SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PHILIPPE LÉGER
vom 25. September 2003(1)



Rechtssache C-201/02



The Queen
ex parte: Delena Wells
gegen
Secretary of State for Transport, Local Government and the Regions


(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen's Bench Division [Administrative Court] [Vereinigtes Königreich])

„Umwelt – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten – Richtlinie 85/337/EWG – Alte ‚ruhende‘ Bergbauberechtigungen – Genehmigung neuer Bedingungen für den Bergbau – Genehmigung – Keine Prüfung“






1.        In dieser Rechtssache stellt der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), fünf Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates (2) . Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Delena Wells und den Behörden des Vereinigten Königreichs, bei dem es um die Wiederaufnahme des Betriebes des Conygar Quarry, eines Steinbruchs, der in der Nähe des Wohnhauses von Frau Wells liegt, geht.

2.        Dieser Steinbruch, dessen Betrieb 1947 genehmigt worden war, befand sich seit mehreren Jahren außer Betrieb, als Frau Wells 1984 ihr Haus erwarb. 1997 und 1999 legten die zuständigen Behörden die Bedingungen fest, unter denen Conygar Quarry wieder in Betrieb genommen werden konnte. Die Behörden nahmen jedoch für diesen Betrieb nicht, wie in der Richtlinie 85/337 vorgesehen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor.

3.        Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob die Richtlinie 85/337 im vorliegenden Fall Anwendung findet, und zum anderen, ob Frau Wells wegen der unterbliebenen Anwendung der Richtlinie Klage gegen den Staat erheben kann.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Das Gemeinschaftsrecht

4.        Die Richtlinie 85/337 gehört zu den Aktionsprogrammen der Europäischen Gemeinschaften über den Umweltschutz, nach denen es darauf ankommt, Umweltbelastungen von vornherein zu vermeiden, statt sie erst nachträglich in ihren Auswirkungen zu bekämpfen (3) . Mit ihr soll erreicht werden, dass die Genehmigung für öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, erst nach vorheriger Beurteilung dieser Auswirkungen erteilt wird (4) . Mit ihr ist ferner bezweckt, dass diese Beurteilung von Seiten des Projektträgers, der Behörden und der Öffentlichkeit, die möglicherweise von dem Projekt betroffen sind, erfolgt (5) .

5.        Der Begriff „Genehmigung“ wird in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 definiert als die „Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projektes erhält“. Nach derselben Bestimmung umfasst der Begriff „Projekt“ insbesondere „Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“.

6.        Nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 treffen „[d]ie Mitgliedstaaten ... die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden“.

7.        Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie werden Projekte der in Anhang I aufgeführten Klassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen (6) . Nach Artikel 4 Absatz 2 werden die in Anhang II aufgeführten Projekte einer solchen Prüfung nur dann unterzogen, wenn „ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern“. Die Gewinnung von Baumaterialien ist in Anhang II aufgeführt.

8.        Die Richtlinie 85/337 regelt in ihren Artikeln 5 bis 10 und in Anhang III genau, welche Angaben für die Umweltverträglichkeitsprüfungen notwendig sind und welches Verfahren zu befolgen ist. Danach hat die Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Grundlage vom Projektträger vorgelegter Angaben zu erfolgen. Diese Angaben sind den zuständigen Behörden mitzuteilen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Behörden und die Öffentlichkeit haben Gelegenheit zur Stellungnahme. Die für die Genehmigung des in Rede stehenden Projektes zuständigen Behörden haben sämtliche während des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens eingeholten Angaben zu berücksichtigen. Schließlich sind die Entscheidung und die gegebenenfalls mit ihr verbundenen Bedingungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

B – Das nationale Recht

9.        Um den Bedürfnissen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg zu entsprechen, erließ das Vereinigte Königreich ab 1946 Interim Development Orders (IDO) (Verordnungen über die vorläufige Erschließung), die ausdrücklich die Gewinnung von Baumaterialien erlaubten (7) .

10.      1991 trat der Planning and Compensation Act 1991 (Raumordnungs- und Entschädigungsgesetz) (8) in Kraft. Er sah in Section 22 eine Sonderregelung für nach einer IDO verliehene alte Bergbauberechtigungen vor.

11.      Nach dieser Regelung muss, wer ein Recht an einem Grundstück oder an Bodenschätzen hat und Inhaber einer alten Bergbaugenehmigung ist, diese vor dem 25. März 1992 bei der Mineral Planning Authority (Bergbauplanungsbehörde) (9) registrieren lassen. Andernfalls erlischt die alte Berechtigung (10) . Sodann muss der Betroffene binnen zwölf Monaten ab dieser Registrierung bei der MPA die Festlegung der Bedingungen, denen diese Berechtigung unterliegt, anhand der Bedingungen, die er in seinem Antrag darzulegen hat, beantragen. Auch bei Nichterfüllung dieser Anforderung erlischt die Berechtigung.

12.      Das Gesetz von 1991 unterscheidet zwischen „aktiven“ und „ruhenden“ Berechtigungen. Die Letztgenannten liegen dann vor, wenn in den letzten zwei Jahren vor dem 1. Mai 1991 keine erhebliche Tätigkeit stattfand. Bei den aktiven Berechtigungen kann der Bergbau fortgesetzt werden und unterliegt den neuen Bedingungen, sobald diese genehmigt sind. Bei den ruhenden Berechtigungen darf die Bergbautätigkeit fortgesetzt werden und unterliegt den neuen Bedingungen, sobald diese genehmigt worden sind. Bei den ruhenden Berechtigungen darf der Bergbaubetrieb erst nach endgültiger Festlegung der Bedingungen wieder aufgenommen werden.

13.      Die MPA muss die Bedingungen für die Berechtigung binnen drei Monaten festlegen, andernfalls gelten die im Antrag vorgeschlagenen Bedingungen als angenommen. Legt die MPA die Bedingungen innerhalb der vorgeschriebenen Frist fest, so können diese „jede Bedingung, die mit einer planungsrechtlichen Genehmigung für die Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen verbunden werden kann“, vorschreiben (11) .

14.      Unterscheiden sich die Bedingungen von den im Antrag aufgeführten, so kann der Antragsteller den Secretary of State for Transport, Local Government and the Regions (Minister für Verkehr, örtliche Selbstverwaltung und die Regionen) (12) befassen. Die Entscheidung des Secretary of State kann binnen sechs Wochen angefochten werden (13) . Ebenso können die nach einer IDO verliehenen Berechtigungen, für die die neuen Bedingungen nach dem Gesetz von 1991 festgesetzt wurden, widerrufen oder abgeändert werden, solange die genehmigten Tätigkeiten nicht beendet sind (14) .

