Rechtssache T-44/00

Mannesmannröhren-Werke AG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb — Kartelle — Märkte für nahtlose Stahlrohre — Dauer der Zuwiderhandlung — Geldbußen“

Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004   II-2233

Leitsätze des Urteils

  1. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Nachweis der Zuwiderhandlung – Vorlage eines Schriftstücks durch die Kommission ohne Offenbarung seiner Quelle – Zulässigkeit

  2. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Abweichung der Entscheidung von der Mitteilung der Beschwerdepunkte – Verletzung der Verteidigungsrechte – Voraussetzung – Fehlende Möglichkeit des Unternehmens, sich gegen einen letztlich erhobenen Vorwurf zu verteidigen

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 19 Absatz 1)

  3. Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Feststellung ausreichend

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

  4. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG festgestellt wird – Keine Verpflichtung zur Abgrenzung des Marktes, wenn eine Marktaufteilungsabsprache in Frage steht

    (Artikel 81 EG)

  5. Wettbewerb – Kartelle – Verhaltensweisen, die als Bestandteile einer einzigen wettbewerbswidrigen Vereinbarung anzusehen sind – Voraussetzungen – Gesamtplan, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird – Unternehmen, denen die Beteiligung an einer einzigen Vereinbarung angelastet werden kann – Voraussetzungen

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

  6. Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Unterscheidung zwischen Klagegründen, die zwingendes Recht betreffen, und anderen, die materielle Rechtmäßigkeit betreffenden Klagegründen – Unzureichende Begründung – Klagegrund, der in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann

  7. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Bindungswirkung für die Kommission

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

  8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Ermessensspielraum der Kommission – Möglichkeit der Anhebung des Niveaus der Geldbußen, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15)

  9. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

  10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Kein Erfordernis, zwischen Unternehmen, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt sind, nach ihrem Gesamtumsatz zu differenzieren

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 1 Buchstabe A Absatz 6)

  11. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Juristische Person, die das Unternehmen in der Zeit der Zuwiderhandlung leitete – Haftung einer anderen Person, die die Leitung übernommen hat – Zulässigkeit – Rechtsfolgen bei Beteiligung auch des Übernehmers an der Zuwiderhandlung

    (Artikel 81 Absatz 1 EG)

  12. Verfahren – Beweis – Beweislast – Übergang vom Kläger auf den Beklagten unter besonderen Umständen – Unvermögen der Kommission, das Außerkrafttreten eines von ihr selbst geschlossenen Abkommens mit einem Drittstaat zu datieren

  13. Verfahren – Verbundene Rechtssachen – Verwertung von Beweismitteln, die in den Akten paralleler Rechtssachen enthalten sind

  14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Beurteilung – Kein Erfordernis, jeden dieser Umstände gesondert zu berücksichtigen – Gesamtbeurteilung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 3)

  15. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Verhalten, das vom vereinbarten Verhalten abweicht – Beurteilung

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 3 zweiter Gedankenstrich)

  16. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Beendigung der Zuwiderhandlung nach Eingreifen der Kommission – Erfordernis eines Kausalzusammenhangs

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 3)

  17. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße wegen der Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

  18. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße wegen der Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Herabsetzung weil der Sachverhalt nicht bestritten wurde – Voraussetzungen

    (Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission, Abschnitt D Nummer 2)

  1.  Im Gemeinschaftsrecht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ist ihre Glaubhaftigkeit. Im Übrigen kann es für die Kommission erforderlich sein, die Anonymität von Informanten zu schützen, und dies allein verpflichtet sie nicht, ein in ihrem Besitz befindliches Beweismittel außer Betracht zu lassen.

    Macht ein Kläger geltend, die Kommission habe weder den Verfasser noch die Herkunft eines von ihr herangezogenen belastenden Schriftstücks offenbart, so ist dieses Vorbringen folglich zu berücksichtigen, um die Glaubhaftigkeit und damit den Beweiswert des Schriftstücks zu beurteilen; hingegen ist das Schriftstück nicht als ein unzulässiges Beweismittel anzusehen, das aus den Akten zu entfernen wäre.

