es um die Feststellung und Erhebung von Zöllen und mit diesen verwandter Abgaben geht, in der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (im Folgenden: Zollkodex) (6) enthalten.

12.      Aus dem umfangreichen Zollkodex sind für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits insbesondere folgende Bestimmungen von Bedeutung:

Artikel 4 Nummer 9 mit der Definition „Zollschuld: die Verpflichtung einer Person, die für eine bestimmte Ware im geltenden Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Einfuhrabgaben (Einfuhrzollschuld) oder Ausfuhrabgaben (Ausfuhrzollschuld) zu entrichten“.

Artikel 4 Nummer 10 definiert, was unter „Einfuhrabgaben“ zu verstehen ist:

„– Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren;

Abschöpfungen und sonstige bei der Einfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder aufgrund der für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Sonderregelungen vorgesehen sind“.

Artikel 201 bezieht sich auf das Entstehen der Einfuhrzollschuld:

„(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

a)
wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird oder

b)
wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt wird.

(2)     Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.

(3)
… “

Die buchmäßige Erfassung des Zollschuldbetrags und die Mitteilung an den Abgabenschuldner sind Gegenstand der Artikel 217 ff. Im Kontext der vorliegenden Rechtssache sind vor allem von Bedeutung:

„Artikel 217

(1) Jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag – nachstehend ‚Abgabenbetrag‘ genannt – muss unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige statt dessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).

Der vorstehende Unterabsatz gilt nicht

a)      

b)      

c)      

Die Zollbehörden können von der buchmäßigen Erfassung eines Abgabenbetrages absehen, der nach Artikel 221 Absatz 3 dem Zollschuldner nach Ablauf der vorgesehenen Frist nicht mehr mitgeteilt werden darf.

(2) Die Einzelheiten der buchmäßigen Erfassung der Abgabenbeträge werden von den Mitgliedstaaten geregelt. Diese Einzelheiten können unterschiedlich sein, je nachdem, ob unter Berücksichtigung der Voraussetzungen, unter denen die Zollschuld entstanden ist, die Entrichtung dieser Beträge für die Zollbehörden gesichert ist oder nicht.

Artikel 218

(1) Entsteht eine Zollschuld durch die Annahme der Zollanmeldung einer Ware zu einem anderen Zollverfahren als der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben oder durch andere Handlungen mit gleicher rechtlicher Wirkung wie diese Annahme, so erfolgt die buchmäßige Erfassung des dieser Zollschuld entsprechenden Betrags unmittelbar nach Berechnung dieses Betrages, spätestens jedoch am zweiten Tag nach dem Tag, an dem die Ware überlassen worden ist. …

(2)    

(3)    

Artikel 219

Artikel 220

(1) Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Artikel 219 verlängert werden.

(2) Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

a)
die ursprüngliche Entscheidung, keine Zölle oder einen niedrigeren als den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag buchmäßig zu erfassen, aufgrund von allgemeinen Vorschriften, die später durch eine gerichtliche Entscheidung für ungültig erklärt worden sind, gefasst worden ist;

b)
der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat;

c)
die gemäß dem Ausschussverfahren erlassenen Bestimmungen die Zollbehörden von ihrer Pflicht entheben, Abgabenbeträge nachträglich buchmäßig zu erfassen, die niedriger als ein festgesetzter Betrag liegen.

Artikel 221

(1) Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

(2) Ist der zu entrichtende Abgabenbetrag in der Zollanmeldung als Hinweis vermerkt worden, so können die Zollbehörden vorsehen, dass die Mitteilung nach Absatz 1 nur erfolgt, wenn der angegebene Abgabenbetrag nicht mit dem von ihnen ermittelten Betrag übereinstimmt.

Wird von der im vorstehenden Unterabsatz genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht, so gilt unbeschadet des Artikels 218 Absatz 1 zweiter Unterabsatz die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden als Mitteilung des buchmäßig erfassten Abgabenbetrags an den Zollschuldner.

(3) Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Konnten die Zollbehörden jedoch aufgrund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln, so kann die Mitteilung noch nach Ablauf der genannten Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen ist.“

13.      Die Kommission hat durch Verordnung nähere Durchführungsbestimmungen zum Zollkodex festgelegt. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang:

Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (7) ;

Verordnung (EG) Nr. 1677/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (8) ;

Verordnung (EG) Nr. 1335/2003 der Kommission vom 25. Juli 2003 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (9) .

14.      Zur Zeit der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Ereignisse lautete Artikel 869 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2454/93 wie folgt:

„Die Zollbehörden treffen in folgenden Fällen selbst die Entscheidung, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der nicht erhobenen Abgaben abzusehen:

a)      

b)
in Fällen, in denen sie der Meinung sind, dass alle Voraussetzungen des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex der Gemeinschaft erfüllt sind, sofern der infolge eines Irrtums von einem Beteiligten nicht erhobene Abgabenbetrag, der sich gegebenenfalls aus mehreren Einfuhr- oder Ausfuhrgeschäften ergibt, niedriger ist als 2 000 ECU.“

Durch Artikel 1 Nummer 5 der Verordnung Nr. 1677/98 wurden in Artikel 869 Buchstabe b am Ende die Worte „2 000 ECU“ durch die Worte „50 000 ECU“ ersetzt.

15.      Artikel 871 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2454/93 lautet: „Sind die Zollbehörden in anderen Fällen als denen nach Artikel 869 der Meinung, dass die Voraussetzungen des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex vorliegen, oder hegen sie hinsichtlich der genauen Tragweite der Voraussetzungen der genannten Vorschrift in dem betreffenden Fall Zweifel, so legen sie den Fall … der Kommission zur Prüfung nach dem Verfahren der Artikel 872 bis 876 vor.“

16.      Durch Artikel 1 Nummern 1 und 2 der Verordnung Nr. 1335/2003 wurden die Artikel 869 Buchstabe b und 871 der Verordnung Nr. 2454/93 ersetzt. Artikel 1 der Verordnung Nr. 1335/2003 gilt ab 1. August 2003 für alle Fälle, die der Kommission nicht bis zu diesem Zeitpunkt übermittelt wurden.

