62002C0140

Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 3. Juni 2003. - Regina auf Antrag von S.P. Anastasiou (Pissouri) Ltd und andere gegen Minister of Agriculture, Fisheries and Food. - Rechtsangleichung - Pflanzenschutz - Richtlinie 77/93/EWG - Einfuhr von Pflanzen mit Ursprung in Drittländern, die besonderen Anforderungen unterliegen, in die Gemeinschaft - Besondere Anforderungen, die außerhalb des Ursprungsorts nicht erfüllt werden können - Anbringung einer Ursprungskennzeichnung auf der Verpackung der Pflanzen - Amtliche Feststellung, dass die Pflanzen ihren Ursprung in einem Gebiet haben, das bekanntermaßen frei von dem betreffenden Schadorganismus ist. - Rechtssache C-140/02.

Sammlung der Rechtsprechung 2003 Seite I-10635


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Einfuhr von Zitrusfrüchten vom nördlichen Teil Zyperns (so genannte Türkische Republik Nordzypern") in das Vereinigte Königreich und ist bereits das dritte Verfahren in einer Reihe von gleich gelagerten Vorabentscheidungsverfahren betreffend eine bestimmte Fassung der Richtlinie 77/93/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten (im Folgenden: Richtlinie 77/93). In rechtlicher Hinsicht hat dieses Verfahren das System zur Überwachung der Gesundheit von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen, die aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführt werden, zum Gegenstand, doch ist es in politischer Hinsicht nicht ohne Bedeutung für das Verhältnis der Gemeinschaft zur Türkei und auch zu Zypern, dessen Beitritt zur Europäischen Union für den 1. Mai 2004 vorgesehen ist.

II - Rechtlicher Rahmen

2. Für das vorliegende Verfahren ist die Richtlinie 77/93 in der durch die Richtlinie 91/683/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 und durch die Richtlinie 92/103/EWG der Kommission vom 1. Dezember 1992 geänderten Fassung maßgeblich.

3. Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie in ihrer für die streitigen Einfuhren geltenden Fassung sieht vor:

Die Mitgliedstaaten schreiben mindestens vor, dass die in Anhang V Teil B genannten Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und anderen Gegenstände mit Herkunft aus Drittländern in ihr Gebiet nur verbracht werden dürfen,

a) wenn die Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder anderen Gegenstände sowie ihr Verpackungsmaterial und, falls erforderlich, ihre Beförderungsmittel insgesamt oder durch Entnahme charakteristischer Proben amtlich gründlich untersucht werden, um, soweit festgestellt werden kann, sicherzustellen,

- dass sie nicht von den in Anhang I Teil A genannten Schadorganismen befallen sind,

- dass sie, soweit es sich um in Anhang II Teil A genannte Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse handelt, nicht von den in diesem Teil dieses Anhangs mit Bezug auf sie genannten Schadorganismen befallen sind,

- dass sie, soweit es sich um in Anhang IV Teil A genannte Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder andere Gegenstände handelt, den in diesem Teil dieses Anhangs mit Bezug auf sie genannten besonderen Anforderungen entsprechen;

b) wenn sie von den nach Artikel 7 oder 8 vorgeschriebenen Zeugnissen begleitet sind und wenn das Pflanzengesundheitszeugnis nicht früher als 14 Tage vor dem Tag ausgestellt worden ist, an dem die Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder anderen Gegenstände das Versandland verlassen. Die nach Artikel 7 oder 8 vorgeschriebenen Zeugnisse ... werden von Dienststellen erteilt, die hierzu im Rahmen des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens oder - bei Nichtvertragsstaaten - aufgrund von Rechtsvorschriften des Landes befugt sind. ...

..."

4. Artikel 12 Absatz 5 sieht vor, dass zwischen der Kommission und bestimmten Drittländern vereinbart werden kann, Untersuchungen auch unter Aufsicht der Kommission in dem betreffenden Drittland durchzuführen.

5. In Artikel 12 der Richtlinie wird auf die Artikel 7 und 8 verwiesen, die ebenso wie Artikel 6 grundsätzlich Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und andere Gegenstände mit Ursprung in der Gemeinschaft betreffen.

6. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie kann ein Pflanzengesundheitszeugnis erteilt werden, wenn aufgrund der Untersuchung nach Artikel 6 Absätze 1 und 2 angenommen werden kann, dass die dort genannten Voraussetzungen erfuellt sind. Artikel 8 Absatz 2 befreit den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Erzeugnisse aufgeteilt oder zwischengelagert wurden oder ihre Verpackung geändert wurde, von einer neuen Untersuchung, wenn die Erzeugnisse in seinem Gebiet keiner Gefahr für die Pflanzengesundheit ausgesetzt wurden; der Mitgliedstaat erstellt in diesem Fall ein Pflanzengesundheitszeugnis für die Wiederausfuhr und fügt es dem ursprünglichen Pflanzengesundheitszeugnis bei.

7. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie werden die in Anhang V Teil A genannten Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder anderen Gegenstände sowie ihr Verpackungsmaterial und, falls erforderlich, ihre Beförderungsmittel insgesamt oder durch Entnahme charakteristischer Proben amtlich gründlich untersucht, um sicherzustellen,

a) dass sie nicht von den in Anhang I Teil A genannten Schadorganismen befallen sind;

b) dass sie, soweit es sich um in Anhang II Teil A genannte Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse handelt, nicht von den in diesem Teil dieses Anhangs mit Bezug auf sie genannten Schadorganismen befallen sind;

c) dass sie, soweit es sich um in Anhang IV Teil A genannte Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder andere Gegenstände handelt, den in diesem Teil dieses Anhangs mit Bezug auf sie genannten besonderen Anforderungen entsprechen.

8. In Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie wird hinzugefügt, dass die amtlichen Untersuchungen gemäß den vorstehenden Absätzen dieses Artikels regelmäßig im Betrieb des Erzeugers und vorzugsweise am Ort der Erzeugung durchgeführt werden und die von dem Erzeuger angebauten, erzeugten, verwendeten oder anderweitig in seinem Betrieb vorkommenden Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse sowie das dabei verwendete Nährsubstrat betreffen.

