URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

8. Juli 2004 ( *1 )

In der Rechtssache T-44/00,

Mannesmannröhren-Werke AG mit Sitz in Mülheim an der Ruhr (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Klusmann, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Erhart und A. Whelan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E-1/35.860-B — Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1) oder, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19., 20. und 21. März 2003

folgendes

Urteil

Sachverhalt und Verfahren ( 1 )

1

Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG (Sache IV/E-1/35.860-B — Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung oder Entscheidung).

[...]

Verfahren vor dem Gericht

34

Mit sieben Klageschriften, die zwischen dem 28. Februar und dem 3. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Mannesmann, Corus, Dalmine, NKK Corp., Nippon, die Kawasaki Steel Corp. und Sumitomo gegen die Entscheidung Klage erhoben.

35

Mit Beschluss vom 18. Juni 2002 sind gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten die sieben Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden. Nach diesen Verbindungen konnten die Klägerinnen in den sieben Rechtssachen sämtliche Akten des vorliegenden Verfahrens bei der Kanzlei des Gerichts einsehen. Es sind ferner prozessleitende Maßnahmen erlassen worden.

36

Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 19., 20. und 21. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

37

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Höhe der ihr auferlegten Geldbuße herabzusetzen;

der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

38

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

39

Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung zunächst auf eine Reihe von Klagegründen, mit denen sie Mängel des Verwaltungsverfahrens rügt. Sie macht ferner einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG geltend, da die Kommission weder das Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung noch die Begehung der in Artikel 2 genannten Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend bewiesen habe.

Zu den Klagegründen, mit denen Verfahrensmängel geltend gemacht werden

Zu dem Klagegrund, wonach die Rechte der Verteidigung dadurch verletzt worden seien, dass die Kommission der Klägerin die Einsicht in bestimmte Aktenstücke verweigert habe

— Vorbringen der Parteien

40

Die Klägerin rügt, dass sie die Verwaltungsakte nicht vollständig habe einsehen können. Die Kommission habe ihr die Einsicht in von der EFTA-Überwachungsbehörde übersandte Unterlagen mit einem bloßen Hinweis auf deren internen Charakter verweigert, ohne dies zu erläutern oder die Unterlagen inhaltlich geprüft zu haben. Damit sei ihr potenziell entlastendes Material vorenthalten worden.

41

Die Kommission habe auch nicht das Verfahren nach Punkt ILA ihrer Mitteilung über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel [81 EG] und [82 EG], der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3, im Folgenden: Mitteilung zur Akteneinsicht) eingehalten. Nach dieser Regelung habe der Anhörungsbeauftragte die Ablage bestimmter Dokumente in der Verfahrensakte zu beaufsichtigen und gegebenenfalls ihre Einstufung als interne Schriftstücke zu bestätigen. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig von jeder Initiative der Unternehmen. Die Klägerin sei somit nicht in der Lage gewesen, festzustellen, ob die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Verfahrensakte sämtliche entlastenden Schriftstücke enthielten.

42

Die Kommission habe ihr im Übrigen kein Verzeichnis aller in der Akte enthaltenen Schriftstücke übermittelt, um sie in die Lage zu versetzen, einen Antrag auf Einsicht in genau bezeichnete Schriftstücke zu stellen (Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1995 in den Rechtssachen T-30/91, Solvay/Kommission, Randnrn. 89 und 93 bis 95, Slg. 1995, II-1775, und T-36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1847, Randnrn. 99 und 103 bis 105). Die Kommission sei jedoch verpflichtet, ein Verzeichnis der als intern eingestuften Schriftstücke zu erstellen (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, „Zement“, Slg. 2000, II-491, Randnrn. 168 und 186). Somit habe die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt. Diese Rechtsverletzung könne im gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden (Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 98).

43

In der mündlichen Verhandlung hat sich Mannesmann ferner auf eine entsprechende Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) berufen.

44

Die Kommission entgegnet, dass sie nach ständiger Rechtsprechung keine Einsicht in ihre internen Dokumente zu gewähren brauche (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 54, vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, und in den Rechtssachen Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 420). Diese Schriftstücke könnten naturgemäß nicht als Beweise für eine Zuwiderhandlung herangezogen werden (Punkt I.A.3 der Mitteilung zur Akteneinsicht). Jedenfalls habe Mannesmann nicht dargelegt, dass die Entscheidung auf Unterlagen beruhe, die sie nicht habe einsehen dürfen.

45

Die Einstufung der fraglichen Schriftstücke als interne Dokumente könne keinem Zweifel unterliegen. Nach Punkt II.A.2.c) der Mitteilung zur Akteneinsicht falle der Schriftverkehr zwischen der Kommission und einer dritten Behörde wie der EFTA-Überwachungsbehörde unter den Begriff der internen Schriftstücke.

46

Die Rüge, dass der Anhörungsbeauftragte seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Aktenstücke nicht nachgekommen sei, habe Mannesmann durch nichts belegt. Mannesmann habe sich auch nicht der in Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht vorgesehenen Möglichkeit bedient, beim Anhörungsbeauftragten eine Überprüfung der Einstufung der fraglichen Unterlagen als interne Schriftstücke zu beantragen.

47

Schließlich sei die Kommission nicht verpflichtet, den Unternehmen ein Verzeichnis der internen Schriftstücke in der Verfahrensakte zu übermitteln.

— Würdigung durch das Gericht

48

In Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht heißt es:

„Die internen Dokumente werden künftig zum Zwecke der Vereinfachung und einer effizienten Verwaltung in chronologischer Reihenfolge im Rahmen der Sammlung interner (nicht einsehbarer) Schriftstücke über anhängige Fälle verwahrt. Diese Ablage erfolgt unter Aufsicht des Anhörungsbeauftragten, der gegebenenfalls die Einstufung der so gesammelten Dokumente als‚interne Schriftstücke‘ bestätigen kann.

Als interne Schriftstücke gelten z. B.:

...

c)

Schriftverkehr in einer Sache mit anderen Behörden(19)

...“

49

In Fußnote 19 der Mitteilung zur Akteneinsicht wird ausgeführt:

„Bei von Behörden stammenden Schriftstücken ist die Vertraulichkeit zu wahren. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Wettbewerbsbehörden, sondern auch für sonstige Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands. ... Allerdings ist zu unterscheiden zwischen den einem absoluten Schutz unterliegenden Beurteilungen oder Bemerkungen dieser Behörden und den von ihnen gelieferten Schriftstücken, die nicht immer unter die Ausnahmeregelung fallen. ...“

50

Dem Wortlaut von Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht ist zu entnehmen, dass die Kontrolle, in deren Rahmen der Anhörungsbeauftragte den internen Charakter der Unterlagen in den Akten überprüft, entgegen der Auffassung von Mannesmann kein in allen Fällen auszuführender Verfahrensschritt ist. Aus dem Umstand, dass der Anhörungsbeauftragte eine solche Überprüfung „gegebenenfalls“ vornehmen „kann“, ergibt sich nämlich, dass er diese Überprüfung nicht vorzunehmen braucht, wenn die Einstufung von bestimmten Unterlagen als „interne Schriftstücke“ nicht oder gegebenenfalls nicht mehr bestritten wird. Eine Auslegung im gegenteiligen Sinn würde die Arbeitslast der Kommission im Verwaltungsverfahren unverhältnismäßig erhöhen und liefe dem mit dieser Methode der Einstufung verfolgten Zweck der „Vereinfachung und einer effizienten Verwaltung“ zuwider. Daher muss festgestellt werden, ob Mannesmann im Verwaltungsverfahren eine Überprüfung des internen Charakters der der Kommission von der EFTA-Überwachungsbehörde übermittelten und als interne Dokumente eingestuften Unterlagen durch den Anhörungsbeauftragten beantragt hat.

51

In der Tat hat Mannesmann mit einem der Klageschrift beigefügten Schreiben vom 12. März 1999 die Einsicht in die fraglichen Unterlagen beantragt. Dieser Antrag wurde von der Kommission mit Schreiben vom 22. März 1999, das der Klageschrift ebenfalls beigefügt ist, mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei diesen Unterlagen um interne Schriftstücke im Sinne von Punkt ILA der Mitteilung zur Akteneinsicht handele (vgl. insbesondere Punkt II.A.2 der Mitteilung).

52

Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung — von Mannesmann unwidersprochen — darauf hingewiesen, dass Mannesmann der in dem Schreiben vom22. März 1999 ausgesprochenen Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs nicht dadurch entgegengetreten sei, dass sie beim Anhörungsbeauftragten beantragt hätte, die Richtigkeit und die Begründetheit dieser Antwort der Kommission zu überprüfen. Tatsächlich hat Mannesmann in ihrer Erwiderung nur darauf verwiesen, dass sie keinen neuen Antrag beim Anhörungsbeauftragten habe stellen müssen. Einem Auszug aus dem Bericht des Anhörungsbeauftragten, den die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts zitiert, ist außerdem zu entnehmen, dass von den Parteien „[i]n Bezug auf das Verteidigungsrecht sensu stricto und insbesondere die Akteneinsicht ... keine Argumente vorgebracht“ wurden.

53

Da Mannesmann somit nach Erhalt des Schreibens vom 22. März 1999 nicht den Antrag stellte, die Einstufung der Seiten 1 bis 350 der Verfahrensakte der Kommission als interne Schriftstücke zu überprüfen, brauchte der Anhörungsbeauftragte diese Überprüfung auch nicht vorzunehmen. Lehnt die Kommission nämlich einen Antrag auf Einsichtnahme in bestimmte Aktenstücke schriftlich mit der Begründung ab, es handele sich um interne Schriftstücke, so ist es Sache des Antragstellers, sein Akteneinsichtsgesuch unter Hinweis darauf, dass er den internen Charakter der Dokumente bestreite, zu wiederholen, wenn er eine Überprüfung dieser Frage durch den Anhörungsbeauftragten wünscht.

54

Soweit Mannesmann rügt, die Kommission habe ihr kein Verzeichnis aller in die Akte aufgenommenen Unterlagen einschließlich der internen Schriftstücke übermittelt, so lässt sich der von Mannesmann zitierten Rechtsprechung nicht entnehmen, dass die Kommission bereits dann die Verteidigungsrechte verletzt, wenn sie den Beteiligten im Verwaltungsverfahren ein solches Verzeichnis nicht zuleitet. So befasste sich das Gericht in den Urteilen Solvay/Kommission (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 89 und 93 bis 95) und ICI/Kommission (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 99 und 103 bis 105) nur mit der gebotenen Abwägung zwischen dem Anspruch auf Einsicht in die be- und entlastenden Unterlagen einerseits und dem Schutz des Geschäftsgeheimnisses von Unternehmen, nicht aber dem Schutz von internen Dokumenten, andererseits. In den Rechtssachen Zement (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 5, 168 und 186 des Urteils) gab das Gericht zwar der Kommission im Wege prozessleitender Maßnahmen auf, ihm eine Beschreibung der internen Dokumente vorzulegen, deren Inhalt in dem den Parteien im Verwaltungsverfahren übermittelten Verzeichnis nicht einmal summarisch angegeben war; es hat daraus aber nicht abgeleitet, dass die Kommission die Verteidigungsrechte verletzt hätte.

55

Jedenfalls ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte durch einen Verfahrensfehler nur verletzt werden, wenn sich dieser auf die Verteidigungsmöglichkeiten der beschuldigten Unternehmen konkret ausgewirkt hat (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 852 bis 860).

56

Im vorliegenden Fall hat das Gericht der Kommission im Wege prozessleitender Maßnahmen aufgegeben, ihm ein Verzeichnis über den Inhalt der Seiten 1 bis 350 ihrer Verfahrensakte vorzulegen. Diesem Verzeichnis ist zu entnehmen, dass es sich bei allen fraglichen Unterlagen um interne Aufzeichnungen, nicht aber um Be- oder Entlastungsbeweise handelt, weil sie weder die Begehung noch die Nichtbegehung einer Zuwiderhandlung durch eines der Unternehmen belegen können. Daher konnte weder die fehlende Überprüfung ihres internen Charakters durch den Anhörungsbeauftragten noch die Weigerung der Kommission, ein Verzeichnis mit einer Beschreibung dieser Unterlagen vorzulegen, die Verteidigungsmöglichkeiten von Mannesmann beeinträchtigen und damit deren Verteidigungsrechte verletzen. Mannesmann hat in der mündlichen Verhandlung nach Erhalt einer Kopie des genannten Verzeichnisses entgegen ihrem vorherigen Vorbringen denn auch nicht geltend gemacht, dass manche der darin aufgeführten Unterlagen in Wirklichkeit keine internen Schriftstücke seien.

57

Unter diesen Umständen ist auch das von Mannesmann in der mündlichen Verhandlung geäußerte Vorbringen zu einer entsprechenden Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückzuweisen. Denn selbst wenn Mannesmann der Nachweis gelungen wäre, dass sie einen Anspruch auf Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen hatte, hätte sie sich doch im Verfahren vor der Kommission auch nach dieser Einsichtnahme nicht besser verteidigen können. Damit rechtfertigt dieses Vorbringen jedenfalls nicht die Nichtigerklärung der Entscheidung.

58

Im Übrigen kann sich auf die Verordnung Nr. 1049/2001 — wie auch auf den durch sie abgelösten Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) -nur berufen, wer bestimmte Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, insbesondere einen ersten förmlichen Antrag auf Einsichtnahme und, bei dessen Ablehnung, einen wiederholenden Antrag gestellt hat. Nachdem Mannesmann diese Verfahrensregel hier nicht befolgt hat, kann sie sie nicht umgehen, indem sie eine entsprechende Anwendung der genannten Verordnung verlangt.

59

Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

Zu dem Vorwurft, die Frist für die Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei unzureichend gewesen

— Vorbringen der Parteien

60

Mannesmann meint, ihr habe keine genügende Frist für ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Verfügung gestanden. Die Kommission habe bei der Festsetzung der Frist die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht berücksichtigt. Die Frist habe am 11. Februar 1999 begonnen, als die Adressaten der angefochtenen Entscheidung erstmals die Akten hätten einsehen dürfen, und am 20. April 1999 geendet. Trotz des Umfangs der Ermittlungsakte und des Umstands, dass bestimmte Unterlagen in nicht gängigen Sprachen abgefasst gewesen seien, habe die Kommission am 22. März 1999 einen Antrag auf Fristverlängerung ohne einzelfallbezogene Begründung abgelehnt. Außerdem habe sich Mannesmann, weil ein weiteres ähnliches Verfahren anhängig gewesen sei, in beiden Verfahren innerhalb äußerst kurzer Fristen gleichzeitig verteidigen müssen. Von allen Adressaten der angefochtenen Entscheidung sei sie die Einzige gewesen, die sich in einer solchen Lage befunden habe; damit sei sie diskriminiert worden.

61

Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten ab deren Zustellung am 3. Februar 1999 zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme zwei Monate Zeit gehabt. Auf Antrag von Mannesmann habe sie mit Schreiben vom 22. März 1999 den letztmöglichen Zeitpunkt für die Einreichung der Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte auf den 20. April 1999 verschoben. Für eine Maßnahme dieser Art gelte nicht das Begründungserfordernis des Artikels 253 EG. Ihrer Meinung nach sei die Frist von nahezu zweieinhalb Monaten, die Mannesmann für die Anfertigung ihrer Stellungnahme zur Verfügung gestanden habe, ausreichend gewesen. Insoweit sei insbesondere auf das Urteil Zement zu verweisen (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 654 und 655).

— Würdigung durch das Gericht

62

Nach dem zur Zeit der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin geltenden Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. Nr. 127, S. 2268) und nach dem seit dem 31. Januar 1999 geltenden Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 2842/1998 vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18), die beide den Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten eine hinreichende Frist für die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte gewährleisten sollen, ist die Kommission verpflichtet, bei der Festsetzung dieser Frist, die mindestens zwei Wochen beträgt, den für die Äußerung nötigen Zeitaufwand und die Dringlichkeit des Falles zu berücksichtigen. Die Frist ist konkret nach dem Schwierigkeitsgrad des Falles zu bemessen (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 653 und die dort zitierte Rechtsprechung).

63

Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt hat, wird laut Randnummer 207 ihres XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik (1993) bei mittelschweren Zuwiderhandlungen im Allgemeinen eine Frist von zwei Monaten gewährt und in komplexen Sachen eine Frist von drei Monaten, wobei diese Fristen zur Berücksichtigung von Ferienzeiten gegebenenfalls verlängert werden. Hingegen wird am Ende derselben Randnummer klargestellt, dass diese relativ langen Fristen entgegen der früheren Praxis „grundsätzlich“ nicht verlängert werden.

64

Im vorliegenden Fall gewährte die Kommission der Klägerin in ihrem Begleitschreiben vom 21. Januar 1999 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nach der Verordnung Nr. 99/63 eine Frist von zwei Monaten ab Zugang der Mitteilung. Nachdem Mannesmann mit Schreiben vom 12. März 1999 eine Fristverlängerung um zwei weitere Monate beantragt hatte, verlängerte die Kommission mit ihrem Schreiben vom 22. März 1999 die im genannten Schreiben vom 21. Januar 1999 festgesetzte ursprüngliche Frist von zwei Monaten für die Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte um 17 Tage.

65

Was das Anfangsdatum der Frist betrifft, die den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte für deren Beantwortung zur Verfügung stand, so waren die wichtigsten Unterlagen aus den Akten, insgesamt 32 Schriftstücke, der Mitteilung der Beschwerdepunkte bereits beigefügt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte — wie die Kommission ausführt — mit deren Prüfung bereits von ihrer Zustellung an, im Fall von Mannesmann also am 3. Februar 1999, beginnen konnten und nicht erst, wie Mannesmann geltend macht, mit ihrer erstmaligen Einsichtnahme in die vollständigen Akten, also am 11. Februar 1999. Daraus folgt, dass die von der Kommission gewährte Zusatzfrist bis zum 20. April 1999 tatsächlich einer Verlängerung der ursprünglichen Frist um 17 Tage entsprach.

66

Zu dem Vorbringen, in der vorliegenden Rechtssache handele es sich um umfangreiche Akten von mehr als 15000 Seiten, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass Akten dieses Umfangs in Wettbewerbsuntersuchungen nicht ungewöhnlich sind. Es ist festzustellen, dass die vorliegende Rechtssache nach der Komplexität des Sachverhalts nicht der Rechtssache Zement (zitiert oben in Randnr. 42) gleichgestellt werden kann, in dem die Mitteilung der Beschwerdepunkte an 76 Unternehmen und Unternehmensverbände gerichtet war (Randnrn. 3, 4 und 654 des Urteils) und den betroffenen Unternehmen für ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nach zwei Fristverlängerungen eine Frist von insgesamt vier Monaten zur Verfügung stand. Im vorliegenden Fall hat Mannesmann nichts vorgebracht, woraus sich ergeben könnte, dass die vorliegende Sache besonders bedeutend und/oder komplex war.

67

Zu dem weiteren Vorbringen von Mannesmann, sie habe in zwei Parallelsachen (Sachen IV/E-1/35.860-B und IV/E-1/35.860-A) auf Mitteilungen von Beschwerdepunkten antworten müssen, hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass beide Verfahren „in engem inhaltlichen Zusammenhang [standen] und ... sich zu einem sehr großen Teil [überschnitten]“. Die Kommission hat weiterhin darauf verwiesen, dass auch Corus und die japanischen Hersteller jeweils zwei Mitteilungen von Beschwerdepunkten erhielten. Mannesmann bestreitet diese Angaben nicht, sondern wirft in ihrer Erwiderung nur die Frage auf, warum die Kommission bei einem so engen Zusammenhang zwischen beiden Verfahren nicht nur eine einzige Mitteilung von Beschwerdepunkten an die betroffenen Unternehmen gerichtet habe; dieses Vorbringen ist aber im vorliegenden Kontext unbeachtlich. Daher bleibt festzustellen, dass die beiden Wettbewerbssachen, die Gegenstand der beiden Mitteilungen von Beschwerdepunkten waren, zahlreiche Gemeinsamkeiten aufwiesen, so dass es für Mannesmann keine bedeutende zusätzliche Arbeitslast darstellte, parallel in beiden Sachen Stellungnahmen abgeben zu müssen.