II – Sachverhalt

A – Vorgeschichte des Rechtsstreits

15.      1947 wurde nach einer IDO eine Bergbauberechtigung für Conygar Quarry erteilt. Im Juni 1991 wurde der Betrieb dieses Steinbruchs, der vor Jahren eingestellt worden war, für kurze Zeit wieder aufgenommen. Diese Wiederaufnahme führte zu Sprengungen, Lastwagenverkehr auf der am Haus von Frau Wells vorbeiführenden Straße und Vorgängen des Mahlens von Gestein. Diese Tätigkeiten verursachten Risse am Haus von Frau Wells und zwangen sie, ihre Fenster geschlossen zu halten (15) .

16.      Die Betreiber von Conygar Quarry erhielten gemäß dem Gesetz von 1991 am 24. August 1992 die Registrierung ihrer alten Bergbauberechtigung. Diese wurde als ruhend eingestuft, da in den beiden Jahren vor dem 1. Mai 1991 kein Abbau stattfand. Sie beantragten ferner bei der MPA die Festlegung der Bedingungen dieser Berechtigung. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1994 erlegte die MPA ihnen strengere Bedingungen auf, als sie in ihrem Antrag vorgesehen waren (16) .

17.      Die Betreiber machten von ihrer Möglichkeit zum Rechtsbehelf beim Secretary of State Gebrauch. Dieser erließ am 25. Juni 1997 seine Entscheidung, mit der er die Bergbauberechtigung von 54 Bedingungen abhängig machte. Im Übrigen überließ er einige Punkte, wie die Überwachung des Lärms und der Sprengungen, dem Ermessen der MPA. Die letztgenannten Punkte wurden von der MPA am 8. Juli 1999 genehmigt (17) .

18.      Vor dem Erlass der Entscheidungen des Secretary of State vom 25. Juni 1997 und der MPA vom 8. Juli 1999 wurde keine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne der Richtlinie 85/337 durchgeführt. Damals waren die Behörden des Vereinigten Königreichs der Ansicht, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht für die Festlegung neuer Abbaubedingungen nach dem Gesetz von 1991 gälten (18) . Allerdings entschied das House of Lords am 11. Februar 1999 in der Sache R. v. North Yorkshire County Council, ex parte Brown (2000, 1 A.C. 398), dass die Festsetzung solcher Bedingungen eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 darstelle (19) . Auf diese Entscheidung hin wurde das Recht des Vereinigten Königreichs dahin geändert, dass die Festlegung neuer Abbaubedingungen nach dem Gesetz von 1991 einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach der erwähnten Richtlinie unterworfen wurde. Diese Änderung trat am 15. Dezember 2000 in Kraft.

B – Das Ausgangsverfahren

19.      Frau Wells beantragte mit Schreiben vom 10. Juni 1999 beim Secretary of State, Maßnahmen zu ergreifen, um die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung für die Wiederaufnahme des Bergbaus in Conygar Quarry nachzuholen. Ihr Antrag blieb unbeantwortet. Frau Wells erhob daraufhin Klage beim High Court.

20.      Der Secretary of State beantwortete entsprechend der vor dem High Court eingegangenen Verpflichtung das Schreiben vom 10. Juni 1999 mit Schreiben vom 28. März 2001. Er lehnte es ab, die in Rede stehende Bergbauberechtigung zu widerrufen oder zu ändern oder die Einstellung der Bergbautätigkeiten anzuordnen. Zur Begründung dieser Entscheidung führte er u. a. an, dass ihn das Gemeinschaftsrecht nicht dazu ermächtige, unmittelbar gegen die Betreiber des Steinbruchs vorzugehen und ihnen ihre Abbaurechte zu entziehen. Das geeignete Vorgehen hätte darin bestanden, dass Frau Wells 1997 die neuen festgelegten Abbaubedingungen angefochten hätte. Angesichts der verstrichenen Zeit verstieße ein Infragestellen dieser Bedingungen gegen die Rechtssicherheit und sei unverhältnismäßig.

21.      Frau Wells beantragte beim High Court die Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

III – Die Vorlagefragen

22.      Der High Court hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.
Ist die Genehmigung neuer Bedingungen für eine bestehende Berechtigung, die durch eine IDO nach Section 22 und Anhang 2 des Gesetzes von 1991 verliehen wurde, eine Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337?

2.
Kann, nachdem für eine durch eine Interim Development Order verliehene alte Bergbauberechtigung neue Bedingungen nach dem Gesetz von 1991 genehmigt wurden, die Genehmigung weiterer Maßnahmen, die aufgrund der neuen Bedingungen erforderlich sind, eine Genehmigung im Sinne der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung sein?

3.
Ist, wenn Frage 1 zu bejahen und Frage 2 zu verneinen ist, der Mitgliedstaat trotzdem noch verpflichtet, sein Versäumnis, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben, wieder gutzumachen, und falls ja, auf welche Weise?

4.
Kann i) ein Bürger dagegen vorgehen, dass der Staat eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgeschrieben hat, oder ii) ist dies aufgrund der Beschränkungen untersagt, denen der Gerichtshof die Lehre von der unmittelbaren Wirkung unterworfen hat, z. B. wegen der „horizontalen“ unmittelbaren Wirkung oder wegen der Privatpersonen durch eine staatliche Einrichtung auferlegten Belastungen oder Verpflichtungen?

5.
Wenn Frage 4 ii zu bejahen ist: Wie weit reichen solche Verbote der unmittelbaren Wirkung unter den vorliegenden Umständen, und welche Maßnahmen darf das Vereinigte Königreich unter Wahrung der Richtlinie 85/337 ergreifen?

IV – Würdigung

A – Vorbemerkungen

23.      Vor der Prüfung der Vorlagefragen erscheint es mir notwendig, die beiden folgenden Bemerkungen zu machen. Die erste Bemerkung bezieht sich auf die Frage, ob der Betrieb von Conygar Quarry ein der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 85/337 unterliegendes Projekt ist. Wir haben nämlich gesehen, dass nach Artikel 4 Absatz 2 und Anhang II dieser Richtlinie die Projekte der Gewinnung von Baumaterialien einer vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann unterliegen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern. Somit verfügen die Mitgliedstaaten in Bezug auf solche Projekte über einen Ermessensspielraum für die Frage, ob diese Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sein müssen (20) .

24.      Im vorliegenden Fall hat der Secretary of State in der Entscheidung, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, nicht angegeben, dass das Projekt des Betriebes von Conygar Quarry nach Artikel 4 der Richtlinie 85/337 vom Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren ausgeschlossen werden müsse. Die Erheblichkeit der Auswirkungen eines derartigen Projektes auf die Umwelt wird im Übrigen von der Regierung des Vereinigten Königreichs in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen nicht bestritten. Ich gehe daher von der seitens der Beteiligten und des vorlegenden Gerichts stillschweigend eingeräumten Annahme aus, dass die Wiederaufnahme der Gewinnung von Baumaterialien in Conygar Quarry erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.

