Rechtssache C-465/01

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Republik Österreich

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Angehörige der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums – Angehörige von Drittstaaten, die mit der Gemeinschaft durch ein Abkommen verbunden sind – Passives Wahlrecht zu den Arbeiterkammern und zu Betriebsräten – Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“

Leitsätze des Urteils

1.        Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Ausübung gewerkschaftlicher Rechte – Nationale Rechtsvorschriften, die Arbeitnehmer, die einem anderen Mitgliedstaat der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums angehören, vom passiven Wahlrecht zu den Berufskammern ausschließen – Unzulässigkeit – Keine Rechtfertigung durch eine eventuelle Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse

(Artikel 39 EG; EWR-Abkommen, Artikel 28; Verordnung Nr. 1612/68 des Rates, Artikel 8)

2.        Völkerrechtliche Verträge – Assoziierungs- oder Kooperationsabkommen der Gemeinschaft – Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Ausübung gewerkschaftlicher Rechte – Nationale Rechtsvorschriften, die Arbeitnehmer, die einem Drittstaat angehören, der ein Abkommen mit der Gemeinschaft geschlossen hat, vom passiven Wahlrecht zu den Berufskammern und zu den Betriebsräten ausschließen – Unzulässigkeit

1.        Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 39 EG, aus Artikel 8 der Verordnung Nr. 1612/68 in der Fassung der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der Fassung der Verordnung Nr. 2434/92 und aus Artikel 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wenn er Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vom passiven Wahlrecht zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer wie den Berufskammern ausschließt.

Eine solche Regelung verstößt nämlich gegen das fundamentale Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, auf dem die genannten Bestimmungen gründen.

Diese Regelung kann weder durch die Rechtsnatur der fraglichen Einrichtungen nach nationalem Recht noch durch den Umstand gerechtfertigt werden, dass einige ihrer Funktionen mit einer Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sein könnten.

(vgl. Randnrn. 30, 33, 40, 56 und Tenor)

2.        Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den von der Gemeinschaft mit bestimmten Drittstaaten geschlossenen Abkommen, die zugunsten der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorsehen, wenn er diese Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer wie den Berufskammern und den Betriebsräten ausschließt.

Das in den in Rede stehenden Abkommen enthaltene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bedingt nämlich, dass für alle Arbeitnehmer, gleich ob Inländer oder Angehörige eines der betreffenden Drittstaaten, gleiche Arbeitsbedingungen gelten und dass sie u. a. in gleicher Weise an den Wahlen zu diesen Einrichtungen teilnehmen können. Eine Ungleichbehandlung je nach Staatsangehörigkeit verstößt gegen diesen fundamentalen Grundsatz.

(vgl. Randnrn. 48-49, 56 und Tenor)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
16. September 2004(1)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Angehörige der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums – Angehörige von Drittstaaten, die mit der Gemeinschaft durch ein Abkommen verbunden sind – Passives Wahlrecht zu den Arbeiterkammern und zu Betriebsräten – Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“

In der Rechtssache C-465/01betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,eingereicht am 4. Dezember 2001,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

Republik Österreich, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer),



unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters R. Schintgen (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kuris und G. Arestis,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung und ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes



Urteil



1
Mit ihrer Klage begehrt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus

a)
Artikel 39 EG, Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) und Artikel 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3 und S. 572, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, indem sie die Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vom passiven Wahlrecht zu den Arbeiterkammern ausgeschlossen hat;

b)
den von der Gemeinschaft mit bestimmten Drittstaaten geschlossenen Abkommen verstoßen hat, die zugunsten der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer aus diesen Staaten ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorsehen, indem sie diese Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht zu den Betriebsräten und den Vollversammlungen der Arbeiterkammern ausgeschlossen hat.