68

Demnach war die Mannesmann eingeräumte Frist von zweieinhalb Monaten ausreichend für die Abgabe ihrer Stellungnahme, so dass sie sich sachgerecht verteidigen konnte (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/74 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1995, 1663, Randnrn. 94 bis 99).

69

Zu der von Mannesmann erhobenen Rüge, sie sei diskriminiert worden, ist darauf hinzuweisen, dass die den Beteiligten gesetzten Fristen, sofern sie eine sachgerechte Verteidigung ermöglichen, pauschal festgesetzt werden dürfen und nicht in jedem Einzelfall entsprechend dem erforderlichen Arbeitsaufwand bemessen werden müssen.

70

Hierzu ist im Wege der Analogie darauf hinzuweisen, dass Artikel 230 Absatz 5 EG für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage eine Frist von zwei Monaten vorsieht, die nach ständiger Rechtsprechung in keinem Fall verlängert werden kann und deren Überschreitung, abgesehen nur vom Vorliegen höherer Gewalt, automatisch zur Unzulässigkeit der Klage führt (in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 21. März 2002 in der Rechtssache T-218/01, Laboratoire Monique Rémy/Kommission, Sig. 2002, II-2139, auf Rechtsmittel bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 30. Januar 2003 in der Rechtssache C-176/02 P, Laboratoire Monique Rémy/Kommission, nicht veröffentlicht). Demnach kann eine pauschale Fristbemessung als solche keine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellen (vgl. insoweit auch Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 654).

71

Dass anderen Adressaten der Mitteilungen der Beschwerdepunkte im vorliegenden Fall zur Beantwortung einer einzigen Mitteilung die gleiche Frist zur Verfügung stand wie Mannesmann für die Beantwortung von zwei Mitteilungen, kann somit, da die Mannesmann eingeräumte Frist für ausreichend befunden wurde, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

72

Zu der Rüge schließlich, die Ablehnung einer zusätzlichen Frist von zwei Monaten für Mannesmann zur Abgabe ihrer Stellungnahme sei nicht begründet worden, ist daran zu erinnern, dass das Begründungserfordernis nach ständiger Rechtsprechung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der geltend gemachten Gründe und nach dem Interesse, dass die Adressaten des Rechtsakts oder andere von diesem unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können, zu beurteilen ist. Dabei braucht die Begründung nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufzuführen, da die Frage, ob die Begründung den Anforderungen von Artikel 253 EG genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Januar 2003 in der Rechtssache C-76/00 P, Petrotub und Republica/Rat, Slg. 2003, I-79, Randnr. 81 und die dort zitierte Rechtsprechung).

73

Nach Randnummer 207 des XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik wird für die Beantwortung einer Mitteilung von Beschwerdepunkte bei mittelschweren Zuwiderhandlungen grundsätzlich eine Frist von zwei Monaten gewährt (vgl. oben, Randnr. 63). Daraus ist zu schließen, dass die Kommission, die hier eine Frist von zwei Monaten festsetzte, von einer „mittelschweren“ Zuwiderhandlung ausging und die gewährte Frist für grundsätzlich ausreichend hielt, um den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Stellungnahme zu ermöglichen. Die Begründung der Entscheidung, mit der die Gewährung der beantragten Zusatzfrist abgelehnt wurde, ist im Licht dieser Feststellung zu prüfen.

74

Dazu ist festzustellen, dass die Weigerung der Kommission, die begehrte Zusatzfrist von zwei Monaten einzuräumen, keiner besonderen Begründung bedurfte. Zur Bedeutung der Sache hatte die Kommission im Einklang mit Randnummer 207 des XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik Stellung genommen hatte; mit dem Hinweis darauf, dass die Gewährung der beantragten Zusatzfrist von zwei Monaten „nicht möglich“ sei, aber Mannesmann zusätzlich 17 Tage eingeräumt würden, bekräftigte sie damit stillschweigend ihre ursprüngliche Beurteilung. Angesichts der in Randnummer 207 des genannten Berichts dargelegten restriktiven Politik der Kommission bei der Verlängerung von Fristen für die Beantwortung von Mitteilungen von Beschwerdepunkten ist diese Zusatzfrist von 17 Tagen als ein Entgegenkommen der Kommission gegenüber Mannesmann zu werten. Mannesmann kann daher keinen Nichtigkeitsgrund daraus herleiten, dass die Entscheidung über die Ablehnung der beantragten Fristverlängerung keine besondere Begründung enthielt.

75

Demnach sind die Rügen, die Mannesmann gegen die Ablehnung der von ihr beantragten Zusatzfrist durch die Kommission erhebt, zurückzuweisen.

Zur Verwertung des Verteilerschlüssel-Papiers als belastendes Beweismittel

— Vorbringen der Parteien

76

Mannesmann hält das Verteilerschlüssel-Papier für ein unzulässiges Beweismittel. Die Kommission habe sich bei der Feststellung der Zuwiderhandlungen in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung zentral auf dieses Schriftstück gestützt. Da sie aber die Identität seines Verfassers nicht offenbart habe, seien die Echtheit und Glaubhaftigkeit des Papiers mit Vorsicht zu beurteilen.

77

Die Kommission hätte zumindest darüber Aufklärung geben müssen, wo und unter welchen Umständen dieses Schriftstück, das sie als unmittelbaren Beweis für eine Zuwiderhandlung verwende, erlangt worden sei. Nach einem unumstößlichen Grundsatz jedes rechtsstaatlichen Verfahrens könne eine Person, gegen die ein solcher Beweis angeführt werde, ihre Verteidigung nur sicherstellen, wenn ihr diese zusätzlichen Informationen gegeben würden (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1979 in der Rechtssache 85/79, Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461).

78

Anders als in der Rechtssache 145/83 (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539), in der die Glaubwürdigkeit des Informanten der Kommission nicht zweifelhaft gewesen sei, habe im vorliegenden Fall keines der betroffenen Unternehmen die Echtheit des Papiers anerkannt. Wenn die Kommission nicht beweise, dass das Papier echt sei, dürfe sie es auch nicht gegen Mannesmann verwerten. Eine solche Verletzung der Verteidigungsrechte rechtfertige die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung.

79

Aber auch wenn die Verwertung des Verteilerschlüssel-Papiers als Beweismittel rechtmäßig sein sollte, wäre es ohne Beweiswert. Erstens lasse es sich nicht mit anderen Untersuchungsergebnissen in Einklang bringen. So stelle die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung fest, dass das Verteilerschlüssel-Papier in krassem Widerspruch zu den Erklärungen von Vallourec stehe, denen sie aber im übrigen bescheinige, in erheblichem Umfang zur Aufklärung des relevanten Sachverhalts beigetragen zu haben. Zweitens werde das Verteilerschlüssel-Papier dadurch widerlegt, dass die Unternehmen Siderca und Tubos de Acero de Mexico SA offenbar Rohre nach Europa geliefert hätten. Es sei daher unerfindlich, wie das Papier als Beweismittel für die behauptete Zuwiderhandlung angesehen werden könne.

80

Die Kommission verweist darauf, dass sie gemäß Artikel 287 EG zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sei und auch die Anonymität ihrer Informanten sicherstellen müsse, wenn sie sich nicht in ihrer Tätigkeit einschränken lassen wolle. Das Interesse der Unternehmen, die Herkunft bestimmter Dokumente zu erfahren, müsse gegen das öffentliche Interesse an der Verfolgung rechtswidriger Absprachen und am Schutz von Informanten abgewogen werden (Urteil Adams/Kommission, zitiert oben in Randnr. 78, Randnr. 34). Mannesmann habe nicht dargetan, inwieweit die Anonymität dieses Papiers ihre Verteidigungsrechte beeinträchtige.

— Würdigung durch das Gericht

81

Die Kommission stützt sich in dem Teil der Begründung der Entscheidung, der sich mit dem Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung befasst, weitestgehend auf die Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 (vgl. insbesondere Randnrn. 56 bis 58, 60 bis 62 und 131) in Verbindung mit seiner Erklärung vom 14. Oktober 1996 und mit dem Schriftstück „Nachprüfung bei Vallourec“ (im Folgenden zusammen: Erklärungen von Herrn Verluca). Zwar stützt sie sich in diesem Zusammenhang, insbesondere in den Randnummern 85 und 86 der Entscheidung, auch auf das Verteilerschlüssel-Papier, jedoch kommt diesem nach der allgemeinen Systematik der angefochtenen Entscheidung eine geringere Bedeutung zu als den Erklärungen von Herrn Verluca.

82

Deshalb ist von vornherein das Argument von Mannesmann zurückzuweisen, die Kommission habe sich für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 der Entscheidung zentral auf das Verteilerschlüssel-Papier gestützt. Was die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung anbelangt, so sind die Erklärungen von Herrn Verluca und das Verteilerschlüssel-Papier nur ganz mittelbar relevant.

83

Die Kommission gibt in Randnummer 85 der Entscheidung an, dass ihr das Verteilerschlüssel-Papier am 12. November 1997 von einer am Verfahren nicht beteiligten Person ausgehändigt worden sei. Die Kommission stützt sich auf das Papier vor allem für ihre Beschreibung der Entwicklung der Beziehungen innerhalb des Europäisch-Japanischen Clubs ab Ende 1993. Nach Angaben des Informanten stamme das Papier von einem Handelsvertreter eines der dem Club angehörenden Unternehmen. Nach Auffassung der Kommission belegt das Papier, dass die Kontaktaufnahme mit den lateinamerikanischen Herstellern teilweise erfolgreich gewesen sei. Die in dem Papier enthaltene Tabelle gebe die Marktaufteilung zwischen den europäischen, den japanischen und den lateinamerikanischen Herstellern wieder. So sehe es einen Marktanteil von 100 % für die europäischen Hersteller in Europa und für die japanischen Hersteller in Japan vor. Auf den übrigen Märkten hätten die europäischen Hersteller einen Anteil von 0 % im Fernen Osten, von 20 % im Mittleren Osten und von 0 % in Lateinamerika erhalten.

84

Zur Zulässigkeit des Verteilerschlüssel-Papiers als Beweis für die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Gemeinschaftsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ihre Glaubhaftigkeit ist (Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Sig. 1991, II-867, II-869, II-954; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 23. März 2000 in den Rechtssachen C-310/98 und C-406/98, Met-Trans und Sagpol, Slg. 2000, I-1797, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 7. November 2002 in den Rechtssachen T-141/99, T-142/99, T-150/99 und T-151/99, Vela und Tecnagrind/Kommission, Slg. 2002, II-4547, Randnr. 223). Zudem kann es für die Kommission erforderlich sein, die Anonymität von Informanten zu schützen (in diesem Sinne Urteil Adams/Kommission, zitiert oben in Randnr. 78, Randnr. 34), und dies allein verpflichtet sie nicht, ein in ihrem Besitz befindliches Beweismittel außer Betracht zu lassen.

85

Folglich ist das Vorbringen von Mannesmann zwar zu berücksichtigen, um die Glaubhaftigkeit und damit den Beweiswert des Verteilerschlüssel-Papiers zu beurteilen. Bei diesem Papier handelt es sich jedoch um kein unzulässiges Beweismittel, das aus der Akte zu entfernen wäre.

86

Soweit Mannesmann mit ihrem Vorbringen zur beweisrechtlichen Zulässigkeit des Verteilerschlüssel-Papiers gleichzeitig dessen mangelnde Glaubhaftigkeit beanstandet, ist festzustellen, dass die Glaubhaftigkeit des Papiers dadurch, dass der Kontext seiner Abfassung weitgehend unbekannt ist und die Angaben der Kommission hierzu nicht nachprüfbar sind (vgl. oben, Randnr. 83), zwangsläufig gemindert wird.

87

Soweit jedoch das Verteilerschlüssel-Papier spezielle Informationen enthält, die mit Informationen in anderen Schriftstücken, insbesondere in den Erklärungen von Herrn Verluca, übereinstimmen, können sich die Beweismittel gegenseitig verstärken.

88

So erwähnt Herr Verluca in seiner Erklärung vom 17. September 1996 einen „ursprünglichen“ Verteilerschlüssel, der für „internationale Ausschreibungen“ gegolten und sich auf die Verträge zwischen den japanischen und den europäischen Herstellern bezogen habe, so dass das Bestehen einer solchen Aufteilung im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs hinreichend bewiesen ist. Weiter heißt es in dem vom 27. Januar 1994 datierenden internen Vermerk von Vallourec mit der Überschrift „Protokoll der Unterredung mit JF in Brüssel am 25/1“ (S. 4822 der Kommissionsakte), dass Vallourec, um „im Rahmen des Systems [zu bleiben] ..., auf den Fernen Osten [und] Lateinamerika [verzichten] und sich im Mittleren Osten auf einen Marktanteil von 20 % zu Dritt [beschränken]“ müsse. Von der Kommission zur Erläuterung dieser beiden Schriftstücke aufgefordert, gab Herr Verluca an, sie hätten sich auf den 1993 unternommenen Versuch einer Änderung der geltenden Verteilerschlüssel bezogen, mit der die Verkäufe der lateinamerikanischen Hersteller und die auf den verschiedenen Märkten „erworbenen Positionen“ hätten berücksichtigt werden sollen.

89

Nach Ansicht von Mannesmann widerspricht das Verteilerschlüssel-Papier der im Vermerk „Nachprüfung bei Vallourec“ (in Abschnitt 1.3) enthaltenen Angabe von Herrn Verluca zur Frage, ob die lateinamerikanischen Hersteller Ende 1993 positiv auf die Avancen der europäischen Hersteller reagiert hätten, was die Verlässlichkeit beider Beweisurkunden in Frage stelle. Tatsächlich hat die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung auf der Grundlage des Verteilerschlüssel-Papiers ausgeführt, dass „die Kontaktaufnahme mit den Lateinamerikanern teilweise erfolgreich“ gewesen sei; sie räumt selbst ein, dass diese Angabe in Widerspruch zu folgender Angabe von Herrn Verluca im Vermerk „Nachprüfung bei Vallourec“ stehe: „Die südamerikanischen Hersteller gehörten nicht zum Europäisch-Japanischen Club ... Ende 1993 gab es Kontaktaufnahmen mit ihnen zur Erkundung, ob ein die erworbenen Positionen widerspiegelndes Gleichgewicht erreicht werden könne (etwa 20 % für die Europäer im Mittleren Osten). Es wurde sehr rasch klar, dass diese Versuche ohne Erfolgsaussicht waren.“

90

Es ist indessen darauf hinzuweisen, dass laut dem Verteilerschlüssel-Papier die lateinamerikanischen Hersteller den vorgeschlagenen Verteilerschlüssel zwar akzeptierten, aber „außer für den europäischen Markt“, wo die Geschäfte in einem Geist der Zusammenarbeit „von Fall zu Fall“ geprüft werden sollten. Daraus hat die Kommission in Randnummer 94 der angefochtenen Entscheidung geschlossen, dass die lateinamerikanischen Hersteller nicht damit einverstanden gewesen seien, den europäischen Markt den europäischen Herstellern vorzubehalten.

91

Den verschiedenen in der Entscheidung angeführten Vermerken von Vallourec, dem Schriftstück mit dem Titel „Arbeitspapier für die Vorstandsvorsitzenden“ („Paper for Presidents“) (S. 4902 der Kommissionsakte) und dem Dokument „g) Japaner“ („g] Japanese“ document) (S. 4909 der Kommissionsakte) ist zu entnehmen, dass eines der von den europäischen Herstellern in ihren Kontakten mit den japanischen Herstellern verfolgten wesentlichen Ziele darin bestand, ihre Heimatmärkte zu schützen und insbesondere den Heimatmarktstatus des britischen Marktes nach Schließung des Corus-Werkes in Clydesdale aufrechtzuerhalten. Wenn der vorstehend in Randnummer 89 aufgezeigte Widerspruch auch den Beweiswert des Verteilerschlüssel-Papiers und in gewissem Umfang auch den der Erklärungen von Herrn Verluca schwächt, wird die Bedeutung dieses Widerspruchs durch die am Anfang der vorliegenden Randnummer genannte Gegebenheit doch erheblich relativiert. Denn selbst wenn die lateinamerikanischen Hersteller der Anwendung eines Verteilerschlüssels für andere Märkte als Europa zugestimmt haben sollten, waren damit doch die mit ihnen geführten Verhandlungen aus europäischer Sicht im Wesentlichen gescheitert, womit die negative Beurteilung des Verhandlungsergebnisses durch Herrn Verluca in diesem entscheidenden Punkt tatsächlich mit dem Verteilerschlüssel-Papier übereinstimmt.

92

Demnach wird durch den Widerspruch zwischen den Angaben von Herrn Verluca in einer seiner Erklärungen und dem Verteilerschlüssel-Papier, den die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung selbst erwähnt, die Glaubhaftigkeit beider Beweisurkunden nicht wesentlich gemindert.

93

Schließlich ist angesichts der Position, die die lateinamerikanischen Hersteller laut dem Verteilerschlüssel-Papier zu Europa bezogen (vgl. oben, Randnr. 90), festzustellen, dass das Vorbringen von Mannesmann, die lateinamerikanischen Hersteller hätten Rohre nach Europa verkauft, selbst dann, wenn es zutrifft, die Glaubhaftigkeit des Papiers keinesfalls in Frage stellen kann.

94

Im Ergebnis verbleibt dem Verteilerschlüssel-Papier damit ein gewisser Beweiswert, um im Rahmen eines von der Kommission zusammengetragenen Bündels von übereinstimmenden Indizien bestimmte wesentliche Aussagen in den Erklärungen von Herrn Verluca über das Vorliegen einer Marktaufteilungsvereinbarung für nahtlose OCTG-Rohre zu erhärten. Denn aus diesem Beweismittel ergibt sich, dass die japanischen Hersteller einerseits und die europäischen Hersteller andererseits das Prinzip billigten, bestimmte nahtlose Stahlrohre nicht im Rahmen „offener“ Ausschreibungen auf dem Heimatmarkt der anderen Hersteller zu verkaufen. Das Papier bestätigt außerdem das Vorliegen eines Verteilerschlüssels für Märkte in verschiedenen Weltgegenden und stärkt damit die Glaubhaftigkeit der Erklärungen von Herrn Verluca, soweit dieser Begriff darin ebenfalls verwendet wird.

95

Die Rügen von Mannesmann gegen die Verwertung des Verteilerschlüssel-Papiers sind daher zurückzuweisen.

Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

— Vorbringen der Parteien

96

Nach Auffassung von Mannesmann weichen die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die angefochtene Entscheidung voneinander ab. So habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt, dass die Lieferverträge von Corus mit Vallourec, Dalmine und Mannesmann zu einer rechtswidrigen Absprache gehört hätten, mit der der Markt für Lieferungen von nahtlosen Stahlrohren an Corus, dem beherrschenden Unternehmen auf dem britischen Markt für OCTG-Rohre, habe aufgeteilt werden sollen. Damit bezögen sich diese Verträge auf die später in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung (vgl. Randnrn. 147 bis 151 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In der angefochtenen Entscheidung hingegen habe die Kommission diese Lieferverträge als Maßnahme zur Abschottung des britischen Marktes gegen die japanischen Unternehmen und damit als Teil der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Zuwiderhandlung eingestuft (Randnr. 147). Zu einer so wesentlichen Änderung der Beschuldigungen hätte Mannesmann erneut rechtliches Gehör gewährt werden müssen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 9, 14 und 16). Da eine solche erneute Anhörung versäumt worden sei, seien ihre Verteidigungsrechte in irreparabler Weise verletzt worden (Urteil Solvay/Kommission, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 89 ff).

97

Die Kommission widerspricht diesen Rügen. Sie meint, dass die angefochtene Entscheidung und die Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Darstellung des Sachverhalts und in der rechtlichen Würdigung völlig deckungsgleich seien.

— Würdigung durch das Gericht

98

Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte unzulänglich dargestellt worden war, so dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 852 bis 860).

99

Im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die Kommission nur verpflichtet, die Beschwerdepunkte und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt sowie dessen Bewertung klar darzulegen, um den Adressaten der Mitteilung eine sachgemäße Verteidigung zu ermöglichen (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 63).

