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Leitsätze

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1. Staatliche Beihilfen – Von der Kommission genehmigte allgemeine Beihilferegelung – Einzelbeihilfe, die als in den Rahmen der Genehmigung fallend dargestellt wird – Prüfung durch die Kommission – Prüfung in erster Linie im Hinblick auf die Genehmigungsentscheidung und hilfsweise im Hinblick auf den Vertrag – Beihilfe, die eine strikte und voraussehbare Anwendung der in der Genehmigungsentscheidung festgelegten Bedingungen darstellt – Unter die bestehende Beihilferegelung fallende Beihilfe

(Artikel 87 EG und 88 EG)

2. EGKS – Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission – Festlegung einer Frist für die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens in Artikel 6 Absatz 6 der allgemeinen Entscheidung Nr. 2496/96 – Umfang

(Allgemeine Entscheidung Nr. 2496/96, Artikel 6 Absatz 6)

3. Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Recht der Beteiligten, sich zu äußern – Änderung des geltenden Gemeinschaftsrahmens während des Verfahrens – Pflicht der Kommission bei Anwendung neuer Grundsätze

(Artikel 88 Absatz 2 EG)

4. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission – Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes – Pflicht der Kommission, sich in ihrer Endentscheidung an den durch die Ausführungen in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des Prüfverfahrens abgesteckten Rahmen zu halten

5. Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt – Dem Geber und dem potenziellen Empfänger obliegende Beweislast

(Artikel 88 Absatz 2 EG)

6. Staatliche Beihilfen – Verwaltungsverfahren – Geplante Beihilfe für die Investition eines Stahlunternehmens, das Erzeugnisse herstellt, die unter den EGKS-Vertrag fallen, und solche, die nicht darunter fallen – Vorhaben, das zweimal nacheinander angemeldet worden ist, einmal nach dem EGKS-Vertrag, einmal nach dem EG-Vertrag – Ermittlung der ihrer Entscheidung zugrunde zu legenden Rechtsgrundlage durch die Kommission – Zulässigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

7. Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Umweltschutz – Ermessen der Kommission – Befugnis zum Erlass von Beihilferahmen – Verbindliche Wirkung – Gerichtliche Nachprüfung

(Artikel 6 EG und 87 EG)

8. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission – Neuer Gemeinschaftsrahmen – Sofortige Anwendung – Anwendung auf Beihilfevorhaben, die vor seiner Veröffentlichung angemeldet worden sind und noch geprüft werden

9. Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Umweltschutz – Gemeinschaftsrahmen – Förderfähigkeit einer Investition im Rahmen einer Umweltschutzbeihilfe – Kriterium – Zweck – Ökologische Verbesserung

Leitsätze

1. Die Kommission kann eine ihr mitgeteilte individuelle Beihilfe, die angeblich aufgrund einer zuvor genehmigten Regelung gewährt wurde, nicht ohne weiteres am EG-Vertrag messen. Sie hat – bevor sie ein Verfahren eröffnet – zu prüfen, ob die Beihilfe durch die allgemeine Regelung gedeckt ist und die in der Entscheidung über die Genehmigung dieser Regelung aufgestellten Bedingungen erfüllt. Würde die Kommission nicht so vorgehen, könnte sie bei der Prüfung jeder individuellen Beihilfe ihre Entscheidung über die Genehmigung der Beihilferegelung, der bereits eine Prüfung anhand des Artikels 87 EG vorausgehen musste, rückgängig machen und damit die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gefährden. Eine Beihilfe, die eine strikte und vorhersehbare Anwendung der Bedingungen darstellt, die in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung festgelegt sind, ist daher als bestehende Beihilfe anzusehen, die weder der Kommission mitzuteilen noch anhand des Artikels 87 EG zu prüfen ist.

