Rechtssache T-26/01

Fiocchi munizioni SpA

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Artikel 296 EG und 298 EG — Staatliche Beihilfe für ein Rüstungsgüterunternehmen — Beschwerde — Untätigkeitsklage — Unzulässigkeit“

Urteil des Gerichts (Dritte erweiterte Kammer) vom 30. September 2003   II-3953

Leitsätze des Urteils

  1. Allgemeine und Schlussbestimmungen – Befugnis der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Wahrung der nationalen Sicherheit zu ergreifen – Erzeugung von und Handel mit Waffen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Erzeugnisse, die nicht eigens für den militärischen Gebrauch bestimmt sind – In Artikel 298 EG vorgesehenes besonderes Verfahren – Zuständigkeit der Kommission – Grenzen

    (Artikel 86 Absatz 3 EG, 88 EG, 296 Absatz 1 Buchstabe b EG und 298 EG)

  2. Untätigkeitsklage – Beendigung der Untätigkeit vor Klageerhebung – Unzulässigkeit

    (Artikel 232 EG und 233 Absatz 1 EG)

  1.  Die Regelung des Artikels 296 Absatz 1 Buchstabe b EG soll die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen wahren, die die Landesverteidigung und die nationale Sicherheit berühren. Dieser Artikel hat unter den in ihm genannten Bedingungen für die Tätigkeiten, auf die er sich bezieht, eine allgemeine Tragweite, die alle allgemeinen Vorschriften des EGVertrags, insbesondere die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, berühren kann, und räumt den Mitgliedstaaten ein besonders weites Ermessen bei der Beurteilung der Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen ein. Die Maßnahmen, die sie ergreifen können, dürfen indessen auf dem Gemeinsamen Markt nicht die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der „nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren“ beeinträchtigen.

    Insoweit gelten die Wettbewerbsvorschriften nicht für eine staatliche Beihilfemaßnahme eines Mitgliedstaats zugunsten von Tätigkeiten der Herstellung von militärischen Waffen, die als solche vom Rat bezeichnet sind, oder zugunsten von Tätigkeiten des Handels damit, wenn er sie auf der Grundlage von Erwägungen ergreift, die mit dem Erfordernis der Wahrung der wesentlichen Interessen seiner nationalen Sicherheit zusammenhängen, so dass die Kommission nicht das Prüfverfahren des Artikels 88 EG einleiten kann. Wenn sie meint, dass die betreffende Maßnahme Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen könnte, nimmt sie gemeinsam mit dem betreffenden Mitgliedstaat eine bilaterale Prüfung der fraglichen Maßnahme vor; sie ist nicht befugt, an diesen eine abschließende Entscheidung oder Richtlinie zu richten, kann jedoch den Gerichtshof unmittelbar anrufen, wenn sie der Auffassung ist, dass die in Artikel 296 EG vorgesehene Befugnis missbraucht wurde.

    (vgl. Randnrn. 58-59, 63-64, 74)

  2.  Eine Untätigkeitsklage ist unzulässig, wenn die Kommission im Sinne des Artikels 232 EG Stellung genommen hatte, bevor die Klage erhoben wurde. Ein Urteil des Gerichts, mit dem in einem solchen Fall die Untätigkeit des beklagten Organs festgestellt würde, könnte nämlich nicht gemäß Artikel 233 Absatz 1 EG durchgeführt werden.

    (vgl. Randnr. 92)