17.      Die geänderten Artikel 869 Buchstabe b und 871 der Verordnung Nr. 2454/93 haben jetzt folgenden Wortlaut:

Artikel 869 Buchstabe b

„Die Zollbehörden treffen in folgenden Fällen selbst die Entscheidung, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der nicht erhobenen Abgaben abzusehen:

a)      

b)
in Fällen, in denen sie der Auffassung sind, dass alle Voraussetzungen des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex der Gemeinschaft erfüllt sind, sofern die Kommission nicht gemäß Artikel 871 Absatz 2 zweiter Anstrich mit dem Fall befasst ist. Ist Artikel 871 Absatz 2 anwendbar, so ist eine Entscheidung der Zollbehörden, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Abgaben abzusehen, nur dann möglich, wenn das Verfahren gemäß den Artikeln 871 bis 876 abgeschlossen wurde.“

Artikel 871 Absätze 1 und 2:

„(1) Die Zollbehörden übermitteln der Kommission einen Fall zur Regelung nach dem Verfahren der Artikel 872 bis 876, wenn sie der Auffassung sind, dass die Voraussetzungen des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b) des Zollkodex vorliegen und

sie der Auffassung sind, dass die Kommission einen Irrtum im Sinne des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b) Zollkodex begangen hat, oder

der betreffende Fall im Zusammenhang steht mit Ergebnissen gemeinschaftlicher Ermittlungen, die durchgeführt wurden im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung (10) oder anderer gemeinschaftlicher Rechtsakte oder Abkommen, die die Gemeinschaft mit anderen Ländern oder Ländergruppen geschlossen hat und in denen die Möglichkeit der Durchführung derartiger gemeinschaftlicher Ermittlungen vorgesehen ist, oder

die Abgaben, die bei einem Beteiligten infolge ein und desselben Irrtums, gegebenenfalls auch für mehrere Einfuhr- oder Ausfuhrvorgänge, nicht erhoben wurden, 500 000 EUR oder mehr betragen.

(2) Die Übermittlung gemäß Absatz 1 unterbleibt, wenn

die Kommission bereits im Verfahren der Artikel 872 bis 876 eine Entscheidung über einen Fall mit vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Merkmalen getroffen hat;

die Kommission bereits mit einem Fall mit vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Merkmalen befasst ist.“

18.      Artikel 873 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2454/93 bestimmt:„Nach Anhörung einer Sachverständigengruppe, die aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht und im Rahmen des Ausschusses zur Prüfung des Falles zusammentritt, entscheidet die Kommission, ob der geprüfte Sachverhalt es zulässt, von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung abzusehen oder nicht.“

III – Dem Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt

19.      Anfang der neunziger Jahre führte ein dänisches Unternehmen (im Folgenden: Importeur) tiefgefrorene Hülsenfrüchte aus der Volksrepublik China nach Dänemark ein. Bis Ende 1995 wurden diese vor der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an eine dänische Großhandlung verkauft, die die Zollförmlichkeiten selbst abwickelte. Diese Großhandlung verfügte über eine Genehmigung für die Einfuhr zum Nullsatz, da die Hülsenfrüchte zum Endverbrauch bei ihr bestimmt waren. Ab 1. Januar 1996 ging der Importeur dazu über, die genannten Waren selbst in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen. Die örtlichen Zollbehörden von Ballerup (Dänemark) nahmen die Zollanmeldungen an, ohne zu prüfen, ob der Importeur über eine Genehmigung zum Endverbrauch für die fragliche Handelsware verfügte, und wandten weiterhin den Nullsatz an.

20.      Am 12. Mai 1997 stellten die örtlichen Zollbehörden von Vejle (Dänemark) fest, dass der Importeur nicht über die erforderliche Erlaubnis zur Anwendung des Nullsatzes verfügte. Daraufhin berichtigten sie zwei Zollanmeldungen mit der Anwendung eines Einfuhrzolls von 16,8 %. Der Importeur wandte sich noch am selben Tag an die Zollbehörden von Ballerup, die die Berichtigungen abänderten und erneut den Nullsatz anwandten, ohne zu prüfen, ob der Importeur über die erforderliche Erlaubnis zum Endverbrauch der betroffenen Waren verfügte.

21.      Bei einer Überprüfung von 25 zwischen dem 9. Februar 1996 und 24. Oktober 1997 eingereichten Zollanmeldungen stellten die zuständigen Zollbehörden fest, dass der Importeur nicht über die erforderliche Erlaubnis zum Endverbrauch verfügte. Daraufhin forderten sie die Zahlung zu Unrecht nicht erhobener Einfuhrzölle in Höhe von 509 707,30 DKK (etwa 69 000 Euro). Nachdem die dänischen Behörden jedoch festgestellt hatten, dass die Änderung der Berichtigungen durch den örtlichen Zoll von Ballerup vom 12. Mai 1997 bei dem Importeur das berechtigte Vertrauen darauf hatte festigen können, dass das gewählte Verfahren der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ordnungsgemäß war, fragten sie bei der Kommission an, ob es nach Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex gerechtfertigt sei, von der buchmäßigen Erfassung der vom Importeur geforderten Einfuhrzölle für die nach dem betreffenden Datum eingereichten Zollanmeldungen abzusehen. Es ging dabei um einen Betrag von 140 409,60 DKK (etwa 19 000 Euro).

22.      Die Kommission bejahte die Frage mit Bescheid vom 19. Juli 1999. In ihrem Bescheid führte sie insbesondere aus, dass die Änderung der vom örtlichen Zoll von Vejle vorgenommenen Berichtigungen durch die örtlichen Zollbehörden von Ballerup vom 12. Mai 1997 als ein durch die zuständigen dänischen Behörden begangener Irrtum anzusehen sei, der vom Betroffenen nicht habe erkannt werden können.

23.      Mit Schreiben vom 21. Oktober 1999 forderte die Kommission die dänischen Behörden auf, ihr bis zum ersten Werktag, der auf den 19. des zweiten Monats nach Absendung des Schreibens folgte, also bis zum 20. Dezember 1999, 140 409,60 DKK als Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, widrigenfalls die nach geltendem Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Verzugszinsen angewandt würden. Die Kommission verlangte auch, dass der Betrag in der ihr monatlich vorgelegten Buchführungsübersicht erkennbar aufgeführt werde.

24.      Nachdem die dänischen Behörden mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 mitgeteilt hatten, dass sie diesen Forderungen nicht nachkommen würden, übersandte die Kommission der dänischen Regierung am 19. Juli 2000 ein Mahnschreiben. Da die Reaktion der dänischen Regierung vom 29. September 2000 auf dieses Mahnschreiben die Kommission nicht zufrieden stellte, richtete sie am 6. April 2001 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Dänemark und forderte es auf, dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Da die dänische Regierung in ihrer Antwort auf ihrer Ansicht beharrte, dass Mitgliedstaaten nicht finanziell für Fehler der Zollbehörden haftbar gemacht werden könnten, die sich dafür mit Zustimmung der Kommission nicht an den Abgabepflichtigen hätten halten können, hat die Kommission die vorliegende Klage beim Gerichtshof erhoben.

IV – Standpunkte der Beteiligten

25.      Bei der nachfolgenden Wiedergabe der Standpunkte werde ich mich auf die Darstellung einiger Grundzüge der ausführlichen schriftlichen und mündlichen Diskussion zwischen der Kommission auf der einen und dem Königreich Dänemark und den es in seinen Anträgen unterstützenden Mitgliedstaaten auf der anderen Seite beschränken. Wo erforderlich, werde ich im Folgenden bei der Beurteilung der eingenommenen Standpunkte mehr im Einzelnen auf die angeführten Argumente eingehen.