Rechtlicher Rahmen

Maßgebliche Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts

2
Artikel 39 EG bestimmt:

„(1)   Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2)     Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(4)     Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.“

3
Die erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1612/68 lautet wie folgt:

„Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer muss innerhalb der Gemeinschaft spätestens am Ende der Übergangszeit gewährleistet sein; dies schließt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ein sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen.“

4
Die Artikel 7 und 8 der Verordnung Nr. 1612/68 stehen in deren Erstem Teil „Die Beschäftigung und die Familienangehörigen der Arbeitnehmer“ unter Titel II „Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung“.

5
Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 sieht vor:

„(1)   Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2)     Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

(4)     Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.“

6
Artikel 8 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt:

„Ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, hat Anspruch auf gleiche Behandlung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Gewerkschaften und der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte, einschließlich des Wahlrechts sowie des Zugangs zur Verwaltung oder Leitung von Gewerkschaften; er kann von der Teilnahme an der Verwaltung von Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Ausübung eines öffentlich-rechtlichen Amtes ausgeschlossen werden. Er hat ferner das Recht auf Wählbarkeit zu den Organen der Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben.

Diese Bestimmungen berühren nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, durch die in einigen Mitgliedstaaten weitergehende Rechte an Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten eingeräumt werden.“

7
Artikel 28 des EWR-Abkommens sieht vor:

„(1)   Zwischen den EG-Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hergestellt.

(2)     Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(4)     Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung im öffentlichen Dienst.

…“

8
Die Gemeinschaft hat eine Reihe von Abkommen mit Drittstaaten geschlossen – u. a. das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei, die Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation mit den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie die Kooperations- und Assoziierungsabkommen mit den Maghreb-Staaten –, nach denen zugunsten von Arbeitnehmern aus den betreffenden Drittstaaten, die rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind, ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen gilt.

Nationale Regelung

9
Nach § 1 des österreichischen Arbeiterkammergesetzes (BGBl 1991/626 in der Fassung BGBl I 1998/166, im Folgenden: AKG) sind die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (im Folgenden: Arbeiterkammern) berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern.

10
Diese Kammern sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts, bei denen grundsätzlich alle Arbeitnehmer beitragspflichtige Mitglieder sind, und haben auch konsultative Funktion im Bereich der Gesetzgebung.

11
Zu den Organen der Arbeiterkammern zählt u. a. die Vollversammlung (§ 46 AKG). Diese wird – für eine Funktionsperiode von fünf Jahren (§ 18 Absatz 1 AKG) – von den wahlberechtigten Arbeitnehmern durch gleiche, unmittelbare und geheime Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt (§ 19 AKG). Nach § 20 Absatz 1 AKG sind dabei alle am Stichtag kammerzugehörigen Arbeitnehmer wahlberechtigt.

12
Zur Wählbarkeit bestimmt § 21 AKG:

„Wählbar in eine Arbeiterkammer sind alle kammerzugehörigen Arbeitnehmer, die am Stichtag

1.
das 19. Lebensjahr vollendet haben und

2.
in den letzten fünf Jahren insgesamt mindestens zwei Jahre in Österreich in einem die Kammerzugehörigkeit begründenden Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis standen und

3.
abgesehen vom Erfordernis des Wahlalters von der Wählbarkeit in den Nationalrat nicht ausgeschlossen sind.“

13
Artikel 26 Absatz 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes bestimmt:

„Wählbar sind alle Männer und Frauen, die am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben.“

14
Die Betriebsräte, die in österreichischen Unternehmen einer bestimmten Größe einzurichten sind, haben die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer des betreffenden Betriebs zu vertreten und insbesondere darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten ergangenen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

15
§ 53 Absatz 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes (BGBl 1974/22 in der Fassung BGBl 1993/460), der die Voraussetzungen der Wählbarkeit zu den Betriebsräten festlegt, hat folgenden Wortlaut:

„Wählbar sind alle Arbeitnehmer, die

1.
a) österreichische Staatsbürger sind oder

b)
Angehörige von Staaten sind, die Vertragsparteien des EWR-Abkommens sind, und

2.
am Tag der Ausschreibung der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben und