25.      Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die Zulässigkeit der ersten beiden Vorlagefragen. Die Kommission zieht deren Zulässigkeit mit der Begründung in Zweifel, dass diese Fragen für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich seien. Sie führt erstens aus, dass sich dieser Rechtsstreit auf die Ablehnung des Secretary of State beziehe, die Betriebsgenehmigung für Conygar Quarry zu widerrufen oder zu ändern, was voraussetze, dass eine Genehmigung sehr wohl einmal erteilt worden sei. Zweitens gingen diese Fragen davon aus, dass grundsätzlich die Bestimmung des genauen Zeitpunkts, zu dem eine Genehmigung erteilt worden sei, eine Frage des Gemeinschaftsrechts darstelle, während der Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. Juni 1998, Gedeputeerde Staten van Noord-Holland (21) , in den Randnummern 20 und 21 ausgeführt habe, dass es sich dabei um eine Frage des nationalen Rechts handele.

26.      Ich denke, dass dieses Vorbringen nicht stichhaltig ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Rechtsstreits sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof hat davon hergeleitet, dass das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückgewiesen werden kann, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht (22) .

27.      Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn aus den Gründen der Vorabentscheidung geht hervor, dass die erste Vorlagefrage die Bestimmung ermöglichen soll, ob die Festlegung der Abbaubedingungen für Conygar Quarry nach dem Gesetz von 1991 als Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 zu betrachten ist. Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, ob die Richtlinie im Ausgangsverfahren Anwendung findet und ob daher die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs verpflichtet waren, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

28.      Die zweite Vorlagefrage bezieht sich auf den Umstand, dass die Festlegung der Abbaubedingungen für Conygar Quarry in zwei Abschnitten erfolgte, wobei der erste in der Entscheidung des Secretary of State vom 25. Juni 1997 bestand und der zweite in der Genehmigung der vorbehaltenen Bedingungen durch die MPA am 8. Juli 1999. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche dieser Entscheidungen die Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 darstellt. Von der Antwort auf diese Frage hängt es ab, ob die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs vor der zweiten Entscheidung eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätten vornehmen müssen.

29.      Die beiden in Rede stehenden Fragen erscheinen mir daher als für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens ganz und gar erheblich.

30.      Was das Argument angeht, dass der Begriff der Genehmigung in der Richtlinie 85/337 bereits vom Gerichtshof als Frage des nationalen Rechts ausgelegt worden sei, vermag ich nicht einzusehen, wie dies zur Unzulässigkeit der beiden in Rede stehenden Fragen führen könnte. Diese Fragen beziehen sich nämlich auf die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, und wir haben gesehen, dass sie für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich sind. Daher könnte die frühere Auslegung durch den Gerichtshof gegebenenfalls dazu Veranlassung bieten, sie in vereinfachter Weise nach dem Verfahren des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung zu beantworten, jedoch nicht zur Zurückweisung dieser Fragen als unzulässig.

31.      Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die ersten beiden Vorlagefragen als zulässig zu betrachten und sie zu beantworten.

B – Zur ersten Vorlagefrage

32.      Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass die Festlegung von Abbaubedingungen für eine alte Bergbauberechtigung eine Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn die alte Bergbauberechtigung 1991 unwirksam geworden ist und der Abbau nicht wieder aufgenommen werden kann, solange die Abbaubedingungen nicht endgültig festgelegt worden sind.

33.      Der Begriff Genehmigung wird in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 als „Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projektes erhält“, definiert.

34.      Die Kommission macht in erster Linie geltend, dass dieser Begriff rein nationalen Charakter habe. Sie stützt sich für dieses Ergebnis auf die Randnummern 20 und 21 des Urteils Gedeputeerde Staten van Noord-Holland und auf den Wortlaut der Definition dieses Begriffes. Diese Ansicht teilen das Vereinigte Königreich und Frau Wells nicht. Ich teile sie ebenfalls nicht.

35.      Zwar geht aus dem Wortlaut des Begriffes der Genehmigung hervor, dass das nationale Recht eines jeden Mitgliedstaats den Zeitpunkt festlegt, zu dem der Projektträger das Recht erhält, mit der Verwirklichung des in Rede stehenden Projektes zu beginnen. Somit bestimmt das nationale Recht die Verfahrensregeln und die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung. Allerdings kann dieser Verweis auf das nationale Recht nicht dahin ausgelegt werden, dass die Bedeutung dieser Genehmigung im Ermessen eines jeden Mitgliedstaats stünde. Denn bekanntlich soll die Richtlinie 85/337 die Unterschiede zwischen den geltenden Regelungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten für die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten beseitigen (23) . Ferner heißt es dort, es erscheine erforderlich, eine Harmonisierung „der Grundsätze für die Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen, insbesondere hinsichtlich der Art der zu prüfenden Projekte“ (24) . Es würde daher der Zielsetzung der Richtlinie 85/337 und dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts eindeutig zuwiderlaufen, wenn den Mitgliedstaaten durch eine sehr restriktive Definition des Begriffes der Genehmigung die Möglichkeit zugestanden würde, Projekte der Umweltverträglichkeitsprüfung zu entziehen, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist.

36.      Dieses Ergebnis steht meines Erachtens nicht im Widerspruch zu dem Standpunkt, den der Gerichtshof im Urteil Gedeputeerde Staten van Noord-Holland eingenommen hat. In dieser Rechtssache ist der Gerichtshof danach gefragt worden, ob die Richtlinie 85/337 dahin auszulegen ist, dass sie es einem Mitgliedstaat gestattet, die in ihrem Anhang I aufgeführten Projekte von den Verpflichtungen betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfung zu befreien, wenn erstens für diese Projekte bereits vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Umsetzung der Richtlinie, eine Genehmigung erteilt worden war, zweitens bei der Vorbereitung dieser Genehmigung kein den Anforderungen der Richtlinie entsprechender Umweltverträglichkeitsbericht erstellt worden war und drittens nach dem 3. Juli 1988 ein neues Genehmigungsverfahren förmlich eingeleitet worden ist.

37.      Wie der Gerichtshof in Randnummer 21 des Urteils erwähnt hat, stand für das vorlegende Gericht fest, dass für das in Rede stehende Projekt eine neue Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 erteilt worden war. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Randnummer 20 vorab ausgeführt, dass es „Sache des nationalen Gerichts ist, im Einzelfall und anhand der anwendbaren nationalen Regelung festzustellen, ob die Zustimmung zu einem Flächennutzungsplan eine Genehmigung im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie ist“. Diese Aussage schließt meines Erachtens also nicht aus, dass der Genehmigungsbegriff autonomen Charakter hat. Mit anderen Worten, es obliegt dem nationalen Gericht, anhand des nationalen Rechts und unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof vorgegebenen Auslegungskriterien zu prüfen, ob eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 erteilt worden ist.