26.      Die Kommission trägt vor, dass die „traditionellen“ Eigenmittel im Sinne von Artikel 2 des Eigenmittelbeschlusses 1994 mit dem Entstehen der Zollschuld bestünden und dass dementsprechend der Betrag von 140 409,60 DKK nach Artikel 8 Absatz 1 des genannten Beschlusses ihr zur Verfügung hätte gestellt werden müssen. Daher hätten die dänischen Behörden gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 durch die ordnungsgemäße Anwendung der maßgebenden Zollvorschriften einen Anspruch der Gemeinschaft auf diese Einnahmen feststellen und bei Fehlen der geforderten Endverbrauchererklärung die geschuldeten Zölle erheben müssen.

27.      Die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die dänischen Behörden das Bestehen einer Zollschuld hätten feststellen müssen, ermögliche nach Artikel 10 der Verordnung Nr. 1552/89 auch die Berechnung der Frist, innerhalb deren die betreffenden Eigenmittel dem Konto der Kommission hätten gutgeschrieben werden müssen. Aus der Überschreitung dieser Frist ergebe sich die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen gemäß Artikel 11 der genannten Verordnung. Zur Begründung dieser Ansicht verweist die Kommission auf das Urteil in der Rechtssache 303/84 (Kommission/Deutschland) (11) .

28.      Die Kommission vertritt die Meinung, dass bei der Erhebung von Zöllen durch die Mitgliedstaaten und der anschließenden Übertragung der Zölle auf die Kommission streng zu unterscheiden sei zwischen den Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf der einen und den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Abgabenschuldnern auf der anderen Seite. Für die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gälten die Bestimmungen über die Finanzierung der Gemeinschaft, insbesondere der Eigenmittelbeschluss 1994 und die Verordnung Nr. 1552/89, sowie das in Artikel 10 EG niedergelegte Gebot der Gemeinschaftstreue. Für sämtliche Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Wirtschaftsteilnehmern gälten hingegen der Zollkodex und die näheren Durchführungsvorschriften hierzu, wie etwa die Verordnung Nr. 2454/93.

29.      Tatsächlich bestehe, so trägt die Kommission vor, ein rein rechtstechnischer Zusammenhang zwischen beiden Regelungskomplexen, da in der Verordnung Nr. 1552/89 auf die einzelnen Schritte verwiesen werde, die beim Entstehen, der Feststellung und der Erhebung einer Zollschuld vollzogen werden müssten. Diese Verweisungen seien jedoch ohne Bedeutung für die finanzielle Haftung der nationalen Behörden gegenüber der Gemeinschaft für die Fehler, die sie bei der Erhebung der „traditionellen“ Eigenmittel begingen. Versäume es ein Mitgliedstaat, aus welchen Gründen auch immer, diese Mittel zu erheben, so könne er nur nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 1552/89 seiner Verpflichtung zur Übertragung der Mittel auf die Kommission enthoben werden, und dies allein unter den in dieser Bestimmung abschließend festgelegten Voraussetzungen. Daher könne der Umstand als solcher, dass ein Unternehmen nach Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex von der Entrichtung von Zöllen befreit werde, keinen Einfluss auf die Verpflichtung des betroffenen Mitgliedstaats zur Abführung dieser Zölle haben.

30.      Die Verweisung in Artikel 2 der Verordnung Nr. 1552/89 auf den Zollkodex, insbesondere was die buchmäßige Erfassung einer Zollschuld betreffe, müsse zwangsläufig als Verweisung auf die durch den Zollkodex festgelegten objektiven Voraussetzungen für die buchmäßige Erfassung und nicht etwa auf die Frage verstanden werden, ob die nationalen Behörden die buchmäßige Erfassung tatsächlich vorgenommen hätten oder nicht. Hieraus schließt die Kommission, dass die Zölle und Agrarabschöpfungen vom Zeitpunkt der tatsächlichen Wareneinfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft und somit vom Entstehen der Zollschuld an der Gemeinschaft und nicht den Mitgliedstaaten zustünden.

31.      Die Gemeinschaft habe die Erhebung dieser Einnahmen deshalb den Mitgliedstaaten anvertraut, weil diese über die einsatzbereite Infrastruktur hierfür verfügten. Als Gegenleistung dafür dürften die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Eigenmittelbeschlusses 1994 10 % (jetzt 25 %) der zu übertragenden Eigenmittel einbehalten. Die Kommission schließt daraus, dass die Gemeinschaft umso eher erwarten dürfe, dass die Mitgliedstaaten ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllten. Daher hätten die Mitgliedstaaten die finanziellen Konsequenzen ihrer etwaigen Versäumnisse bei der Erhebung der Eigenmittel selbst zu tragen.

32.      Zur Begründung ihrer Position verweist die Kommission auf den in den Artikeln 248 EG und 274 EG niedergelegten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, so wie er in Artikel 2 der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (12) in der zuletzt durch die Verordnung (EG, EGKS, Euratom) Nr. 762/2001 geänderten Fassung (13) festgelegt sei. Die Nichteinhaltung dieses Grundsatzes habe zur Folge, dass die entgangenen Einnahmen über die so genannten BSP-Eigenmittel auf sämtliche Mitgliedstaaten umgelegt werden müssten. Damit werde das fein ausgewogene Gleichgewicht bei der Finanzierung der Gemeinschaftsmittel beeinträchtigt.

33.      Die Kommission führt in diesem Zusammenhang die Urteile in der Rechtssache 110/76 (Pretore di Cento/X) (14) und in der Rechtssache C‑96/89 (Kommission/Niederlande) (15) an. Auf deren Inhalt und Bedeutung für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits werde ich im Folgenden bei der Beurteilung der vorgetragenen Argumente im Einzelnen zurückkommen.

34.      Die dänische Regierung trägt in einer ausführlichen Argumentation gegen die Ansicht der Kommission vor, dass das im vorliegenden Fall maßgebende Gemeinschaftsrecht keine finanzielle Haftung der Mitgliedstaaten für Fehler vorsehe, die ihre nationalen Behörden bei der Erhebung der Eigenmittel der Gemeinschaft begangen hätten. Dafür müsste in den einschlägigen Gemeinschaftsregelungen eine ausdrückliche Rechtsgrundlage vorgesehen sein. Jedoch weder aus dem Wortlaut selbst noch aus der Entstehungsgeschichte des Eigenmittelbeschlusses 1994 oder der Verordnung Nr. 1552/89 ­– und der Vorläufer dieser Regelungen – lasse sich ableiten, dass die Einführung einer finanziellen Haftung der Mitgliedstaaten für Fehler und Versäumnisse bei der Erhebung der Eigenmittel bezweckt gewesen sei. Die Artikel 2 und 8 des Eigenmittelbeschlusses 1994 legten lediglich die Verpflichtung fest, dass die Einnahmen an Ein- und Ausfuhrzöllen der Kommission zur Verfügung zu stellen seien. Sie bestimmten nicht, welche Folgen etwaige Fehler und Versäumnisse der nationalen Zollbehörden hätten.