100

Dabei kann die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene rechtliche Bewertung des Sachverhalts naturgemäß nur vorläufig sein, und eine spätere Entscheidung der Kommission kann nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil die darin enthaltene endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau mit dieser vorläufigen Bewertung übereinstimmt. Denn die Kommission muss, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten zu wahren, diese anhören und ihre Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen berücksichtigen.

101

Im vorliegenden Fall besteht der einzige relevante Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung darin, dass die Kommission die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge in Randnummer 164 der Entscheidung als bloßes „Mittel zur Durchführung“ der ersten Zuwiderhandlung bewertete, während sie sich in Randnummer 144 der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die Feststellung beschränkt hatte, dass das „Ziel“ der Lieferverträge darin bestanden habe, den Heimatmarktstatus des britischen Marktes im Sinne der Grundregeln, also gegenüber den japanischen Herstellern — hinsichtlich deren sie auf Randnummer 63 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwies —, aufrechtzuerhalten. Zu Randnummer 147 der Entscheidung, die Mannesmann in diesem Kontext anführt, genügt der Hinweis, dass ihr Aussagegehalt dem der Randnummer 144 der Mitteilung der Beschwerdepunkte entspricht, denn die Kommission führt dort aus, „dass [Corus] und Vallourec ... vereinbart haben, dass sich [Corus] seine Glattendrohre bei [Mannesmann], Dalmine und Vallourec beschafft, um den britischen Markt gegenüber den japanischen Unternehmen weiterhin als ‚Heimatmarkt‘ausgeben zu können“.

102

In Randnummer 364 des Urteils des Gerichts vom heutigen Tage in den Rechtssachen T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00 (JFE Engineering u.a./Kommission, Slg. 2000, II-2501) ist festgestellt worden, dass die von der Kommission in der Entscheidung vertretene Auffassung insofern fehl geht, als die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge mehr als nur ein Ziel verfolgten. Aber selbst wenn sich insoweit zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung eine abweichende Beurteilung ausmachen lassen sollte, ist doch offenkundig, dass sich die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem der Auffassung der Kommission zugrunde liegenden Kerngedanken äußern konnten, wonach die europäischen Hersteller die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge geschlossen hatten, um die Geltung der Grundregeln auf dem Offshore-Markt des Vereinigten Königreichs zu festigen.

103

Demnach liegt insoweit keine Verletzung der Verteidigungsrechte vor. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

Zu dem Vorwurf eines Widerspruchs zwischen Artikel 1 und Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung

— Vorbringen der Parteien

104

Mannesmann hält die angefochtene Entscheidung für in sich widersprüchlich. So habe die Kommission darin angenommen, dass sich die Adressaten der angefochtenen Entscheidung im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs auf Regeln zum Schutz ihrer Heimatmärkte geeinigt hätten. Als einziges Beweismittel hierfür werde die Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung angeführt. Diese Tabelle zeige die Prozentanteile der nationalen Hersteller an den Lieferungen von nahtlosen OCTG-Rohren in den vom Europäisch-Japanischen Club betroffenen Ländern. Indessen habe sich Corus seit 1991 aus Deutschland, Frankreich und Italien beliefern lassen, so dass es irrig sei, anzunehmen, der Zugang zum britischen Markt wäre dem heimischen Hersteller vorbehalten gewesen.

105

Mannesmann beanstandet, dass die Kommission auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung in Form einer Absprache über einen Heimatmarktschutz (Artikel 1 der Entscheidung) aus Feststellungen über Lieferverträge mit Corus geschlossen habe, die ihrerseits die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung bilden sollten. Diese zweite Zuwiderhandlung gebe es aber nicht. Die von Corus mit Dalmine, Vallourec und Mannesmann geschlossenen Lieferverträge könnten nur dann tendenziell auf einen Schutz der Heimatmärkte hindeuten, wenn die Lieferungen einfach zusammengefasst würden. Da indessen die Lieferungen aus Drittländern, darunter Japan, immer noch rund 20 % des britischen Marktes ausgemacht hätten, könne ohnehin nicht von einem effektiven Schutz dieses Marktes gesprochen werden. Somit würden die Rechtsfehler, mit denen Artikel 2 der Entscheidung behaftet sei, auf Artikel 1 übertragen und machten diesen in gleicher Weise rechtsfehlerhaft.

106

Die Kommission weist diese Rügen zurück, da sie auf einem falschen Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruhten. Artikel 1 der Entscheidung stelle fest, dass bestimmte Unternehmen durch ihre Beteiligung an einer Übereinkunft, die u. a. den Schutz ihrer jeweiligen Heimatmärkte vorgesehen habe, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hätten. Artikel 2 wiederum mache Mannesmann dafür verantwortlich, dass sie entgegen Artikel 81 EG „im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung“ Verträge geschlossen habe, die zu einer Aufteilung der Glattendrohrlieferungen an Corus geführt hätten. Artikel 2 betreffe somit den Schutz des britischen Marktes nach dem Rückzug von Corus.

— Würdigung durch das Gericht

107

Das Vorbringen von Mannesmann im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes geht fehl und ist demgemäß zurückzuweisen, da es den grundlegenden Umstand außer Betracht lässt, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung den Markt für OCTG-Gewinderohre (sowie den Markt für projektbezogene Leitungsrohre) betrifft, während der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Verstoß den vorgelagerten Markt für OCTG-Glattendrohre zum Gegenstand hat.

108

Auch wenn laut Artikel 1 der Entscheidung in ihrer deutschen Fassung die dort festgestellte Zuwiderhandlung „nahtlose Standard-OCTG und [projektbezogene Leitungsrohre]“ betrifft, geht doch aus dem allgemeinen Zusammenhang der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die betroffenen OCTG-Rohre nur die OCTG-Standardgewinderohre sind. So wird insbesondere in der Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996, die in Randnummer 56 der Entscheidung als Quelle für die Definition des fraglichen Produktmarkts angegeben wird, der Anwendungsbereich der Zuwiderhandlung auf „Standardgewinderohre und [projektbezogene Leitungsrohre]“ begrenzt. Folglich hat die in dieser Randnummer enthaltene Bezugnahme die OCTG-Gewinderohre nach API-Norm, also OCTG-„Standard“gewinderohre, zum Gegenstand, nicht aber OCTG-Glattendrohre. Diese Auslegung der Reichweite von Artikel 1 der Entscheidung wird durch die drei anderen verbindlichen Sprachfassungen der Entscheidung bestätigt, die alle in Artikel 1 die ausdrückliche Klarstellung enthalten, dass es um OCTG-Standardgewinderohre geht. Weichen aber die verschiedenen Sprachfassungen eines Gemeinschaftstextes voneinander ab, so muss die fragliche Bestimmung nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97, EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I-1157, Randnr. 42); jedenfalls kann eine Sprachfassung nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben, wenn diese alle mit einer bestimmten Auslegung in Einklang stehen (Urteil des Gerichts vom 29. September 1999 in der Rechtssache T-68/97, Neumann und Neumann-Schölles/Kommission, Slg. ÖD 1999, I-A-193 und II-1005, Randnr. 80; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 15, und die dort zitierte Rechtsprechung). Umgekehrt betrifft Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung nach seinem Wortlaut ausschließlich „Glattendrohrlieferungen an [Corus] (ab 1994 Vallourec SA)“.

109

Der von Mannesmann gerügte Widerspruch besteht daher nicht.

110

In Wirklichkeit geht aus der angefochtenen Entscheidung als Ganzem hervor, dass der britische Markt für Gewinderohre, der von dem in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Verstoß betroffen war, ein „Heimat“-Markt im Sinne der Grundregeln blieb, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil Corus dort auch weiterhin OCTG-Rohre vermarktete, die sie sich zu diesem Zweck von den drei anderen europäischen Herstellern als Glattendrohre liefern ließ und sodann mit Gewinden versah. So wurde ein wesentlicher Teil des vorgelagerten britischen Marktes für Glattendrohre, der durch den Bedarf von Corus gebildet wurde, zumindest ab 1993 zwischen Vallourec, Dalmine und Mannesmann aufgeteilt. Daraus folgt, dass die beiden Verstöße nicht nur miteinander vereinbar waren, sondern sich überdies ergänzten.

111

Was das Vorbringen von Mannesmann speziell zum britischen Markt und insbesondere ihre Beurteilung der in Randnummer 68 der Entscheidung enthaltenen Tabelle anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass schon nach dem Wortlaut von Artikel 81 Absatz 1 EG in seiner Auslegung durch die ständige Rechtsprechung Vereinbarungen zwischen Unternehmen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 123). Im vorliegenden Fall stellte die Kommission tatsächlich in erster Linie auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Übereinkunft ab und führte, insbesondere in den Randnummern 62 bis 67 der Entscheidung, zahlreiche Urkundenbeweise an, die ihrer Auffassung nach sowohl das Vorliegen der Übereinkunft als auch ihren wettbewerbsbeschränkenden Zweck belegen.

112

Selbst wenn Mannesmann nachweisen könnte, dass die in der Tabelle genannten Zahlen die Ausführungen der Kommission zum wirksamen Schutz des britischen Marktes nicht hinreichend zu stützen vermögen, wäre dies somit für das Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung ohne Bedeutung.

113

Im Übrigen ist Randnummer 62 der Entscheidung, der insoweit die Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 zugrunde liegt, zu entnehmen, dass für den Offshore-Markt des Vereinigten Königreichs nur ein „Teilschutz“ galt. Der von Mannesmann angeführte Umstand, dass das Schutzniveau des britischen Marktes nach der Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung geringer war als das der anderen von der Marktaufteilungsabsprache betroffenen Heimatmärkte, entkräftet daher keineswegs die Beurteilung der Kommission.

114

Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zu dem Vorwurf, die Überlegungen der Kommission hinsichtlich der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung seien fehlerhaft

— Vorbringen der Parteien

115

In ihrer Erwiderung macht Mannesmann geltend, dass für die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zu der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung keine hinreichende Begründung gegeben worden sei. Erstens habe die Kommission die außer- und die innergemeinschaftlichen Aspekte der Grundregeln einheitlich behandelt. Sie habe dabei keinen Unterschied gemacht zwischen der Regelung für den Zugang der japanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt und der Regelung für den Zugang der Gemeinschaftshersteller zu ihrem jeweiligen Heimatmarkt. Zum Nachweis beider Aspekte berufe sich die Kommission auf dieselben Dokumente (Randnrn. 54, 63, 64, 66, 67 und 129 ff. der Entscheidung). Diese Dokumente bezögen sich indessen im Zusammenhang mit den Grundregeln nur auf das Außenverhältnis, also den Zugang der japanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt. Ihnen lasse sich hingegen nicht entnehmen, dass auch eine innergemeinschaftliche Abrede über den Schutz der nationalen Märkte getroffen worden sei.

116

In ihrer Erwiderung rügt Mannesmann zweitens, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Abrede über den Zugang zum Gemeinschaftsmarkt die in Artikel 81 Absatz 1 EG normierten Voraussetzungen einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes erfülle.

117

Ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt seien, habe die Kommission schon deshalb nicht feststellen können, weil sie den relevanten Markt nicht präzise abgegrenzt habe.

118

Außerdem hätten sich die von der Kommission beschriebenen Verabredungen mit den japanischen Unternehmen weder auf den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt noch auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar auswirken können. Mannesmann widerspricht den von der Kommission, insbesondere in den Anhängen 1 bis 4 der Entscheidung, verwendeten Daten. Sie macht geltend, dass die Gemeinschaftshersteller von nahtlosen Stahlrohren auf dem Weltmarkt dem wirksamen Wettbewerb durch Produzenten aus Drittländern ausgesetzt seien, was die Kommission im Übrigen in ihrer Entscheidung vom 3. Juni 1997 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Sache N IV/M.906 — Mannesmann/Vallourec) auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. C 238, S. 15) selbst anerkannt habe. In Randnummer 103 der Entscheidung habe die Kommission auch eingeräumt, dass sie das Bestehen einer beschränkenden Wirkung auf die Preise und das Angebot innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht habe belegen können.

119

Berücksichtige man die Merkmale des fraglichen Marktes, so hätten die von der Entscheidung betroffenen Unternehmen eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG gar nicht bezwecken können.

120

Die Kommission trägt vor, dass es sich bei dem Vorbringen von Mannesmann zur Definition des relevanten Marktes und zu den für Artikel 81 Absatz 1 EG geltenden Anwendungsvoraussetzungen einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten um neue Klagegründe handele. Sie seien sämtlich nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig.

121

Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass diese Klagegründe auch unbegründet seien. Die Definition des relevanten Marktes sei, wie aus den Randnummern 29 ff. der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, die gleiche wie in der genannten Entscheidung Mannesmann/Vallourec.

122

Der Entscheidung sei klar zu entnehmen, dass sich die Absprache auch auf den Schutz der Heimatmärkte jedes der vier beteiligten Gemeinschaftshersteller erstreckt habe (Randnrn. 62, 54, 66, 64 und 69 der Entscheidung). Die Absprache sei daher ihrem Ziel nach geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Wie in Randnummer 102 der Entscheidung festgestellt, lägen die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 81 Absatz 1 EG damit vor.

123

Auch die Auswirkungen der genannten Absprache auf den innergemeinschaftlichen Handel seien offenkundig, da jeder der europäischen Hersteller auf seinem Heimatmarkt eine beherrschende Stellung innegehabt habe (vgl. die Tabelle in Randnr. 68 der Entscheidung). Jedenfalls sei angesichts des in der vorstehenden Randnummer genannten Zweckes der Absprache eine Analyse ihrer Auswirkungen nicht erforderlich gewesen (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 128, und vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 22).

124

Zur Frage, ob die Auswirkungen des Abkommens auf den innergemeinschaftlichen Handel spürbar gewesen seien, sei darauf hinzuweisen, dass die Verkäufe der beteiligten Gemeinschaftshersteller auf dem deutschen, britischen, französischen und italienischen Markt etwa 15 % des Gesamtverbrauchs an OCTG-Rohren und Leitungsrohren in der Gemeinschaft ausgemacht hätten (Randnr. 106 der Entscheidung). Angesichts der Marktanteile dieser Gemeinschaftshersteller liege es auf der Hand, dass eine Absprache über die Respektierung des deutschen, britischen, französischen und italienischen Marktes den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtige. Dass die Absprache im Rahmen des Weltmarkts nur einen geringen Prozentsatz der betroffenen Produkte erfasst habe, sei insoweit ohne Bedeutung.

— Würdigung durch das Gericht

125

Die vorstehend zusammengefassten Rügen der Klägerin sind nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung eine spürbare Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hatte.

126

Denn mit dieser erstmals in ihrer Erwiderung vorgetragenen Argumentation wirft Mannesmann der Kommission einen Rechts- oder Beurteilungsfehler hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 81 Absatz 1 EG vor, nicht aber, wie sie dazu in Randnummer 26 ihrer Erwiderung behauptet, einen Begründungsmangel. Materiellrechtliche Klagegründe sind, anders als Rügen von Begründungsmängeln, nicht zwingenden Rechts und daher vom Gemeinschaftsrichter nicht von Amts wegen zu prüfen (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 67).

127

In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis zweckmäßig, dass das Gericht ein dieser Argumentation der Klägerin vergleichbares Vorbringen in mehreren mit der vorliegenden Rechtssache zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbundenen Rechtssachen als unbegründet zurückgewiesen hat (Urteile des Gerichts vom heutigen Tage in der Rechtssache T-50/00, Dalmine/Kommission, Slg. 2000, II-2395, insbesondere Randnrn. 156 und 157, und in den Rechtssachen JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, insbesondere Randnrn. 337 und 367 bis 395).

128

Das Vorbringen zum Fehlen einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung, das ebenfalls die Sache selbst und nicht die Begründung betrifft, ist zulässig, soweit es das bereits in der Klageschrift formulierte Vorbringen unterstützt, wonach die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Übereinkunft eine wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG gehabt habe.

129

In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall hauptsächlich auf den wettbewerbswidrigen Zweck der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Absprache stützte (vgl. oben, Randnr. 111).

130

Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, können sich der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe.

131

Da nämlich die in Artikel 1 der Entscheidung geahndete Vereinbarung auf eine Aufteilung der Märkte unter den Mitgliedern des Europäisch-Japanischen Clubs abzielte, ergab sie nur Sinn, wenn mit ihr bezweckt wurde, den Wettbewerb in messbarer, also den Beteiligten kommerziell nutzbringender Weise zu beschränken. Die Kommission hat jedoch rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass diese Vereinbarung tatsächlich existierte.

132

Das Vorbringen von Mannesmann, die Kommission habe den betroffenen Markt nicht präzise abgegrenzt, ist daher unbeachtlich. Denn die Kommission ist zur Abgrenzung des Marktes in einer nach Artikel 81 EG erlassenen Entscheidung nur verpflichtet, wenn ohne diese Abgrenzung nicht festgestellt werden kann, ob die fragliche Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte und ob sie eine Ausschaltung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirkte (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94,T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnrn. 93 bis 95 und 105). Grundsätzlich brauchen daher, wenn der mit einer Vereinbarung verfolgte Zweck selbst in einer Beschränkung des Wettbewerbs durch eine „Marktaufteilung“ besteht, die betroffenen räumlichen Märkte nicht präzise definiert zu werden, da der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb in den betroffenen räumlichen Gebieten zwangsläufig beschränkt wurde, gleichviel ob diese Gebiete „Märkte“ im strengen Sinne sind oder nicht.

133

Selbst wenn Mannesmann somit der Nachweis gelänge, dass die Kommission den Markt, der von der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung betroffen war, in der Entscheidung nur unzureichend oder fehlerhaft abgegrenzt hat, könnte dies auf das Vorliegen der Zuwiderhandlung keine Auswirkung haben.

134

Demnach sind die oben zusammengefassten Rügen in der Sache zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte.

Zum Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

Vorbringen der Parteien

135

Nach Auffassung von Mannesmann beruht die Feststellung der Kommission, dass die Lieferverträge zwischen Corus als Abnehmerin und Vallourec, Dalmine und Mannesmann der Umsetzung einer gemeinsamen Handelsstrategie gedient und gegen Artikel 81 EG Absatz 1 verstoßen hätten, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler.

136

Erstens beträfen die Ausführungen, mit denen das Vorliegen der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 2 der Entscheidung dargelegt werden solle, ausschließlich Vallourec und Corus (vgl. Randnrn. 78, 91, 110, 146 und 152 der Entscheidung). Die Kommission habe die Beteiligung von Mannesmann an der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs geschlossenen Übereinkunft keineswegs nachgewiesen. Da sich die Beanstandungen der Kommission ausschließlich auf die von Corus mit Dritten geschlossenen Verträge bezögen, könne sich Mannesmann dagegen schwerlich sachgerecht verteidigen. Mannesmann ersucht daher das Gericht, im Wege prozessierender Maßnahmen

der Beklagten aufzugeben, diejenigen Dokumente aus dem Vortrag von Corus in der Rechtssache T-48/00 vorzulegen, die den Sachverhalt betreffen, der der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung zugrunde liegt;

ihr selbst Akteneinsicht in diese Unterlagen zu gewähren, soweit sie nicht vertraulich sind, und ihr eine ergänzende Stellungnahme dazu zu ermöglichen.

137

Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Die Beteiligung von Mannesmann an der in Artikel 2 festgestellten Zuwiderhandlung sei in den Randnummern 146 bis 155 der Entscheidung ordnungsgemäß nachgewiesen worden.

138

Mannesmann bestreitet zweitens, dass die von Corus geschlossenen Lieferverträge über nahtlose Rohre im Rahmen eines Kartells zu sehen seien. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte Corus nicht zwei weitere Jahre bis zum Vertragsschluss mit Mannesmann gewartet. In Wirklichkeit sei jeder der Verträge individuell ausgehandelt worden. Die Ähnlichkeiten der Verträge seien einfach dadurch zu erklären, dass Corus diese von ihr geschlossenen Verträge habe vereinheitlichen wollen.