    (vgl. Randnrn. 84-85)

  2.  Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so unzulänglich dargestellt worden war, dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten.

    Denn im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die Kommission nur verpflichtet, die Beschwerdepunkte und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt sowie dessen Bewertung klar darzulegen, um den Adressaten der Mitteilung eine sachgemäße Verteidigung zu ermöglichen.

    Dabei kann die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene rechtliche Bewertung des Sachverhalts naturgemäß nur vorläufig sein, und eine spätere Entscheidung der Kommission kann nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil die darin enthaltene endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau mit dieser vorläufigen Bewertung übereinstimmt. Denn die Kommission muss, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten zu wahren, diese anhören und ihre Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen berücksichtigen.

    (vgl. Randnrn. 98-100)

  3.  Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, können sich der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe.

    (vgl. Randnrn. 130, 196)

  4.  Die Kommission ist zur Abgrenzung des Marktes in einer nach Artikel 81 EG erlassenen Entscheidung nur verpflichtet, wenn ohne diese Abgrenzung nicht festgestellt werden kann, ob die fragliche Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte und ob sie eine Ausschaltung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirkte. Grundsätzlich brauchen daher, wenn der mit einer Vereinbarung verfolgte Zweck selbst in einer Beschränkung des Wettbewerbs durch eine „Marktaufteilung“ besteht, die betroffenen räumlichen Märkte nicht präzise definiert zu werden, da der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb in den betroffenen räumlichen Gebieten zwangsläufig beschränkt wurde, gleichviel ob diese Gebiete „Märkte“ im strengen Sinne sind oder nicht.

    (vgl. Randnr. 132)

  5.  Wettbewerbsrechtlich können Verhaltensweisen, die zu einem Gesamtplan gehören, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde, als Bestandteile einer einzigen Vereinbarung angesehen werden. Denn beweist die Kommission, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an bestimmten Abmachungen wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass es sich damit an einer einzigen Vereinbarung beteiligte, so kann seine Beteiligung an diesen Abmachungen der Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein.

    (vgl. Randnr. 181)

  6.  Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage betrifft der Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, anders als gegen dessen materielle Rechtmäßigkeit gerichtete Rügen, zwingendes Recht; ein solcher Klagegrund ist daher vom Gemeinschaftsrichter von Amts wegen zu beachten und kann von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden.

    (vgl. Randnrn. 192, 210)

  7.  Auch wenn die Kommission für die Festsetzung der Höhe einer Geldbuße über ein Ermessen verfügt, darf sie nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat. Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Elemente.

    (vgl. Randnrn. 212, 230-231, 274)

  8.  Die Kommission verfügt bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu bewegen zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Außerdem wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die Kommission muss vielmehr im Interesse der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln jederzeit das Niveau der Geldbußen den Erfordernissen dieser Politik anpassen können.

    (vgl. Randnr. 217)

  9.  Der Bußgeldbetrag, der einem Unternehmen wegen einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung auferlegt wird, ist so zu bemessen, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere im Verhältnis steht.

    Für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sind sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind.

    (vgl. Randnr. 229)

  10.  Unter Berücksichtigung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, ist davon auszugehen, dass der Kommission hinsichtlich der Frage, ob eine Gewichtung der Geldbußen nach der Größe des einzelnen Unternehmens angezeigt ist, ein gewisses Ermessen verbleibt. So braucht die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nicht dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen eine Differenzierung nach ihrem Gesamtumsatz zum Ausdruck kommt.

    (vgl. Randnr. 247)

  11.  Wettbewerbsrechtlich hat grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung leitete, für diese einzustehen, selbst wenn die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt des Erlasses der die Zuwiderhandlung feststellenden Entscheidung auf eine andere Person übergegangen ist. Das gilt jedoch nicht, wenn die Person, die die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens übernommen hat, durch eine entsprechende Erklärung auch die Verantwortung für Handlungen übernommen hat, die ihrem Vorgänger angelastet werden.