35.      In diesem Zusammenhang weist die dänische Regierung noch darauf hin, dass diese Rechtssache für die Kommission den Charakter eines Musterverfahrens habe. Schon mehrmals habe die Kommission die Aufnahme des Grundsatzes der finanziellen Haftung der Mitgliedstaaten für Fehler bei der Erhebung der Eigenmittel in die Eigenmittelbeschlüsse und die dazugehörigen Durchführungsregelungen angestrebt. Bisher sei dies vergebens gewesen, da die entsprechenden Vorschläge vom Rat nicht angenommen worden seien.

36.      Die dänische Regierung räumt zwar ein, dass sich aus dem in Artikel 10 EG niedergelegten Loyalitätsgrundsatz ergebe, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, durch eine effektive Organisation ihrer Zollverwaltung dafür zu sorgen, dass die Eigenmittel erhoben und der Kommission zur Verfügung gestellt würden. Aus diesem Loyalitätsgrundsatz lasse sich aber nicht ableiten, dass ein Mitgliedstaat für etwaige Fehler dieser Behörden haftbar sei. Sich daraus ergebende Verluste müssten als nahezu unvermeidliche Folge der Delegation der Erhebung der Eigenmittel zugunsten der Gemeinschaft von dieser getragen werden. Im entgegengesetzten Fall wären vor allem die Mitgliedstaaten, durch die die bedeutendsten Handelskanäle zwischen der Gemeinschaft und Drittländern liefen, unverhältnismäßig stark betroffen.

37.      Bei genauer Analyse von Wortlaut und Aufbau des Eigenmittelbeschlusses 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89 zeige sich, dass die Ausführungen der Kommission nicht haltbar seien. Gerade die Bestimmungen, auf die sie ihre Ansicht besonders stütze, die Artikel 2 und 8 des Eigenmittelbeschlusses 1994, hätten keinen anderen Inhalt, als dass die Einnahmen aus Einfuhrzöllen der Kommission zur Verfügung zu stellen seien. Sie regelten nicht den Fall, dass keine Einnahmen vorlägen, weil der nationalen Zollverwaltung ein Fehler unterlaufen sei. Die Verordnung Nr. 1552/89 sei zudem durch stark ins Einzelne gehende Regelungen gekennzeichnet. Daraus sei im Umkehrschluss abzuleiten, dass der Rat, hätte er das Ziel verfolgt, dass die Mitgliedstaaten für Mittel einstehen müssten, die der Gemeinschaft durch Fehler oder Versäumnisse der mitgliedstaatlichen Zollbehörden entgingen, zweifellos eine sich ausdrücklich darauf erstreckende Bestimmung in diese Verordnung aufgenommen hätte.

38.      Anders als die Kommission ist die dänische Regierung der Meinung, dass im vorliegenden Fall aus Artikel 17 der Verordnung Nr. 1552/89 kein Argument hergeleitet werden könne. Diese Bestimmung lege die Voraussetzungen fest, unter denen die Mitgliedstaaten der Verpflichtung enthoben werden könnten, von ihnen einmal festgestellte Abgaben der Kommission zur Verfügung zu stellen. Im vorliegenden Fall sei diese Situation aber nicht gegeben. Hier gehe es um eine Situation, in der Zölle als Eigenmittel nicht festgestellt worden seien, da die Kommission im Rahmen des in Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex in Verbindung mit Artikel 869 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2454/93 bezeichneten Verfahrens damit einverstanden gewesen sei, dass zu Unrecht nicht buchmäßig erfasste Einfuhrzölle nicht nachträglich vom Abgabenpflichtigen eingefordert werden sollten, da dieser darauf habe vertrauen können, dass die von der zuständigen Zollbehörde abgegebenen Erklärungen zutreffend seien. Wenn nun die betreffenden Zölle nicht mehr buchmäßig erfasst werden müssten, gebe es auch keinen Betrag, der nach dem Wortlaut des Artikels 2 der Verordnung Nr. 1552/89 festgestellt werden müsste. Folglich könne in der Buchführung über die Eigenmittel dieser Betrag nicht im Sinne des Artikels 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1552/89 verbucht werden und könne dieser Betrag auch nicht der Kommission zur Verfügung gestellt werden.

39.      Die dänische Regierung stimmt der Kommission darin zu, dass der Eigenmittelbeschluss 1994 und die Verordnung Nr. 1552/89 auf der einen und der Zollkodex auf der anderen Seite einen unterschiedlichen Gegenstand betreffen. Gleichwohl ist sie der Meinung, dass bei Sachverhalten wie dem, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, bei denen aufgrund einer ordnungsgemäßen Anwendung des Zollkodex und der dafür geltenden Durchführungsvorschriften bestimmte Zölle nicht mehr beim Abgabenpflichtigen erhoben werden könnten, die Kommission nicht befugt sei, diese Zölle nachträglich als Eigenmittel anzufordern. Dies gelte erst recht dann, wenn die Kommission – nach Artikel 873 der Verordnung Nr. 2454/93 – selbst bestimmen dürfe, ob die Mitgliedstaaten in den in Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex bezeichneten Fällen von der Erhebung von Einfuhrzöllen bei Unternehmen absehen dürften. Man dürfe doch normalerweise annehmen, dass, wenn der Kommission die Befugnis verliehen worden sei, darüber zu entscheiden, ob die Mitgliedstaaten die nachträgliche Erhebung bestimmter Zölle unterlassen dürften, dies deshalb so geschehen sei, weil sich aus solchen Entscheidungen der Verlust an Eigenmitteln für die Kommission ergebe.

40.      Für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs zwischen den Bestimmungen über die Eigenmittel und den gemeinschaftlichen Zollvorschriften führt die dänische Regierung noch ein rechtshistorisches Argument an. Dies leitet sie aus der Verordnung Nr. 1697/79 (16) ab. Artikel 9 dieser durch den Zollkodex aufgehobenen Verordnung habe bestimmt, dass bis zum Inkrafttreten der Gemeinschaftsvorschriften zur Festlegung der Bedingungen, unter denen die Mitgliedstaaten die sich aus der Anwendung der Eingangs- oder Ausfuhrabgaben ergebenden eigenen Mittel feststellen müssten, die Mitgliedstaaten, wenn sie nach dieser Verordnung diese Abgaben nicht nacherhoben hätten, nicht verpflichtet seien, diese als entsprechende eigene Mittel im Sinne „der [durch die Verordnung Nr. 1552/89 ersetzten] Verordnung“ festzustellen.

41.      Schließlich erklärt die dänische Regierung in einer sehr ausführlichen Darlegung, weshalb ihrer Meinung nach die von der Kommission angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes für die vorliegende Rechtssache nicht stichhaltig ist. In den betreffenden Urteilen sei es um Fälle gegangen, in denen der betroffene Mitgliedstaat verpflichtet gewesen sei, eine Agrarabschöpfung oder eine Einfuhrabgabe bei einem Unternehmen selbst dann nachzuerheben, wenn die Erhebung nicht fristgerecht erfolgt gewesen sei. Der rechtliche Rahmen in diesen Fällen habe nicht die Anwendung von Bestimmungen umfasst, die Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex entsprächen. Daher habe in diesen Fällen wohl die Nacherhebung der betreffenden Abgaben bei den betroffenen Unternehmen erfolgen dürfen. Diese Rechtsprechung biete deshalb keine Handhabe in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat infolge eines von der Zollverwaltung begangenen Irrtums keine Erhebung mehr vornehmen dürfe.