38.      Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits Kriterien für den Begriff der Genehmigung gegeben und damit mittelbar bestätigt, dass diesem ein gemeinschaftlicher Inhalt beizumessen ist. So hat er sich im Urteil WWF u. a. veranlasst gesehen, festzulegen, welche Voraussetzungen für die in Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie vorgesehene Ausnahme erforderlich sind, wonach diese „nicht für Projekte [gilt], die im Einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden“. Der Gerichtshof hat insbesondere entschieden, dass das in Rede stehende Gesetz die gleichen Merkmale wie die Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 aufweisen muss. Er hat klargestellt, dass dieses Gesetz das Projekt im Einzelnen, d. h. so genau und abschließend genehmigen muss, dass es „wie eine Genehmigung alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung erheblichen, vom Gesetzgeber berücksichtigten Punkte des Projektes umfasst“ (25) .

39.      Der Begriff der „Genehmigung“ im Sinne der Richtlinie 85/337 muss daher ebenfalls autonome Bedeutung haben.

40.      In Bezug auf den Inhalt der Antwort, die auf die erste Vorlagefrage zu erteilen ist, stehen zwei Thesen einander gegenüber. Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, dass die Genehmigung neuer Bedingungen für eine bestehende Berechtigung, die nach einer IDO erteilt wurde, keine Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337 darstelle. Der vorliegende Sachverhalt könne demjenigen der als „Pipeline“-Projekte eingestuften Vorhaben gleichgestellt werden, also der Projekte, bei denen das Genehmigungsverfahren vor dem 3. Juli 1988, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Umsetzung der Richtlinie, eingeleitet worden sei und zu diesem Zeitpunkt noch gelaufen sei. Der Gerichtshof habe eingeräumt, dass die Richtlinie auf solche Projekte keine Anwendung finde.

41.      Frau Wells und die Kommission sind der Ansicht, der vorliegende Sachverhalt sei demjenigen der „Pipeline“-Projekte nicht gleichzusetzen, und eine neue Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337 sei sehr wohl erteilt worden. Dies ist auch mein Ergebnis.

42.      Die Rechtsprechung in Bezug auf „Pipeline“-Projekte ist vom Gerichtshof im Urteil vom 11. August 1995, Kommission/Deutschland (26) , eingeleitet und dann im Urteil Gedeputeerde Staten van Noord-Holland weiter ausgeführt worden. Nach dieser Rechtsprechung findet der Grundsatz in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337, wonach die Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden, nicht auf Projekte Anwendung, bei denen das Genehmigungsverfahren vor dem 3. Juli 1988 eingeleitet worden war und zu diesem Zeitpunkt noch lief. Diese Lösung wurde gewählt, weil die Richtlinie 85/337 keine Übergangsmaßnahmen für solche Projekte vorsieht. Im Übrigen betrifft die Richtlinie überwiegend Projekte größeren Umfangs, deren Durchführung sehr häufig viel Zeit erfordert. Der Gerichtshof hat die Ansicht vertreten, dass es nicht angebracht wäre, dass Verfahren, die bereits auf nationaler Ebene komplex sind und die vor dem 3. Juli 1988 förmlich eingeleitet wurden, durch die spezifischen Anforderungen der Richtlinie noch zusätzlich belastet und verzögert und dass bereits entstandene Rechtspositionen beeinträchtigt würden (27) .

43.      Im vorliegenden Fall erweist sich die Wiederaufnahme des Betriebes von Conygar Quarry nach den Entscheidungen des Secretary of State und der MPA von 1997 und 1999 nicht als Projekt, bei dem das Genehmigungsverfahren vor dem 3. Juli 1988 eingeleitet worden war und das zu diesem Zeitpunkt bereits lief. Denn aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Betreiber von Conygar Quarry 1947 nach einer IDO eine echte Bergbauberechtigung erhalten haben und dass diese Berechtigung zum Zeitpunkt des 3. Juli 1988 noch gültig war. Allerdings wurde diese Berechtigung nach dem Gesetz von 1991 unwirksam, denn nach diesem Gesetz durfte der Betrieb, da in den beiden Jahren vor dem 1. Mai 1991 kein erheblicher Betrieb stattfand, nicht wieder aufgenommen werden, bevor die für ihn geltenden neuen Bedingungen endgültig festgelegt worden waren (28) .

44.      Sodann ergeben Sachverhalt und Rechtslage des Ausgangsverfahrens, dass die Betreiber von Conygar Quarry nach dem 3. Juli 1988 bei den zuständigen nationalen Behörden die notwendigen Schritte eingeleitet hatten, um erneut die Berechtigung für die Gewinnung von Materialien an dieser Örtlichkeit zu erhalten. Weiter ergibt sich daraus, dass die Entscheidungen des Secretary of State vom 25. Juni 1997 und der MPA vom 8. Juli 1999 es ihnen erlaubt haben, diese Tätigkeit wieder aufzunehmen und dass diese Entscheidungen die Bedingungen, unter denen diese Tätigkeit ausgeübt werden durfte, genau und im Einzelnen festgelegt haben. Ferner konnten diese Entscheidungen angefochten werden. Ich leite daraus ab, dass die Betreiber von Conygar Quarry in den Genuss einer neuen Entscheidung der zuständigen Behörden gelangt sind, die ihnen das Recht verliehen hat, ihr Projekt der Gewinnung von Baumaterialien im Sinne der Definition des Begriffes der Genehmigung in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 zu verwirklichen (29) .

45.      Dieses Ergebnis erscheint mir als im Einklang mit der Zielsetzung dieser Richtlinie stehend, die nach ihrer sechsten Begründungserwägung und ihrem Artikel 2 jedes Projekt, bei dem mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer vorherigen Prüfung unterwerfen will. Es fügt sich auch in den Sinn Ihrer Rechtsprechung ein, die der Richtlinie einen weiten Geltungsbereich beimessen möchte. So hat der Gerichtshof im Urteil vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a. (30) , ausgeführt, dass die bloße Tatsache, dass in der Richtlinie die Änderung von Projekten des Anhangs II im Gegensatz zur Änderung von Projekten des Anhangs I nicht ausdrücklich erwähnt wird, nicht den Schluss zulässt, dass eine solche Änderung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Er hat ausgeführt, dass der Begriff der Änderung eines Projektes auch bei Projekten des Anhangs II zu diesem Anwendungsbereich gehört, da sonst der Zweck der Richtlinie beeinträchtigt würde, wenn die Einstufung als Änderung eines Projektes dazu führen würde, dass bei einigen Arbeiten oder Werken die Verpflichtung, eine Untersuchung der Auswirkungen vorzunehmen, entfiele, obwohl bei ihnen aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (31) .