139

Für den Abschluss der Verträge habe es objektive und legitime Gründe gegeben. Corus habe mit Vallourec einen Liefervertrag geschlossen, weil diese die Rechte an der VAM-Gewindeschneidetechnik besessen habe, die für den Zugang zum britischen Markt für OCTG-Premiumrohre unerlässlich gewesen sei. Es sei daran zu erinnern, dass in den patentrechtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Mannesmann und Vallourec wegen der Rechte an den VAM-Sonderverbindungen verschiedene Urteile zugunsten von Vallourec ergangen seien, in deren Konsequenz sie Mannesmann Marktanteile habe abnehmen können. Anstatt sich vom britischen Offshore-Markt zurückzuziehen, habe Mannesmann daraufhin entschieden, sich vorzugsweise dem Verkauf von Glattendrohren zu widmen, die ihre Kunden sodann mit Gewinden hätten versehen können. Vallourec wäre auch gar nicht in der Lage gewesen, die gesamte Nachfrage von Corus zu befriedigen. Dies sei der Hintergrund, vor dem Mannesmann Glattendrohre an Corus geliefert habe.

140

Schließlich sei zu bedenken, dass die fraglichen Lieferverträge nur Rohre mit einem Durchmesser von mehr als 5% Zoll betroffen hätten. Vallourec, Dalmine und Mannesmann seien die einzigen Unternehmen in der Gemeinschaft, die solche Rohre herstellen könnten. Durch die Inanspruchnahme dieser drei Unternehmen und die damit verbundene Diversifikation ihrer Bezugsquellen habe Corus sich gegen die Risiken von Preiserhöhungen absichern können. Die Kommission könne Corus nicht vorwerfen, dass sie versucht habe, so ihren Gewinn aus dem Verkauf der Endprodukte zu maximieren.

141

Die Kommission tritt dieser Auslegung entgegen. Der wahre Zweck der Lieferverträge sei die Umsetzung der im Europäisch-Japanischen Club vereinbarten Grundregeln über den Heimatmarktschutz gewesen (Randnr. 146 der Entscheidung).

142

Die 1993 verlängerten Lieferverträge seien damit Teil einer gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßenden Übereinkunft gewesen. Sie hätten eine Aufteilung der Belieferung von Corus durch Vallourec, Dalmine und Mannesmann zu Anteilen von jeweils 40 %, 30 % und 30 % vorgesehen. Obwohl Corus diese Verträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen habe, stellten sie eine einzige Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG dar. Die Beteiligung von Mannesmann an einer Übereinkunft über nahtlose Rohre sei rechtlich hinreichend nachgewiesen, welche Bedeutung auch immer der VAM-Verbindungstechnik zukomme.

143

Überdies habe Corus am Abschluss der Verträge keinerlei legitimes Interesse gehabt. Da es ein Überangebot an nahtlosen Rohren gegeben habe, habe Corus weder Belieferungsschwierigkeiten noch erhöhte Preise zu befürchten brauchen. Zum Argument von Mannesmann, man könne Corus nicht ihr Interesse an der Maximierung ihres Gewinns aus dem Endproduktverkauf vorwerfen, weist die Kommission erneut darauf hin, dass sich die Strategie von Corus in den Rahmen eines rechtswidrigen Kartells eingefügt habe.

144

Mannesmann macht drittens geltend, die Lieferverträge mit Corus hätten nicht gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen. Die Lieferungen an Corus lägen weit unter den Schwellen, ab denen die Kommission im Fall von vertikalen Vereinbarungen im Allgemeinen tätig werde. Beispielsweise seien nach der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21) nur solche Verpflichtungen als „Wettbewerbsverbote“ zu bewerten, bei denen sich der Käufer verpflichte, mehr als 80 % seiner jährlichen Einkäufe von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen. Werde diese Schwelle nicht erreicht, so seien die Vereinbarungen rechtmäßig.

145

Durch die Versorgungsweise von Corus sei der Wettbewerb nicht eingeschränkt worden. Da es keinerlei Alleinbezug gegeben habe, sei der Wettbewerb durch den Entschluss von Corus, jedem ihrer drei Lieferanten eine bestimmte Quote ihres gesamten Jahreseinkaufs zuzuweisen, nicht verfälscht worden. Bei nahtlosen Stahlrohren habe es ein Überangebot gegeben, und der Bedarf von Corus sei vorhersehbar gewesen. Unter diesen Umständen habe Corus ihren Lieferanten vernünftigerweise eine bestimmte Einkaufsquote zuordnen können, anstatt in den Lieferverträgen die erforderlichen Warenmengen festzusetzen.

146

Die Produktpreise seien zudem individuell ausgehandelt, dann aber einem der Marktentwicklung folgenden Preisanpassungsmechanismus unterworfen worden. Solche Anpassungsklauseln seien in langfristigen Verträgen gängig und wegen der in der Stahlrohrbranche auftretenden Preisfluktuationen auch gerechtfertigt. Die Verträge hätten keinerlei Austausch von vertraulichen Informationen eingeschlossen. Corus habe ihr lediglich die Ergebnisse der nach der vereinbarten Formel vorgenommenen Korrekturrechnungen mitgeteilt. Aus der Entscheidungspraxis der Kommission gehe im Übrigen hervor, dass sie in solchen Klauseln niemals einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG gesehen habe.

147

Unter den übrigen vertraglichen Abreden habe die Kommission der Vertragsstrafenregelung besondere Bedeutung zugemessen, obwohl diese wettbewerbsrechtlich irrelevant sei. Die mangelnde Schärfe der Vertragsstrafenregelung sei dadurch zu erklären, dass sich Corus einer Situation des Überangebots auf dem Markt gegenüber gesehen habe, was ihr eine problemlose Versorgung gesichert habe.

148

Schließlich trägt Mannesmann in ihrer Erwiderung vor, dass die beiden für Artikel 81 Absatz 1 EG geltenden Anwendungsvoraussetzungen einer spürbaren Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels und einer Beschränkung des Wettbewerbs im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien. Nach der Begründung der Entscheidung (Randnr. 147) sei mit den in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträgen bezweckt worden, den Zugang der japanischen Hersteller zum britischen Markt zu beschränken. Eine solche Absprache beeinträchtigte zwar den Handel zwischen der Gemeinschaft und Japan, bliebe aber folgenlos für den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes.

149

Jedenfalls seien die Auswirkungen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträge angesichts des Umfangs des Handels zwischen Japan und der Gemeinschaft zu vernachlässigen. Die Kommission habe den fraglichen Markt insoweit nicht hinreichend analysiert. So mache der britische Markt nur etwa 2,5 % des weltweiten Verbrauchs an OCTG-Rohren einschließlich Glattendrohren aus, wobei der Anteil der Glattendrohre nur etwa 16 % aller OCTG-Rohre betrage (Anhang 2 der Entscheidung). Die angebliche Vereinbarung liege damit deutlich unter den Schwellen gemäß Randnummer 9 der Bekanntmachung 97/C 372/04 der Kommission von 1997 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel [81 Absatz 1 EG] fallen (ABl. 1997, C 372, S. 13, im Folgenden: Bekanntmachung von 1997).

150

Die Kommission weist dieses Vorbringen als wenig glaubhaft zurück. Die fraglichen Lieferverträge hätten Vallourec, Dalmine und Mannesmann einen festen Anteil an den Lieferungen von Glattendrohren an Corus unabhängig von den tatsächlichen Liefermengen garantiert. Vallourec, Dalmine und Mannesmann hätten damit keinerlei Interesse an einem Preiswettbewerb bei nahtlosen Glattendrohren im Vereinigten Königreich gehabt.

151

Die Verordnung Nr. 2790/99 sei hier nicht anwendbar. Die Kommission habe die Vertragsstrafenregelung lediglich untersucht, um festzustellen, ob die Länge der Lieferfristen den Entschluss von Corus, sich allein bei Gemeinschaftsunternehmen einzudecken, objektiv rechtfertigen könnte. Sie sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klausel über die Lieferfristen nur eingefügt worden sei, um die japanischen Hersteller fernzuhalten.

152

Die Kommission macht schließlich geltend, dass die von Mannesmann angeführten Klagegründe des Fehlens einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten wegen Verspätung unzulässig seien. Ebenfalls erstmals in ihrer Erwiderung habe Mannesmann gerügt, dass Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung wegen der Bekanntmachung von 1997 rechtswidrig sei. In beiden Fällen handele es sich um neue Klagegründe, die nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig seien.

153

Hilfsweise weist die Kommission diese Klagegründe auch als unbegründet zurück.

154

Zur Anwendbarkeit der Bekanntmachung von 1997 führt sie aus, angesichts des der Festsetzung der Geldbußen zugrunde liegenden Bezugszeitraums von 1990 bis 1995 sei richtigerweise auf die Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel [81 Absatz 1 EG] fallen (ABl. 1986, C 231, S. 2), abzustellen. Die in dieser Bekanntmachung genannte Marktanteilsgrenze von 5 % beziehe sich aber nicht auf den Weltmarkt, sondern eindeutig auf den relevanten räumlichen Markt innerhalb der Gemeinschaft. Hier hätten die fraglichen Lieferverträge 78 % bis 84 % des Verbrauchs auf dem britischen Markt und 13 % bis 24 % des Verbrauchs auf dem Gemeinschaftsmarkt ausgemacht. Die Umsätze der betroffenen Unternehmen lägen weit über der in der genannten Bekanntmachung festgesetzten Schwelle von 200 Millionen Euro. Im Übrigen seien im vorliegenden Fall auch die Schwellen der Bekanntmachung von 1997, die Mannesmann für anwendbar halte, offenkundig überschritten.

155

Die Kommission ist schließlich der Auffassung, dass eine etwaige Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung auf die Höhe der Mannesmann auferlegten Geldbuße ohne Auswirkung wäre, da die in diesem Artikel festgestellte Zuwiderhandlung als solche nicht geahndet worden sei.

Würdigung durch das Gericht

156

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der von Mannesmann gestellte Antrag, die Kommission möge in der vorliegenden Rechtssache die von Corus in der Rechtssache T-48/00 eingereichten Schriftstücke vorlegen, gegenstandslos geworden ist, da die sieben die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung betreffenden Rechtssachen, darunter die vorliegende Rechtssache und die Rechtssache T-48/00, zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, so dass alle Klägerinnen alle in den jeweils anderen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze und Anlagen, soweit diese nicht vertraulich behandelt wurden, bei der Kanzlei des Gerichts einsehen konnten. Mannesmann hatte damit Zugang zu allen fraglichen Unterlagen und konnte zu deren Inhalt, soweit sie es wünschte, in der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen. Ihrem weiteren Antrag, ihr hierfür die Einreichung eines neuen Schriftsatzes zu gestatten, ist daher nicht stattzugeben.

157

Den Zweck und die Wirkungen der drei Lieferverträge hat die Kommission in Randnummer 111 der Entscheidung wie folgt beschrieben:

„Gegenstand dieser Verträge war die Versorgung des Marktführers für OCTG im Nordseeraum mit Glattendrohren, um im Vereinigten Königreich einen heimischen Hersteller zu bewahren und so die Einhaltung der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vereinbarten ‚[Grundregeln]‘ erreichen zu können. Diese Verträge bewirkten, dass sich [Mannesmann], Vallourec und Dalmine die Deckung des Glattendrohrbedarfs ihres Konkurrenten [Corus] (Vallourec von Februar 1994 an) teilten. Des Weiteren erfolgte eine Anbindung der Glattendrohrpreise an die [Corus]-Verkaufspreise für Gewinderohre. Die Verträge schränkten auch die Lieferfreiheit von [Corus] (Vallourec ab Februar 1994) ein, da [Corus] sich verpflichten musste, seine Konkurrenten über Verkaufspreise und Absatzmengen zu informieren. [Mannesmann], Vallourec (bis Februar 1994) und Dalmine verpflichteten sich ihrerseits zur Belieferung eines Konkurrenten ([Corus] bzw. ab März 1994 Vallourec), ohne im Voraus den genauen Bedarf zu kennen.“

158

Der Wortlaut der dem Gericht vorgelegten Lieferverträge, darunter der Vertrag zwischen Mannesmann und Corus vom 9. August 1993, bestätigt im Wesentlichen die Tatsachenfeststellungen, die in Randnummer 111 der Entscheidung und in deren Randnummern 78 bis 82 und 153 getroffen wurden. Zusammen teilten diese Verträge zumindest ab dem 9. August 1993 den Bedarf von Corus an Glattendrohren unter den drei anderen europäischen Herstellern auf (40 % für Vallourec, 30 % für Dalmine und 30 % für Mannesmann). Außerdem ist in jedem der drei Verträge vorgesehen, dass der von Corus für die Glattendrohre zu zahlende Preis nach einer mathematischen Formel berechnet wird, die auf den Preis abstellt, den Corus für ihre mit Gewinden versehenen Rohre erzielt.

159

Wie aus diesen Feststellungen folgt, bezweckten die Lieferverträge und/oder bewirkten jedenfalls, an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs eine ausgehandelte Aufteilung des auf dem britischen Markt erzielbaren Gewinns aus dem Verkauf von Gewinderohren treten zu lassen (vgl. analog zu abgestimmten Verhaltensweisen Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 3150).

160

Mit jedem der Lieferverträge band Corus ihre drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten in der Weise, dass für den Preis der Aufgabe ihrer Einkaufsfreiheit jeder wirksame Wettbewerb in ihrem Heimatmarkt und auch die Perspektive eines solchen Wettbewerbs durch diese Konkurrenten verschwand. Denn für diese drei Wettbewerber minderten sich die Verkäufe von Glattendrohren, wenn die Gewinderohrverkäufe durch Corus schrumpften. Auch die Gewinnspanne der Glattendrohrverkäufe, zu denen sich diese drei Lieferanten verpflichtet hatten, minderte sich, soweit die von Corus für ihre Gewinderohre erzielten Preise sanken, und konnte sogar in Verlust umschlagen. Unter diesen Umständen erschien es praktisch undenkbar, dass es diese drei Hersteller anstreben konnten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen wirksamen Wettbewerb, besonders hinsichtlich der Preise, zu liefern (vgl. Randnr. 153 der Entscheidung).

161

Umgekehrt sicherten sich die drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten von Corus mit dem Abschluss der Verträge mittelbar einen Anteil am Heimatmarkt von Corus und an den sich daraus ergebenden Gewinnen. Für diese Vorteile verzichteten sie faktisch auf die Möglichkeit, auf dem britischen Markt Gewinderohre zu verkaufen, und zumindest ab der Unterzeichnung des dritten Vertrages am 9. August 1993, mit dem die verbleibenden 30 % Mannesmann zugeschlagen wurden, auch auf die Möglichkeit, Corus einen höheren Anteil an den von dieser gekauften Glattendrohren zu liefern als die ihnen von vornherein zuerkannte Quote.

162

Darüber hinaus gingen die Wettbewerber von Corus die kostspielige und daher geschäftlich anormale Verpflichtung ein, Corus bestimmte Mengen an Rohren zu liefern, die im Voraus allein durch eine Koppelung an die von Corus ausgeführten Verkäufe von Gewinderohren festgelegt waren. Diese Verpflichtung verstärkte die zwischen diesen Herstellern und Corus bestehende rechtswidrige wechselseitige Abhängigkeit, da erstere als vertraglich gebundene Lieferanten von der durch Corus verfolgten Geschäftspolitik abhängig waren.

163

Es ist festzustellen, dass die drei außerbritischen europäischen Hersteller, hätten die Lieferverträge nicht existiert, normalerweise — lässt man die Grundregeln außer Betracht — ein tatsächliches oder zumindest potenzielles geschäftliches Interesse daran gehabt hätten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen echten Wettbewerb zu liefern und untereinander bei der Belieferung von Corus mit Glattendrohren zu konkurrieren.

164

In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass jeder der drei Lieferverträge für eine ursprüngliche Laufzeit von fünf Jahren geschlossen war. Diese verhältnismäßig lange Laufzeit bestätigt und verstärkt den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verträge, vor allem soweit Mannesmann und die beiden anderen Lieferanten von Corus faktisch darauf verzichteten, ein etwaiges Wachstum des britischen Marktes für Gewinderohre während dieser Zeit unmittelbar zu nutzen.

165

Zu dem speziellen Argument von Mannesmann, die in den Verträgen enthaltene Preisformel sei eine bloße Preisgleitklausel, ist festzustellen, dass die Kommission diese Vertragsklausel deshalb als wettbewerbswidrig wertete, weil sie den von Corus an jeden ihrer Lieferanten gezahlten Preis für Glattendrohre an den von Corus ihrerseits für Gewinderohre erzielten Preis koppelte, und zwar für alle drei Lieferanten in gleicher Weise. Selbst wenn die Ausgangspreise für die Lieferung von Glattendrohren wirklich zwischen Corus und jedem ihrer drei Lieferanten unabhängig voneinander ausgehandelt worden sein sollten, wurde das sich in diesen Preisen widerspiegelnde geschäftliche Kräfteverhältnis zwischen Corus einerseits und jedem dieser Unternehmen andererseits eingefroren und jede Möglichkeit eines Wettbewerbs bei den Preisen der von Corus gekauften Glattendrohre ausgeschaltet. Dass als Index der von Corus erzielte Preis für Gewinderohre vereinbart wurde, ist keine neutrale Wahl und unterscheidet die fragliche Preisformel ganz erheblich von einer üblichen Preisgleitklausel. Wie oben in Randnummer 160 erwähnt, wirkte sich diese Index-Wahl dahin aus, dass die drei Lieferanten, die auch selbst Gewinderohre herstellten, ihr geschäftliches Interesse an einem Preiswettbewerb mit Corus auf dem Markt des Vereinigten Königreichs verloren.

166

Im Übrigen implizierte die in allen drei Lieferverträgen festgelegte Formel für die Berechnung der Preise für Glattendrohre, wie die Kommission hervorhebt, einen rechtswidrigen Austausch von geschäftlichen Informationen (vgl. Randnr. 153 der Entscheidung sowie auch deren Randnr. 111), die vertraulich bleiben müssen, um die Selbständigkeit der Geschäftspolitik der konkurrierenden Unternehmen nicht zu gefährden (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999 in den Rechtssachen T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-347, Randnr. 403, und T-151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II-629, Randnrn. 383 ff.).

167

Das Vorbringen von Mannesmann, ihr seien keine vertraulichen Informationen über die von Corus verkauften Rohrmengen und die dafür von deren Kunden gezahlten Preise offenbart worden, ist nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten.

168

Die von Corus verkauften Mengen von Gewinderohren konnten ihre Lieferanten, darunter Mannesmann, leicht errechnen, da jeder von ihnen grundsätzlich einen festen Prozentanteil am Bedarf von Corus lieferte.

169

Zwar trifft der von Mannesmann geäußerte Hinweis zu, dass Corus ihren Vertragspartnern die für ihre Gewinderohre erzielten Preise als solche nicht mitteilte. Folglich wird die Reichweite der insoweit bestehenden vertraglichen Verpflichtungen übertrieben, wenn es in Randnummer 111 der Entscheidung heißt, Corus habe „sich verpflichten [müssen], [ihre] Konkurrenten über Verkaufspreise ... zu informieren“. Jedoch hat die Kommission in Randnummer 153 der Entscheidung und vor Gericht zu Recht betont, dass diese Preise zu dem Preis, der für die Glattendrohre gezahlt wurde, in einem bestimmten mathematischen Verhältnis standen, so dass die drei Lieferanten über die Richtung, den Zeitpunkt und den Umfang jeder Fluktuation der von Corus erzielten Verkaufspreise für Gewinderohre genaue Daten erlangten.

170

Die Übermittlung dieser Informationen an Konkurrenten verstößt gegen Artikel 81 Absatz 1 EG, wobei es sich, gleichviel ob die Preise für Gewinderohre selbst oder nur Daten über ihre Fluktuation mitgeteilt wurden, im Wesentlichen um einen Verstoß der gleichen Art handelt. Demnach ist die in der vorstehenden Randnummer genannte Ungenauigkeit im größeren Kontext der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung unbedeutend und damit ohne Einfluss auf die Feststellung, dass diese Zuwiderhandlung vorlag.

171

Zu dem auf die Verordnung Nr. 2790/1999 gestützten Vorbringen von Mannesmann ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar ist, da die angefochtene Entscheidung am 8. Dezember 1999 erlassen wurde und sich ihr Artikel 2 im Fall von Mannesmann auf den Zeitraum von 1993 bis 1997 bezieht, also die Zeit vor Inkrafttreten der einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 2790/1999 zum 1. Juni 2000.