9. Im Rahmen der oben aufgeführten Bestimmungen gehören die Zitrusfrüchte mit Ursprung im Nordteil Zyperns, um die es im Ausgangsverfahren geht, zu den in Anhang V genannten Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen und sind daher einer Pflanzengesundheitsuntersuchung zu unterziehen. Sie könnten von den in Anhang I oder Anhang II genannten Schadorganismen befallen sein.

10. Des Weiteren scheinen die verfahrensgegenständlichen Zitrusfrüchte in Anhang IV Teil A der Richtlinie 77/93 auf. Damit kommt Artikel 9 Absatz 1 zur Anwendung, der lautet:

Bei Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen und anderen Gegenständen, für die die besonderen Anforderungen des Anhangs IV Teil A gelten, muss das amtliche Pflanzengesundheitszeugnis gemäß Artikel 7 in dem Ursprungsland der Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und anderen Gegenstände ausgestellt worden sein; dies gilt nicht

- für Holz, wenn ...

- in sonstigen Fällen, sofern die Einhaltung der besonderen Anforderungen des Anhangs IV Teil A auch außerhalb des Ursprungsorts gewährleistet werden kann."

11. Die besonderen Anforderungen sind in den Nummern 16.1 bis 16.4 von Anhang IV Teil A geregelt.

12. Nummer 16.1. in der hier maßgeblichen Fassung sieht vor, dass Früchte von Citrus L., Fortunella Swingle, Poncirus Raf. und ihre Hybriden mit Ursprung in Drittländern unbeschadet der Verbote, die für die Früchte in Anhang III Teil B Nummern 2 und 3 gelten, frei von Stielen und Laub sein und auf ihrer Verpackung eine Ursprungskennzeichnung tragen müssen.

13. Die Nummern 16.2, 16.3 und 16.4 sahen in der maßgeblichen Fassung im Wesentlichen vor, dass Früchte von Citrus L., Fortunella Swingle, Poncirus Raf. und ihre Hybriden mit Ursprung in Drittländern, in denen bestimmte Schadorganismen auftreten, eine amtliche Feststellung darüber benötigen, dass die Früchte ihren Ursprung in Gebieten haben, die bekanntermaßen frei von dem betreffenden Schadorganismus sind. Sofern diese Bedingung nicht erfuellt werden kann, ist eine amtliche Feststellung erforderlich, dass auf der Anbaufläche oder in deren unmittelbarer Umgebung keine Anzeichen für das Auftreten des betreffenden Schadorganismus festgestellt wurden und/oder dass die Früchte frei von dem betreffenden Schadorganismus sind. Sofern auch diese Bedingung nicht erfuellt werden kann, bedarf es einer amtlichen Feststellung, dass die Früchte einer geeigneten Behandlung unterzogen wurden.

14. Die Nummern 16.1 bis 16.4 wurden durch die Richtlinie 98/2/EG der Kommission vom 8. Januar 1998 (im Folgenden: Richtlinie 98/2) geändert. Danach hat eine amtliche Feststellung darüber, dass die Früchte frei von Schadorganismen sind, auch dann vorzuliegen, wenn die Früchte aus Ländern stammen, die frei von solchen Organismen sind. Diese Änderung trat allerdings erst nach dem Zeitpunkt in Kraft, in dem sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens verwirklicht hatte.

III - Vorgeschichte, Sachverhalt und Vorlagefragen

15. Das vorliegende Verfahren ist ein weiteres Stadium in dem Rechtsstreit zwischen einigen Erzeugern und Exporteuren von Zitrusfrüchten, die in dem südlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns ansässig sind und zu denen S. P. Anastasiou (Pissouri) Ltd gehört, und dem Minister of Agriculture, Fisheries and Food (Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung).

16. Die erste Runde des Rechtsstreits (im Folgenden: Anastasiou I) betraf die Frage, ob eine Warenverkehrsbescheinigung und ein Pflanzengesundheitszeugnis, die den Eindruck erweckten, in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsbestimmungen ausgestellt worden zu sein, gültig sind, wenn sie von Beamten der so genannten Türkischen Republik Nordzypern" ausgestellt worden sind.

17. Nach dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Anastasiou I aus dem Jahre 1994 begannen die Unternehmen aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns Zitrusfrüchte in die Gemeinschaft über einen türkischen Hafen auszuführen, in dem die Pflanzengesundheitszeugnisse von den zuständigen türkischen Behörden erteilt wurden. Damit reagierten die Unternehmen auf das Urteil des Gerichtshofes, wonach die Behörden eines Mitgliedstaats nicht berechtigt sind, bei der Einfuhr von Zitrusfrüchten aus Zypern Pflanzengesundheitszeugnisse anzuerkennen, die von anderen Behörden als den zuständigen Behörden der Republik Zypern ausgestellt wurden.

18. In der zweiten Runde des Rechtsstreits ging es um eine Frage, die im ersten Rechtszug nicht relevant geworden war, und zwar, ob die in der so genannten Türkischen Republik Nordzypern" erzeugten Zitrusfrüchte mit einem von der Türkei ausgestellten Zeugnis in das Vereinigte Königreich eingeführt werden können. Im Urteil vom 4. Juli 2000 (Anastasiou II) entschied der Gerichtshof, dass es einem Mitgliedstaat gestattet ist, Pflanzen mit Ursprung in einem Drittland, für die ein Pflanzengesundheitszeugnis erteilt werden muss, das u. a. die Einhaltung besonderer Anforderungen betrifft, in sein Gebiet verbringen zu lassen, wenn die hierzu befugten Dienststellen des Ursprungslandes kein Zeugnis für die Pflanzen erteilt haben, diese aber von einem Zeugnis begleitet sind, das in einem anderen Drittland als ihrem Ursprungsland ausgestellt wurde, vorausgesetzt,

- die Pflanzen wurden in das Gebiet des Landes eingeführt, in dem die Untersuchung stattgefunden hat, bevor sie von dort aus in die Gemeinschaft exportiert wurden;

- die Pflanzen sind so lange und unter solchen Bedingungen in diesem Land verblieben, dass die geeigneten Untersuchungen durchgeführt werden konnten;

- für die Pflanzen gelten keine besonderen Anforderungen, deren Einhaltung nur an ihrem Ursprungsort gewährleistet werden kann.

