Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 6. Juni 2002. - Tommaso Morellato gegen Comune di Padova. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile di Padova - Italien. - Artikel 30 und 36 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG und 30 EG) - Verkaufsmodalitäten - Nationale Regelung, die eine vorherige Verpackung und ein besonderes Etikett für die Vermarktung von tiefgefrorenem Brot verlangt, das in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und nach einem zusätzlichen Backvorgang in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wird. - Rechtssache C-416/00.
Sammlung der Rechtsprechung 2003 Seite I-09343
1. Das Tribunale civile Padua (Italien) hat dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es möchte wissen, ob Artikel 28 EG der Anwendung einer Vorschrift durch den Bürgermeister von Padua entgegensteht, die Einzel- oder Großhändlern die Verpflichtung auferlegt, - tiefgefrorenes oder nicht tiefgefrorenes - vorgebackenes Brot unmittelbar nach einem zusätzlichen Backvorgang und - noch bevor es zum Verkauf gelangt - zu verpacken. Sollte diese Frage bejaht werden, möchte das italienische Gericht wissen, ob die in Artikel 30 EG vorgesehene Ausnahme zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen angewendet werden kann.
I - Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
2. Wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, ist Herr Tommaso Morellato Inhaber eines Betriebes für das Aufbacken von tiefgefrorenem Brot und die Zubereitung von tiefgefrorenem Backwerk, dem eine Verkaufsstelle angeschlossen ist. Das in der Verkaufsstelle verkaufte Brot wurde von dem Unternehmen BCS in Frankreich hergestellt, vorgebacken und tiefgefroren und dort rechtmäßig vertrieben.
3. Am 26. April 1994 führte der Settore igiene pubblica de la Unità sanitare locale Nr. 21 (örtlicher Gesundheitsdienst) im Betrieb von Herrn Morellato eine Inspektion durch und fand verschiedene unverpackte Brote vor, die in Regale einsortiert waren, an denen die Verkaufsbezeichnung mit dem Hinweis, dass das Brot vorgebacken und tiefgefroren war, sowie Zutaten, Hersteller und Großhändler angegeben waren. Das Brot wurde bei der Aushändigung an den Kunden in Papiertüten verpackt.
II - Die italienische Regelung
4. Gemäß Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 vom 4. Juli 1967 über die Verarbeitung und das Inverkehrbringen von Getreide, Mehl, Brot und Teigwaren, geändert durch Artikel 44 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 146 vom 22. Februar 1994 (im Folgenden: Gesetz Nr. 580), darf - tiefgefrorenes oder nicht tiefgefrorenes - vorgebackenes Brot, das nach einem zusätzlichen Backvorgang öffentlich zum Kauf angeboten wird, nur nach vorheriger Verpackung und Etikettierung mit den nach der geltenden Regelung für Lebensmittel vorgesehenen Angaben in vom frischen Brot getrennten Fächern und mit den erforderlichen Angaben über die Art des Produktes vertrieben und zum Verkauf angeboten werden.
5. Die Kommission setzte den Gerichtshof davon in Kenntnis, dass diese Bestimmung durch einen an alle Provinzialbehörden ergangenen Runderlass des Ministeriums für Industrie vom 30. Mai 1995 präzisiert worden sei. Diese Präzisierung war offensichtlich das Ergebnis von Gesprächen, die in den Jahren 1992 bis 1995 zwischen der Kommission und den italienischen Behörden wegen der Hindernisse geführt worden waren, die in Italien bei dem Inverkehrbringen von tiefgefrorenem vorgebackenem Brot bestanden. Das aus diesem Grund gegen Italien eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wurde im März 1995 wegen des unmittelbar bevorstehenden Runderlasses eingestellt.
Nach diesem Runderlass sind bei der Verpackung des Brotes Tüten aus einem Material zu verwenden, das das Erzeugnis atmen lässt, und auf den Tüten sind die Zutaten, der Hersteller mit Sitz, die Herkunft des vorgebackenen und tiefgefrorenen Brotes und das Haltbarkeitsdatum anzugeben, wobei das Brot noch im Zeitpunkt des Verkaufs in dieser Weise verpackt werden kann.
III - Vorlagefragen
6. Mit Bescheid vom 17. März 1998 verhängte der Bürgermeister von Padua gegen Herrn Morellato wegen Verstoßes gegen Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 ein Ordnungsgeld von 1 200 000 ITL. Der Betroffene focht diese Entscheidung an und berief sich darauf, dass die nationalen Rechtsvorschriften gegen Artikel 28 EG verstießen.
7. Das italienische Gericht hat es für erforderlich gehalten, dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:
1. Sind die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag so auszulegen, dass Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 vom 4. Juli 1967 (in der durch Artikel 44 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 146 vom 22. Februar 1994 geänderten Fassung), wie ihn der Bürgermeister der Stadt Padua im angefochtenen Bußgeldbescheid ausgelegt hat, mit ihnen unvereinbar ist, soweit er den Verkauf von Brot untersagt, das durch zusätzliches Backen von - tiefgefrorenem oder nicht tiefgefrorenem - teilweise gebackenem (rechtmäßig hergestelltem und aus Frankreich eingeführtem) Brot hergestellt wird, wenn es vom Wiederverkäufer nicht vorher verpackt worden ist?