172

Sollte diese Verordnung im vorliegenden Fall dennoch als Anhaltspunkt herangezogen werden können, weil sie eine Stellungnahme der Kommission vom Dezember 1999 zum nur wenig wettbewerbsschädigenden Charakter vertikaler Vereinbarungen bildet, ist zu berücksichtigen, dass mit dieser Verordnung Artikel 81 Absatz 3 EG angewandt wurde. Die individuelle Freistellung für Vereinbarungen zwischen Unternehmen nach dieser Bestimmung ist aber, wie sich aus Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 ergibt, nur möglich, wenn die Vereinbarungen dafür bei der Kommission angemeldet wurden, was hier nicht geschehen ist.

173

Die Rechtmäßigkeit der fraglichen Verträge ist daher allein nach Artikel 81 Absatz 1 EG zu beurteilen. Selbst wenn die Verträge im Licht der von der Kommission verfolgten Politik, wie sie in der Verordnung Nr. 2790/1999 zum Ausdruck kommt, die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Freistellungen nach Artikel 81 Absatz 3 EG erfüllten, wäre dies somit im vorliegenden Fall unbeachtlich. Dass diese Verordnung im Dezember 1999 erlassen wurde, bestätigt vielmehr, dass solche Vereinbarungen nach Auffassung der Kommission grundsätzlich gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstießen, weil sie eine Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG verlangten. Das Vorbringen von Mannesmann zur Verordnung Nr. 2790/1999 ist daher zurückzuweisen.

174

Da die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung überdies in Beschränkungen des Wettbewerbs besteht, die in den Lieferverträgen selbst enthalten sind, genügen die vorstehenden Erwägungen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung festzustellen.

175

Denn ungeachtet der Frage, bis zu welchem Grad sich die vier europäischen Hersteller tatsächlich untereinander abstimmten, hat doch jeder von ihnen einen der Lieferverträge geschlossen, mit denen der Wettbewerb beschränkt wurde und die die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG ausmachten. Wenn es in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung auch heißt, dass die Lieferverträge „im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung ... abgeschlossen“ wurden, geht doch aus Randnummer 111 der Entscheidung klar hervor, dass der Abschluss dieser Verträge selbst die in Artikel 2 festgestellte Zuwiderhandlung bildete.

176

Selbst wenn Mannesmann der Nachweis gelungen wäre, dass ihr Liefervertrag mit Corus objektiv mit ihren geschäftlichen Interessen im Einklang stand, würde hierdurch keineswegs die Auffassung der Kommission widerlegt, dass diese Vereinbarung rechtswidrig war. Wettbewerbswidrige Praktiken liegen nämlich, zumindest kurzfristig, sehr häufig im individuellen Geschäftsinteresse von Unternehmen.

177

Angesichts dieser Feststellungen braucht nicht über die zwischen den Parteien bestehende Meinungsverschiedenheit über die Bedeutung der in den Verträgen für Lieferungsausfälle vorgesehenen Vertragsstrafe, eine bloße entsprechende Reduzierung des Anteils des betreffenden Lieferanten, entschieden zu werden, denn mit diesem Vorbringen möchte Mannesmann dartun, dass Corus mit dem Abschluss der drei Lieferverträge, so wie sie gefasst waren, nur geschäftlich folgerichtig handelte. Aus demselben Grund ist auch das weitere Vorbringen unbeachtlich, dass Vallourec, Dalmine und Mannesmann die einzigen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen gewesen seien, die Rohre mit diesen Abmessungen hätten herstellen können.

178

Ebenso bezieht sich das Vorbringen von Mannesmann zu der Marktmacht von Vallourec wegen ihres Patentes für die „VAM“-Premiumverbindung auf dem Markt für Gewinderohre im Wesentlichen auf das geschäftliche Interesse der Klägerin am Abschluss eines Liefervertrags für Glattendrohre mit Corus und ist deshalb gleichfalls unbeachtlich. Dieses Vorbringen wäre allenfalls geeignet, die Ausführungen der Kommission zur Ausschaltung eines echten Wettbewerbs seitens der Klägerin auf dem britischen Gewinderohrmarkt etwas zu relativieren, aber es könnte nicht ihre zentrale Feststellung entkräften, dass die Vertragsparteien der Lieferverträge auf den britischen Märkten für Glättend- und Gewinderohre an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs eine Zusammenarbeit, also geschäftliche Sicherheit, treten ließen.

179

Da das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen ist, besteht auch keine strikte Notwendigkeit, die Erwägungen der Kommission zur Abstimmung unter den vier europäischen Herstellern zu prüfen (vgl. oben, Randnr. 171). Insbesondere braucht hierfür nicht das Vorbringen von Mannesmann zu jenem Indizienbündel analysiert zu werden, das die Kommission außer den Lieferverträgen selbst zum Beweis dieser Abstimmung anführt.

180

Da indessen der Grad der Abstimmung, die zwischen den vier Gemeinschaftsherstellern hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung bestand, für die Prüfung anderer im vorliegenden Fall vorgetragener Klagegründe relevant ist, ist diese Frage gleichwohl zu prüfen.

181

Dazu ist festzustellen, dass Verhaltensweisen, die zu einem Gesamtplan gehören, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde, als Bestandteile einer einzigen Vereinbarung angesehen werden können (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 4027). Denn beweist die Kommission, dass ein Unternehmen mit seiner Beteiligung an bestimmten Abmachungen wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass es sich damit an einer einzigen Vereinbarung beteiligte, so kann seine Beteiligung an diesen Abmachungen der Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein (in diesem Sinne Urteil Zement, Randnrn. 4068 und 4109).

182

In dieser Hinsicht ist der Vermerk „Überlegungen zum VAM-Vertrag“ vom 23. März 1990 besonders aussagekräftig. Unter der Überschrift „Szenario II“ erwähnt Herr Verluca dort die Möglichkeit, dass „die Japaner dazu gebracht werden können, ... sich vom britischen Markt fern [zu] halten und den Europäern [zu] gestatten, das Problem unter sich zu regeln“. Er führt dazu weiter aus: „In diesem Fall würden sich [Mannesmann], [Vallourec] und Dalmine die Glattendrohrlieferungen an [Corus] teilen“. Im folgenden Absatz erwähnt er, dass es „[d]ann ... wahrscheinlich günstig [wäre], die [Vallourec]-Lieferungen an den Preis und die Menge der von [Corus] verkauften VAM zu koppeln“.

183

Da dieser Vorschlag den wesentlichen Inhalt des 16 Monate später zwischen Vallourec und Corus geschlossenen Vertrages exakt widerspiegelt, ist eindeutig, dass Vallourec diese Strategie tatsächlich wählte und sie mit dem Vertragsschluss umsetzte.

184

Dass anschließend ein praktisch identischer Vertrag zwischen Corus einerseits und jedem der anderen europäischen Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs andererseits, also erst Dalmine und später Mannesmann, geschlossen wurde, so dass der Bedarf von Corus an Glattendrohren, genau wie es Herr Verluca ins Auge gefasst hatte, effektiv ab August 1993 zwischen den drei anderen Mitgliedern des Europäisch-Japanischen Clubs aufgeteilt wurde, bestätigt überdies, dass diese drei Verträge zu dem Zweck geschlossen wurden, die im Rahmen ihrer Abstimmung im Europäisch-Japanischen Club vorgeschlagene Strategie zu verfolgen.

185

Dieser Schluss wird weiter gestützt durch die Beweismittel, die die Kommission in der Entscheidung anführt, so insbesondere in Randnummer 91, wo es heißt:

„Am 21. Januar 1993 schickte [Corus] Vallourec ein Diskussionspapier (S. 4628 [der Kommissionsakte, d.h. Seite 1 des Dokuments ‚Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren‘]) zu der Frage, wie der Produktionsbereich ‚nahtlose Rohre‘im Interesse aller umstrukturiert werden könnte. Es ist wahrscheinlich, dass auch [Mannesmann] und Dalmine dieses Papier erhielten. In besagtem Dokument, das auf einer Sitzung zwischen Mannes-mann/Vallourec/Dalmine/[Corus] am 29. Januar 1993 diskutiert werden sollte, heißt es: ‚[Corus] [hat angekündigt, dass es die Produktion nahtloser Rohre eventuell einstellen will. Dabei will [Corus] jedoch planvoll vorgehen, damit keine Unterbrechungen bei der Belieferung der Kunden entstehen und das Auftragsvolumen auch unter dem neuen Eigentümer beibehalten werden kann ... In den letzten sechs Monaten hat [Corus] Gespräche mit anderen Stahlrohrherstellem geführt, die an einem Erwerb der Anlagen interessiert sind, und dabei den Eindruck gewonnen, dass die in diesem Papier beschriebene Verfahrensweise auf allgemeine Zustimmung stößt.‘ Einer der Vorschläge lautete, Vallourec die Produktion von OCTG zu überlassen und dabei die bestehenden Verträge über die Lieferung von Glattendrohren zwischen [Corus] einerseits und Vallourec, [Mannesmann] und Dalmine andererseits in den gleichen Größenordnungen aufrechtzuerhalten. Am gleichen Tag fand eine Sitzung zwischen [Mannesmann] und [Corus] statt, in deren Verlauf [Mannesmann], ... sich dafür aus[sprach], dass ‚Vallourec das OCTG-Geschäft übernehmen soll‘(S. 4626 [der Kommissionsakte, nämlich das aus nur einer Seite bestehende Fax vom 22. Januar 1993 von Herrn Davis bei Corus an Herrn Patrier bei Vallourec]). In dem Dalmine-Papier [‚System für nahtlose Stahlrohre in Europa und Marktentwicklung‘] ‚Seamless steel tube system in Europe and market evolution‘ (S. 2053 [der Kommissionsakte]) von Mai-August 1993 ist die Rede davon, dass eine für alle zufriedenstellende Lösung des Problems [Corus] nur im Kreise der Europäer gefunden werden könne und dass auch Dalmine nichts gegen die Übernahme der [Corus]-Produktionsstätten durch Vallourec einzuwenden habe.“

186

Außerdem fasste Vallourec in ihrem in Randnummer 80 der Entscheidung zitierten Vermerk „Strategische Überlegungen“ ausdrücklich eine mögliche Abstimmung zwischen Dalmine und Mannesmann für die Lieferung von Glattendrohren an Corus ins Auge. In Randnummer 59 der Entscheidung stützte sich die Kommission weiterhin auf das Dokument „g) Japaner“, besonders auf den Zeitplan auf dessen Seite 4 (S. 4912 der Kommissionsakte), als Beleg dafür, dass die europäischen Hersteller vor der Zusammenkunft mit den japanischen Herstellern eine vorbereitende Sitzung abhielten, um ihre Positionen untereinander abzustimmen und im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs gemeinsame Vorschläge zu unterbreiten.

187

Den vorgenannten Beweisurkunden, die die Kommission in der Entscheidung anführt, ist zu entnehmen, dass die vier Gemeinschaftshersteller tatsächlich, zumindest im Jahr 1993, zusammenkamen, um ihre Position im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vor dessen interkontinentalen Sitzungen abzustimmen. Ebenfalls bewiesen ist, dass auf diesen Zusammenkünften über die Schließung des Gewindeschneidewerkes von Corus in Clydesdale und dessen Übernahme durch Vallourec und über die Lieferung von Glattendrohren an Corus durch Dalmine und Mannesmann diskutiert wurde. Es ist daher undenkbar, dass Mannesmann die Ausrichtung der von Vallourec erarbeiteten Strategie und der Umstand verborgen geblieben sein könnten, dass sich ihr eigener Liefervertrag mit Corus in eine umfassendere wettbewerbswidrige Vereinbarung sowohl über den Markt für Standardgewinderohre als auch für Glattendrohre einfügte.

188

Soweit Mannesmann geltend macht, der dritte, nämlich ihr eigener Liefervertrag mit Corus sei erst deutlich später geschlossen worden als die beiden anderen, so dass die Kommission nicht auf das Vorliegen einer einzigen Zuwiderhandlung unter Beteiligung der vier europäischen Hersteller hätte schließen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass die Auffassung der Kommission durch das Fehlen eines Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus in der Zeit vor 1993 nicht entkräftet wird. Zwar wurde nämlich die Strategie einer Aufteilung der Lieferungen von Glattendrohren in vollem Umfang erst von dem Zeitpunkt an umgesetzt, als Corus drei Lieferanten hatte, doch stellte die Unterzeichnung der anderen beiden Verträge bereits eine Teilumsetzung dieses Vorhabens in Erwartung seiner vollständigen Verwirklichung dar.

189

Im Übrigen ist, wie die Kommission vor Gericht ausgeführt hat, der in dem „Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren“ vom 21. Januar 1993 enthaltene Hinweis darauf, dass Mannesmann damals bereits Glattendrohre an Corus lieferte, mit der Unterzeichnung eines Liefervertrags zwischen Corus und Mannesmann im August 1993 keineswegs unvereinbar, wie Mannesmann meint, sondern erhärtet die Analyse der Kommission. Wenngleich die Kommission nämlich das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung vorsorglich erst vom 9. August 1993 an feststellte, weil der Abschluss des Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus zu diesem Datum einen sicheren Beweis für Mannesmanns Beteiligung an der Zuwiderhandlung darstellt, ergibt sich aus diesem Hinweis in Wirklichkeit, dass Mannesmann bereits im Januar 1993 Glattendrohre an Corus lieferte.

190

Den von der Kommission in der Entscheidung angeführten Beweismitteln ist damit zu entnehmen, dass Vallourec die Strategie zum Schutz des Marktes des Vereinigten Königreichs ausarbeitete und einen Liefervertrag mit Corus schloss, der den ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Strategie ermöglichte. Dalmine und Mannesmann schlossen sich später Vallourec an, wie der Abschluss eines eigenen Liefervertrags mit Corus durch jede von ihnen bezeugt.

191

Das Vorbringen schließlich, es habe keine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten gegeben, ist, wie die Kommission geltend macht, nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig.

192

Denn mit dieser erstmals in der Erwiderung vorgetragenen Argumentation wirft Mannesmann der Kommission Rechts- und Beurteilungsfehler hinsichtlich einer Anwendungsvoraussetzung von Artikel 81 Absatz 1 EG vor. Materiellrechtliche Klagegründe sind nicht zwingenden Rechts und daher vom Gemeinschaftsrichter nicht von Amts wegen zu prüfen.

193

Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht ein mit dieser Argumentation von Mannesmann vergleichbares Vorbringen in den Rechtssachen, die mit der vorliegenden Rechtssache zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, als unbegründet zurückgewiesen hat (Urteile Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 127, insbesondere Randnrn. 156 und 157, und JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, insbesondere Randnrn. 367 bis 374 und 386 bis 395).

194

Das weitere Vorbringen, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Vertrages zwischen Mannesmann und Corus seien nur gering gewesen, ist zulässig, da es das bereits in der Klageschrift formulierte Vorbringen unterstützt, wonach die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Artikel 2 der Entscheidung genannten Lieferverträge eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 EG bezweckt oder bewirkt hätten.

195

In der Sache ist insoweit zunächst daran zu erinnern, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht nur auf die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen, sondern auch auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Übereinkunft abstellte (vgl. Randnr. 111 der Entscheidung sowie oben, Randnrn. 157 ff.).

196

Grundsätzlich können sich Unternehmen, die eine Übereinkunft mit wettbewerbswidrigem Ziel schließen, der Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich die Übereinkunft nicht messbar auf den Wettbewerb ausgewirkt habe (vgl. auch oben, Randnr. 130).

197

Denn wie oben in den Randnummern 179 ff. festgestellt, sollten mit den in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträgen vor allem die Lieferungen von Glattendrohren an Corus als „Marktführer“ („leader“, vgl. Randnr. 111 der Entscheidung) auf dem britischen Markt unter deren ebenfalls dem Europäisch-Japanischen Club angehörenden Konkurrenten aufgeteilt werden. Außerdem sahen die Verträge eine rechtswidrige Übermittlung von geschäftlichen Informationen durch Corus vor. Somit beinhaltete bereits der Zweck der Verträge als solcher, welches auch immer ihre Wirkungen waren, erhebliche Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Markt des Vereinigten Königreichs, der im Verhältnis zu der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung einen gesonderten Markt bildete (Urteil Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 127, Randnrn. 267 und 268).

198

Die vorgenannten Rügen sind daher in der Sache zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung das Kriterium des Zweckes oder der Bewirkung einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs erfüllte.

199

Das Vorbringen von Mannesmann zur Bekanntmachung von 1997 ist zulässig, obwohl es erstmals in der Erwiderung geäußert worden ist. Denn Mannesmann beruft sich auf diese Mitteilung, um ihr bereits in der Klageschrift formuliertes Argument zu bekräftigen, wonach es sich bei den Lieferverträgen nicht um wettbewerbswidrige, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßende Vereinbarungen gehandelt habe.

200

In der Sache ist insoweit zunächst darauf hinzuweisen, dass die Bekanntmachung von 1997 im vorliegenden Fall zeitlich anwendbar ist, weil die angefochtene Entscheidung im Jahr 1999 erlassen wurde. Bei der Bekanntmachung von 1997 handelt es sich um eine zu diesem Zeitpunkt abgegebene Stellungnahme der Kommission zu den Vereinbarungen, die als Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG anzusehen sind. Dabei ist hervorzuheben, dass die Bekanntmachung von 1997 die Schwellenwerte als Prozentzahlen festsetzt, womit in ihr gegenüber den vorangegangenen Bekanntmachungen mit Schwellenwerten in absoluten Zahlen eine Entwicklung in der Politik und/oder Beurteilung der Kommission zum Ausdruck kommt und keine bloße Berücksichtigung der Inflation. Demnach ist, obgleich die fraglichen Verträge 1991 und 1993 geschlossen wurden, für die Würdigung der angefochtenen Entscheidung die Bekanntmachung von 1997 und nicht die von 1986 einschlägig.

201

Jedoch lassen sich die fraglichen Lieferverträge nicht unter Berufung auf die Bekanntmachung von 1997 für rechtmäßig erklären, da sie zur Umsetzung einer umfassenderen wettbewerbswidrigen Übereinkunft über Gewinderohre beitrugen, die nicht unter den Wortlaut der Bekanntmachung fallen kann (vgl. oben, Randnrn. 179 ff). Denn die wettbewerbswidrige Zielsetzung und Wirkung der Verträge gehen teilweise über diejenigen hinaus, die sich unmittelbar aus ihren Klauseln ergeben, so dass mit einer mechanischen Anwendung der Bekanntmachung von 1997 nur auf die Lieferverträge als solche deren Auswirkungen auf die betroffenen Märkte nicht angemessen gewürdigt würden.

202

Jedenfalls beziehen sich die Zahlen, mit denen Mannesmann belegen will, dass der Marktanteil der in Frage stehenden Unternehmen die in der Bekanntmachung von 1997 festgelegten Schwellenwerte nicht erreicht habe, auf den Weltmarkt für OCTG-Rohre. Nach der Bekanntmachung von 1997 aber dürfen „die von allen beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltenen Marktanteile“ die fraglichen Schwellen „auf keinem der betroffenen Märkte“ überschreiten.

203

Zwar wird der räumliche Markt für nahtlose OCTG-Rohre in Randnummer 35 der Entscheidung als „weltweiter“ Markt definiert, jedoch ist diese Definition im Licht der eingehenden Beschreibung zu sehen, die die angefochtene Entscheidung von den verschiedenen Seiten der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs geschlossenen Vereinbarungen, so besonders den Grundregeln, gibt. Denn der Entscheidung insgesamt, besonders ihren Randnummern 53 bis 77, ist zu entnehmen, dass sich das Verhalten der japanischen und europäischen Hersteller auf jedem einzelnen Markt eines Staates oder, in manchen Fällen, einer Weltgegend nach besonderen Regeln bestimmte, die von Markt zu Markt unterschiedlich waren und das Resultat der geschäftlichen Verhandlungen im Europäisch-Japanischen Club bildeten.

204

Demnach besteht die wirkliche Analyse der betroffenen räumlichen Märkte in der Entscheidung aus der eingehenden Beschreibung der auf jedem einzelnen Markt gegebenen Lage. Randnummer 35 der Entscheidung ist deshalb dahin auszulegen, dass darin der räumliche Markt für nahtlose OCTG-Rohre so definiert wird, wie er normalerweise nach rein objektiven geschäftlichen und wirtschaftlichen Erwägungen hätte bestehen müssen, wenn es keine rechtswidrigen Vereinbarungen gegeben hätte, die seine künstliche Aufspaltung bezweckten oder bewirkten.