3.
seit mindestens sechs Monaten im Rahmen des Betriebes oder des Unternehmens, dem der Betrieb angehört, beschäftigt sind und

4.
abgesehen vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht zum Nationalrat nicht ausgeschlossen sind …“


Vorverfahren

16
Da die Kommission der Auffassung war, die österreichische Regelung sei insofern mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar, als sie zum einen nur österreichischen Staatsangehörigen das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern gewähre und zum anderen Arbeitnehmern, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigt seien und deren Herkunftsstaat mit der Gemeinschaft ein Abkommen geschlossen habe, nach dem sie Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen hätten, das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern und zum Betriebsrat vorenthalte, forderte sie die österreichische Regierung mit Schreiben vom 9. Juli 1999 auf, sich innerhalb von zwei Monaten zu äußern.

17
Am 6. September 1999 räumte die österreichische Regierung ein, dass ihre Regelung nicht mit ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen vereinbar sei, soweit sie Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) betreffe, gab jedoch zu bedenken, dass die in Rede stehende nationale Regelung aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts ohne Wirkung sei. Dennoch seien die erforderlichen Änderungen in Vorbereitung, um das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern auf alle diese Arbeitnehmer ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit auszudehnen. Hingegen bestritt die österreichische Regierung die Auffassung der Kommission zu den Arbeitnehmern, denen ein Abkommen mit einem Drittstaat, aus dem sie stammten, Gleichbehandlung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen garantiere, sofern sie in einem Mitgliedstaat rechtmäßig abhängig beschäftigt seien.

18
Nachdem die österreichische Regelung nicht geändert worden war, richtete die Kommission am 29. Dezember 2000 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Österreich und forderte sie auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihren Verpflichtungen aus Artikel 39 EG, Artikel 8 der Verordnung Nr. 1612/68 und Artikel 28 des EWR-Abkommens sowie aus den oben genannten bilateralen Abkommen der Gemeinschaft innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Stellungnahme nachzukommen.

19
Da die Antwort der österreichischen Regierung auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme in zwei Schreiben vom 27. Februar und 12. April 2001 keine neuen Gesichtspunkte enthielt, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.


Entscheidungsgründe

20
Zur Begründung ihrer Klage bringt die Kommission zwei Klagegründe vor. Mit dem ersten rügt sie, dass den Arbeitnehmern, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten der Union oder des EWR seien, das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern vorenthalten werde. Der zweiten betrifft den Umstand, dass Arbeitnehmer aus Drittstaaten, die in Österreich rechtmäßig beschäftigt sind und zu deren Gunsten ein von der Gemeinschaft mit ihrem Herkunftsstaat geschlossenes Abkommen ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorsieht, vom passiven Wahlrecht zur Vollversammlung der Arbeiterkammern und zum Betriebsrat ausgeschlossen werden.

21
Die Stichhaltigkeit dieser beiden Klagegründe ist nacheinander zu prüfen.

Zum ersten Klagegrund

Parteivorbringen

22
Der Kommission zufolge ist das von der österreichischen Regelung vorgesehene Erfordernis der österreichischen Staatsangehörigkeit für das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern mit Artikel 39 EG und Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof sowie mit Artikel 28 des EWR-Abkommens, der ähnliche Bestimmungen enthalte, offensichtlich nicht vereinbar.

23
Aus den Urteilen vom 4. Juli 1991 in der Rechtssache C‑213/90 (ASTI, Slg. 1991, I‑3507, im folgenden: ASTI I) und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C‑118/92 (Kommission/Luxemburg, Slg. 1994, I‑1891, im folgenden: ASTI II) ergebe sich nämlich, dass eine nationale Regelung, die den Arbeitnehmern, die Angehörige eines anderen Mitgliedstaats seien, das passive Wahlrecht zu Einrichtungen wie Berufskammern verweigere, denen sie kraft Rechtsvorschrift zugehörten, an die sie Beiträge zu entrichten hätten, die mit der Verteidigung und Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer betraut seien und die eine beratende Funktion im Bereich der Gesetzgebung ausübten, gegen das in Artikel 39 EG und Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 niedergelegte fundamentale Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verstoße. Der gleiche Schluss müsse für Artikel 28 des EWR-Abkommens gelten, dessen einschlägige Bestimmungen in ihrem Wortlaut mit Artikel 39 EG übereinstimmten.