19. Des Weiteren hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht die Gründe zu berücksichtigen hat, aus denen das Pflanzengesundheitszeugnis nicht im Ursprungsland der Pflanzen erteilt wurde, um festzustellen, ob das Zeugnis den Anforderungen der Richtlinie entspricht.

20. Das nunmehr dritte Verfahren vor dem Gerichtshof betrifft zwei Transporte von Zitrusfrüchten, die aus dem nördlich der Pufferzone der Vereinten Nationen gelegenen Teil Zyperns stammten. Im März 1995 wurden die Früchte über einen Hafen in der Türkei in das Vereinigte Königreich versandt, wobei die begleitenden Pflanzengesundheitszeugnisse von türkischen Behörden ausgestellt wurden. Die beiden Importeure der Früchte aus dem nördlichen Teil Zyperns, Cypfruvex (UK) Ltd und die Cypfruvex Fruit and Vegetable (Cypfruvex) Enterprises Ltd (im Folgenden gemeinsam: Cypfruvex) sind den Verfahren, die sie unmittelbar betreffen, beigetreten.

21. Anastasiou und die anderen Rechtsmittelführerinnen machen vor dem mit dem Rechtsstreit neuerlich befassten House of Lords geltend, dass die fraglichen Zitrusfrüchte den besonderen Anforderungen von Anhang IV Teil A unterlägen, die nur im Ursprungsland erfuellt werden könnten. Ohne das entsprechende Zeugnis könnten sie nicht in das Vereinigte Königreich eingeführt werden.

22. Ausgehend davon, dass das Urteil Anastasiou II keine dahin gehende Antwort enthält, ersucht das House of Lords den Gerichtshof durch Beschluss vom 17. Dezember 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 16. April 2002, um Vorabentscheidung über folgende Fragen:

1) Kann im Falle der Versendung von Zitrusfrüchten mit Ursprung in einem Drittland in ein anderes Drittland die besondere Anforderung gemäß Nummer 16.1 des Anhangs IV Teil A der Richtlinie 77/93/EWG, nunmehr Richtlinie 2000/29/EG, wonach die Verpackung eine geeignete Ursprungskennzeichnung tragen muss, nur im Ursprungsland erfuellt werden, oder kann sie alternativ auch in diesem anderen Drittland erfuellt werden?

2) Muss die nach den Nummern 16.2 bis 16.4 der Richtlinie 2000/29/EG erforderliche amtliche Feststellung des Ursprungslandes von einem Beamten im Ursprungsland ausgestellt werden, oder kann sie auch von einem Beamten in diesem anderen Drittland ausgestellt werden?

IV - Zur ersten Vorlagefrage: Anhang IV Teil A Nummer 16.1 der Richtlinie 77/93

A - Vorbringen der Beteiligten

23. Anastasiou vertritt die Auffassung, dass die Ursprungskennzeichen nur am Ursprungsort angebracht werden könnten. Das folge u. a. daraus, dass die besonderen Anforderungen ein höheres Schutzniveau gewährleisten sollen, als ein vom Versendestaat ausgestelltes Pflanzengesundheitszeugnis.

24. Die Feststellung des Ursprungs der Ware am Ursprungsort erleichtere die Ermittlung des Ausgangspunktes eventueller Krankheiten und die Zusammenarbeit mit den Behörden des Drittlandes. Desgleichen sei eine Person am Ursprungsort besser in der Lage, den wahren Ursprung festzustellen.

25. Die beiden in Nummer 16.1 angeführten besonderen Anforderungen könnten durchaus unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Die durch die Richtlinie 98/2 herbeigeführte Änderung der Nummern 16.2 bis 16.4 bringe lediglich einen zusätzlichen Schutz.

26. Cypfruvex, die die Auffassung des Ministers für Landwirtschaft teilen, weisen darauf hin, dass die Auffassung von Anastasiou zu einem Importstopp von Früchten aus dem Nordteil von Zypern führen würde. Die Voraussetzung des Ursprungskennzeichens könne in jedem Drittland erfuellt werden. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 lasse darauf schließen, dass auch ein Kontrollorgan eines anderen Landes als des Ursprungslandes ein Ursprungskennzeichen, einschließlich dessen Eignung, prüfen könne. Die Art und Weise der Überprüfung sei von demjenigen Drittland festzulegen, das das Pflanzengesundheitszeugnis ausstelle. Das Kontrollorgan habe weder die Herkunft zu ermitteln, noch die Verpackung zu kontrollieren oder ein Ursprungszeugnis auszustellen. Das Ursprungskennzeichen dürfe im Übrigen nicht mit der amtlichen Feststellung der Herkunft verwechselt werden, die anderen Zwecken diene und von den Behörden des Ursprungslandes ausgestellt werde. Aus der Richtlinie 98/2 folge, dass die amtliche Feststellung der Herkunft zum Erfordernis des Ursprungskennzeichens hinzutrete. Die zum Export bestimmten Früchte aus dem Nordteil von Zypern werden nach Regeln verpackt und gekennzeichnet, die im Wesentlichen den Regeln der Republik Zypern entsprechen. Damit seien falsche Ursprungskennzeichen ausgeschlossen. Im Übrigen sei Zypern frei von Schadorganismen, weshalb auch kein Interesse daran bestehe, einen falschen Ursprungsort anzugeben. Es sei nicht Aufgabe des Gerichtshofes, die Tätigkeiten der türkischen Behörden nachzuprüfen, die mit den Behörden der so genannten Türkischen Republik Nordzypern" zusammenarbeiten könnten. Die Mitgliedstaaten wiederum müssten nur mit den türkischen Behörden zusammenarbeiten.