    Diese Regel lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass gegen den Urheber einer solchen Erklärung, wenn auch er selbst an der Zuwiderhandlung eigenständig beteiligt war, nur eine einzige Geldbuße verhängt werden dürfte, deren Gesamtbetrag geringer zu sein hätte als die Summe der beiden Geldbußen, die gegen eigenständige Unternehmen zu verhängen gewesen wären.

    (vgl. Randnrn. 254-255)

  12.  Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich auf Umstände beruft, die er selbst nicht beweisen kann, lässt sich dieses Prinzip der Beweislast in einem Fall, in dem die Kommission das Vorliegen einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung während der Geltungsdauer von Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, und einem Drittland verneint hat, nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung dieser Abkommen geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission, Beweise für eine sie unmittelbar berührende Tatsache vorzulegen, macht es dem Gericht nämlich unmöglich, seine Entscheidung in Kenntnis dieses Zeitpunkts zu erlassen; es widerspräche dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens den Unternehmen aufzubürden, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist und die im Gegensatz zu dem beklagten Organ nicht in der Lage sind, den fehlenden Nachweis zu führen.

    (vgl. Randnrn. 261-263)

  13.  In verbundenen Rechtssachen, in denen alle Parteien sämtliche Akten einsehen konnten, kann das Gericht von Amts wegen Beweismittel berücksichtigen, die in den Akten der parallelen Rechtssachen enthalten sind.

    (vgl. Randnr. 264)

  14.  Wenn die Umstände, die im Abschnitt 3 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, aufgelistet sind, auch gewiss zu den Umständen gehören, die die Kommission in einem gegebenen Fall berücksichtigen kann, ist sie doch nach dem Wortlaut dieses Abschnitts 3 nicht dazu verpflichtet, automatisch eine zusätzliche Herabsetzung einer Geldbuße zu gewähren, wenn ein Unternehmen Elemente anführt, die auf das Vorliegen eines dieser Umstände hindeuten können. Denn die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.

    (vgl. Randnr. 274)

  15.  Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Vereinbarung mit seinen Wettbewerbern über die Aufteilung von Märkten erwiesen ist, auf dem Markt nicht vereinbarungsgemäß verhalten hat, ist bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen.

    Demgemäß ist der zweite Gedankenstrich in Abschnitt 3 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, dahin auszulegen, dass die Kommission das Vorliegen eines mildernden Umstands wegen tatsächlicher Nichtanwendung einer Vereinbarung nur anzuerkennen braucht, wenn das Unternehmen, das diesen Umstand geltend macht, nachweisen kann, dass es sich der Anwendung der Vereinbarung so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar deren Funktionieren gestört wurde, und dass es der Vereinbarung auch nicht scheinbar zustimmte und dadurch andere Unternehmen zu deren Anwendung veranlasste.

    (vgl. Randnr. 277)

  16.  Die im Abschnitt 3 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, erwähnte „Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission“ kann logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden. Eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt 3 der Leitlinien wegen Beendigung des Verstoßes nach den ersten Untersuchungshandlungen kommt demnach nicht in Betracht, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden.

    (vgl. Randnrn. 280-281)

  17.  Soweit Unternehmen der Kommission im selben Stadium des Verwaltungsverfahrens und unter gleich gelagerten Umständen vergleichbare Informationen über den ihnen angelasteten Sachverhalt mitteilen, ist der Grad ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission als vergleichbar anzusehen, so dass sie bei der Bemessung der gegen sie verhängten Geldbußen insoweit auch gleich zu behandeln sind.

    (vgl. Randnrn. 295, 298)

  18.  Um eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts zu erlangen, muss ein Unternehmen gegenüber der Kommission, nachdem es von der Mitteilung der Beschwerdepunkte Kenntnis genommen hat, ausdrücklich erklären, dass es den Sachverhalt nicht bestreitet. Wird eine solche ausdrückliche Erklärung nicht abgegeben, so kann in der bloßen Untätigkeit eines Unternehmens keine Erleichterung der der Kommission obliegenden Aufgabe gesehen werden, weil sie in diesem Fall in der endgültigen Entscheidung sämtliche Tatsachen nachweisen muss, ohne sich hierfür auf eine entsprechende Erklärung des Unternehmens stützen zu können.

    (vgl. Randnr. 303)