46.      Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dahin gehend auszulegen ist, dass die Festlegung von Abbaubedingungen für eine alte Bergbauberechtigung eine Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn die alte Bergbauberechtigung 1991 unwirksam geworden ist und der Betrieb nicht wieder aufgenommen werden kann, solange die Abbaubedingungen nicht endgültig festgelegt worden sind.

C – Zur zweiten Vorlagefrage

47.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das nationale Gericht wissen, ob, wenn die erste Frage zu bejahen ist, die Festsetzung der detaillierten Bedingungen in der letzten Phase eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 darstellen kann, wenn die für eine alte Abbaugenehmigung geltenden Bedingungen in zwei Abschnitten erlassen worden sind.

48.      Nach Ansicht des nationalen Gerichts stellt sich das Problem, weil nach seiner nationalen Rechtsordnung die Genehmigung für die Wiederaufnahme des Abbaus grundsätzlich im Abschnitt der Festlegung der wesentlichen Bedingungen durch den Secretary of State am 25. Juni 1997 erteilt wurde. Dies bedeute, dass die Festlegung der vorbehaltenen Bedingungen durch die MPA nicht über die vom Secretary of State erteilten Vorgaben habe hinausgehen können. Ohne die Billigung dieser vorbehaltenen Bedingungen am 8. Juli 1999 durch die MPA hätte der Abbau jedoch nicht wieder aufgenommen werden können (32) .

49.      Nach Ihrer Rechtsprechung stellt der Umstand, dass der Betrieb von Conygar Quarry nur wieder aufgenommen werden konnte, nachdem die vorbehaltenen Bedingungen von der MPA festgelegt worden waren, nicht das maßgebliche Kriterium für die Feststellung dar, ob die Festlegung dieser vorbehaltenen Bedingungen eine Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337 darstellt. Der maßgebliche Punkt ist, wenn das Verwaltungsverfahren für die Verwirklichung eines von der Richtlinie 85/337 erfassten Projektes mehrere Phasen umfasst, die Frage, zu welchem Zeitpunkt im Lauf dieses Verfahrens die Ziele dieser Richtlinie als erreicht betrachtet werden können.

50.      Im Urteil vom 19. September 2000, Linster u. a. (33) , ist der Gerichtshof nach der Auslegung des Begriffes besonderer einzelstaatlicher Gesetzgebungsakt im Sinne von Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie 85/337 gefragt worden, dessen Wirkungen denjenigen einer Genehmigung im Sinne dieser Richtlinie vergleichbar sind. In dieser Rechtssache ging es um die Bestimmung, ob der Begriff besonderer einzelstaatlicher Gesetzgebungsakt ein von einem Parlament nach öffentlicher parlamentarischer Debatte erlassenes Gesetz erfasst, mit dem der Bau einer Autobahn genehmigt wird, ohne dass deren Linienführung festgelegt wurde. Der Gerichtshof hat entschieden, dass dieser Begriff ein derartiges Gesetz erfasst, „wenn das Gesetzgebungsverfahren es erlaubt, die Ziele der Richtlinie 85/337 einschließlich des Zieles der Bereitstellung von Informationen zu erreichen, und wenn die Angaben, über die das Parlament bei der Entscheidung über das Projekt im Einzelnen verfügt, denen gleichwertig sind, die der zuständigen Behörde im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens vor der Verwaltung hätten vorgelegt werden müssen“ (34) . Sie haben ausgeführt, dass es sich nicht ausschließen lässt, dass, auch wenn die Trasse einer zu bauenden Autobahn im Gesetzgebungsakt nicht festgelegt wird, wenn beispielsweise mehrere Varianten dieser Trasse im Einzelnen auf der Grundlage der vom Projektträger wie auch von den betroffenen Behörden und der betroffenen Öffentlichkeit vorgelegten Angaben geprüft wurden, diese Varianten nach Auffassung des Gesetzgebers gleichwertige Auswirkungen auf die Umwelt haben (35) .

51.      Im Übrigen ist mit der Richtlinie 85/337 nach ihrer ersten Begründungserwägung bezweckt, dass die zuständige Behörde im Entscheidungsprozess die Auswirkungen des betreffenden Projektes auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt.

52.      Von diesen Umständen leite ich her, dass, wenn wie im vorliegenden Fall, das Genehmigungsverfahren zwei Abschnitte umfasst, zum einen die Festlegung der wesentlichen Abbaubedingungen und zum anderen die Festlegung detaillierter Bedingungen, die Umweltverträglichkeitsprüfung im ersten Abschnitt zu erfolgen hat. In Anbetracht des Standpunkts, den der Gerichtshof im Urteil Linster u. a. eingenommen hat, kann auch angenommen werden, dass die Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 zum Zeitpunkt der Festlegung der wesentlichen Bedingungen erteilt worden ist, wenn die Ziele dieser Richtlinie erreicht worden sind. Dies bedeutet, dass alle Einzelheiten des in Rede stehenden Projektes, die Einflüsse auf die Umwelt haben können, Gegenstand einer vorherigen Bewertung unter den in der Richtlinie vorgesehenen Umständen gewesen sein müssen (36) .

53.      Nach der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie 85/337 hat diese Prüfung anhand von Informationen des Projektträgers und der Stellungnahme der betroffenen Verwaltungen und der Öffentlichkeit zu erfolgen. Nach Artikel 5 Absatz 2 und Anhang III der Richtlinie umfassen die Angaben, die der Projektträger mindestens vorzulegen hat, eine Beschreibung des Projektes nach Standort, Art und Umfang, eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen bedeutende nachteilige Auswirkungen vermieden, eingeschränkt und soweit möglich ausgeglichen werden sollen, sowie die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptwirkungen, die das Projekt voraussichtlich für die Umwelt haben wird (37) . Aus den Artikeln 6 und 8 geht weiter hervor, dass diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass dieser Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu äußern, und dass alle diese Umstände von der zuständigen Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des Projektes zu berücksichtigen sind.

54.      Nur wenn die Umweltauswirkungen der festzulegenden Bedingungen bereits von der zuständigen Behörde nach den erwähnten Modalitäten im Rahmen der Entscheidung über die Festlegung der wesentlichen Bedingungen beurteilt worden sind, kann diese Entscheidung als Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 betrachtet werden. Andernfalls ist diese Bewertung zum Zweck der Festlegung der übrigen Bedingungen zu vervollständigen, und die Entscheidung über die Festlegung dieser Bedingungen ist als Genehmigung im Sinne der Richtlinie zu betrachten.

55.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter den konkreten Umständen des Falles zu prüfen, in welchem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens die Ziele der Richtlinie 85/337 erreicht sind (38) . Da im vorliegenden Fall keine Prüfung der Umweltauswirkungen vorgenommen wurde, vermag ich nicht einzusehen, wie das vorlegende Gericht erwägen könnte, dass die Ziele der Richtlinie zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Secretary of State vom 25. Juni 1997 erreicht gewesen seien. Wenn daher die von der MPA in ihrer Entscheidung vom 8. Juli 1999 festgelegten Bedingungen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben konnten (39) , so war die MPA nach der Richtlinie verpflichtet, diese Auswirkungen vorher zu prüfen. Es wird Sache des nationalen Gerichts sein, zu entscheiden, ob die von der MPA am 8. Juli 1999 festgelegten Bedingungen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben konnten.