27. Die griechische Regierung weist darauf hin, dass das Ursprungskennzeichen die Sicherheit der Transaktionen und die Pflanzengesundheit gewährleisten solle. Die Anbringung habe durch die Behörden des Ursprungslandes zu erfolgen, weil diese am besten in der Lage seien, die Einhaltung der Zielsetzungen zu garantieren und offiziell zugelassene Einrichtungen seien. Die so genannte Türkische Republik Nordzypern" sei jedenfalls kein Drittland, das die erforderlichen Zeugnisse ausstellen könne. Aus dem Urteil Anastasiou I folge, dass nur die Behörden der Republik Zypern das Ursprungskennzeichen anbringen könnten. Die türkischen Behörden könnten nur hinsichtlich solcher Erzeugnisse aus Zypern tätig werden, die ein von den zypriotischen Behörden angebrachtes Ursprungskennzeichen tragen.

28. Die Regierung des Vereinigten Königreichs weist darauf hin, dass das Pflanzengesundheitszeugnis auf das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen von 1951 zurückgehe und dass seither alle Pflanzengesundheitszeugnisse eine amtliche Feststellung des Ursprungsorts zu tragen hätten. Daher gelte dieses Erfordernis nicht nur für die in Anhang IV Teil A der Richtlinie 77/93 angeführten Erzeugnisse. Aus dem Urteil Anastasiou II ergebe sich, dass eine amtliche Feststellung über den Ursprungsort auch von einem Drittland erfolgen könne. Das Ursprungskennzeichen könne auch von einem anderen Land als dem angebracht werden, das die Bescheinigung ausstelle, dass ein solches Kennzeichen angebracht sei. Im Übrigen sei das gemeinschaftsrechtliche Regime seit 1993 nicht mehr so streng.

29. Das Ursprungskennzeichen diene zwei Zielen: das erste, der Ausschluss der Früchte von bestimmten Zonen, sei 1999 abgeschafft worden; das zweite, die Möglichkeit, die Früchte zurückzuverfolgen, sei deshalb beschränkt, weil keine Verpflichtung bestehe, die Identität des Exporteurs auf der Verpackung anzugeben. Da das Ursprungskennzeichen eine geringere Bedeutung als ein Pflanzengesundheitszeugnis habe, solle es auch nicht strengeren Voraussetzungen unterworfen werden als die Feststellung des Ursprungslandes im Pflanzengesundheitszeugnis, das auch von einem anderen Land als dem Ursprungsland ausgestellt werden könne.

30. Die Kommission hätte nur mit denjenigen Behörden zusammenzuarbeiten, deren Handlungen von den Mitgliedstaaten anzuerkennen seien. Doch sei auch eine Zusammenarbeit der Kommission mit der so genannten Türkischen Republik Nordzypern" möglich. Schließlich hätten Zitrusfrüchte aus dem Nordteil von Zypern nie Probleme mit Schadorganismen verursacht. Die durch die Richtlinie 98/2 erfolgten Änderungen seien für die Auslegung von Nummer 16.1 ohne Belang.

31. Nach Auffassung der Kommission sei das Ursprungskennzeichen vor der Änderung durch die Richtlinie 98/2 das einzige Mittel gewesen, um zu überprüfen, ob die Erzeugnisse aus einem von Krankheiten freien Land kamen. Nach der Änderung sei es vielmehr auf die Voraussetzungen nach den Nummern 16.2 bis 16.3a angekommen. Aus Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 gehe hervor, dass die Ausstellung des Pflanzengesundheitszeugnisses das zentrale Element der Kontrollen sei, weil es die amtliche Bestätigung dafür sei, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfuellt seien. Diese Kontrolle sei nur dann sinnvoll, wenn die ausstellende Person auch tatsächlich in der Lage sei, das zu bestätigen.

32. Wenn die Voraussetzungen besondere Eigenschaften des Ortes betreffen, an dem die Früchte wachsen, könne das Zeugnis nur von einer Person ausgestellt werden, die aufgrund eigenen Wissens bestätigen kann, dass die Früchte von einem bestimmten Ort kommen. Demnach könnten die Kontrollen der Voraussetzungen nach den Nummern 16.1 bis 16.4 nur von einer Person durchgeführt werden, die in dem betreffenden Land anwesend sei und die über den Ursprung der Früchte Bescheid wisse. Da Zypern frei von den von diesen Bestimmungen erfassten Schadorganismen sei, beschränke sich die Frage darauf, ob die amtliche Bestätigung nur von den anerkannten zypriotischen Behörden ausgestellt werden könne.

33. Diesbezüglich schließt sich die Kommission der Auffassung von Generalanwalt Fennelly in Anastasiou II an. Ausgehend von der Absicht, die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Richtlinie 98/2 verfolgte, vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Ursprungskennzeichen stets dazu dienen sollte, den Ursprung der Früchte festzustellen und sicherzustellen, dass sie entweder aus einem Gebiet frei von Schadorganismen kommen oder von dem erforderlichen Zeugnis begleitet sind. Die Ausstellung könne immer nur durch eine Person im Ursprungsland erfolgen.

34. Die Kommission kommt daher zum Ergebnis, dass die Einhaltung der besonderen Anforderungen nach den Nummern 16.1 bis 16.4 nur im Ursprungsland gewährleistet werden könne.

B - Würdigung

35. Nummer 16.1 des Anhangs IV Teil A der Richtlinie 77/93 normiert zwei besondere Anforderungen: Erstens haben die Früchte frei von Stielen und Laub zu sein und zweitens hat die Verpackung ein Ursprungskennzeichen zu tragen. Die erste Vorlagefrage betrifft lediglich die zweite der beiden Voraussetzungen.

36. Während die erste Voraussetzung, nämlich dass die Früchte frei von Stielen und Laub sind, jederzeit und an jedem Ort überprüft werden kann und noch dazu keine besondere Fachkenntnis erfordert, ist die Rechtslage hinsichtlich der zweiten Voraussetzung nicht so klar.

37. Im vorliegenden Verfahren geht es nämlich nicht allein um die Frage, wo die Feststellung, ob eine Verpackung ein bestimmtes Kennzeichen trägt, erfolgen kann, sondern - wie aus der Formulierung der Vorlagefrage und dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens hervorgeht - darum, ob die Einhaltung dieser besonderen Anforderung nur im Ursprungsland gewährleistet werden kann. Damit wird auf die in Artikel 9 Absatz 1 zweiter Halbsatz zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/93 normierte Voraussetzung abgestellt.