24
Die österreichische Regierung beantragt die Zurückweisung dieses Klagegrundes. Sie macht geltend, die Arbeiterkammern seien Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die in bedeutender Weise an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse beteiligt seien; dies rechtfertige den Ausschluss aller ausländischen Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht zu solchen Einrichtungen.

Würdigung durch den Gerichtshof

25
Im Hinblick auf die Entscheidung über die Stichhaltigkeit dieses Klagegrundes ist vorab daran zu erinnern, dass Artikel 39 Absatz 2 EG, der im Übrigen nur eine spezifische Ausprägung des in Artikel 12 Absatz 1 EG verankerten fundamentalen Verbotes der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen verbietet.

26
Dieser Grundsatz wird in verschiedenen Einzelbestimmungen der Verordnung Nr. 1612/68, u. a. in den Artikeln 7 und 8, wiederholt.

27
Insbesondere bestimmt Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68, dass ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, Anspruch auf gleiche Behandlung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Gewerkschaften und der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte und das Recht auf Wählbarkeit zu den Organen der Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben hat.

28
In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof in den Urteilen ASTI I und ASTI II bereits entschieden, dass diese Bestimmung für das aktive und passive Wahlrecht zu Einrichtungen wie Berufskammern gilt, denen die Arbeitnehmer kraft Rechtsvorschrift zugehören, an die sie Beiträge zu entrichten haben, die mit der Verteidigung und Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer betraut sind und die eine beratende Funktion im Bereich der Gesetzgebung ausüben.

29
Was das EWR-Abkommen betrifft, so stimmt er im Wortlaut seines Artikels 28 Absatz 2 mit Artikel 39 Absatz 2 EG weitestgehend überein.

30
In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Artikel 39 Absatz 2 EG, Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 und Artikel 28 Absatz 2 des EWR-Abkommens, dass Arbeitnehmer, die Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft oder des Europäischen Freihandelsabkommens (im Folgenden: EFTA) sind und die in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sind, in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und insbesondere die gewerkschaftlichen Rechte einschließlich des passiven Wahlrechts zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer wie den Arbeiterkammern in Österreich in gleicher Weise wie Angehörige des Aufnahmestaats zu behandeln sind.

31
Es steht jedoch fest, dass die nationale Regelung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, das passive Wahlrecht zu den genannten Arbeiterkammern von der österreichischen Staatsangehörigkeit abhängig macht, was die Regierung dieses Mitgliedstaats auch nicht bestreitet.

32
Eine solche Voraussetzung, die nur österreichische Arbeitnehmer erfüllen, stellt somit gegenüber ausländischen Arbeitnehmern eine unmittelbare Diskriminierung dar.

33
Folglich verstößt die Regelung der Republik Österreich, die den Arbeitnehmern, die Angehörige eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines EFTA-Staats sind, das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern allein aus dem Grund verweigert, dass die Betroffenen nicht die österreichische Staatsangehörigkeit haben, gegen das fundamentale Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, auf dem die genannten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts gründen.

34
Diese Feststellung wird durch das Vorbringen der österreichischen Regierung, dass die Arbeiterkammern in Österreich öffentliche Einrichtungen darstellten, die an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse beteiligt seien, nicht in Frage gestellt.