42.      Die belgische, die italienische, die niederländische, die portugiesische und die schwedische Regierung haben sich dem Standpunkt der dänischen Regierung angeschlossen. Obwohl sie in ihrer Argumentation untereinander etwas unterschiedliche Akzente setzen, meinen sie genau wie die dänische Regierung, dass die Mitgliedstaaten nicht für Fehler oder Versäumnisse der nationalen Zollverwaltungen finanziell haftbar gemacht werden könnten. Mit der dänischen Regierung vertreten sie die Ansicht, dass sich die von der Kommission angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht auf den vorliegenden Fall anwenden lasse. Die betreffenden Urteile bezögen sich nämlich nicht auf Fälle, in denen die betroffenen Mitgliedstaaten keine Nacherhebung von Zöllen oder Agrarabschöpfungen mehr vornehmen dürften. Einige Mitgliedstaaten haben in diesem Zusammenhang noch darauf aufmerksam gemacht, dass Fehler im Sinne des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex auch von der Kommission oder von Behörden dritter Länder begangen werden könnten.

43.      In einigen Streithilfeschriftsätzen wird noch darauf hingewiesen, dass auch bei sorgfältiger Durchführung der zollrechtlichen Vorschriften durch eine angemessen handelnde Zollverwaltung das Auftreten von Fehlern unvermeidlich sei. Der Umfang des Handels mit Drittländern mache ein fehlerloses Handeln schlichtweg unmöglich. Der von der Kommission vertretene Standpunkt führe dazu, dass den Mitgliedstaaten, durch die große Handelsströme flössen, auch dann ein unverhältnismäßig großes finanzielles Risiko drohe, wenn sie alles täten, wozu sie das in Artikel 10 EG niedergelegte Gebot der Gemeinschaftstreue verpflichte.

44.      Die Argumente der deutschen Regierung unterscheiden sich leicht von denen der anderen Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind. Sie wirft zu Beginn die Frage nach der Zulässigkeit auf. Gemäß Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung müsse der Gerichtshof von Amts wegen prüfen, ob die Klage zulässig sei, da er für eine Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache nicht zuständig sei. Die vorliegende Klage sei in Wirklichkeit eine Schadensersatzklage wegen Verletzung des Zollkodex. Da eine solche Klage im Rechtsschutzsystem des EG-Vertrags nicht vorgesehen sei, seien die dänischen Gerichte gemäß Artikel 240 EG für eine Entscheidung darüber zuständig.

45.      Zweitens führt die deutsche Regierung aus, dass aus der objektiven Tatsache, dass es eine fehlerlose Verwaltung des Zollverkehrs nicht gebe, folge, dass nur in Fällen einer offensichtlichen und hinreichend qualifizierten Verletzung des gemeinschaftlichen Zoll- und Agrarrechts, aus der sich finanzielle Einbußen für die Gemeinschaft ergäben, einer solchen Schadensersatzklage stattgegeben werden könne, und zwar in entsprechender Anwendung der Kriterien, die der Gerichtshof in seinen Urteilen zur Haftung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gegenüber Einzelnen entwickelt habe. Diese Kriterien seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

V – Beurteilung

A – Zur Zulässigkeit

46.      Nach meinem Eindruck beruht die Position der deutschen Regierung, es gehe im vorliegenden Fall nicht um eine Vertragsverletzungsklage, sondern um eine versteckte Schadensersatzklage, auf einer unzutreffenden Lektüre der Klageschrift der Kommission, die nicht beantragt, das Königreich Dänemark zur Zahlung eines bestimmten Betrages zu verurteilen, sondern die Feststellung begehrt, dass es seinen Verpflichtungen aus Artikel 10 EG und aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 nicht nachgekommen ist. Dass im schriftlichen Antrag der Betrag von 140 409,60 DKK genannt ist, hängt untrennbar mit dem Gegenstand dieser Klage wegen Vertragsverletzung zusammen, nämlich dem angeblichen Versäumnis des Königreichs Dänemark, seinen Verpflichtungen aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 nachzukommen. Im Ergebnis ist die Klage der Kommission daher zulässig.

47.      Bevor ich zur Beurteilung der Begründetheit dieser Klage komme, möchte ich zum Vorstehenden noch bemerken, dass die Beteiligten, einschließlich der Streithelfer, in der Terminologie ihrer schriftlichen und mündlichen Ausführungen nicht immer gerade sorgfältig sind. Im Zentrum dieser Rechtssache steht die Frage, welche Verpflichtungen sich für die Mitgliedstaaten aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Durchführungsverordnung Nr. 1552/89 ergeben und wie weit diese bei Sachverhalten wie dem dieser Rechtssache zugrunde liegenden reichen. Ob das Königreich Dänemark den genannten Betrag abführen muss, wird im Wesentlichen durch Inhalt und Tragweite dieser Verpflichtungen bestimmt. Es ist daher unzutreffend, die strittige Zahlungsverpflichtung als sich aus einer strittigen Haftung für diesen Betrag ergebend zu qualifizieren.

B – Zur Begründetheit

48.      Hinsichtlich des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts herrscht Übereinstimmung zwischen Kommission und dänischer Regierung. Auch die dänische Regierung erkennt an, dass die zuständigen Zollbehörden von Ballerup dadurch einen Irrtum begangen haben, dass sie zu Unrecht eine Reihe von Partien zum Nullsatz in das Zollgebiet der Gemeinschaft haben gelangen lassen, obwohl der Importeur nicht über die erforderliche Erlaubnis zum Endverbrauch verfügte. Da das betroffene Unternehmen ein berechtigtes Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidung der Zollbehörden haben durfte, konnten die geschuldeten Zölle bei ihm nicht nacherhoben werden.

49.      Für die Beurteilung der Frage, ob die dänische Regierung dadurch ihren Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht nicht nachgekommen ist und ob sie deshalb verpflichtet ist, die der Gemeinschaft entgangenen Eigenmittel nachträglich abzuführen, sind drei eng miteinander zusammenhängende Fragen zu beantworten:

Welche Verpflichtungen ergeben sich für die Mitgliedstaaten aus den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstaben a und b und 8 Absatz 1 des Eigenmittelbeschlusses 1994 in Verbindung mit den Artikeln 2 Absatz 1, 6 Absatz 2 und 17 der Verordnung Nr. 1552/89?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89 auf der einen und dem Zollkodex und der Durchführungsverordnung Nr. 2454/93 auf der anderen Seite?

Hat insbesondere die Anwendung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex in Verbindung mit den Artikeln 871 und 873 der Durchführungsverordnung Nr. 2454/93 Folgen für die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89?