205

Folglich ist das Vorbringen von Mannesmann zu den geringen Prozentsätzen der von Corus und ihr selbst ausgeführten Verkäufe auf dem Weltmarkt für OCTG-Rohre als unbeachtlich zurückzuweisen. Bei Heranziehung der Bekanntmachung von 1997 wäre also auf die Anteile auf dem britischen Markt oder zumindest auf dem Gemeinschaftsmarkt abzustellen. Ausweislich der angefochtenen Entscheidung, insbesondere der in ihren Randnummern 68 und 113 angeführten Zahlen, lagen jedoch allein die Marktanteile von Corus als Vertragspartei aller fraglichen Lieferverträge auf dem britischen wie auf dem Gemeinschaftsmarkt deutlich über den in der Bekanntmachung von 1997 festgesetzten Schwellen von 10 % des Marktes bei vertikalen Vereinbarungen oder 5 % bei horizontalen Vereinbarungen. Damit waren die fraglichen Verträge offenkundig keine Vereinbarungen von geringer Bedeutung im Sinne der Bekanntmachung von 1997.

206

Nach alledem hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Lieferverträge die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bildeten und damit deren Vorliegen rechtlich hinreichend bewiesen. Vorsorglich ist weiter festzustellen, dass die von der Kommission angeführten ergänzenden Beweise ihre Auffassung erhärten, dass sich diese Verträge in eine gemeinsame umfassendere Politik auf dem Markt für OCTG-Standardgewinderohre einfügten.

Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

Zu den Regeln über die Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

207

Mannesmann wirft der Kommission zunächst vor, sie habe die Regeln über die Bemessung von Geldbußen nicht richtig angewandt, so insbesondere nicht die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und die Mitteilung über Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang bezieht sich Mannesmann auch auf die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission, die bei ihr ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Methode zur Berechnung und hinsichtlich der Höhe der von der Kommission verhängten Geldbußen geschaffen habe.

208

In ihrer Erwiderung weist die Klägerin ergänzend darauf hin, dass die angefochtene Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Leitlinien Bezug nehme und darum den Begründungserfordernissen nach Artikel 253 EG nicht entspreche. Denn wären die Leitlinien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so hätte die Kommission ihrer früheren Entscheidungspraxis folgen und die Höhe der Geldbuße nach dem Umsatz von Mannesmann auf dem betroffenen Markt bemessen müssen. Von dieser früheren Praxis hätte die Kommission nicht abweichen dürfen, ohne dies in der Entscheidung ausdrücklich zu begründen. Sollte sich im Übrigen erweisen, dass die Kommission die Leitlinien für die Berechnung der Geldbußen stillschweigend angewandt habe, so sei jedenfalls Artikel 253 EG nicht eingehalten worden. Denn in diesem Fall hätte die Kommission in der Entscheidung die Gesichtspunkte angeben müssen, die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße maßgebend gewesen seien (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 4725 ff.; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 283).

209

Die Kommission hält dem entgegen, dass die erstmals in der Erwiderung vorgebrachte Rüge eines Verstoßes gegen ihre frühere, vor Erlass der Leitlinien geübte Entscheidungspraxis, nachdem Mannesmann erst nur einen Verstoß gegen die Leitlinien geltend gemacht hätte, ein neues Angriffsmittel darstelle und damit nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig sei. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspreche den vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P (Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnrn. 44 ff.) formulierten Anforderungen. So habe sie sich zur Schwere der Zuwiderhandlung (Randnrn. 159 bis 165 der Entscheidung) und ihrer Dauer (Randnr. 166), zum Vorliegen mildernder Umstände (Randnr. 169) und zur Mitteilung über Zusammenarbeit (Randnr. 174) geäußert. Schließlich stehe die angefochtene Entscheidung auch im Einklang mit den Leitlinien.

Würdigung durch das Gericht

210

Der Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts betrifft zwingendes Recht, das der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen zu beachten hat und darum von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-45/98 und T-47/98, Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 125). Dass der Klagegrund einer mangelnden Begründung für die Berechnungsweise der Geldbußen erstmals in der Erwiderung geltend gemacht wurde, steht daher seiner Prüfung durch das Gericht nicht entgegen.

211

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, so insbesondere nach dem Inhalt des fraglichen Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das die Adressaten des Rechtsakts oder andere von ihm unmittelbar und individuell betroffene Personen an entsprechenden Erläuterungen haben können (Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnr. 86, und in der Rechtssache Kommission/Sytraval und Brinks France, zitiert oben in Randnr. 126, Randnr. 63). In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Artikel 253 EG genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Petrotub und Republica/Rat, zitiert oben in Randnr. 72, Randnr. 81).

212

Auch wenn die Kommission für die Festsetzung der Höhe einer Geldbuße über ein Ermessen verfügt (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59, und — entsprechend — vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 127), darf sie nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 53, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-51/92 P, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I-4235, und die dort zitierte Rechtsprechung). Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Elemente.

213

Im vorliegenden Fall ist den Randnummern 156 bis 175 der Entscheidung klar zu entnehmen, dass die Kommission für die Bemessung der Geldbußen die in den Leitlinien vorgesehene Berechnungsweise anwandte, wie ihr dies nach der in der vorstehenden Randnummer zitierten Rechtsprechung ohnehin oblag. Demnach bewirkt das Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Leitlinien bei der Berechnung der Geldbußen in der angefochtenen Entscheidung keinen deren Rechtmäßigkeit berührenden Begründungsmangel. Eine solche Bezugnahme hätte nämlich lediglich einen Umstand bestätigen können, der für Mannesmann nach dem vorstehend skizzierten rechtlichen Kontext jedenfalls offenkundig war.

214

Der Klagegrund eines insoweit vorliegenden Begründungsmangels ist daher zurückzuweisen.

215

Soweit sich Mannesmann auf die frühere Entscheidungspraxis der Kommission stützt und ein durch diese geschaffenes berechtigtes Vertrauen geltend macht, ist zunächst festzustellen, dass ihr Vorbringen zulässig ist, weil es, wenn auch knapp, bereits in Randnummer 74 der Klageschrift im Rahmen ihrer Argumentation zur Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung geäußert wurde. Ihr Vorbringen in der Erwiderung unterstützt damit diesen Klagegrund.

216

In der Sache selbst ist daran zu erinnern, dass die Einführung einer neuen Methode für die Berechnung von Geldbußen durch die Kommission, auch wenn sie in einigen Fällen zu höheren Geldbußen führen mag — die jedoch die in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze nicht überschreiten —, angesichts des der Kommission in dieser Verordnung eingeräumten Ermessens (vgl. dazu oben, Randnr. 212) nicht als eine rückwirkende Verschärfung der rechtlich in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geregelten Geldbußen angesehen werden kann (vgl., wenn auch mit Rechtsmittel angefochten, Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-1705, Randnr. 235).

217

Darum ist der Hinweis unbeachtlich, dass die Berechnung der Geldbußen nach der in den Leitlinien festgelegten Methode die Kommission zur Verhängung von höheren Geldbußen veranlassen kann als nach ihrer früheren Praxis, so vor allem mangels einer konsequenten Berücksichtigung der Größenunterschiede zwischen den Unternehmen. Die Kommission verfügt nämlich bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu bewegen zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (vgl. oben, Randnr. 212, und Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 53). Außerdem wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 96, Randnr. 109; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 309, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II-869, Randnr. 89). Die Kommission muss vielmehr im Interesse der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln jederzeit das Niveau der Geldbußen den Erfordernissen dieser Politik anpassen können (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, und LR AF 1998/Kommission, zitiert oben in Randnr. 216, Randnrn. 236 und 237).

218

Demnach kann sich Mannesmann nicht auf die vorherige Entscheidungspraxis der Kommission berufen. Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zur Bestimmung der Höhe der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

219

Mannesmann bringt zur Bemessung der gegen sie verhängten Geldbuße vier Hauptrügen vor.

Zur Schwere der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

— Vorbringen der Parteien

220

Die Klägerin tritt zunächst der Würdigung der Schwere der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung durch die Kommission entgegen. Die Schwere einer Zuwiderhandlung müsse im Licht ihrer Auswirkungen auf den Markt beurteilt werden (Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien). Selbst wenn die fraglichen Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ im Sinne der Leitlinien betrachtet werden könnten, sei doch zu rügen, dass die Kommission ihre Auswirkungen auf den Markt als erschwerende Umstände gewertet habe.

221

Sie selbst habe rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen nicht vorlägen. Der Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße sei zumindest in dem Umfang herabzusetzen, in dem die Kommission zu Unrecht von den Wettbewerb verfälschenden Auswirkungen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung ausgegangen sei.

222

Mit der Festsetzung des Grundbetrags der Buße ohne Berücksichtigung der Größe oder des Umsatzes der betroffenen Unternehmen auf dem fraglichen Markt habe die Kommission die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Die Billigkeit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangten, dass nicht alle Unternehmen gleich behandelt würden, sondern dass ihr Verhalten nach ihrer individuellen Rolle oder der Auswirkung des Verstoßes geahndet werde. Eine proportionale Einzelfallgerechtigkeit müsse auch gegenüber Großunternehmen gewahrt bleiben, wie auch die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze für Geldbußen in Höhe von 10 % des Umsatzes zeige.

223

Die Kommission habe die Grenzen ihres Ermessens ihr gegenüber weiter dadurch überschritten, dass sie wegen der Vallourec angelasteten Zuwiderhandlung eine gesonderte Geldbuße verhängt habe, obgleich Mannesmann zwischenzeitlich die Kontrolle über Vallourec erworben habe. Die Kommission hätte daher nur eine einzige Geldbuße gegen Mannesmann unter Einbeziehung des Verhaltens ihrer Tochtergesellschaft Vallourec verhängen dürfen. Da sie dies nicht getan habe, habe die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen und einen Ermessensfehler begangen.

224

Die Kommission hält an ihrer Bewertung fest, dass die Übereinkunft zum Schutz der Heimatmärkte im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs ihrem Wesen nach eine äußerst schwere Zuwiderhandlung sei (Randnr. 121 der Entscheidung).

225

Da der in Artikel 2 festgestellte Verstoß nicht zur Verhängung einer gesonderten Geldbuße geführt habe, seien die Rügen, wonach dieser Verstoß ohne wettbewerbswidrige Auswirkungen geblieben sei, unbeachtlich.

226

Im Übrigen seien Mannesmann, Vallourec und Dalmine sämtlich als Großunternehmen anzusehen (vgl. Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 107, S. 4). Die in der Verordnung Nr. 17 festgesetzte absolute Obergrenze für Geldbußen verpflichte die Kommission nicht, bei der Berechnung des Grundbetrags einer Buße zwischen Großunternehmen zu differenzieren.

227

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass Mannesmann die Kontrolle über Vallourec erst im Jahr 1997 erworben habe. Während der gesamten Zeit der Zuwiderhandlung seien beide Unternehmen voneinander unabhängig gewesen, weshalb die Kommission ihnen zwei gesonderte Geldbußen auferlegt habe. Müsste die Kommission den Betrag von Geldbußen wegen einer Fusion von Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt gewesen seien, nach dessen Aufdeckung herabsetzen, so würde hierdurch die abschreckende Wirkung von Geldbußen eindeutig geschwächt.

— Würdigung durch das Gericht

228

Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission Geldbußen in Höhe von 1000 bis einer Million Euro oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

229

Dagegen ist die Höhe der Geldbuße entgegen der Auffassung von Mannesmann weder nach der Verordnung Nr. 17 noch nach der Rechtsprechung, noch nach den Leitlinien unmittelbar nach der Größe des betroffenen Marktes festzusetzen; letztere stellt nur einen Faktor unter anderen dar. So ist der Bußgeldbetrag, der einem Unternehmen wegen einer wettbewerblichen Zuwiderhandlung auferlegt wird, nach der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung so zu bemessen, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere im Verhältnis steht (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 240, und analog Urteil Deutsche Bahn/Kommission, zitiert oben in Randnr. 212, Randnr. 127). Wie der Gerichtshof in Randnummer 120 des Urteils Musique diffusion française u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 96) entschieden hat, sind für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind (vgl. auch Urteil Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).

230

Im Übrigen hat die Kommission die Leitlinien zwar in der Entscheidung für die Berechnung der Geldbußen nicht ausdrücklich angeführt, die den Adressaten der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbußen jedoch gleichwohl nach der in den Leitlinien festgelegten Berechnungsweise bemessen (vgl. oben, Randnr. 212).

231

Wie oben erwähnt, verfügt die Kommission zwar für die Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen; sie darf aber nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat (vgl. oben, Randnr. 212, und die dort zitierte Rechtsprechung). Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Elemente. Indessen greifen das Ermessen der Kommission und die ihm von ihr selbst gezogenen Grenzen jedenfalls nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung vor.

232

Nach Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien sind „[b]ei der Ermittlung der Schwere des Verstoßes ... seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“. In Randnummer 159 der Entscheidung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie diese drei Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.

233

Allerdings stützte sich die Kommission in Randnummer 161 der Entscheidung für die Einstufung der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als „äußerst schwer“ im Wesentlichen auf die Art des rechtswidrigen Verhaltens aller betroffenen Unternehmen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Vereinbarung über den Schutz von Heimatmärkten ihrer Art nach in erheblichem Maße wettbewerbswidrig sei sowie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt habe und dass es sich um ein geheimes und institutionalisiertes System zur Beschränkung des Wettbewerbs gehandelt habe. In Randnummer 161 erwähnte die Kommission weiter, dass „der überwiegende Teil des Verbrauchs an nahtlosen OCTG [-Rohren] und [Leitungsrohren] in der Gemeinschaft auf die vier von der Übereinkunft betroffenen Mitgliedstaaten [entfalle], die somit einen räumlich ausgedehnten Markt [darstellten]“.

234

In Randnummer 160 der Entscheidung stellte die Kommission hingegen fest, dass „[d]ie konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt... begrenzt“ seien, weil die beiden von dem Verstoß betroffenen Produktarten, nämlich OCTG-Standardrohre und projektbezogene Leitungsrohre, nur 19 % des gesamten Gemeinschaftsverbrauchs an nahtlosen OCTG-Rohren und Leitungsrohren ausmachten und weil wegen des technischen Fortschritts ein Teil der Nachfrage nach nahtlosen Rohren inzwischen durch geschweißte Rohre gedeckt werden könne.

235

So berücksichtigte die Kommission dann in Randnummer 162 der Entscheidung, nachdem sie die Zuwiderhandlung auf der Grundlage der in Randnummer 161 genannten Faktoren als „äußerst schwer“ eingestuft hatte, den relativ begrenzten Umfang der Verkäufe der fraglichen Produkte durch die Adressaten der Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten (73 Millionen Euro jährlich). Diese Bezugnahme auf die Größe des Marktes entspricht der in Randnummer 160 der Entscheidung enthaltenen Beurteilung, dass die Zuwiderhandlung nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. Demgemäß setzte die Kommission den Betrag wegen der Schwere der Zuwiderhandlung auf 10 Millionen Euro fest. Die Leitlinien sehen für eine Zuwiderhandlung, die zur Kategorie der besonders schweren Verstöße gehört, grundsätzlich eine Geldbuße von „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ vor.

236

Es ist zu prüfen, ob diese Vorgehensweise der Kommission im Licht der dagegen von Mannesmann erhobenen Einwände rechtswidrig ist.

237

Hierfür ist zunächst das Argument von Mannesmann zu erörtern, dass die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung ohne Auswirkungen geblieben sei.

238

Dazu hat die Kommission sowohl in Randnummer 164 der Entscheidung als auch vor Gericht klargestellt, dass sie wegen dieser Zuwiderhandlung keinen zusätzlichen Bußgeldbetrag verhängt habe.

239

Jedoch hat das Gericht in seinem Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 102) festgestellt, dass die Kommission, indem sie die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung für die Festsetzung der Höhe der gegen die europäischen Hersteller verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt hat, den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verkannt hat. Da die Kommission indessen in den Rechtsachen T-44/00, T-48/00 und T-50/00 nicht beantragt hat, die den europäischen Herstellern auferlegten Geldbußen zu erhöhen, besteht das geeignetste Mittel zur Behebung dieser Ungleichbehandlung darin, anstelle einer Erhöhung der gegen die drei europäischen Klägerinnen verhängten Geldbußen die den japanischen Klägerinnen auferlegten Geldbußen herabzusetzen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, Randnrn. 574 bis 579).

240

Da die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung für die Berechnung der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße weder von der Kommission noch vom Gericht berücksichtigt wurde, beruht das diesbezügliche Vorbringen von Mannesmann auf einer unzutreffenden Voraussetzung und ist demgemäß zurückzuweisen.

241

Soweit Mannesmann weiterhin argumentiert, die Kommission habe bei der Berechnung der Geldbuße nach den Leitlinien die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf dem Markt zu berücksichtigen, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Gesichtspunkt in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung durchaus Rechnung getragen wurde: Die oben in Randnummer 235 erwähnte Herabsetzung des üblichen Mindestbetrags der für einen „besonders schweren“ Verstoß verwirkten Geldbuße um 50 % berücksichtigt angemessen diese begrenzte Auswirkung des Verstoßes auf den Markt.

242

Geldbußen sollen im Wettbewerb eine abschreckende Wirkung entfalten (vgl. Abschnitt 1 Buchstabe A vierter Absatz der Leitlinien). Da es sich bei den Adressaten der angefochtenen Entscheidung, wie in deren Randnummer 165 erwähnt (vgl. auch unten, Randnrn. 243 ff.), um Großunternehmen handelt, hätte eine deutlich stärkere Herabsetzung des wegen der Schwere festgesetzten Betrages den Geldbußen ihre abschreckende Wirkung nehmen können.

243

Zu dem Argument von Mannesmann, die Kommission hätte die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den betroffenen Märkten im vorliegenden Fall nicht als erschwerenden Umstand bewerten dürfen, genügt der Hinweis, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinerlei erschwerende Umstände angeführt hat. Dieses Vorbringen ist deshalb zurückzuweisen.

244

Soweit Mannesmann sodann geltend macht, die Kommission müsse die Größe des individuellen Unternehmens und die Bedeutung seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße berücksichtigen, ist zunächst hervorzuheben, dass die oben in Randnummer 228 erwähnte Bezugnahme in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 auf 10 % des weltweiten Umsatzes ausschließlich für die Berechnung der Höchstgrenze der von der Kommission zu verhängenden Geldbuße relevant ist (vgl. den ersten Absatz der Leitlinien und Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 96, Randnr. 119) und keineswegs bedeutet, dass die Größe eines Unternehmens proportional zur Höhe der ihm auferlegten Geldbuße sein müsste (vgl. auch oben, Randnr. 227).

245

Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass nach Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der im vorliegenden Fall anwendbaren (vgl. oben, Randnr. 230) Leitlinien „in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen ... Gruppen [von Zuwiderhandlungen] festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“.

216

Allerdings ist den Ausdrücken „in bestimmten Fällen“ und „vor allem“ in den Leitlinien zu entnehmen, dass eine Gewichtung nach der individuellen Unternehmensgröße kein durchgehend zu vollziehender Berechnungsschritt ist, zu dem sich die Kommission verpflichtet hat, sondern eine Anpassungsmöglichkeit, die sie sich, soweit erforderlich, vorbehält. In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung zu beachten, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54, und Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Ferriere Nord/Kommission, zitiert oben in Randnr. 108, Randnrn. 32 und 33, und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/95 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 465; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-309/94, KNP BT/Kommission, Slg. 1998, II-1007, Randnr. 68).

247

Unter Berücksichtigung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der Leitlinien ist davon auszugehen, dass der Kommission hinsichtlich der Frage, ob eine solche Gewichtung der Geldbußen nach der Größe des einzelnen Unternehmens angezeigt ist, ein gewisses Ermessen verbleibt. So braucht die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nicht dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen eine Differenzierung nach ihrem Gesamtumsatz zum Ausdruck kommt (in diesem Sinne, wenn auch mit Rechtsmittel angefochten, Urteile des Gerichts in der Rechtssache LR AF 1998/Kommission, zitiert oben in Randnr. 216, Randnr. 278, und vom 19. März 2003 in der Rechtssache T-213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II-913, Randnr. 385).