35
Aus den Urteilen ASTI I und ASTI II ergibt sich nämlich, dass eine nationale Regelung, die den Arbeitnehmern, die Angehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, das aktive und/oder das passive Wahlrecht zu Einrichtungen wie Berufskammern verweigert, denen sie kraft Rechtsvorschrift zugehören, an die sie Beiträge zu entrichten haben und die mit der Verteidigung und Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer betraut sind, auch dann gegen das fundamentale Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verstößt, wenn diese Kammern nach nationalem Recht Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und eine beratende Funktion im Bereich der Gesetzgebung ausüben.

36
Die österreichische Regierung hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, die den Schluss zuließen, dass die Arbeiterkammern in Österreich andere Eigenschaften aufwiesen als die luxemburgischen Berufskammern, die in den den genannten Urteilen zugrunde liegenden Rechtssachen in Rede standen.

37
Wie der Gerichtshof im Übrigen zu eben den Arbeiterkammern in Österreich bereits entschieden hat, ist das Erfordernis der Staatsangehörigkeit, an das die österreichische Regelung das passive Wahlrecht zu diesen Kammern knüpft, unvereinbar mit dem Grundsatz des Ausschlusses jeder Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, wie er enthalten ist in Artikel 10 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80), der durch den Assoziationsrat gefasst wurde, der durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen EWG–Türkei) errichtet wurde, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde (Urteil vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C‑171/01, Wählergruppe Gemeinsam, Slg. 2003, I‑4301).

38
Artikel 10 des Beschlusses Nr. 1/80 stimmt in seinem Wortlaut weitestgehend mit Artikel 39 Absatz 2 EG und Artikel 28 Absatz 2 des EWR-Abkommens überein.

39
Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nichtanwendung der Regeln des Artikels 39 EG auf Tätigkeiten, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sind, jedenfalls eine Ausnahme von einer Grundfreiheit darstellt und daher so ausgelegt werden muss, dass sich ihre Tragweite auf das Maß dessen beschränkt, was zur Wahrung der Interessen unbedingt notwendig ist, die die Mitgliedstaaten schützen dürfen. Die Ausnahmebestimmung kann es daher nicht rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat jede Mitwirkung an einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung wie den österreichischen Arbeiterkammern allgemein einem Staatsangehörigkeitserfordernis unterwirft. Sie erlaubt es lediglich, gegebenenfalls ausländische Arbeitnehmer von bestimmten Tätigkeiten der fraglichen Einrichtung auszuschließen, die als solche tatsächlich eine unmittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse mit sich bringen (vgl. u. a. Urteil ASTI I, Randnr. 19, und Urteil Wählergruppe Gemeinsam, Randnr. 92).

40
In Randnummer 93 des Urteils Wählergruppe Gemeinsam, in der er auf Randnummer 20 des Urteils ASTI I Bezug nahm, hat der Gerichtshof hieraus gefolgert, dass bei ausländischen Arbeitnehmern, denen ein Anspruch auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeitsbedingungen zusteht, der Ausschluss vom passiven Wahlrecht zu einer Einrichtung zur Vertretung und Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer wie der österreichischen Arbeiterkammern weder durch die Rechtsnatur der fraglichen Einrichtung nach nationalem Recht noch durch den Umstand gerechtfertigt werden kann, dass einige Funktionen dieser Einrichtung mit einer Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sein könnten.

41
Aus diesen Gründen ist der erste Klagegrund der Kommission stichhaltig.

Zum zweiten Klagegrund

Parteivorbringen

42
Zu dem Umstand, dass Arbeitnehmer aus Drittstaaten, mit denen die Gemeinschaft ein Abkommen geschlossen hat, das diesen Arbeitnehmern Anspruch auf Gleichbehandlung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen garantiert, vom passiven Wahlrecht zu Betriebsräten und zu den Arbeiterkammern ausgeschlossen werden, vertritt die Kommission die Auffassung, dass es keinen Grund gebe, den Begriff „Arbeitsbedingungen“ enger auszulegen als im Rahmen des EG-Vertrags. Selbst wenn die durch den Vertrag gewährleistete Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den betreffenden Drittstaaten nicht gelte, dürfe die Rechtslage derjenigen unter ihnen, die in einem Mitgliedstaat eine rechtmäßige Beschäftigung ausübten, nicht schlechter sein als die ihrer gemeinschaftsangehörigen Kollegen. Eben dies sei Zweck der Klausel über das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in den Abkommen, auf die sich die vorliegenden Klage beziehe.