C – Die Verpflichtungen aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89

50.      Für die Beantwortung der ersten Frage kommt es entscheidend auf die Auslegung von Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 an. Dabei geht es insbesondere um folgende Bestandteile: „… ein Anspruch der Gemeinschaften … [gilt] als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.“

51.      Die Kommission trägt vor, dass unter „gilt als festgestellt“ nicht nur die Situation zu verstehen sei, in der die buchmäßige Erfassung des Betrages der Abgaben und die Mitteilung durch die nationalen Behörden an den Abgabenschuldner tatsächlich erfolgt seien – worauf die Erhebung der Abgaben und deren Übertragung als Eigenmittel folgen können –, sondern auch die Situation, in der die nationalen Behörden dies aufgrund der objektiven Gegebenheiten hätten tun müssen, es jedoch unterlassen hätten.

52.      Die dänische Regierung legt, insoweit unterstützt durch die belgische, die niederländische und die portugiesische Regierung, Artikel 2 Absatz 1 anders und enger aus: Der Anspruch der Gemeinschaften auf Eigenmittel gelte als festgestellt, sobald er gemäß den Zollvorschriften buchmäßig erfasst werde und dem Abgabenschuldner mitgeteilt werden könne.

53.      Obwohl der Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 beide Auslegungen zulässt, bin ich der Meinung, dass die von der Kommission vertretene Ansicht die richtige ist. Generalanwalt Mancini hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache 303/84 (Kommission/Deutschland) (17) zu einer vergleichbaren Auslegungsfrage in Bezug auf die Verordnung Nr. 2981/77 – die Regelung, an deren Stelle die Verordnung Nr. 1552/89 getreten ist – ausgeführt, dass die Feststellung nicht der den Anspruch auf die Einnahmen begründende Akt, sondern nur der Umstand sei, der die Verpflichtung des Mitgliedstaats begründe, diese Einnahmen der Kommission zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch auf die Eigenmittel entstehe daher, sobald die vom Gemeinschaftsgesetzeber hierfür aufgestellten Bedingungen erfüllt seien. Wäre dies anders, d. h. hinge das Entstehen dieses Anspruchs von der Initiative der nationalen Behörden ab, könnte dies dazu führen, dass die Gutschrift der Eigenmittel zugunsten der Gemeinschaft nach Belieben hinausgeschoben oder, so möchte ich ergänzen, verhindert werden könnte.

54.      Das in jener Rechtssache ergangene Urteil steht, ohne dass darin die breiter angelegte Betrachtung des Generalanwalts übernommen wird, mit dessen Analyse absolut in Einklang. Der Gerichtshof führt nämlich aus, dass es für die Verpflichtung zur Überweisung der betreffenden Abgaben nicht auf den Moment ankomme, zu dem diese festgestellt seien, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem sie hätten festgestellt werden müssen (18) . Diese Rechtsprechung wurde später in den Urteilen Kommission/Griechenland (19) und Kommission/Niederlande (20) bestätigt.

55.      Diese Urteile sind meiner Meinung nach im Kontext der vorliegenden Rechtssache uneingeschränkt von Bedeutung. Würden die Ansprüche der Gemeinschaft nur dann als festgestellt angesehen, wenn die Mitgliedstaaten sie tatsächlich buchmäßig erfasst haben, wären die angestrebten „bestmöglichen Bedingungen“, unter denen die Gemeinschaft über die Eigenmittel verfügen können muss, nicht gewährleistet. Dann könnten nämlich die Zölle und Abgaben, die durch Fehler oder Versäumnisse der nationalen Behörden nicht buchmäßig erfasst werden, entgegen dem ausdrücklichen Ziel der zweiten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1552/89 nicht als Eigenmittel festgestellt werden.

56.      Ein solches Ergebnis wäre darüber hinaus auch mit der Systematik dieser Verordnung unvereinbar. Diese sieht in Artikel 17 Absatz 2 eine an sehr strenge Bedingungen gebundene Befreiung der Mitgliedstaaten von ihrer Verpflichtung vor, die festgestellten Zölle und Abgaben als Eigenmittel den Gemeinschaften zur Verfügung zu stellen: nämlich, wenn die Erhebung aus Gründen höherer Gewalt nicht erfolgen konnte und wenn sich nach eingehender Prüfung erweist, dass die Einziehung aus nicht von dem betreffenden Mitgliedstaat zu vertretenden Gründen unmöglich ist. Nun würde es aber den restriktiven Zweck dieser Bestimmung auf nahezu fatale Weise beeinträchtigen, wenn sie nicht auf Fälle anwendbar wäre, in denen die betreffenden Mitgliedstaaten aufgrund des objektiven Sachverhalts und der darauf anwendbaren Zollvorschriften Zölle hätten feststellen müssen, dies jedoch nicht, unvollständig oder verspätet getan haben. Es hat nämlich wenig Sinn, bei der Erfüllung der aus der Feststellung der Eigenmittel erwachsenden Verpflichtungen hohe Anforderungen an die Mitgliedstaaten zu stellen, wenn die Verpflichtung zur Feststellung selbst nicht darauf beruhen sollte, dass die objektiven Voraussetzungen dafür tatsächlich und rechtlich vorliegen.

57.      In den Urteilen, in denen der Gerichtshof ausgeführt hat, dass ein unlösbarer Zusammenhang bestehe zwischen der Verpflichtung zur Feststellung des Bestehens der Zollschuld und der Verpflichtung zur Gutschrift auf dem Konto der Kommission innerhalb der gesetzten Frist, eventuell zuzüglich Verzugszinsen (21) , finde ich eine Bestätigung des Vorstehenden. Der genannte unlösbare Zusammenhang steht und fällt nämlich mit der Feststellung der Eigenmittel. Diese darf weder von dem willkürlichen noch von dem säumigen Verhalten eines Mitgliedstaats abhängig sein (22) .

58.      Schließlich habe ich oben bei der Darstellung des Kontextes dieser Rechtssache darauf hingewiesen, dass das System der Gemeinschaftsfinanzen durch ein Gefüge von labilem Gleichgewicht gekennzeichnet ist: zwischen Einnahmen und Ausgaben, im Rahmen der Zusammensetzung der Einnahmen und im Rahmen der Zusammensetzung der Ausgaben. Die Labilität dieses Gefüges erfordert, dass die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Feststellung, der Erhebung und der Gutschrift der Eigenmittel genau festgelegt und streng beachtet werden. Damit unvereinbar ist eine Situation, in der die Folgen der Nachlässigkeit bei der Feststellung der traditionellen Eigenmittel durch einen Mitgliedstaat ohne weiteres über die so genannten BSP-Eigenmittel auf alle Mitgliedstaaten umgelegt werden. Dieser Möglichkeit, die mit der Loyalität, die die Mitgliedstaaten einander schulden, nicht vereinbar ist, muss durch eine enge Auslegung und strikte Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften zu Recht vorgebeugt werden.