(vgl. Randnr. 51)

2. Artikel 6 Absatz 6 der allgemeinen Entscheidung Nr. 2496/96 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie nennt eine Frist von zwei Monaten, nach deren Ablauf – falls kein förmliches Verfahren eröffnet worden ist – die geplanten Maßnahmen durchgeführt werden dürfen, wenn der Mitgliedstaat zuvor die Kommission von seiner diesbezüglichen Absicht unterrichtet hat. Diese Bestimmung setzt der Kommission keine bei Meidung der Nichtigkeit einzuhaltende Frist, sondern fordert sie gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung auf, mit der gebotenen Eile zu handeln, und ermöglicht es dem betreffenden Mitgliedstaat, die Beihilfemaßnahmen nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten durchzuführen, sofern er dies der Kommission zuvor mitgeteilt hat.

(vgl. Randnr. 62)

3. Wendet die Kommission bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt einen Gemeinschaftsrahmen an, der denjenigen ersetzt, der galt, als sich die Beteiligten nach Artikel 88 Absatz 2 EG äußerten, so muss sie diese, wenn sie ihre Entscheidung auf die neuen Grundsätze stützen will, auffordern, sich dazu zu äußern, da sie andernfalls deren Verfahrensrechte missachten würde.

(vgl. Randnr. 75)

4. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes besagt, dass die Kommission bei der Durchführung eines beihilferechtlichen Prüfverfahrens das berechtigte Vertrauen berücksichtigen muss, das die Ausführungen in der Entscheidung über die Eröffnung des Prüfverfahrens erwecken konnten, und folglich die abschließende Entscheidung nicht auf das Fehlen von Unterlagen stützen darf, deren Vorlage die Beteiligten in Anbetracht dieser Ausführungen nicht für erforderlich halten mussten.

(vgl. Randnr. 88)

5. Zwar muss die Kommission ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beihilfe klar zum Ausdruck bringen, wenn sie ein förmliches Verfahren eröffnet, um es dem Mitgliedstaat und den Beteiligten zu ermöglichen, sich umfassend dazu zu äußern, doch obliegt es dem Mitgliedstaat und dem potenziellen Beihilfeempfänger, ihre Argumente zum Beweis dafür vorzutragen, dass das Beihilfevorhaben den in Anwendung des EG-Vertrags vorgesehenen Ausnahmen entspricht, da das förmliche Verfahren gerade dazu dient, die Kommission über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten.

(vgl. Randnrn. 93-94)

6. Bei einer beabsichtigten Beihilfe für ein Stahlunternehmen, das sowohl Erzeugnisse herstellt, die unter den EGKS-Vertrag fallen, als auch solche, die unter den EG-Vertrag fallen, und insoweit keine getrennten Bücher führt, können der Kommission keine einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung darstellenden Verfahrensfehler zur Last gelegt werden, wenn sie die ihrer Entscheidung zugrunde zu legende Rechtsgrundlage ermittelt, weil die Zuordnung der zu fördernden Investition zum EGKS-Vertrag bzw. EG-Vertrag nicht von vornherein feststand, ihr das Vorhaben auf der Grundlage des einen und des anderen Vertrages zweimal notifiziert wurde und sie sich jedenfalls versichern musste, dass die Beihilfe nicht anderen Tätigkeiten zugute kommt als denen, für die sie gewährt worden ist.

(vgl. Randnrn. 99-101)

7. Die Vereinbarkeit eines umweltschutzbezogenen Beihilfevorhabens mit dem Gemeinsamen Markt ist nach Artikel 6 EG in Verbindung mit Artikel 87 EG und den Gemeinschaftsrahmen zu beurteilen, die die Kommission insoweit zuvor erlassen hat. Die Kommission ist nämlich durch die von ihr erlassenen Gemeinschaftsrahmen und Mitteilungen im Bereich der Kontrolle der staatlichen Beihilfen gebunden, soweit sie nicht von den Vorschriften des EG-Vertrags abweichen und soweit sie von den Mitgliedstaaten akzeptiert werden. Die Beteiligten können sich daher darauf berufen, und das Gericht prüft, ob die Kommission die von ihr selbst aufgestellten Regeln beachtet hat.