43
Die österreichische Regierung erwidert, der Begriff der „Arbeitsbedingungen“ im Sinne der von der Kommission angeführten Abkommen umfasse nicht das Recht für die Arbeitnehmer aus den betreffenden Drittstaaten, an Wahlen zu Organen der gesetzlichen Vertretung der Arbeitnehmerinteressen wie Arbeiterkammern und Betriebsräten teilzunehmen. Dieser Begriff habe nämlich eine engere Bedeutung als der gleiche Begriff in Artikel 39 EG, zum einen weil die letztgenannte Bestimmung durch die Verordnung Nr. 1612/68 konkretisiert worden sei, die sich in Artikel 8 Absatz 1 ausdrücklich auf gewerkschaftliche und diesen gleichgestellte Rechte beziehe, während es im Rahmen der in Rede stehenden internationalen Abkommen gerade an einer solchen Konkretisierung fehle, und zum anderen weil diese Abkommen insofern weniger ehrgeizige Ziele verfolgten als der Vertrag, als sie keine Freizügigkeit der Arbeitnehmer vorsähen. Daher sei der zweite Klagegrund der Kommission nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

44
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Artikel 37 Absatz 1 erster Gedankenstrich des durch den Beschluss 93/743/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 (ABl. L 348, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossenen und genehmigten Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits den Arbeitnehmern, die die polnische Staatsangehörigkeit besitzen und rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind, ein Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen gewährt, das den gleichen Umfang wie das den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG) in ähnlichen Worten zuerkannte Recht hat (Urteil vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache C‑162/00, Pokrzeptowicz-Meyer, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 41).

45
Desgleichen hat der Gerichtshof im Rahmen des Assoziierungsabkommens EWG–Türkei entschieden, dass Artikel 10 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80, der in seinem Wortlaut weitestgehend mit Artikel 39 Absatz 2 EG übereinstimmt, jedem Mitgliedstaat in Bezug auf die Arbeitsbedingungen der türkischen Arbeitnehmer, die seinem regulären Arbeitsmarkt angehören, die gleichen Verpflichtungen auferlegt, wie sie gegenüber den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten bestehen (Urteil Wählergruppe Gemeinsam, Randnr. 77).

46
Wie bereits in Randnummer 37 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, behandelt das Urteil Wählergruppe Gemeinsam eben das Erfordernis der Staatsangehörigkeit, an das die österreichische Regelung das passive Wahlrecht zu den Arbeiterkammern in Österreich knüpft.

47
Wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, besteht kein Grund, den in den Abkommen zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten enthaltenen Grundsatz des Ausschlusses jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Bereich der Arbeitsbedingungen – der im Übrigen bereits im Rahmen der Abkommen mit Polen und der Türkei analog angewendet worden ist (vgl. die Randnummern 44 bis 46 des vorliegenden Urteils) – anders auszulegen als im Rahmen des Vertrages.

48
Wie oben im Rahmen des ersten Klagegrundes in Bezug auf die Europäische Union und den EWR ist somit aus denselben Gründen festzustellen, dass es gegen den genannten Grundsatz verstößt, wenn auf Staatsangehörige, zu deren Gunsten eine gleichartige Klausel in einem Abkommen enthalten ist und die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig eine Beschäftigung ausüben, eine Regelung wie die in Österreich geltende angewendet wird, die ihnen das passive Wahlrecht zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen wie Arbeiterkammern und Betriebsräten allein deshalb vorenthält, weil sie ausländische Staatsangehörige sind.

