Schlüsselwörter
Leitsätze

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1. Beamte - Abordnung im dienstlichen Interesse - Möglichkeit für die Anstellungsbehörde, die Abordnung vorzeitig zu beenden - Bestehen - Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 38 Buchstabe b)

2. Beamte - Abordnung im dienstlichen Interesse - Antrag der Dienststelle, zu der der Beamte abgeordnet ist, die Abordnung vorzeitig zu beenden - Ermessensspielraum der Anstellungsbehörde - Umfang

(Beamtenstatut, Artikel 38)

3. Beamte - Abordnung im dienstlichen Interesse - Entscheidung, mit der die Abordnung vorzeitig beendet wird - Wahrung der Verteidigungsrechte - Verpflichtung zur vorherigen Anhörung des Betroffenen auch ohne ausdrückliche Vorschrift - Grenzen

(Beamtenstatut, Artikel 38)

4. Beamte - Beschwerende Verfügung - Verpflichtung zur Anhörung des Betroffenen vor Erlass der Entscheidung - Nichtbeachtung - Unregelmäßigkeit, die sich auf den Inhalt der Entscheidung in besonderer Weise auswirkt - Verletzung der Verteidigungsrechte - Gerichtliche Nachprüfung - Umfang

5. Beamte - Klage - Schadensersatzklage, die ohne Durchführung eines Vorverfahrens nach dem Statut erhoben wurde - Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

Leitsätze

1. Die Artikel 37 und 38 des Statuts sehen nicht ausdrücklich die Möglichkeit für die Anstellungsbehörde vor, die im dienstlichen Interesse erfolgte Abordnung vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Dauer zu beenden. Bei der Auslegung von Artikel 38 Buchstabe b des Statuts, wonach die Dauer der Abordnung durch die Anstellungsbehörde bestimmt wird, ist jedoch zu berücksichtigen, dass das dienstliche Interesse" zum Wesen selbst der Abordnung nach Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts gehört und daher eine wesentliche Bedingung für ihre Fortdauer darstellt. Die Anstellungsbehörde kann daher die ursprünglich vorgesehene Dauer der Abordnung jederzeit ändern und die Abordnung vor Ablauf dieser Dauer beenden, wenn sich dies als unverzichtbar erweist, damit die Abordnung weiterhin dem dienstlichen Interesse entspricht.

Diese Auslegung ist geboten, um die praktische Wirksamkeit von Artikel 38 Buchstabe b des Statuts zu wahren. Ist eine Abordnung mit dem dienstlichen Interesse nicht mehr vereinbar, insbesondere weil das Vertrauensverhältnis zwischen dem abgeordneten Beamten und der Dienststelle oder der Person, zu der er abgeordnet worden ist, erschüttert ist, so würde nämlich die Effizienz dieser Dienststelle oder Person und allgemeiner der Gemeinschaftsverwaltung beeinträchtigt, wenn es der Anstellungsbehörde nicht möglich wäre, die Abordnung vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Dauer zu beenden.

( vgl. Randnrn. 48-51 )

2. Der Antrag der Dienststelle oder Person, zu der ein Beamter abgeordnet ist, im dienstlichen Interesse seine Abordnung vorzeitig zu beenden, ist zwar entscheidend, er bedeutet jedoch nicht, dass die Anstellungsbehörde insoweit über keinen Ermessensspielraum verfügt und dem Antrag entsprechen muss. Die Anstellungsbehörde muss nämlich, wenn sie einen solchen Antrag erhält, zumindest neutral und objektiv überprüfen, ob die Mindestvoraussetzungen für den Erlass dieser Entscheidung erfuellt sind, d. h. ob der bei ihr eingereichte Antrag zweifelsfrei eine wirksame Willenserklärung der Dienststelle oder Person, zu der der Beamte abgeordnet ist, darstellt und nicht auf offensichtlich unzulässigen Gründen beruht.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass der Antrag von einer Fraktion des Europäischen Parlaments gestellt wurde und darauf gerichtet ist, die Abordnung eines Beamten auf den Posten des Generalsekretärs dieser Fraktion zu beenden.