248

Im vorliegenden Fall stellte die Kommission in Randnummer 165 der Entscheidung fest, dass alle Adressaten der Entscheidung Großunternehmen seien, so dass eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht angezeigt sei.

249

Insoweit hat die Kommission, von Mannesmann unwidersprochen, in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass Mannesmann kein kleines oder mittleres Unternehmen sei. So dürfen nach der im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Empfehlung 96/280 solche Unternehmen nur weniger als 250 Personen beschäftigen und nur einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen Euro haben. In der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36) wurden die beiden letztgenannten Schwellen auf 50 Millionen und 43 Millionen Euro angehoben.

250

Auch wenn dem Gericht keine Zahlen über die Beschäftigten und die Bilanz von Mannesmann vorliegen, ist doch festzustellen, dass der Umsatz der Klägerin im Jahr 1998 in Höhe von 2321 Millionen Euro (vgl. Randnr. 13 der Entscheidung) mehr als vierzigmal höher war als die Obergrenze, die die Kommission in ihren verschiedenen Empfehlungen als ein Kriterium festgelegt hat. Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen ist somit die von der Kommission in Randnummer 165 der Entscheidung getroffene Feststellung, dass Mannesmann ein Großunternehmen ist, nicht fehlerhaft.

251

Zur Rolle von Mannesmann im Rahmen der Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass sich ihre Beteiligung an der Marktaufteilungsabsprache aus der von ihr eingegangenen Verpflichtung ergibt, die in Frage stehenden Produkte nicht auf den anderen Märkten zu verkaufen. Die gleiche Verpflichtung, nämlich die fraglichen OCTG-Standardrohre und Leitungsrohre nicht auf dem Heimatmarkt aller übrigen Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs zu verkaufen, gingen alle Hersteller ein. Wie oben in Randnummer 233 erwähnt, stützte sich die Kommission aber für ihre Einstufung der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als „äußerst schwer“ hauptsächlich auf den ausgeprägt wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verpflichtung.

252

Da Mannesmann das einzige deutsche Mitglied des Europäisch-Japanischen Clubs ist, ist weiterhin festzustellen, dass ihre Präsenz genügte, um den räumlichen Anwendungsbereich der wettbewerbswidrigen Übereinkunft auf das Gebiet eines Mitgliedstaats der Gemeinschaften auszudehnen. Indem Mannesmann sich verpflichtete, ihre Rohre nicht auf dem Markt der drei anderen von der Übereinkunft betroffenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu verkaufen, trug sie auch dazu bei, den tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb auf diesen anderen Märkten zu reduzieren. Durch ihre Teilnahme an den Sitzungen des Clubs stimmte Mannesmann dem Inhalt der dort geschlossenen wettbewerbswidrigen Übereinkunft grundsätzlich zu oder erweckte zumindest bei den anderen Teilnehmern den Eindruck ihrer Zustimmung. Zudem ist den Akten, insbesondere den Zahlen in der Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung, zu entnehmen, dass die von dem Kartell vorgesehene Marktaufteilung zumindest in gewissem Umfang tatsächlich angewandt wurde und auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten zwangsläufig reale Auswirkungen hatte. Damit ist festzustellen, dass die Beteiligung von Mannesmann an der Zuwiderhandlung eine nicht zu vernachlässigende Auswirkung auf dem Markt der Gemeinschaft hatte.

253

Da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass es sich bei den vier japanischen Kartellunternehmen um Großunternehmen handelte (vgl. oben, Randnr. 248), und die verhältnismäßg begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die betroffenen Märkte global berücksichtigte (vgl. oben, Randnr. 235 und 241), genügt das Vorbringen von Mannesmann nicht, um darzutun, dass die Kommission mit der Nichtanwendung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der Leitlinien im vorliegenden Fall die Grenzen ihres Ermessens überschritt.

254

Was schließlich das Vorbringen von Mannesmann angeht, es seien gegen sie und Vallourec trotz der Zusammenlegung ihrer Rohrproduktion im Jahr 1997 zu Unrecht zwei gesonderte Geldbußen verhängt worden (vgl. Randnrn. 12 und 15 der Entscheidung), so ist festzustellen, dass grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung leitete, für diese einzustehen hat, selbst wenn die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt des Erlasses der die Zuwiderhandlung feststellenden Entscheidung auf eine andere Person übergegangen war (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnr. 57). Das gilt jedoch nicht, wenn die Person, die die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens übernommen hat, durch eine entsprechende Erklärung auch die Verantwortung für Handlungen übernommen hat, die ihrem Vorgänger angelastet werden (Urteil Krupp Thussen Tainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Randnr. 62).

255

Im vorliegenden Fall ist Mannesmann die juristische Person, die ein Unternehmen, das an der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt war, während der Begehung der Zuwiderhandlung leitete; Vallourec ist eine juristische Person, die zur selben Zeit ein weiteres, von Mannesmann unabhängiges Unternehmen leitete, das ebenfalls an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass Mannesmann, Vallourec oder eine ihrer Tochtergesellschaften im vorliegenden Fall eine Erklärung über die jeweilige Verantwortung abgegeben hätten. Die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Regel lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass gegen den Urheber einer solchen Erklärung, wenn auch er an der Zuwiderhandlung eigenständig beteiligt war, nur eine einzige Geldbuße verhängt werden dürfte, deren Gesamtbetrag geringer zu sein hätte als die Summe der beiden Geldbußen, die gegen die eigenständigen Unternehmen zu verhängen gewesen wären.

256

Nach alledem rechtfertigt das vorgenannte Vorbringen von Mannesmann keine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße im vorliegenden Verfahren.

Zur Dauer

— Vorbringen der Parteien

257

Mannesmann bestreitet die von der Kommission angenommene Dauer der Zuwiderhandlung. Auch wenn die Sitzungen des Europäisch-Japanischen Clubs 1977 begonnen hätten und 1995 eingestellt worden seien, sei die zugrunde gelegte Dauer der Zuwiderhandlung wegen der zwischen der Kommission und den japanischen Stellen geschlossenen Abkommen über die Selbstbeschränkung bei Exporten (Randnr. 108 der Entscheidung) auf fünf Jahre begrenzt worden (von 1990 bis 1995). Die Kommission habe dabei aber zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Selbstbeschränkungsabkommen durch eine am 28. Dezember 1989 zwischen der Kommission und dem japanischen Ministerium für Handel und Industrie geschlossenen Übereinkunft bis zum 31. Dezember 1990 verlängert worden seien. Folglich hätte der Grundbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße in Höhe von 10 Millionen Euro wegen der Dauer der Zuwiderhandlung allenfalls um 40 % (10 % pro Jahr) erhöht werden dürfen, höchstens also um vier Millionen Euro. Demgemäß beantragt Mannesmann, den Betrag der Geldbuße um eine Million Euro herabzusetzen.

258

Die Kommission weist diese Ausführungen als unbegründet zurück. Die Klägerin habe durch nichts bewiesen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen mit der japanischen Regierung bis zum 31. Dezember 1990 fortgegolten hätten.

— Würdigung durch das Gericht

259

Zunächst ist auf die in Randnummer 108 der Entscheidung enthaltene Feststellung der Kommission hinzuweisen, dass sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung ab 1977 hätte feststellen können, hiervon aber wegen des Bestehens der Selbstbeschränkungsabkommen abgesehen habe. Demgemäß hat sie in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der Zuwiderhandlung erst vom Jahr 1990 an festgestellt. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis, das die Kommission den Adressaten der angefochtenen Entscheidung machte.

260

Keine der Parteien hat vor Gericht vorgetragen, dass dieses Zugeständnis in der vorliegenden Rechtssache in Frage zu stellen sei. Folglich hat das Gericht nicht zu prüfen, ob dieses Zugeständnis rechtmäßig oder angezeigt war, sondern allein, ob die Kommission dieses in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich gemachte Zugeständnis im vorliegenden Fall auch fehlerfrei umgesetzt hat. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beizubringen hat, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde, da sie für deren Vorliegen und damit auch für ihre Dauer die Beweislast trägt (Urteile des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/95, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeytiö u. a./Kommission, „Zellstoff II“, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 127; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89, Slg. 1992, II-1403, Randnrn. 193 bis 195, 198 bis 202, 205 bis 210, 220 bis 232, 249, 250 und 322 bis 328, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnrn. 193 bis 195, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, Randnrn. 43 und 72).

261

Dieses Zugeständnis macht das behauptete Außerkrafttreten der Selbstbeschränkungsabkommen zum entscheidenden Kriterium dafür, ob für das Jahr 1990 das Vorliegen der Zuwiderhandlung festgestellt werden durfte. Da es hier um internationale Abkommen zwischen der japanischen Regierung, vertreten durch das Ministerium für Handel und Industrie, und der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, geht, wäre es nach dem Grundsatz der geordneten Verwaltung Sache der Kommission gewesen, die Dokumente zu archivieren, aus denen sich das Datum des Außerkrafttretens der Abkommen ergibt. Sie hätte daher in der Lage sein müssen, diese Dokumente dem Gericht vorzulegen. Hingegen hat sie vor Gericht vorgetragen, sie habe zwar ihre Archive durchsucht, könne habe keine Dokumente über das Ende der Geltungsdauer der Abkommen vorlegen.

262

Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich auf Umstände beruft, die er selbst nicht beweisen kann, lässt sich das Prinzip der Beweislast hier nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung der von ihr geschlossenen internationalen Verträge geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission, Beweise für eine sie unmittelbar berührende Tatsache vorzulegen, macht es dem Gericht unmöglich, seine Entscheidung in Kenntnis des Datums zu erlassen, zu dem die Abkommen ausliefen. Es widerspräche dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens den Unternehmen aufzubürden, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet war und die im Gegensatz zu dem beklagten Organ nicht in der Lage sind, den fehlenden Nachweis zu führen.

263

Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise festzustellen, dass es Sache der Kommission war, den Zeitpunkt der Beendigung der Selbstbeschränkungsabkommen nachzuweisen. Die Kommission hat den Beweis weder in der angefochtenen Entscheidung noch vor dem Gericht geführt.

264

Jedenfalls haben die japanischen Klägerinnen Beweismittel vorgelegt, die eine Fortführung der Selbstbeschränkungsabkommen bis zum 31. Dezember 1990 zumindest auf japanischer Ebene belegen, was das Vorbringen von Mannesmann im vorliegenden Verfahren stützt (JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, Randnr. 345). In verbundenen Rechtssachen, in denen alle Parteien sämtliche Akten einsehen konnten, kann das Gericht von Amts wegen Beweismittel berücksichtigen, die in den Akten der parallelen Rechtssachen enthalten sind (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-113/89, Nefarma und Bond van Groothandelaren in het Farmaceutische Bedrijf/Kommission, Slg. 1990, II-797, Randnr. 1, und in der Rechtssache T-116/89, Prodifarma u. a./Kommission, Slg. 1990, II-843, Randnr. 1). Im vorliegenden Fall hat das Gericht über Rechtssachen zu entscheiden, die zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, die dieselbe Entscheidung über eine Zuwiderhandlung betreffen und in denen alle Klägerinnen eine Abänderung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen beantragt haben. Damit besitzt das Gericht in der vorliegenden Rechtssache förmlich Kenntnis von den Beweismitteln, die die vier japanischen Klägerinnen eingereicht haben.

265

Im Übrigen hat Mannesmann nicht nur beantragt, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Anfangsdatums der in ihrem Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlung, und insoweit hinsichtlich der Dauer dieser Zuwiderhandlung, für nichtig zu erklären, sondern auch, die Höhe ihrer Geldbuße im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung im Einklang mit Artikel 229 EG und nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 herabzusetzen, um dieser verkürzten Zuwiderhandlungsdauer Rechnung zu tragen. Bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung hat das Gericht, wenn es den angefochtenen Rechtsakt durch eine Neubezifferung der von der Kommission verhängten Geldbußen ändert, alle relevanten Umstände des Sachverhalts zu berücksichtigen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 692). Es wäre daher nicht angemessen — zumal das Anfangsdatum der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung, der 1. Januar 1990, von allen Klägerinnen in Frage gestellt worden ist —, wenn das Gericht die Lage jeder einzelnen Klägerin nach den Umständen ihres jeweiligen Falles isoliert beurteilte und dabei nur die tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigte, die die jeweilige Klägerin zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, die Umstände jedoch außer Betracht ließe, die die übrigen Klägerinnen oder die Kommission geltend gemacht haben.

266

Im Übrigen hat weder Mannesmann noch gar die Kommission behauptet, dass die Selbstbeschränkungsabkommen 1991 noch gültig gewesen wären.

267

Demnach ist im vorliegenden Verfahren festzustellen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Kommission und den japanischen Behörden bis Ende 1990 in Kraft geblieben sind.

268

Folglich ist im Licht des von der Kommission in der Entscheidung gemachten Zugeständnisses die in Artikel 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlungsdauer um ein Jahr zu kürzen. Artikel 1 der Entscheidung ist somit für nichtig zu erklären, soweit darin das Vorliegen der Mannesmann angelasteten Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 festgestellt wird.

269

Zum Endzeitpunkt der Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts klargestellt hat, dass das Jahr 1995 in der angefochtenen Entscheidung für die Berechnung der Geldbußen nicht berücksichtigt worden sei. Mannesmann ist dieser Beurteilung des Endes der Zuwiderhandlung vor Gericht nicht entgegengetreten.

270

Nach alledem ist als Dauer der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung eine Zeit von vier Jahren, vom 1. Januar 1991 bis 1. Januar 1995, anzunehmen. Die Höhe der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße ist zur Berücksichtigung dieses Umstands herabzusetzen.

Zu den behaupteten mildernden Umständen

— Vorbringen der Parteien

271

Mannesmann rügt, dass die Kommission bestimmte mildernde Umstände, die eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätten, nicht berücksichtigt habe. Zwar habe die Kommission die Krise der Stahlindustrie als mildernden Umstand anerkannt und den Betrag der Geldbuße deswegen um 10 % gemindert. Mit Rücksicht auf weitere Umstände wäre jedoch eine stärkere Herabsetzung der Geldbuße angezeigt gewesen. Hier sei vor allem die Tatsache zu nennen, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Übereinkunft ohne Auswirkungen geblieben sei. Überdies habe Mannesmann die beanstandeten Verhaltensweisen gleich nach dem ersten Eingreifen der Kommission eingestellt. Sie habe außerdem im Rahmen der Untersuchung der Kommission kooperiert.

272

Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Der Einwand, die Übereinkunft sei ohne Auswirkungen geblieben, treffe allenfalls für den Liefervertrag zwischen Mannesmann und Corus zu, der Gegenstand von Artikel 2 der Entscheidung sei. Da aber nach diesem Artikel keine Geldbuße verhängt worden sei, stelle sich die Frage nach mildernden Umständen insoweit nicht. Soweit Mannesmann ihre angebliche Mitwirkung an der Untersuchung geltend mache, sei ihr Vorbringen nicht hinreichend substantiiert.

— Würdigung durch das Gericht

273

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall eine Herabsetzung der Geldbußen um 10 % wegen der mildernden Umstände gewährte, die sie in der damaligen Krisensituation der Stahlindustrie sah.

274

Außerdem ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen an ihre eigenen Leitlinien halten muss. Diese Leitlinien schreiben der Kommission aber nicht vor, die im Abschnitt 3 aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert zu berücksichtigen. So sieht Abschnitt 3 der Leitlinien mit der Überschrift „Mildernde Umstände“ eine „Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie z. B“ vor. Wenn die im Abschnitt 3 aufgelisteten Umstände auch gewiss zu den Umständen gehören, die die Kommission in einem gegebenen Fall berücksichtigen kann, ist sie doch nicht dazu verpflichtet, automatisch eine zusätzliche Herabsetzung zu gewähren, wenn ein Unternehmen Elemente anführt, die auf das Vorliegen eines dieser Umstände hindeuten können. Denn die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.

275

In diesem Zusammenhang ist an die vor Erlass der Leitlinien ergangene Rechtsprechung zu erinnern, die der Kommission ein Ermessen zubilligt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschlus SPO u.a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 54, und Urteile Ferriere Nord/Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnrn. 32 und 33, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 465; vgl. auch Urteil KNP BT/Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 68). Da sich aus den Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist festzustellen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

276

Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen von Mannesmann, die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Marktaufteilungsabsprache sei ohne Auswirkungen geblieben, in der Sache, wie oben festgestellt, nicht zutrifft. Die in der fraglichen Übereinkunft vorgesehene Marktaufteilung wurde vielmehr praktisch jedenfalls in gewissem Umfang auch durchgeführt und hatte zwangsläufig reale Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten (vgl. oben, Randnrn. 251 ff.). Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass die oben in Randnummer 235 erwähnte Bezifferung des wegen der Schwere angesetzten Betrages auf 50 % des für einen „besonders schweren“ Verstoß üblicherweise verwirkten Mindestbetrags der begrenzten Auswirkung des Verstoßes auf den Markt im vorliegenden Fall angemessen Rechnung trägt (vgl. auch oben, Randnr. 241).

277

Demgemäß ist der zweite Gedankenstrich in Abschnitt 3 der Leitlinien dahin auszulegen, dass die Kommission das Vorliegen eines mildernden Umstands wegen tatsächlicher Nichtanwendung einer Vereinbarung nur anzuerkennen braucht, wenn das Unternehmen, das diesen Umstand geltend macht, nachweisen kann, dass es sich der Anwendung der Vereinbarung so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar deren Funktionieren gestört wurde, und dass es der Vereinbarung auch nicht scheinbar zustimmte und dadurch andere Unternehmen zu deren Anwendung veranlasste. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Vereinbarung mit seinen Wettbewerbern über die Aufteilung von Märkten erwiesen ist, auf dem Markt nicht vereinbarungsgemäß verhalten hat, ist bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nämlich nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 142).

278

Wie das Gericht im Urteil Zement (zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 1389) festgestellt hat, behält ein Unternehmen, das sich von den Ergebnissen eines Treffens, an dem es teilgenommen hat, nicht distanziert, grundsätzlich „seine volle Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell“. Unternehmen könnten das Risiko, eine beträchtliche Geldbuße zahlen zu müssen, zu leicht minimieren, wenn sie zunächst aus einem rechtswidrigen Kartell Vorteil ziehen und anschließend eine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung beanspruchen könnten, dass sie bei der Durchführung der Zuwiderhandlung nur eine begrenzte Rolle gespielt hätten, obgleich ihre Haltung andere Unternehmen dazu veranlasste, sich in stärkerem Maße wettbewerbsschädigend zu verhalten.

279

Selbst wenn Mannesmann und/oder bestimmte weitere Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs die Marktaufteilungsabsprache nicht vollständig eingehalten haben sollten, rechtfertigte dieser Umstand somit nicht die Anwendung des zweiten Gedankenstriches in Abschnitt 3 der Leitlinien für eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Vorliegens eines mildernden Umstands.

280

Was das Vorbringen zur unverzüglichen Beendigung der Zuwiderhandlung angeht, so kann die im Abschnitt 3 der Leitlinien erwähnte „Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission“ logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden.

281

Daraus folgt insbesondere, dass eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt 3 der Leitlinien wegen Beendigung des Verstoßes nach den ersten Untersuchungshandlungen nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden. Auch wenn es nämlich wünschenswert ist, dass Unternehmen ihr rechtswidriges Verhalten schon vor einem Eingreifen der Kommission beenden, betrifft doch Abschnitt 3 der Leitlinien nach seinem Wortlaut den Fall, in dem Unternehmen auf ein solches Eingreifen durch die Beendigung ihres möglicherweise wettbewerbswidrigen Verhaltens positiv reagieren, da ein Anreiz für eine solche Reaktion geschaffen werden soll. Dabei erscheint die Anwendung dieser Regelung zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt — durch die Kommission im Wege ihrer Ermessensausübung oder durch das Gericht im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung —, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist. Im vorliegenden Fall steht der wettbewerbswidrige Charakter der in Artikel 1 der Entscheidung geahndeten Marktaufteilungsabsprache außer Zweifel.