56.      Nach allem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dahin gehend auszulegen ist, dass, wenn die Abbaubedingungen für eine alte Bergbauberechtigung in zwei Abschnitten festgelegt worden sind, die Festlegung der detaillierten Bedingungen in der letzten Phase eine Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn diese Bedingungen Auswirkungen auf die Umwelt haben können und diese Auswirkungen nicht von der zuständigen Behörde nach den in der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten im Rahmen der Entscheidung über die Festlegung der wesentlichen Bedingungen geprüft worden sind.

D – Zur dritten Vorlagefrage

57.      Das vorlegende Gericht hat die dritte Frage nur für den Fall gestellt, dass die erste Frage bejaht und die zweite Frage verneint wird. Angesichts der Antwort, die ich für die letztgenannte Frage vorschlage, bin ich der Ansicht, dass die dritte Vorlagefrage nicht beantwortet zu werden braucht.

E – Zur vierten Vorlagefrage

58.      Mit dieser Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Artikel 1 Absatz 2 und 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen sind, dass dann, wenn sie nicht eingehalten worden sind, Einzelpersonen sich vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Behörden auf sie berufen können, oder ob die vom Gerichtshof gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien daran hindern, die mit diesen Bestimmungen unvereinbaren Entscheidungen aufzuheben oder zu ändern.

59.      Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, stellt sich diese Frage, weil der Secretary of State insbesondere die Ansicht vertritt, der Erlass der Maßnahmen, die die Klägerin verlange, wie der Widerruf der Abbaugenehmigung oder die Änderung der für diese geltenden Bedingungen verpflichte die Regierung des Vereinigten Königreichs dazu, Maßnahmen zu ergreifen, die nachteilige Folgen für die Betreiber von Conygar Quarry hätten. Dies verstoße gegen die Beschränkungen, die der Gerichtshof der unmittelbaren Wirkung der Richtlinien auferlegt habe. So habe der Gerichtshof im Urteil vom 26. Februar 1986, Marshall (40) , ausgeführt, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen könne. Im Urteil vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen (41) , habe er entschieden, dass eine innerstaatliche Behörde sich nicht zu Lasten eines Einzelnen auf eine Bestimmung einer Richtlinie berufen könne, deren erforderliche Umsetzung in innerstaatliches Recht noch nicht erfolgt sei.

60.      Mit der Klägerin und der Kommission bin ich der Ansicht, dass dem Vorbringen des Secretary of State nicht gefolgt werden kann und dass der erste Teil der untersuchten Frage zu bejahen ist. Ich stütze diese Beurteilung auf die folgenden Umstände.

61.      Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Einzelner in allen Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (42) . Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung kann er beim nationalen Gericht die Überprüfung beantragen, ob die Mitgliedstaaten ihren Entscheidungsspielraum überschritten haben, wenn diese über einen wirklichen Entscheidungsspielraum verfügen. Die letztgenannte Möglichkeit hat der Gerichtshof insbesondere im Rahmen der Auslegung der Richtlinie 85/337 in den Urteilen Kraaijeveld u. a., WWF u. a. und Linster u. a. anerkannt.

62.      Im vorliegenden Fall steht fest, dass Frau Wells sich auf die Bestimmungen der Richtlinie 85/337 berufen kann. Diese Möglichkeit ist aus den erwähnten Urteilen abzuleiten, da Frau Wells, wie die Kläger in den mit diesen Urteilen abgeschlossenen Rechtssachen, vor dem nationalen Gericht eine Prüfung der Vereinbarkeit einer Maßnahme des nationalen Rechts mit der Richtlinie 85/337 beantragt, die zur Ungültigerklärung dieser Maßnahme führen kann. Sie könnte sich meines Erachtens auch daraus ergeben, dass die Bestimmungen der Richtlinie 85/337, die den Mitgliedstaaten vorschreiben, die Genehmigung der Projekte, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, einer vorherigen Prüfung dieser Auswirkungen zu unterziehen, in deren Rahmen die Betroffenen Stellung nehmen können, hinreichend genau sind.

63.      Dieses Einzelpersonen eröffnete Recht bringt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Artikel 10 EG mit sich, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen zu treffen, die ihnen nach Gemeinschaftsrecht obliegen. Zu diesen Verpflichtungen gehört auch diejenige, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (43) . Dieses Recht bindet sämtliche Behörden der Mitgliedstaaten einschließlich der Gerichte. Denn nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden haben, die volle Wirkung dieser Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen verleiht (44) . Somit muss das nationale Gericht jede Maßnahme des nationalen Rechts, die ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bildet, ausschalten (45) . Diese Pflicht ergibt sich aus den Grundsätzen der unmittelbaren Wirkung und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts (46) .

64.      Wenn daher die Bestimmungen der Richtlinie 85/337 verletzt worden sind, obliegt es den nationalen Gerichten und den nationalen Verwaltungsbehörden, wie der Gerichtshof in den Urteilen Kraaijeveld u. a. und WWF u. a. entschieden hat, alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit das betreffende Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wird.

65.      In keinem Fall können jedoch die von Ihrer Rechtsprechung gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien der Erfüllung dieser Verpflichtung entgegenstehen. Es ist daran zu erinnern, welches diese Grenzen sind.

66.      Im Urteil Marshall hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der verbindliche Charakter einer Richtlinie, wie er sich aus Artikel 249 EG ergibt, nur für jeden Mitgliedstaat gilt, an den sie gerichtet ist. Er hat davon hergeleitet, dass „eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann und dass eine Richtlinienbestimmung daher als solche nicht gegenüber einer derartigen Person in Anspruch genommen werden kann“ (47) . Aus dieser Feststellung, wonach eine Richtlinie nur „absteigende“ vertikale Wirkung haben kann, hat die Rechtsprechung zwei Konsequenzen gezogen. Erstens haben die Richtlinien keine „horizontale“ unmittelbare Wirkung, d. h., ein Einzelner kann sich nicht in einem Rechtsstaat gegen einen anderen Einzelnen auf sie berufen. Eine Ausdehnung der Möglichkeit, sich gegenüber den Behörden auf die Richtlinien zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen den Bürgern hieße nach Ansicht des Gerichtshofes, „der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Bürger Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist“ (48) . Zweitens können die Richtlinien keine „absteigende“ unmittelbare Wirkung haben, was bedeutet, dass sich eine nationale Behörde gegenüber einem Einzelnen nicht auf eine Bestimmung einer Richtlinie berufen kann, deren Umsetzung in das nationale Recht noch nicht erfolgt ist (49) .