38. Bereits Generalanwalt Fennelly hat in der Rechtssache Anastasiou II darauf hingewiesen, dass dem Nachweis des Ursprungs in einem Drittland durch Behörden eines anderen Drittlandes bestimmte Hindernisse entgegenstehen. So sei fraglich, welche verlässlichen Unterlagen hierfür herangezogen werden können, wobei Versandpapiere jedenfalls ausscheiden.

39. Desgleichen ist - wenn auch hier mit einer anderen Begründung - Generalanwalt Fennelly darin zu folgen, dass das Urteil in der Rechtssache Huygen nicht übertragen werden kann. Denn in jener Rechtssache ging es um die Auslegung einer Bestimmung eines Freihandelsabkommens, wonach ein Einfuhrstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Dokumente des Ausfuhrstaats kontrollieren und andere Nachweise für den Ursprung der Ware anerkennen darf. Die Richtlinie 77/93 sieht aber keine vergleichbare Vorschrift vor.

40. Zunächst einmal ist hier darauf hinzuweisen, dass Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 den Grundsatz aufstellt, dass bei Pflanzen, für die die besonderen Anforderungen des Anhangs IV Teil A gelten, das amtliche Pflanzengesundheitszeugnis im Ursprungsland ausgestellt worden sein muss.

41. Davon macht der zweite Halbsatz von Artikel 9 Absatz 1 in seinem zweiten Spiegelstrich nur eine Ausnahme. Die Auslegungsschwierigkeit rührt nun daher, dass diese - hier anwendbare - Ausnahme des zweiten Spiegelstriches auf den ersten Blick denselben sachlichen Geltungsbereich hat, nämlich für alle besonderen Anforderungen des Anhangs IV Teil A gilt. Da dem Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch nicht zuzusinnen ist, dass er überfluessige Vorschriften erlässt, wird man diese Ausnahmevorschrift so zu verstehen haben, dass sie nur für bestimmte besondere Anforderungen gilt. Aus ihrem Wortlaut, der darauf abstellt, dass die Einhaltung der besonderen Anforderungen ... auch außerhalb des Ursprungsorts gewährleistet werden kann", lässt sich ableiten, dass die Ausnahme des zweiten Spiegelstriches nur für solche Pflanzen gilt, die diese Voraussetzung erfuellen. Ist das nicht der Fall, gilt die lex generalis von Artikel 9 Absatz 1, also die Ausstellung des Pflanzengesundheitszeugnisses im Ursprungsland.

42. Nun ist es zwar unbestreitbar, dass ein Tatbestandsmerkmal, also die Feststellung, ob eine Verpackung ein Kennzeichen trägt, an jedem Ort erfolgen kann. Selbst die Anbringung eines Zeichens kann an jedem Ort erfolgen.

43. Wenn man sich aber bewusst ist, dass es sich um ein Kennzeichen handelt, das sich auf den Ursprung bezieht und das entsprechend geeignet zu sein hat, wird man an die Gewährleistung der besonderen Anforderungen strenge Voraussetzungen zu stellen haben.

44. Dass die Ausnahmevorschrift von Artikel 9 Absatz 1 zweiter Halbsatz zweiter Spiegelstrich eng auszulegen ist, zeigt ein weiteres Tatbestandsmerkmal. So verlangt die Ausnahme die Gewährleistung der besonderen Anforderungen bereits dann, wenn die Ausstellung des Pflanzengesundheitszeugnisses nur an einem anderen Ursprungsort erfolgen soll. Genau genommen gilt das also auch für andere Orte desselben Ursprungslandes. Geht es gar um ein anderes Land, sind an diese Gewährleistung noch höhere Anforderungen zu stellen.

45. Dieser Umstand unterstreicht die Bedeutung der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 normierten Voraussetzung, wonach das Pflanzengesundheitszeugnis eines nach Artikel 7 zu sein hat. Artikel 7 macht aber in seinem Absatz 1 in der hier maßgeblichen Fassung die Erteilung des Zeugnisses davon abhängig, dass auf Grund der Untersuchung nach Artikel 6 angenommen werden [kann], dass die dort genannten Voraussetzungen erfuellt sind".

46. Zu den in Artikel 6 der Richtlinie 77/93 genannten Voraussetzungen wiederum gehört auch die in seinem Absatz 4 Buchstabe b normierte Voraussetzung, dass die amtlichen Untersuchungen auf dem Betrieb und vorzugsweise am Ort der Erzeugung durchgeführt" werden.

47. Es ist also in der Folge zu prüfen, ob diese Voraussetzung des Artikels 6 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 77/93 nur für Gemeinschaftserzeugnisse gilt oder auch für Erzeugnisse aus Drittländern.

48. Im Urteil Anastasiou II hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/683 die Konsequenz, dass die Untersuchung daher _unbedingt am Ort der Erzeugung stattfinden sollte, ... nur für Gemeinschaftserzeugnisse gezogen" wird.

49. Dazu ist erstens anzumerken, dass der Text von Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe b der Richtlinie 77/93 diese Differenzierung nicht kennt. Zweitens schränkt auch der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 91/683 die Voraussetzung, wonach der geeignetste Ort ... der Ort der Erzeugung" ist, nicht auf Gemeinschaftserzeugnisse ein.

50. Drittens hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber den Anwendungsbereich von Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 77/93 auch erst nachträglich auf Gemeinschaftserzeugnisse einschränken können. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat auch von der Befugnis, den Anwendungsbereich einzuschränken, Gebrauch gemacht, und zwar mit der Richtlinie 94/13/EG. Eine Ausnahme für Drittlandserzeugnisse hat der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch nicht erlassen.

51. Allerdings ist auf die vom Gerichtshof im Urteil Anastasiou II betonte Voraussetzung hinzuweisen, zu vermeiden, dass an Erzeugnisse, die nicht aus der Gemeinschaft stammen, geringere Anforderungen gestellt würden".

52. Aber selbst nach diesem weniger strengen Maßstab bleibt es dabei, dass auch für Erzeugnisse aus Drittländern gilt, dass der geeignetste Ort für die Untersuchung der Ort der Erzeugung ist. Das gilt umso mehr für eine besondere Anforderung, die einen geografischen Bezugspunkt hat, nämlich das Ursprungskennzeichen.