(vgl. Randnr. 134)

8. Ergibt sich aus einem neuen Gemeinschaftsbeihilferahmen, dass dieser ab seiner Veröffentlichung gilt und dass die Kommission die Vorschriften auf alle – auch vor der Veröffentlichung – angemeldeten Beihilfevorhaben anzuwenden hat, muss sie ihn bei ihrer Entscheidung über ein Beihilfevorhaben anwenden, das Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen förmlichen Prüfverfahrens ist. Diese unmittelbare Geltung geht auf die Bestimmungen des Artikels 254 Absatz 2 EG über das Inkrafttreten der Verordnungen und der Richtlinien des Rates und der Kommission zurück und wahrt den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der, wie der Grundsatz der Rechtssicherheit, eine bereits entstandene Lage betrifft, nicht aber eine vorläufige Lage, wie die, in der ein Mitgliedstaat eine beabsichtigte neue Beihilfe bei der Kommission angemeldet hat und auf das Ergebnis dieser Prüfung wartet.

(vgl. Randnrn. 137-139)

9. Die Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen über staatliche Umweltschutzbeihilfen hängt vom Zweck der Investition ab, für die eine Beihilfe beantragt wird. So erwähnt der Gemeinschaftsrahmen von 2001, der insoweit mit dem Gemeinschaftsrahmen von 1994 identisch ist, Investitionen, die auf die Verringerung oder die Beseitigung von Verschmutzung und Schadstoffen oder zum Schutz der Umwelt auf die Anpassung von Produktionsverfahren abzielen, wobei klargestellt wird, dass ausschließlich die zur Verwirklichung der Umweltschutzziele erforderlichen Investitionsmehrkosten beihilfefähig sind. Eine Investition, der auch wirtschaftliche Erwägungen zugrunde liegen, kann mit einer Umweltschutzbeihilfe gefördert werden, wenn diese Erwägungen allein nicht ausreichen, um die Investition in der gewählten Form zu rechtfertigen.

Aus der Systematik des Gemeinschaftsrahmens von 2001, der insofern dem Gemeinschaftsrahmen von 1994 entspricht, ergibt sich nämlich, dass nicht jede Investition, die eine Anlage an – verbindliche oder unverbindliche, nationale oder gemeinschaftliche – Normen anpasst, solche Normen überschreitet oder in Ermangelung jeglicher Normen durchgeführt wird, beihilfefähig ist, sondern nur die Investition, deren eigentlicher Zweck diese ökologische Verbesserung ist. Unbeachtlich ist folglich, dass die Investition aus Sicht des Umweltschutzes oder sogar der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer Verbesserungen mit sich bringt. Zwar kann ein Vorhaben gleichzeitig ein die Verbesserung der wirtschaftlichen Produktivität und ein den Schutz der Umwelt betreffendes Ziel verfolgen, aber dieses zweite Ziel kann nicht aus der bloßen Feststellung abgeleitet werden, dass die neue Anlage umweltfreundlicher ist als die alte, weil dies ein bloßer Nebeneffekt der wirtschaftlich ausgerichteten Änderung der Technologie oder der Erneuerung abgenutzter Anlagen sein kann. Um in einem solchen Fall ein teilweise umweltschutzbezogenes Ziel der geförderten Investition annehmen zu können, ist nachzuweisen, dass die gleiche wirtschaftliche Leistung mit einer preisgünstigeren, aber weniger umweltfreundlichen Anlage hätte erreicht werden können.

Es kommt daher nicht darauf an, ob die Investition zu ökologischen Verbesserungen führt oder bestehende Umweltnormen überschreitet, sondern in erster Linie darauf, ob sie im Hinblick auf solche Verbesserungen erfolgt ist.

(vgl. Randnrn. 147-152)