( vgl. Randnrn. 81-82 )

3. Das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung im Statut, wonach der im dienstlichen Interesse abgeordnete Beamte vor Erlass einer Entscheidung, mit der diese Abordnung vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Dauer beendet wird, anzuhören wäre, schließt eine solche Verpflichtung der Anstellungsbehörde nicht aus.

Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte in allen gegen eine Person eingeleiteten Verfahren, die zum Erlass einer diese Person beschwerenden Maßnahme führen können, stellt nämlich einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch dann beachtet werden muss, wenn in der für das fragliche Verfahren geltenden Regelung eine ausdrückliche entsprechende Bestimmung fehlt.

Die Tatsache, dass Artikel 90 des Statuts ein Beschwerdeverfahren vorsieht, reicht für sich genommen nicht aus, um eine Verpflichtung der Anstellungsbehörde, den betroffenen Beamten vor Erlass der ihn beschwerenden Entscheidung anzuhören, auszuschließen. Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verlangt nämlich zwingend, dass der Betroffene vor Erlass der ihn beschwerenden Entscheidung angehört wird. Nur unter besonderen Umständen, unter denen sich die Durchführung einer Anhörung des Betroffenen vor Erlass der angefochtenen Entscheidung als praktisch unmöglich oder mit dem dienstlichen Interesse unvereinbar erweist, kann den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ergeben, durch eine möglichst kurzfristig nach Erlass der angefochtenen Entscheidung anberaumte Anhörung genügt werden.

( vgl. Randnrn. 86, 90, 94-95 )

4. Der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ist bereits dann verletzt, wenn feststeht, dass der Betroffene vor Erlass der ihn beschwerenden Maßnahme nicht sachdienlich angehört worden ist und nicht vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass sich diese Unregelmäßigkeit auf den Inhalt dieser Maßnahme in besonderer Weise auswirken konnte. Die Möglichkeit, dass sich eine vorherige Anhörung auf den Inhalt einer beschwerenden Maßnahme in besonderer Weise ausgewirkt hätte, kann nur dann vernünftigerweise ausgeschlossen werden, wenn feststeht, dass der Urheber der Maßnahme keinen Ermessensspielraum besitzt und handeln muss, wie er es getan hat.

Es ist nicht Aufgabe des Gemeinschaftsrichters, zu prüfen, ob Umstände vorlagen, die sich auf den Inhalt der beschwerenden Maßnahme in besonderer Weise hätten auswirken können, da eine solche Prüfung notwendigerweise bedeuten würde, dass er sich an die Stelle der Verwaltungsbehörde setzen und dem Ergebnis vorgreifen würde, zu dem diese gelangen würde, wenn sie den Betroffenen vor dem eventuellen Erlass dieser Maßnahme anhören würde; dies ist abzulehnen.

( vgl. Randnrn. 112-113, 115 )

5. In dem durch die Artikel 90 und 91 des Statuts geschaffenen Rechtsbehelfssystem ist die Schadensersatzklage, die eine von der Anfechtungsklage unabhängige Klageart darstellt, nur zulässig, wenn ihr ein den Statutsbestimmungen entsprechendes Vorverfahren vorausgegangen ist. Dieses Verfahren ist unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, auf einer beschwerenden Maßnahme im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts oder auf einem Verhalten der Verwaltung ohne Entscheidungscharakter beruht. Im ersten Fall muss sich der Betroffene fristgemäß mit einer Beschwerde gegen die betreffende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden. Im zweiten Fall muss dagegen das Verwaltungsverfahren mit der Einreichung eines Antrags im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts auf Schadensersatz beginnen und gegebenenfalls durch eine Beschwerde gegen die Ablehnung dieses Antrags fortgesetzt werden.

( vgl. Randnr. 131 )