53. Hinzu kommt noch, dass Nummer 16.1 nicht irgendein Ursprungskennzeichen vorschreibt, sondern ein geeignetes". Ob ein Ursprungskennzeichen geeignet ist, hängt einerseits von dessen Inhalt (Text, Symbole usw.), andererseits von der Art der Aufbringung ab, um insbesondere die Dauerhaftigkeit zu gewährleisten.

54. Dem Argument, dass der Ausnahmevorschrift in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 dann kein Anwendungsbereich verbleibe, wenn die Ausstellung im Ursprungsland zu erfolgen hat, ist entgegenzuhalten, dass die Ausnahme auch in Bezug auf Nummer 16.1 anwendbar ist, und zwar hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Früchte frei von Stielen und Laub sind.

55. Ebenso ist jenes Argument zurückzuweisen, dass aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/93, demzufolge das Pflanzengesundheitszeugnis nicht früher als 14 Tage vor dem Tag ausgestellt sein darf, an dem die Ware das Versandland verlassen hat, folge, dass im vorliegenden Fall Zeugnisse des Versandlandes anzuerkennen seien. Denn diese Regelung entspricht nur der - im Übrigen als Ausnahme zu qualifizierenden - Möglichkeit, dass auch ein Zeugnis eines anderen Drittlandes als das des Ursprungsdrittlandes anzuerkennen ist. Diese Ausnahmevorschrift greift aber nur unter bestimmten Voraussetzungen, um die es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht geht.

56. Auch wurde - seitens der Regierung des Vereinigten Königreiches - argumentiert, dass ein Ziel des Ursprungskennzeichens, nämlich der Nachweis, dass die Früchte aus bestimmten Zonen stammen, 1999 abgeschafft worden sei. Dazu ist lediglich anzumerken, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nach der alten, also vor 1999 geltenden Rechtslage zu entscheiden ist.

57. Des Weiteren wurde vorgebracht, dass die durch die Richtlinie 98/2 herbeigeführte Änderung insoferne Auswirkungen auf die Auslegung der Nummer 16.1 habe, als die Verschärfung der Nummern 16.2 bis 16.4 die Bedeutung des Ursprungskennzeichens vermindert hätte. Das mag zwar für die neue Rechtslage zutreffen, doch ist für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens die alte Rechtslage maßgeblich. Aus der später vorgenommenen Änderung der Nummern 16.2 bis 16.4 kann man zudem vielmehr umgekehrt ableiten, dass davor, und damit auch im vorliegenden Fall, das Ursprungskennzeichen umso bedeutender war.

58. Ferner ist auf das von mehreren Beteiligten vorgebrachte Argument einzugehen, wonach Pflanzengesundheitszeugnissen generell ein größerer Stellenwert einzuräumen sei als Ursprungskennzeichen. Dabei wird übersehen, dass für Zitrusfrüchte ein spezielles Regime gilt. Danach benötigen Zitrusfrüchte keinen Pflanzenpass. Daraus folgt jedoch, wie die Kommission zu Recht vorgebracht hat, dass dem Ursprungskennzeichen gerade für solche Früchte ein besonders hoher Stellenwert zukommt. Das gilt insbesondere für den in diesem Verfahren wesentlichen Aspekt der Freiheit von Schadorganismen. Für dieses Kriterium hat der geografische Bezug (Ursprung aus einem bestimmten Land oder Ort) nämlich eine entscheidende Bedeutung.

59. Schließlich ist auf das Argument einzugehen, dass auch in Feld 5 des Pflanzengesundheitszeugnisses der Ursprung einzutragen sei und diese Voraussetzung zusammen mit dem Erfordernis des Ursprungskennzeichens zu einer mehrfachen Belastung führen würde. Diesbezüglich ist erstens darauf hinzuweisen, dass es fast schon zum Wesen des gemeinschaftlichen Einfuhrrechts gehört, Angaben auf mehreren Formularen zu tätigen. Eventuelle Vereinfachungen der Formalitäten bei der Einfuhr herbeizuführen, fällt in die Zuständigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers. Zweitens ist auf einen im Verfahren leider nicht vorgebrachten Unterschied zwischen dem Ursprungskennzeichen und der Eintragung im Pflanzengesundheitszeugnis hinzuweisen. Während sich das Ursprungskennzeichen auf das Land des Ursprungs bezieht, bezieht sich das Pflanzengesundheitszeugnis auf den Ort des Ursprungs.

60. Das Urteil Anastasiou II hat aber nicht nur den Grundsatz aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten Pflanzen einführen dürfen, die von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet sind, das in einem anderen Drittland als dem Ursprungsdrittland der Pflanzen ausgestellt wurde, sondern unter drei Voraussetzungen eine Ausnahme gemacht. Die in Nummer 16.1 angeführte Voraussetzung des Ursprungskennzeichens fällt unter die dritte, im Urteil Anastasiou II genannte Voraussetzung betreffend besondere Anforderungen, deren Einhaltung nur am Ursprungsort der Pflanze gewährleistet werden kann.

61. Eine Nichtanerkennung der von den türkischen Behörden ausgestellten Pflanzengesundheitszeugnisse trifft nicht speziell die Türkei, sondern alle Drittländer, die nicht gleichzeitig Ursprungsländer sind. Stammen die Früchte so etwa nicht aus dem nördlichen Teil Zyperns, sondern aus der Türkei, kommt dementsprechend nur die Ausstellung in der Türkei in Betracht und nicht auch in einem anderen Drittland, von dem aus die Früchte in die Gemeinschaft transportiert werden. So wie jedes Drittland sein Pflanzengesundheitsrecht regelt, kann auch die Gemeinschaft ihre Rechtsordnung so gestalten, dass sie die entsprechenden Vorschriften festlegen und deren Einhaltung überprüfen kann. Davon allerdings zu unterscheiden und besonders geregelt ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen von Drittländern.