59.      Nach alledem komme ich zu dem Ergebnis, dass die dänischen Behörden gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 aufgrund des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts einen Betrag von 140 409,60 DKK an Zöllen als Eigenmittel der Gemeinschaft hätten feststellen müssen. Dieses Versäumnis stellt an sich bereits einen Verstoß gegen die Verpflichtungen Dänemarks aus dem Gemeinschaftsrecht dar.

D – Der Zusammenhang zwischen den Vorschriften über die Eigenmittel und dem gemeinschaftlichen Zollrecht

60.      Obwohl die dänische Regierung einräumt, dass ihren Zollbehörden ein Fehler unterlaufen ist, wodurch Zölle nicht als Eigenmittel festgestellt worden sind, bestreitet sie, dass dieses Versäumnis zur Folge haben solle, dass sie nachträglich verpflichtet sei, den Betrag der zu Unrecht nicht festgestellten Mittel an die Kommission abzuführen. Sie führt dafür an, dass die Anwendung von Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex es ihr in diesem Fall verwehre, die betreffenden Zölle beim Abgabenschuldner zu erheben, und dass sie mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht für den ihrer Verwaltung unterlaufenen Beurteilungsfehler nicht „haftbar“ gemacht werden könne.

61.      Meiner Ansicht nach ist dieses Verteidigungsvorbringen nicht haltbar. Ist, wie oben in Nummer 59 festgestellt, davon auszugehen, dass die dänische Regierung Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1552/89 fehlerhaft angewandt hat, dann ist ein Betrag von 140 409,60 DKK zu Unrecht nicht als Eigenmittel der Gemeinschaft festgestellt und zu Unrecht nicht dem Konto der Kommission gutgeschrieben worden. Eine Befreiung aus einem der in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1552/89 genannten Gründe ist nicht möglich, weil die Unmöglichkeit der Erhebung eine unmittelbare Folge eines Beurteilungsfehlers der dänischen Verwaltung ist. Demnach war die dänische Regierung aufgrund der Gemeinschaftsvorschriften über die Eigenmittel zur nachträglichen Gutschrift der zu Unrecht nicht festgestellten Eigenmittel verpflichtet.

62.      Die Argumente, die die dänische Regierung aus dem angeblichen Zusammenhang zwischen den Vorschriften über die Eigenmittel und den gemeinschaftlichen Zollvorschriften ableitet, sind meines Erachtens ebenfalls nicht haltbar. Beim erstgenannten Komplex von Vorschriften geht es um das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Feststellung und Übertragung der Eigenmittel. Beim letztgenannten Komplex geht es um die Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten und Unternehmen bei der Zollanmeldung, der Auferlegung und der Erhebung von Eingangs- und Ausfuhrabgaben. Zwar besteht zwischen beiden Komplexen ein Zusammenhang in dem Sinne, dass als Eigenmittel festgestellte Zölle von den zuständigen nationalen Zollbehörden nach den anwendbaren Zollvorschriften festgesetzt, auferlegt und erhoben werden müssen, jedoch ist dieser Zusammenhang eher technischer und funktionaler Natur.

63.      Im Grundsatz wirken sich die Eventualitäten, die im Verhältnis zwischen den Zollbehörden und den Abgabenpflichtigen auftreten können, nicht auf die Abwicklung derjenigen Zolleinnahmen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten als Eigenmittel aus, die als solche festgestellt worden sind oder hätten festgestellt werden müssen (23) . Wäre es anders, dann hinge die Abwicklung der betreffenden Eigenmittel zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft von den Risiken ab, die der Abwicklung des Zollverkehrs durch die Verwaltung innewohnen. Gerade diese Risiken wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber ausschließen, indem er in Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1552/89 die Bedingungen erschöpfend aufgezählt hat, unter denen die Mitgliedstaaten von ihrer Verpflichtung freigestellt werden können, der Kommission die Eigenmittel gutzuschreiben, die sie festgestellt haben oder hätten feststellen müssen.

64.      Die Grundregel, dass für die Eigenmittel ein erschöpfendes Gefüge von Vorschriften gilt, das im vorliegenden Fall aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89 besteht, lässt eine Ausnahme nur dann zu, wenn und soweit der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst an bestimmte Eventualitäten, die bei der Auferlegung und der Erhebung von Eingangs- und Ausfuhrabgaben auftreten können, ausdrücklich bestimmte Folgen für die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Vorschriften über die Eigenmittel geknüpft hat (24) .

65.      Die dänische Regierung und die Regierungen, die deren Anträge unterstützen, haben dem entgegengehalten, dass dies die „Haftung“ der Mitgliedstaaten für Fehler und Versäumnisse bei der Durchführung der Zollvorschriften mit sich brächte. Davon wären vor allem Mitgliedstaaten mit einem unverhältnismäßig umfangreichen Handelsverkehr mit Drittländern betroffen. Abgesehen davon, dass, wie in Nummer 47 bereits festgestellt, die Verwendung des Begriffes Haftung unzutreffend ist, erscheint mir dieses Argument auch aus anderen Gründen unhaltbar. Da die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Eigenmittelbeschlusses 1994 10 % der zu übertragenden traditionellen Eigenmittel einbehalten durften (25) , lässt sich feststellen, dass die Mitgliedstaaten, die angeblich unverhältnismäßige Risiken eingehen, aufgrund derselben Argumentation auch unverhältnismäßige Einnahmen erzielen. Im Übrigen ist dieses Argument auch deshalb sonderbar, weil es darauf hinausläuft, dass diese Risiken ohne weiteres auf die Gemeinschaft und, mittelbar, auf die anderen Mitgliedstaaten abgewälzt werden. Diese haben so die finanziellen Konsequenzen der Nachlässigkeiten zu tragen, die die Verwaltung der betroffenen Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Zollvorschriften begehen. Kurzum, diese Mitgliedstaaten wollen die Vorteile in Anspruch nehmen, die Nachteile aber nicht tragen.

E – Die Folgen der Anwendung des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Eigenmittelvorschriften

66.      Die dänische Regierung hat vorgetragen, dass die Anwendung des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex in Verbindung mit den Artikeln 871 und 873 der Durchführungsverordnung Nr. 2454/93 im vorliegenden Fall zur Folge habe, dass der Betrag von Einfuhrzöllen, den die Zollbehörden hätten auferlegen müssen, nunmehr weder auferlegt noch erhoben werden könne. Damit seien die von der Kommission angeführten Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen Kommission/Deutschland (26) , Kommission/Griechenland (27) und Kommission/Niederlande (28) nicht auf die vorliegende Situation anwendbar. Zudem habe die Kommission in dem gemäß den Artikeln 871 und 873 der Durchführungsverordnung angewandten Verfahren der Anwendung des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex zugestimmt. Dabei habe sie natürlich auch die Konsequenzen für die Feststellung und die Übertragung der Eigenmittel vor Augen haben müssen.