282

Eine Herabsetzung der Geldbuße aus dem im ersten Satz der vorstehenden Randnummer genannten Grund würde außerdem die sich aus den Leitlinien ergebende Berücksichtigung der Zuwiderhandlungsdauer für die Berechnung der Geldbußen verdoppeln. Mit dieser Berücksichtigung wird gerade bezweckt, gegen Unternehmen, die über lange Zeit hinweg gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, strenger vorzugehen als gegen Unternehmen, deren Zuwiderhandlungen von kurzer Dauer waren. Würde eine Geldbuße deshalb herabgesetzt, weil ein Unternehmen sein rechtswidriges Verhalten vor den ersten Untersuchungshandlungen der Kommission beendete, so würden die Verantwortlichen von kurzzeitigen Zuwiderhandlungen hierdurch ein zweites Mal begünstigt.

283

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 102) im Licht der von den Klägerinnen in jenen Rechtssachen vorgetragenen Klagegründe und Argumente zu dem Ergebnis gelangte, dass ihnen gegenüber eine Zuwiderhandlung nicht für die Zeit nach dem 1. Juli 1994 festgestellt werden kann, weil es keinen Beweis dafür gibt, dass gemäß der bis dahin geübten Praxis im Herbst 1994 eine Sitzung des Europäisch-Japanischen Clubs in Japan abgehalten wurde. Daraus folgt, dass die Zuwiderhandlung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Nachprüfungen vom 1. und 2. Dezember 1994 vornahm, vermutlich beendet war oder zumindest gerade zu Ende ging.

284

Dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bilden, nicht über das Datum der ersten Untersuchungshandlungen der Kommission hinaus fortgeführt wurden, rechtfertigt daher nach den Umständen des vorliegenden Falles keine Herabsetzung der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße.

285

Das von Mannesmann vorgetragene Argument schließlich, dass ihre Zusammenarbeit als mildernder Umstand hätte berücksichtigt werden müssen, ist nachstehend in den Randnummern 307 ff. im Rahmen des Klagegrundes zur Mitteilung über Zusammenarbeit zu prüfen.

286

Nach alledem sind mit Rücksicht darauf, dass die Kommission die fraglichen Geldbußen bereits wegen des mildernden Umstands der Krisensituation in der Stahlbranche herabsetzte (vgl. Randnrn. 168 und 169 der Entscheidung), alle Rügen, mit denen Mannesmann die Unterlassung einer weiteren Herabsetzung wegen angeblich mildernder Umstände beanstandet, zurückzuweisen.

Zu der von Mannesmann behaupteten Zusammenarbeit

— Vorbringen der Parteien

287

Mannesmann wirft der Kommission vor, sich nicht an die Mitteilung über Zusammenarbeit gehalten zu haben. Die Kommission habe insoweit ihr gegenüber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

288

So sei sie zunächst gegenüber Vallourec diskriminiert worden. Wie Vallourec habe auch sie die Auskunftsersuchen der Kommission beantwortet. Sie habe zur Untersuchung der Kommission wertvolle Beiträge geleistet (Randnrn. 62, 67, 72 und 170 der Entscheidung), so insbesondere durch die Erklärung von Herrn Becher. Ebenso wie Vallourec habe auch Mannesmann den ihr vorgeworfenen Sachverhalt nicht bestritten (Randnr. 174 der Entscheidung).

289

Vallourec habe der Kommission keine Auskünfte aus eigener Initiative gegeben, sondern sei einfach das erste Unternehmen gewesen, bei dem im September 1996 Nachprüfungen stattgefunden hätten. Bei Mannesmann habe die Kommission Nachprüfungen erst im April 1997 vorgenommen. Wenn die zeitlich ersten Informationen, die bei der Kommission eingelangt seien, auch von Vallourec stammten, liege dies doch allein an der Reihenfolge, die die Kommission für ihre Nachprüfungen bei den betroffenen Unternehmen gewählt habe. Aus dieser in ihrem Belieben stehenden Wahl dürften aber nicht nachteilige Schlüsse für die davon betroffenen Unternehmen, hier also Mannesmann, gezogen werden.

290

Mannesmann trägt vergleichbare Rügen auch im Verhältnis zur Behandlung von Dalmine vor (Randnr. 172 der Entscheidung). Obgleich Mannesmann im Rahmen der Untersuchung in vergleichbarem Umfang wie Dalmine kooperiert habe, habe die Kommission die gegen Dalmine verhängte Buße um 20 % herabgesetzt. Die Kommission könne diese Ungleichbehandlung nicht damit begründen, dass Mannesmann gegen eine Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 gerichtlich vorgegangen sei. Auch Dalmine habe nämlich einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt, den das Gericht als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen habe. Jedenfalls dürfe die Kommission keine negativen Schlussfolgerungen aus dem Umstand ziehen, dass Mannesmann von ihrem Grundrecht auf Anrufung der Gerichte Gebrauch gemacht habe.

291

Die Kommission weist darauf hin, dass sie in den Geschäftsräumen von Mannesmann am 1. und 2. Dezember 1994 eine Nachprüfung vorgenommen habe. Die Rüge einer diskriminierenden Benachteiligung im Verhältnis zu Vallourec sei daher gegenstandslos.

292

Das Verhalten von Vallourec könne nicht mit dem von Mannesmann verglichen werden. Vallourec habe als einziges betroffenes Unternehmen konkrete Hinweise auf Existenz und Inhalt des Kartells geliefert. Diese Hinweise hätten der Kommission die Feststellung der Zuwiderhandlungen erleichtert. Vallourec habe den Sachverhalt nicht bestritten. Daher sei ihre Geldbuße um 40 % herabgesetzt worden.

293

Mannesmann habe demgegenüber bei der Untersuchung nicht mitgearbeitet. Die Erklärungen von Herrn Becher seien im Zusammenhang mit einer Nachprüfung der Kommission in den Geschäftsräumen von Mannesmann in Beantwortung von Fragen der Kommission abgegeben worden und hätten lediglich Informationen bestätigt, die der Kommission bereits vorgelegen hätten. Während der gesamten Untersuchung habe Mannesmann ein mehrdeutiges Verhalten an den Tag gelegt. Sie habe zwar den Sachverhalt nicht bestritten (Randnr. 174 der Entscheidung), aber auch nicht klar dazu Stellung bezogen. Obendrein habe sie sich geweigert, der Kommission bestimmte Auskünfte zu erteilen, die diese aufgrund einer Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 von ihr angefordert habe. Daher habe sie nicht wie Dalmine aus dem gleichen Grund eine Herabsetzung der Geldbuße um 20 % erhalten.

294

Das passive Verhalten eines Unternehmens rechtfertige nach der Mitteilung über Zusammenarbeit keine Herabsetzung der Geldbuße. Für eine solche Herabsetzung werde in der Mitteilung über Zusammenarbeit vielmehr verlangt, dass ein Unternehmen nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte erkläre, den Sachverhalt nicht zu bestreiten (vgl. Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit und Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309).

— Würdigung durch das Gericht

295

Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission bei der Beurteilung der Zusammenarbeit von Unternehmen nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht lassen, der einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bildet und der nach der Rechtsprechung verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnr. 237, und die dort zitierte Rechtsprechung).

296

Die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309, und die dort zitierte Rechtsprechung).

297

In der vorliegenden Rechtssache nehmen die Erklärungen, mit denen Herr Verluca als Vertreter von Vallourec die diesem Unternehmen von der Kommission gestellten Fragen beantwortete, als Beweismittel eine Schlüsselstellung ein.

298

Zwar ist der Grad der Zusammenarbeit von Unternehmen mit der Kommission als vergleichbar anzusehen, soweit sie dieser im selben Stadium des Verwaltungsverfahrens und unter gleich gelagerten Umständen vergleichbare Informationen über den ihnen angelasteten Sachverhalt mitteilen (vgl. analog Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnrn. 243 und 245).

299

Jedoch beschränkten sich die von Mannesmann gegebenen Antworten auf die Fragen, insbesondere die in Randnummer 63 der Entscheidung genannte Erklärung von Herrn Becher, — wenngleich sie für die Kommission von gewissem Nutzen waren — darauf, Informationen zu bestätigen, und zwar weniger genau und explizit, die bereits von Vallourec in den Erklärungen von Herrn Verluca geliefert worden waren. Herr Verluca offenbarte insbesondere, dass jedes Mitglied des Europäisch-Japanischen Clubs den Heimatmarkt aller anderen Clubmitglieder zu respektieren hatte, und stellte dabei klar, dass der Offshore-Markt des Vereinigten Königreichs einen besonderen Status im Sinne eines „Teilschutzes“ innehatte. Er machte außerdem Angaben zur Dauer und zur Funktionsweise der Marktaufteilungsabsprache.

300

Insoweit ist festzustellen, dass sich Herr Verluca nicht darauf beschränkte, nur die Fragen der Kommission anlässlich der ersten Nachprüfung bei Vallourec im September 1996 zu beantworten. Aus seinen Erklärungen insgesamt wird vielmehr ein echter Wille erkennbar, im Rahmen der von der Kommission geführten Untersuchung wirkliche Zusammenarbeit zu zeigen. Dagegen hat Herr Becher im Zusammenhang mit den Grundregeln nur den Ausschluss der japanischen Hersteller von den europäischen Märkten und der europäischen Hersteller von den japanischen Märkten genannt, ohne dazu weitere Einzelheiten mitzuteilen.

301

Der Nutzen der Erklärung von Herrn Becher liegt ausschließlich darin, dass sie in gewissem Umfang die der Kommission bereits vorliegenden Erklärungen von Herrn Verluca erhärtet. Die Erklärung erleichterte daher die Aufgabe der Kommission nicht nennenswert und genügt darum nicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

302

Die Informationen, die Mannesmann der Kommission vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte lieferte, sind demnach nicht mit denen von Vallourec vergleichbar. Jedenfalls genügen diese Informationen nicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

303

Soweit Mannesmann sich auf einen Vergleich mit der Zusammenarbeit von Dalmine beruft, ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, um eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts zu erlangen, gegenüber der Kommission, nachdem es von der Mitteilung der Beschwerdepunkte Kenntnis genommen hat, ausdrücklich erklären muss, dass es den Sachverhalt nicht bestreitet (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309). Wird eine solche ausdrückliche Erklärung nicht abgegeben, so kann in der bloßen Untätigkeit eines Unternehmens keine Erleichterung der der Kommission obliegenden Aufgabe gesehen werden, weil sie in diesem Fall in der endgültigen Entscheidung sämtliche Tatsachen nachweisen muss, ohne sich hierfür auf eine entsprechende Erklärung des Unternehmens stützen zu können.

304

Im vorliegenden Fall wurde Dalmine eine Herabsetzung der Buße um 20 % gerade deswegen gewährt, weil sie der Kommission mitgeteilt hatte, dass sie die den Beschuldigungen der Kommission zugrunde liegenden Tatsachen nicht bestreite (Randnrn. 172 und 173 der Entscheidung). Der in Randnummer 5 der Entscheidung erwähnte Umstand, dass Dalmine vor der Übersendung der Beschwerdepunkte die Beantwortung von bestimmten Fragen der Kommission verweigerte, ist im vorliegenden Kontext ohne Bedeutung, weil laut Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit eine nach der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegebene Erklärung, dass der Sachverhalt nicht bestritten wird, unabhängig von dem Verhalten des Unternehmens vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine eigenständige Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt.

305

Dagegen hat die Kommission in Randnummer 174 der Entscheidung darauf verwiesen, dass Mannesmann hierzu nie deutlich Stellung bezogen habe. Mannesmann unterstreicht zwar, dass sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt nicht bestritten habe, macht aber auch nicht geltend, gegenüber der Kommission ausdrücklich klargestellt zu haben, dass sie den Sachverhalt nicht bestreite.

306

Demnach ist festzustellen, dass das Vorbringen von Mannesmann eine Anwendung des zweiten Gedankenstrichs in Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit für eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße nicht rechtfertigt.

307

Soweit Mannesmann argumentiert, ihre Kooperation rechtfertige dennoch eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände nach Abschnitt 3 der Leitlinien, ist daran zu erinnern, dass die Kommission, wie oben festgestellt, hinsichtlich der Berücksichtigung von mildernden Umständen über ein Ermessen verfügt. Nach Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien ist beispielsweise die „aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“ ein mildernder Umstand. Damit handelt es sich aber im sechsten Gedankenstrich, zumindest für die von der Mitteilung über Zusammenarbeit erfassten horizontalen Vereinbarungen, zwangsläufig um eine Zusammenarbeit, die unzureichend ist, um eine Herabsetzung nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

308

Allerdings ist nochmals hervorzuheben, dass das Verhalten eines Unternehmens, um eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zu rechtfertigen, die Aufgabe der Kommission erleichtern muss, Verstöße gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (vgl. oben, Randnr. 296 und die dort zitierte Rechtsprechung). Demnach betrifft Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien hinsichtlich der von ihnen erfassten horizontalen Vereinbarungen einen Ausnahmefall, weil es sich um eine „aktive“ Zusammenarbeit gehandelt haben muss, die die Aufgabe der Kommission erleichtert hat, aber nicht unter die Mitteilung über Zusammenarbeit fällt.

309

Im vorliegenden Fall hat Mannesmann nicht nachgewiesen, dass ihre Kooperation die Aufgabe der Kommission, Zuwiderhandlungen aufzudecken und zu verfolgen, tatsächlich erleichtert hat (vgl. oben, Randnrn. 297 bis 306). Es besteht damit kein Grund zur Annahme, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens dadurch überschritten hat, dass sie Mannesmann keine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße wegen aktiver Mitwirkung an der Untersuchung im Sinne von Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien gewährte.

310

Jedenfalls weist die Kommission darauf hin, dass Mannesmann nicht nur nicht an ihrer Untersuchung mitgewirkt, sondern sogar bestimmte Informationen verweigert habe, und zwar trotz Erlasses einer Entscheidung vom 15. Mai 1998 nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17, mit der Mannesmann zur Mitteilung dieser Informationen verpflichtet worden sei. Zwar erhob Mannesmann beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung, die unter der Nummer T-112/98 in das Register eingetragen wurde, sie beantragte aber im Rahmen dieses Verfahrens keine einstweiligen Anordnungen, wie ihr dies nach den Artikeln 242 EG und 243 EG möglich gewesen wäre. Dass Mannesmann die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 15. Mai 1998 gerichtlich in Frage stellte, war offenkundig in jeder Hinsicht legitim und kann nicht als mangelnde Zusammenarbeit gewertet werden. Dennoch ist festzustellen, dass Mannesmann zur Aufrechterhaltung ihrer Weigerung, die in Frage stehenden Informationen mitzuteilen, nicht berechtigt war, da einstweilige Anordnungen über die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung vom 15. Mai 1998 nicht ergangen waren. Indem die Klägerin sich so verhielt, als wären solche einstweiligen Anordnungen ergangen, obgleich sie sie nicht beantragt hatte, ist sie ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen.

311

Im Übrigen erwirkte Mannesmann zwar eine Teilnichtigerklärung der Entscheidung vom 15. Mai 1998, da das Gericht im Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission (zitiert oben in Randnr. 8) bestimmte in dieser Entscheidung gestellte Fragen für nichtig erklärte. Jedoch ergibt sich aus dem Urteil, dass der größte Teil der Angaben, deren Mitteilung Mannesmann verweigert hatte, von der Kommission rechtmäßig angefordert worden war. Das genannte Urteil des Gerichts ist von Mannesmann beim Gerichtshof mit einem Rechtsmittel, das unter der Nummer C-190/01 in das Register eingetragen worden ist, angefochten worden. Diese Rechtssache ist jedoch durch Beschluss des Gerichtshofes vom 4. Oktober 2001 (Mannesmannröhren-Werke AG/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aus dem Register gestrichen worden. Wie dem in diesem Beschluss enthaltenen Hinweis auf Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes in Verbindung mit deren Artikel 122 Absatz 3 zu entnehmen ist, hat der Gerichtshof, obwohl in dem ursprünglichen Antrag der Rechtsmittelführerin auf Streichung der Rechtssache eine Einigung der Parteien erwähnt war, angenommen, dass die Rechtsmittelführerin ihr Rechtsmittel einfach zurückgenommen hat, weshalb er ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt hat.

312

Nach diesem Beschluss ist das Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission (zitiert oben in Randnr. 8) folglich rechtskräftig geworden. Damit ist festzustellen, dass der Kommission wegen des rechtswidrigen Verhaltens von Mannesmann zahlreiche Informationen, deren Mitteilung sie rechtmäßig im Verwaltungsverfahren verlangt hatte, niemals zur Verfügung standen. Unter diesen Umständen kann die Haltung von Mannesmann im Verwaltungsverfahren bei einer Gesamtwürdigung nicht als aktive Zusammenarbeit angesehen werden.

313

Demnach sind die von Mannesmann auf ihre angebliche Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren gestützten Rügen zurückzuweisen.

Zur Berechnung der Geldbuße

314

Nach alledem ist die gegen Mannesmann verhängte Geldbuße herabzusetzen, um der Festsetzung der Zuwiderhandlungsdauer gemäß Artikel 1 der Entscheidung auf vier Jahre anstelle von fünf Jahren Rechnung zu tragen.

315

Da die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht die in den Leitlinien festgelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwandte, ist die Herabsetzung der Geldbuße auch vom Gericht im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung nach dieser Methode vorzunehmen.

316

Demnach beträgt der Grundbetrag der Geldbuße 10 Millionen Euro. Dieser Betrag ist für jedes Jahr der Zuwiderhandlung um 10 %, also um insgesamt 40 % zu erhöhen, womit sich ein Betrag von 14 Millionen Euro ergibt. Dieser Betrag ist wegen der in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung dargelegten mildernden Umstände um 10 % zu verringern, woraus sich für Mannesmann ein Endbetrag von 12600000 Euro statt 13500000 Euro errechnet.

Kosten

317

Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt, sind der Klägerin und der Kommission jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E-1/35.860-B — Nahtlose Stahlrohre) wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, dass die der Klägerin in diesem Artikel zur Last gelegte Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 1991 vorlag.

 

2.

Die gegen die Klägerin in Artikel 4 der Entscheidung 2003/382 verhängte Geldbuße wird auf 12600000 Euro festgesetzt.

 

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

4.

Die Klägerin und die Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Der Kanzler

H. Jung

Der Präsident

J. Pirrung

Forwood

Pirrung

Meij

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2004.

Inhaltsverzeichnis

 

Sachverhalt und Verfahren

 

Verfahren vor dem Gericht

 

Anträge der Parteien

 

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

 

Zu den Klagegründen, mit denen Verfahrensmängel geltend gemacht werden

 

Zu dem Klagegrund, wonach die Rechte der Verteidigung dadurch verletzt worden seien, dass die Kommission der Klägerin die Einsicht in bestimmte Aktenstücke verweigert habe

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zu dem Vorwurft, die Frist für die Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei unzureichend gewesen

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zur Verwertung des Verteilerschlüssel-Papiers als belastendes Beweismittel

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zum Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

 

Zu dem Vorwurf eines Widerspruchs zwischen Artikel 1 und Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zu dem Vorwurf, die Überlegungen der Kommission hinsichtlich der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung seien fehlerhaft

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zum Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

 

Vorbringen der Parteien

 

Würdigung durch das Gericht

 

Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

 

Zu den Regeln über die Berechnung der Geldbuße

 

Vorbringen der Parteien

 

Würdigung durch das Gericht

 

Zur Bestimmung der Höhe der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

 

Zur Schwere der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zur Dauer

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zu den behaupteten mildernden Umständen

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zu der von Mannesmann behaupteten Zusammenarbeit

 

— Vorbringen der Parteien

 

— Würdigung durch das Gericht

 

Zur Berechnung der Geldbuße

 

Kosten

Der Kanzler

H. Jung

Der Präsident

J. Pirrung


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

( 1 ) Der den Sachverhalt wiedergebende Teil der Urteilsgründe ist hier nicht abgedruckt. Der Sachverhalt kann den Randnummern 2 bis 33 des Urteils des Gerichts vom 8. Juli 2004 in den Rechtssachen T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00 (JFE Engineering u.a./Kommission, Slg. 2004, II-2501) entnommen werden.