62. Auf die erste Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 dahin auszulegen ist, dass im Falle der Versendung von Zitrusfrüchten mit Ursprung in einem Drittland in ein anderes Drittland die Einhaltung der besonderen Anforderung gemäß Nummer 16.1 des Anhangs IV Teil A, wonach die Verpackung eine geeignete Ursprungskennzeichnung tragen muss, nicht außerhalb des Ursprungsorts gewährleistet werden kann.

V - Zur zweiten Vorlagefrage: Anhang IV Teil A Nummern 16.2 bis 16.4 der Richtlinie 77/93

A - Vorbringen der Beteiligten

63. Nach Auffassung von Anastasiou habe die amtliche Feststellung hinsichtlich der besonderen Anforderungen nach den Nummern 16.2 bis 16.4 durch die Behörden des Ursprungslandes zu erfolgen, weil diese nur dort wirksam überprüft werden können. Das entspreche auch der Zielsetzung der Richtlinie 98/2. Könnte die amtliche Feststellung auch in einem anderen Land als dem Ursprungsland erfolgen, könnte dieses auch das Pflanzengesundheitszeugnis ausstellen. Damit würde aber nicht der von der Richtlinie 98/2 angestrebte höhere Schutz gewährleistet werden.

64. Cypfruvex bringt vor, dass die amtliche Feststellung nach den Nummern 16.2 bis 16.4 in irgendeinem Drittland erfolgen könne. Da ganz Zypern frei von Krankheiten im Sinne der Richtlinie 77/93 sei, käme von den Nummern 16.2 bis 16.4 überhaupt nur der jeweilige Buchstabe a zur Anwendung. Diese sähen aber nicht vor, dass die amtliche Feststellung nur im Ursprungsland erfolgen könne. Da das Pflanzengesundheitszeugnis sowohl eine Rubrik für das Ursprungsland als auch für das Land vorsehe, in dem das Pflanzengesundheitszeugnis ausgestellt werde, müsse es sich eben nicht um dasselbe Land handeln.

65. In Bezug auf die zweite Vorlagefrage vertritt die griechischeRegierung die Auffassung, dass die Voraussetzung der amtlichen Feststellung zu der des Ursprungskennzeichens hinzutrete. Die für diese Feststellung erforderlichen Kontrollen könnten nur von den Behörden des Ursprungslandes durchgeführt werden. Zitrusfrüchte aus dem Nordteil von Zypern würden jedoch keiner Kontrolle durch zypriotische Behörden unterliegen. Eine solche könne auch nicht durch eine bei der Einfuhr in die Gemeinschaft vorgenommene Kontrolle ersetzt werden. Dass Zypern frei von Krankheiten sei, stelle keine Garantie für die Zukunft dar. Die von der Kommission festgestellte Freiheit von Krankheiten beziehe sich im Übrigen nur auf den anerkannten Staat Zypern.

66. Die Regierung des Vereinigten Königreichs bringt vor, dass nur der jeweilige Buchstabe a der Nummern 16.2 bis 16.4 relevant sei. Nach diesen Bestimmungen sei jedoch nur erforderlich, dass das Ursprungsland frei von Krankheiten sei. Eine solche Feststellung könne auch in einem anderen Land getroffen werden. Amtliche Feststellungen nach den Nummern 16.2 bis 16.4 könnten daher auch von einem anderen Land als dem Ursprungsland getroffen werden, wenn das Ursprungsland von der Kommission für frei von Schadorganismen oder Krankheiten erklärt worden sei.

67. Die Kommission geht auf die zweite Vorlagefrage nicht gesondert ein, sondern behandelt die besonderen Anforderungen gemeinsam mit der ersten Vorlagefrage. Dabei gelangt sie zum Ergebnis, dass auch die Anforderungen der Nummern 16.2 bis 16.4 nur im Ursprungsland gewährleistet werden können.

B - Würdigung

68. Die zweite Vorlagefrage bezieht sich ausdrücklich nur auf die Richtlinie 2000/29/EG des Rates vom 8. Mai 2000 über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse. Da diese Richtlinie, mit der die Richtlinie 77/93 kodifiziert wurde, jedoch erst am 10. Juli 2000 in Kraft getreten ist, ist sie für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblich.

69. Die in den Nummern 16.2 bis 16.4 von Anhang IV Teil A normierten besonderen Anforderungen sollen, wie aus dem dritten Erwägungsgrund der - hier maßgeblichen - Richtlinie 92/103 hervorgeht, die Freiheit von Schadorganismen gewährleisten.

70. Insgesamt sind gerade diese besonderen Anforderungen Ausdruck der Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers wie des Zieles der Richtlinie, ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.

71. Die amtlichen Feststellungen nach den Nummern 16.2 bis 16.4 haben zwei Voraussetzungen zu entsprechen.

72. Erstens sind nach dem Urteil Anastasiou I von den Behörden der Mitgliedstaaten nur solche Feststellungen anzuerkennen, die von einer Behörde eines anerkannten Staates stammen. Damit scheiden Feststellungen aus, die Behörden der so genannten Türkischen Republik Nordzypern" ausgestellt haben.

73. Zweitens haben die Feststellungen die in Artikel 9 Absatz 1 normierte Voraussetzung zu erfuellen, wonach die Einhaltung der besonderen Anforderungen gewährleistet zu sein hat.

74. Nach der Ausnahmevorschrift von Artikel 9 Absatz 1 zweiter Halbsatz zweiter Spiegelstrich kann die Ausstellung des Pflanzengesundheitszeugnisses nur dann außerhalb des Ursprungsorts erfolgen, wenn dadurch die Einhaltung der besonderen Anforderungen gewährleistet ist.

75. Die amtliche Feststellung nach dem jeweiligen Buchstaben a der Nummern 16.2 bis 16.4 hat die Frage zum Gegenstand, ob die Früchte ihren Ursprung in Gebieten haben, die bekanntermaßen frei von dem betreffenden Schadorganismus sind.