49
Das in den in Rede stehenden Abkommen enthaltene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bedingt, dass für alle Arbeitnehmer, gleich ob Inländer oder Angehörige eines der betreffenden Drittstaaten, gleiche Arbeitsbedingungen gelten und dass sie u. a. in gleicher Weise an den Wahlen zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung der Interessen der abhängig Beschäftigten teilnehmen können. Eine Ungleichbehandlung je nach Staatsangehörigkeit verstößt gegen diesen fundamentalen Grundsatz.

50
Die Argumente der österreichischen Regierung für die gegenteilige Ansicht vermögen nicht zu überzeugen.

51
Aus den Gründen, die in den Randnummern 81 bis 86 des Urteils Wählergruppe Gemeinsam näher ausgeführt worden sind, bedeutet zum einen der Umstand, dass der in Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG) verwendete Begriff „sonstige Arbeitsbedingungen“ durch die Verordnung Nr. 1612/68, insbesondere deren Artikel 8 Absatz 1, der spezifisch gewerkschaftliche und vergleichbare Rechte betrifft, konkretisiert worden ist, während eine solche Konkretisierung im Rahmen der in Rede stehenden internationalen Abkommen fehlt, keineswegs, dass dieser Begriff eine engere Bedeutung als der in Artikel 39 Absatz 2 EG verwendete hätte und deshalb nicht das Recht der Arbeitnehmer aus den betreffenden Drittstaaten umfasste, zu gleichen Bedingungen wie Inländer an Wahlen zu Einrichtungen zur Vertretung und Verteidigung von Arbeitnehmerinteressen teilzunehmen.

52
Zum anderen ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des in verschiedenen Abkommen der Gemeinschaft mit Drittländern enthaltenen Diskriminierungsverbots im Bereich der Arbeitsbedingungen, der im Wesentlichen mit dem des Artikels 39 Absatz 2 EG übereinstimmt, sondern auch aus einem Vergleich des Zusammenhangs und der Ziele dieser Abkommen mit denjenigen des EG-Vertrags, dass kein Grund besteht, dieser Regel eine andere Tragweite beizumessen als sie der Gerichtshof in den Urteilen ASTI I und ASTI II Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG) beigelegt hat (vgl. entsprechend Urteil Wählergruppe Gemeinsam, Randnrn. 88 und 89).

53
Diese Auslegung ist im Übrigen die einzige, die dem Zweck und der Systematik der betreffenden Abkommen entspricht, denn die Tatsache, dass den in einem Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigten Arbeitnehmern aus Drittstaaten, mit denen solche Abkommen geschlossen wurden, dieselben Arbeitsbedingungen gewährt werden wie den Arbeitnehmern, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, stellt einen wichtigen Faktor beim Aufbau eines geeigneten Rahmens für die schrittweise Integration dieser Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat dar (vgl. entsprechend Urteile Pokrzeptowicz-Meyer, Randnr. 42, und Wählergruppe Gemeinsam, Randnr. 79).

54
In Anbetracht dieser Ausführungen ist auch der zweite Klagegrund der Kommission stichhaltig.

55
Folglich ist die Klage der Kommission insgesamt begründet.

56
Somit ist festzustellen, dass

die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG, Artikel 8 der Verordnung Nr. 1612/68 und Artikel 28 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass sie die Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des EWR vom passiven Wahlrecht zu den Arbeiterkammern ausgeschlossen hat;

die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den von der Gemeinschaft mit bestimmten Drittstaaten geschlossenen Abkommen verstoßen hat, die zugunsten der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer aus diesen Staaten ein Verbot der Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorsehen, dass sie diese Arbeitnehmer vom passiven Wahlrecht zu den Betriebsräten und den Vollversammlungen der Kammern für Arbeiter und Angestellte ausgeschlossen hat.


Kosten

57
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. a)
Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 EG, Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 und Artikel 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen, dass sie die Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des EWR vom passiven Wahlrecht zu den Kammern für Arbeiter und Angestellte ausgeschlossen hat.

2.       Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.

Unterschriften.


1
Verfahrenssprache: Deutsch.