67.      Da feststeht, dass in der vorliegenden Rechtssache die dänische Regierung das Bestehen einer Zollschuld von 140 409,60 DKK hätte feststellen und diesen Betrag hätte erheben müssen und dass die zuständigen dänischen Zollbehörden durch ihr Verhalten Anlass zur Anwendung des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex gegeben haben, wodurch die Erhebung unmöglich geworden ist, bleibt nur noch zu prüfen, ob die dänische Regierung im Zusammenhang mit der Anwendung der letztgenannten Bestimmung des Zollkodex oder einer darauf beruhenden Regelung von der Verpflichtung befreit wird, die Zölle, die sie als Eigenmittel hätte feststellen müssen, auf die Kommission zu übertragen.

68.      Der Beantwortung dieser Frage möchte ich vorausschicken, dass es keine einzige allgemeine Rechtsgrundlage für die Behauptung gibt, dass Zölle, die als Eigenmittel hätten festgestellt werden müssen, nicht auf die Kommission übertragen zu werden brauchten. In den oben in den Nummern 53 bis 57 behandelten Urteilen des Gerichtshofes ging es um Fälle, in denen die betroffenen Mitgliedstaaten die fristgerechte Feststellung von Abgaben oder Zöllen versäumt hatten. Dort hatte die verspätete Erfüllung der Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Eigenmittelvorschriften zur Folge, dass die fraglichen Mittel zuzüglich Verzugszinsen nachträglich abgeführt werden mussten. Es besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem willkürlichen oder fahrlässigen Verhalten eines Mitgliedstaats, das zum Verzug bei der Erhebung der Zölle führt, und einem vergleichbaren Verhalten, das die Erhebung der Zölle rechtlich unmöglich macht. In beiden Fällen ist der betreffende Mitgliedstaat dafür verantwortlich, dass das mit den Vorschriften über die Eigenmittel angestrebte Ergebnis, nämlich die Gutschrift der Eigenmittel, die der Mitgliedstaat hätte feststellen müssen, erreicht wird.

69.      Die Antwort selbst auf die Frage ist einfach. Weder der Zollkodex noch die Durchführungsverordnung Nr. 2454/93 enthalten eine Bestimmung des ausdrücklichen Inhalts, dass die Mitgliedstaaten, die aufgrund des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex beim Abgabenschuldner nicht die Zölle erheben können, die sie als Eigenmittel hätten feststellen müssen, von der Übertragung der davon betroffenen Beträge auf die Kommission befreit wären.

70.      Daraus folgt, dass sich für das Königreich Dänemark daraus, dass es seinen Verpflichtungen aus dem Eigenmittelbeschluss 1994 und der Verordnung Nr. 1552/89 nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, ergibt, dass es nachträglich einen Betrag von 140 409,60 DKK zuzüglich Verzugszinsen an die Kommission abführen muss.

71.      Der Vollständigkeit halber weise ich noch darauf hin, dass sich der in den Artikeln 871 und 873 der Durchführungsverordnung Nr. 2454/93 vorgesehenen Beteiligung der Kommission an dem Verfahren keine Argumente für eine Befreiung der Mitgliedstaaten von ihren Verpflichtungen aus den Vorschriften über die Eigenmittel durch die Anwendung des Artikels 220 Absatz 2 Buchstabe b des Zollkodex entnehmen lassen.

72.      Erstens sehen diese Vorschriften keine entsprechende Befugnis der Kommission vor. Zweitens wäre eine solche Befugnis im Rahmen gerade dieses Verfahrens unangebracht, weil die Kommission dann die Anwendung des Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes für den Abgabenschuldner gegen die möglichen Konsequenzen dieser Anwendung für die Gemeinschaftsfinanzen hätte abwägen müssen. Drittens betrifft die Beteiligung der Kommission an dem fraglichen Verfahren eine völlig andere Verantwortlichkeit als die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über die Eigenmittel, nämlich die für Gleichheit und Einheitlichkeit bei der Anwendung des gemeinschaftlichen Zollrechts.

F – Kosten

73.      Da ich der Ansicht bin, dass die Kommission mit ihren Klagegründen Erfolg haben muss, halte ich es im Ergebnis für richtig, dem Königreich Dänemark die Kosten aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

74.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.
die Klage der Kommission für zulässig zu erklären;

2.
festzustellen, dass das Königreich Dänemark dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere aus den Artikeln 2 und 8 des Beschlusses 94/728/EG, Euratom des Rates vom 31. Oktober 1994 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften sowie aus Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften verstoßen hat, dass es nicht einen Betrag von 140 409,60 DKK an Einfuhrzöllen ordnungsgemäß festgestellt und als Eigenmittel zuzüglich Verzugszinsen hierauf ab 20. Dezember 1999 der Kommission zur Verfügung gestellt hat;

3.
dem Königreich Dänemark die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


1
Originalsprache: Niederländisch.


2
ABl. L 293, S. 9.


3
ABl. L 244, S. 27.


4
ABl. L 155, S. 1.


5
ABl. L 175, S. 3.


6
ABl. L 302, S. 1.


7
ABl. L 253, S. 1.


8
ABl. L 212, S. 18.


9
ABl. L 187, S. 16.


10
ABl. L 82, S. 1.


11
Urteil vom 20. März 1986 in der Rechtssache 303/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 1171, Randnrn. 17 bis 19).


12
ABl. L 356, S. 1.


13
Verordnung des Rates vom 9. April 2001 zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften betreffend die Trennung zwischen internen Auditaufgaben und Ex-ante-Finanzkontrolle (ABl. L 111, S. 1).


14
Urteil vom 5. Mai 1977 in der Rechtssache 110/76 (Pretore di Cento/X, Slg. 1977, 851).


15
Urteil vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C‑96/89 (Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I‑2461).


16
Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1).


17
Zitiert in Fußnote 11, vgl. im Einzelnen S. 1176 f.


18
Urteil Kommission/Deutschland, zitiert in Fußnote 11, Randnr. 17.


19
Urteil vom 21. September 1989 in der Rechtssache 68/88 (Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnr. 14).


20
Zitiert in Fußnote 15, Randnrn. 37 und 38.


21
Vgl. Urteile in der Rechtssache 303/84 (zitiert in Fußnote 11, Randnr. 11), in der Rechtssache 68/88 (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 17) und in der Rechtssache C‑96/89 (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 38).


22
Rechtssache C‑96/89 (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 37).


23
So bereits der Gerichtshof im Urteil Pretore di Cento/X (zitiert in Fußnote 14, Randnrn. 4 bis 6).


24
Die hier aufgestellte Grundregel einer strengen Unterscheidung zwischen dem Bereich der Eigenmittel und dem der Zollvorschriften ist auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes abzuleiten. Vgl. u. a. die Urteile vom 7. September 1999 in der Rechtssache C‑61/98 (De Haan, Slg. 1999, I‑5003, Randnrn. 34 und 35) und vom 14. November 2002 in der Rechtssache C‑112/01 (SPKR, Slg. 2002, I‑10655, Randnr. 34).


25
Jetzt 25 %. Vgl. Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 42 [Eigenmittelbeschluss 2000]).


26
Zitiert in Fußnote 11.


27
Zitiert in Fußnote 19.


28
Zitiert in Fußnote 15.