67.      Keiner dieser Grundsätze der Rechtsprechung untersagt es meines Erachtens, dass die zuständigen nationalen Behörden die von Frau Wells beantragten Maßnahmen wie die Aufhebung der Abbaugenehmigung oder auch die Änderung der 1997 und 1999 festgesetzten Bedingungen erlassen.

68.      Was zunächst den Grundsatz der fehlenden horizontalen unmittelbaren Wirkung der Richtlinie angeht, so stellt dieser kein Hindernis dar, denn das Ausgangsverfahren ist nicht zwischen Frau Wells und den Betreibern von Conygar Quarry, sondern zwischen ihr und einer staatlichen Stelle anhängig (50) . Es handelt sich somit um einen Fall der klassischen Anwendung der „vertikalen“ unmittelbaren Wirkung der Richtlinien. In einem solchen Fall wird ganz deutlich, dass die Entscheidung, die das zuständige Gericht aufgrund des Auslegungsurteils des Gerichtshofes zu treffen hat, und sodann gegebenenfalls die in Anwendung der nationalen Entscheidung von den zuständigen Verwaltungsbehörden erlassene Entscheidung Auswirkungen auf die Rechte von Privatpersonen hat. Angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes rechtfertigt selbst die Gewissheit, dass dies geschehen wird, es nicht, dem Kläger das Recht zu versagen, sich auf die Bestimmungen einer nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie zu berufen. So hat der Gerichtshof im Urteil vom 22. Juni 1989, Fratelli Costanzo (51) , das Recht eines Bieters in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren für Bauarbeiten anerkannt, sich in einem Rechtsstreit mit einer Gemeinde, mit dem er deren Entscheidung, formal den Auftrag an einen Mitbewerber zu vergeben, anficht, auf die Bestimmungen einer Richtlinie zu berufen (52) . Ebenso hat er im Urteil vom 12. November 1996, Smith & Nephew und Primecrown (53) , ausgeführt, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen konnte, um die Gültigkeit einer einem Konkurrenten erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels anzufechten.

69.      Was sodann den Grundsatz der fehlenden absteigenden vertikalen unmittelbaren Wirkung betrifft, so kann dieser den beantragten Maßnahmen ebenfalls nicht entgegenstehen. Denn dieser Grundsatz soll einen Mitgliedstaat daran hindern, sich auf die Bestimmungen einer Richtlinie zu berufen, obwohl er entgegen seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie selbst und aus Artikel 10 EG nicht die erforderlichen Maßnahmen zu deren Umsetzung in das nationale Recht getroffen hat. Dieser Grundsatz soll somit den betroffenen Mitgliedstaat daran hindern, einen Vorteil aus seiner eigenen Untätigkeit zu ziehen (54) . Allerdings darf er die Erfüllung der Pflicht der nationalen Behörden, die Folgen der Verletzung der Bestimmungen einer Richtlinie zu beseitigen, durch Aufhebung der mit diesen unvereinbaren nationalen Maßnahmen und durch Ergreifen der erforderlichen Maßnahmen, damit die in ihr enthaltenen Bestimmungen umgesetzt werden, nicht behindern. In einem solchen Fall geht es nicht darum, dass der in Rede stehende Mitgliedstaat auf der Grundlage einer nicht umgesetzten Richtlinie Pflichten zu Lasten eines Einzelnen und zu seinen Gunsten schafft, sondern darum, alle erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie zu treffen.

70.      Ließe man das Gegenteil zu, so würde ein Mitgliedstaat, der eine Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen umgesetzt oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, anschließend daran gehindert, diese Unterlassung in all den Fällen abzustellen, in denen die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts bewirkt hätte, dass Verpflichtungen zu Lasten von Einzelpersonen geschaffen würden oder dass die Rechte dieser Personen beeinträchtigt würden. Eine derartige Auslegung des Grundsatzes der absteigenden vertikalen unmittelbaren Wirkung würde ohne Zweifel dazu führen, dass der Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, den der Gerichtshof in seinem grundlegenden Urteil vom 15. Juli 1964, Costa (55) , als Voraussetzung für das Bestehen der Gemeinschaft selbst verankert hat, in Frage gestellt würde.

71.      Somit hindern die vom Gerichtshof gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien Frau Wells nicht daran, sich vor dem nationalen Gericht auf die Bestimmungen der Richtlinie 85/337 zu berufen, und die staatlichen Gerichte und Verwaltungsbehörden nicht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrigen Folgen der Verletzung dieser Richtlinie zu beseitigen und die Beachtung ihrer Vorschriften in Bezug auf den Betrieb von Conygar Quarry zu gewährleisten. In Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung der Voraussetzung, unter denen diese Pflicht umgesetzt werden muss, obliegt es diesen Behörden und Gerichten, dies entsprechend den Bestimmungen des nationalen Rechts in den Grenzen, die der Verfahrensautonomie der nationalen Systeme gezogen worden sind und die sich auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beziehen, vorzunehmen (56) .

72.      Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass die Artikel 1 Absatz 2 und 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 dahin auszulegen sind, dass sich Privatpersonen, wenn ihre Bestimmungen nicht beachtet worden sind, auf sie vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Behörden berufen können und dass die vom Gerichtshof gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien es nicht untersagen, dass die mit diesen Bestimmungen unvereinbaren Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden.

F – Zur fünften Vorlagefrage

73.      Das vorlegende Gericht hat diese Frage nur für den Fall gestellt, dass auf die vorhergehende Frage geantwortet wird, dass die vom Gerichtshof gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien es untersagen, die mit den Bestimmungen der Richtlinie 85/337 unvereinbaren Entscheidungen aufzuheben oder zu ändern. Angesichts der Antwort, die ich dem Gerichtshof auf diese Frage vorschlage, denke ich, dass die fünfte Vorlagefrage nicht beantwortet zu werden braucht.

V – Entscheidungsvorschlag

74.      Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten:

1.
Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin gehend auszulegen, dass die Festlegung von Abbaubedingungen für eine alte Bergbauberechtigung eine Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn die alte Bergbauberechtigung 1991 unwirksam geworden ist und der Betrieb nicht wieder aufgenommen werden kann, solange die Abbaubedingungen nicht endgültig festgelegt worden sind.

2.
Wenn die Abbaubedingungen für eine alte Bergbauberechtigung in zwei Abschnitten festgelegt worden sind, stellt die Festsetzung der detaillierten Bedingungen in der letzten Phase eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dar, wenn diese Bedingungen Auswirkungen auf die Umwelt haben können und diese Auswirkungen nicht von der zuständigen Behörde nach den in der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten im Rahmen der Entscheidung über die Festlegung der wesentlichen Bedingungen geprüft worden sind.