76. Eine solche Feststellung setzt also verschiedene Kenntnisse voraus, und zwar erstens über den Ursprung der Früchte und zweitens über die Gegebenheiten im jeweiligen Ursprungsgebiet. Dabei fällt auf, dass es nach der hier anwendbaren Fassung der Nummern 16.2 bis 16.4, d. h. der Fassung vor der Änderungsrichtlinie 98/2, auf das Gebiet und nicht auf das Land ankommt. Damit ist die Vorschrift der jeweiligen Buchstaben a der Nummern 16.2 bis 16.4 zwar geografisch gesehen weiter als Artikel 9 Absatz 1 zweiter Halbsatz zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/93, der auf den Ort des Ursprungs abstellt, doch enger als die grundsätzliche Regel von Artikel 9 Absatz 1, die auf das Land des Ursprungs abstellt. Daraus folgt, dass die amtliche Feststellung nur von Behörden getroffen werden kann, die über die entsprechenden Sachkenntnisse verfügen.

77. Aus dem Umstand, dass Artikel 9 Absatz 1 zweiter Halbsatz zweiter Spiegelstrich eine Garantie der Einhaltung der besonderen Anforderungen verlangt und angesichts des hohen Schutzniveaus in einer so heiklen Materie wie der Gesundheit, lässt sich ableiten, dass eine amtliche Feststellung über die in den jeweiligen Buchstaben a der Nummern 16.2 bis 16.4 genannten Voraussetzungen grundsätzlich am Ursprungsort zu erfolgen hat.

78. Zwar könnte man auch die Auffassung vertreten, dass eine solche Feststellung auch außerhalb des Ursprungsorts, aber innerhalb des Ursprungsgebietes erfolgen könnte, doch sind die damit verbundenen Unsicherheiten sehr groß. Noch dazu liegt es nahe, dass die Feststellung des Ursprungs nach Buchstabe a am selben Ort vorgenommen wird, wie die Anbringung des Ursprungskennzeichens.

79. Der jeweilige Buchstabe b der Nummern 16.2 bis 16.4 sieht eine amtliche Feststellung darüber vor, dass eine geeignete amtliche Untersuchung ergeben hat, dass auf der Anbaufläche oder in deren unmittelbarer Umgebung" keine Anzeichen für das Auftreten von Schadorganismen festgestellt wurden. Solche Untersuchungen können nur auf der Anbaufläche oder in deren unmittelbarer Umgebung vorgenommen werden. Um die Einhaltung dieser besonderen Anforderung zu gewährleisten, sollte die Feststellung von Behörden getroffen werden, die in Nähe zu den Behörden stehen, die die Untersuchung vorgenommen haben.

80. Dasselbe gilt für die in Nummer 16.2 Buchstabe b vorgesehenen Blattproben sowie die in den jeweiligen Buchstaben b der Nummern 16.2 bis 16.4 und in den jeweiligen Buchstaben c der Nummern 16.2 und 16.4 vorgesehenen Untersuchung der geernteten Früchte. Die Einhaltung dieser besonderen Anforderungen kann wohl nur am Ursprungsort gewährleistet werden.

81. Die Feststellung gemäß Buchstabe c der Nummern 16.2 und 16.3 sowie Buchstabe d der Nummer 16.4 bezieht sich auf eine geeignete Behandlung von Früchten. Damit die Einhaltung dieser besonderen Anforderung gewährleistet werden kann, hat sich die Behörde, die die Feststellung trifft, über die näheren Umstände der betreffenden Behandlung zu vergewissern. Eine Feststellung am Ursprungsort kann am ehesten das verlangte hohe Schutzniveau sicherstellen.

82. Schließlich ist noch auf das von Cypfruvex vorgebrachte Argument einzugehen, wonach aus dem Umstand, dass das Pflanzengesundheitszeugnis sowohl eine Rubrik für das Ursprungsland als auch für jenes Land vorsieht, in dem das Zeugnis ausgestellt werde, folge, dass es sich eben nicht um dasselbe Land handeln müsse. Diesbezüglich genügt der Hinweis darauf, dass dies nur der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93 normierten Ausnahme entspricht, dass das Pflanzengesundheitszeugnis auch in einem anderen Drittland als dem Ursprungsdrittland ausgestellt werden kann. Im vorliegenden Fall sind aber die Voraussetzungen für diese Ausnahme nicht erfuellt.

83. Die Voraussetzung, dass die amtliche Feststellung im Ursprungsland auszustellen ist, hat in den Fällen, in denen eine Untersuchung am Ursprungsort durchzuführen ist, die Konsequenz, dass vom Gemeinschaftsrecht her auch für Untersuchungen im Nordteil von Zypern die Behörden der Republik Zypern zuständig wären.

84. Wenn die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Vorschriften, so wie sie hier verstanden werden, für den Nordteil Zyperns nicht die vorteilhaftere Lösung darstellt, so handelt es sich dabei um einen Umstand, der seine Ursache in den besonderen Verhältnissen auf der Insel Zypern hat und den nicht der Gemeinschaftsgesetzgeber zu vertreten hat.

85. Dem Gemeinschaftsgesetzgeber bleibt es allerdings unbenommen, für bestimmte Fälle eine Sonderregelung zu erlassen. Von dieser Möglichkeit hat der Rat jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht. Damit galt zum hier maßgeblichen Zeitpunkt auch für die Insel Zypern die für andere Drittländer geltende Regelung.

86. Auf die zweite Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die Nummern 16.2 bis 16.4 des Anhangs IV Teil A der Richtlinie 77/93 dahin auszulegen sind, dass die amtliche Feststellung des Ursprungslandes von einem Beamten im Ursprungsland auszustellen ist.

VI - Ergebnis

87. Nach alledem wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/93/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über Maßnahmen zum Schutz gegen das Verbringen von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse in die Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass im Falle der Versendung von Zitrusfrüchten mit Ursprung in einem Drittland in ein anderes Drittland die Einhaltung der besonderen Anforderung gemäß Nummer 16.1 des Anhangs IV Teil A der Richtlinie 77/93/EWG, wonach die Verpackung eine geeignete Ursprungskennzeichnung tragen muss, nicht außerhalb des Ursprungsorts gewährleistet werden kann.

2. Die Nummern 16.2 bis 16.4 des Anhangs IV Teil A der Richtlinie 77/93/EWG sind dahin auszulegen, dass die amtliche Feststellung des Ursprungslandes von einem Beamten im Ursprungsland auszustellen ist.