3.
Die Artikel 1 Absatz 2 und 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 sind dahin gehend auszulegen, dass sich Privatpersonen, wenn ihre Bestimmungen nicht beachtet worden sind, auf sie vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Behörden berufen können und dass die vom Gerichtshof gezogenen Grenzen für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien es nicht untersagen, dass die mit diesen Bestimmungen unvereinbaren Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden.


1
Originalsprache: Französisch.


2
Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 75, S. 40.


3
Erste Begründungserwägung.


4
Sechste Begründungserwägung.


5
A. a. O.


6
Es handelt sich beispielsweise um Raffinerien für Erdöl, Wärme- oder Kernkraftwerke, chemische Anlagen oder den Bau von Autobahnen.


7
Vorabentscheidungsersuchen, Fußnote 2.


8
Im Folgenden: Gesetz von 1991.


9
Im Folgenden: MPA.


10
Vorabentscheidungsersuchen, Nrn. 16 und 42.


11
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 46.


12
Im Folgenden: Secretary of State.


13
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 50.


14
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 52.


15
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 12.


16
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 17.


17
Vorabentscheidungsersuchen, Nrn. 27 und 29.


18
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 20.


19
Vorabentscheidungsersuchen, Fußnote 6.


20
Dieser Ermessensspielraum ist nicht unbegrenzt. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. –September 1999 in der Rechtssache C-435/97 (WWF u. a., Slg. 1999, I-5613) entschieden hat, w–ird dieser Ermessensspielraum durch die Verpflichtung in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 begrenzt, Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen. Er hat ferner ausgeführt, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, festzustellen, ob die zuständigen Behörden ihren Ermessensspielraum nicht dadurch überschritten haben, dass sie das Projekt vom Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren ausgenommen haben.


21
C-81/96, Slg. 1998, I-3923.


22
Für eine kürzliche Anwendung vgl. Urteil vom 21. November 2002 in der Rechtssache C-473/00 (Cofidis, Slg. 2002, I-10875, Randnr. 20 m. w. N.).


23
Zweite Begründungserwägung.


24
Siebte Begründungserwägung.


25
Randnr. 59.


26
C-431/92, Slg. 1995, I-2189, Randnr. 32.


27
Urteil Gedeputeerde Staten van Noord-Holland (Randnrn. 23 und 24).


28
Vgl. Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge.


29
Zu diesem Ergebnis ist das House of Lords auch in seiner Entscheidung R. v. North Yorkshire County Council, ex parte Brown, gelangt.


30
C-72/95, Slg. 1996, I-5403.


31
Randnr. 39.


32
Vorabentscheidungsersuchen, Nr. 8.


33
C-287/98, Slg. 2000, I-6917.


34
Nr. 3 des Tenors.


35
Urteil Linster u. a. (Randnr. 58).


36
Vgl. in diesem Sinne Urteil WWF u. a. (Randnr. 60).


37
Urteil Linster u. a. (Randnr. 55).


38
Urteil Linster u. a. (Randnr. 58).


39
In der Vorlageentscheidung (Nr. 27) heißt es, dass die Betreiber von Conygar Quarry der MPA insbesondere Pläne über die Verbesserung der Zugänge, Betriebspläne, Pläne zur Überwachung von Sprengungen und Pläne zur Lärmüberwachung vorzulegen hatten.


40
152/84, Slg. 1986, 723.


41
80/86, Slg. 1987, 3969.


42
Urteile vom 19. Januar 1982 in der Rechtssache 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53) und vom 4. Dezember 1997 in den Rechtssachen C-253/96 bis C-258/96 (Kampelmann u. a., Slg. 1997, I-6907, Randnr. 37). Als Beispiel einer kürzlichen Anwendung Urteil vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-276/01 (Steffensen, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38).


43
Urteil vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 36).


44
Urteile vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77 (Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 16) und Francovich u. a. (Randnr. 32).


45
Urteile Simmenthal (Randnr. 22) und vom 19. Juni 1990 in der Rechtssache C-213/89 (Factortame u. a., Slg. 1990, I-2433, Randnr. 19).


46
Urteile Simmenthal (Randnrn. 14 bis 18) und Factortame u. a. (Randnr. 18).


47
Randnr. 48.


48
Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92 (Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 24). Vgl. auch Urteile vom 7. März 1996 in der Rechtssache C-192/94 (El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281, Randnr. 20) und vom 14. September 2000 in der Rechtssache C-343/98 (Collino und Chiappero, Slg. 2000, I-6659, Randnr. 20).


49
Urteile vom 11. Juni 1987 in der Rechtssache 14/86 (Pretore di Salò, Slg. 1987, 2545, Randnr. 19) und Kolpinghuis Nijmegen (Randnr. 10).


50
Der Gerichtshof hat den Umfang der „vertikalen“ unmittelbaren Wirkung der Richtlinien durch die Feststellung erweitert, dass ihre Bestimmungen nicht nur gegenüber dem Mitgliedstaat als solchem, sondern auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden können, die dem Staat oder seiner Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die sich aus den für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften ergeben, wie Gebietsköperschaften oder Einrichtungen, denen unabhängig von ihrer Rechtsform durch Hoheitsakte die Erbringung einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse unter der Aufsicht des Staates übertragen worden ist (Urteil Kampelmann u. a., Randnr. 46).


51
103/88, Slg. 1989, 1839.


52
Das vorlegende Gericht hatte den Gerichtshof danach gefragt, ob eine, auch kommunale Verwaltung, wie das nationale Gericht, verpflichtet sei, die Bestimmungen der in Rede stehenden Richtlinie anzuwenden und die Anwendung der damit nicht in Einklang stehenden Bestimmungen des nationalen Rechts auszuschließen. Ganz folgerichtig hat der Gerichtshof ausgeführt: „Es wäre ... widersprüchlich, zwar zu entscheiden, dass die Einzelnen sich vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie ... berufen können, um das Verhalten der Verwaltung beanstanden zu lassen, trotzdem aber die Auffassung zu vertreten, dass die Verwaltung nicht verpflichtet ist, die Bestimmungen der Richtlinie dadurch einzuhalten, dass sie die Vorschriften des nationalen Rechts, die damit nicht im Einklang stehen, unangewendet lässt“ (Randnr. 31).


53
C-201/94, Slg. 1996, I-5819.


54
Der Gerichtshof hat davon insbesondere hergeleitet, dass eine Richtlinie für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die gegen die Vorschriften der Richtlinie verstoßen, festzulegen oder zu verschärfen (Urteile Pretore di Salò, Randnr. 20, Kolpinghuis Nijmegen, Randnr. 13, und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-168/95, Arcaro, Slg. 1996, I-4705, Randnr. 37).


55
6/64, Slg. 1964, 1141, 1160.


56
Urteil vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache C-78/98 (Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Randnr. 31).