2. Sind dieser Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 vom 4. Juli 1967 (in der durch Artikel 44 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 146 vom 22. Februar 1994 geänderten Fassung) und seine Auslegung durch den Bürgermeister der Stadt Padua als mengenmäßige Beschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des erwähnten Artikels 30 EG-Vertrag anzusehen?
3. Wenn ja, kann sich der italienische Staat auf die in Artikel 36 EG-Vertrag zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen vorgesehene Ausnahme berufen?
4. Müssen die italienischen Gerichte diesen Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 vom 4. Juli 1967 (in der durch Artikel 44 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 146 vom 22. Februar 1994 geänderten Fassung) unbeachtet lassen?
5. Muss somit der freie Verkehr von Brot, das durch zusätzliches Backen von - tiefgefrorenem oder nicht tiefgefrorenem - teilweise gebackenem (rechtmäßig hergestelltem und aus Frankreich eingeführtem) Brot hergestellt wird, ohne jede Einschränkung wie die der in Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 vom 4. Juli 1967 (in der durch Artikel 44 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 146 vom 22. Februar 1994 geänderten Fassung) vorgeschriebenen vorherigen Verpackung" zugelassen werden?
IV - Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
8. Artikel 28 EG und 30 EG bestimmen:
Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten."
Die Bestimmungen der Artikel 28 und 29 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen."
V - Verfahren vor dem Gerichtshof
9. Die einzigen schriftlichen Erklärungen, die in diesem Verfahren innerhalb der Frist des Artikels 20 der Satzung des Gerichtshofes abgegeben worden sind, stammen von der Kommission.
Da keiner der Beteiligten einen Antrag gestellt hat, in dem Gründe aufgeführt sind, aus denen er gehört werden möchte, hat der Gerichtshof nach Artikel 104 § 4 der Verfahrensordnung beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
VI - Vorüberlegungen
10. Die Anwendung des italienischen Gesetzes Nr. 580 hat bereits in der Vergangenheit zu Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof in Bezug auf die Auslegung des Grundsatzes des freien Warenverkehrs geführt.
Als Beispiele können die Rechtssachen 3 Glocken u. a. und Zoni genannt werden, in denen das Verbot, eingeführte Teigwaren, die ganz oder teilweise aus Weichweizen hergestellt sind, in Italien zu vermarkten, behandelt wurde, und die Rechtssache Morellato, bei der gegen einen Kaufmann, der denselben Namen trägt wie der Verkäufer im vorliegenden Verfahren und bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um dieselbe Person handelt, wegen der Vermarktung von rechtmäßig in Frankreich hergestelltem und verkauftem tiefgefrorenem Vollkornbrot ein Bußgeld verhängt worden war, da es nicht die Anforderungen der italienischen Rechtsvorschriften in Bezug auf den Feuchtigkeitsgehalt, den Ascheanteil und die Verwendung von Kleie erfuellt hatte.
In diesen drei Fällen war der Gerichtshof der Auffassung, dass die Anwendung der streitigen italienischen Vorschriften mit den Artikeln 28 EG und 30 EG unvereinbar sei.
11. Die Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel mit Brot haben ebenfalls zu mehreren Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof geführt. Neben der bereits genannten Rechtssache Morellato können die Rechtssachen Kelderman zum Anteil von Trockenmasse, Nederlandse Bakkerij Stichting zum Mindestverkaufspreis für Brot sowie Van der Veldt und Bellamy u. a. zum Salzgehalt angeführt werden.
12. Die fünf im vorliegenden Verfahren vorgelegten Fragen sind nicht neu. Sie stimmen praktisch mit denen überein, die die Pretura Pordenone in der früheren Rechtssache Morellato vorgelegt hat, wenngleich der konkret verfolgte Verstoß jeweils ein anderer ist.
13. Deshalb hätte dieser Rechtsstreit im abgekürzten Verfahren nach Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung entschieden werden können, der Anwendung findet, wenn die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen mit Fragen übereinstimmen, über die bereits entschieden wurde, wenn die Antwort auf die Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt. In diesen Fällen entscheidet der Gerichtshof durch Beschluss.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht und nach Artikel 21 der EG-Satzung prozessleitende Maßnahmen in Form von schriftlichen Fragen an die italienische Regierung und der Aufforderung an die Kommission getroffen, einige der beigebrachten Informationen zu vervollständigen.
VII - Untersuchung der Vorlagefragen
A. Erste, zweite und dritte Vorlagefrage
14. Mit den ersten drei Fragen, die gemeinsam zu untersuchen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen erfahren, ob Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580, der dem Einzel- oder Großhändler die Verpflichtung auferlegt, das - tiefgekühlte oder nicht tiefgekühlte - vorgebackene Brot unmittelbar nach einem zusätzlichen Backvorgang - noch bevor es zum Verkauf gelangt - zu verpacken, in seiner Anwendung durch den Bürgermeister von Padua eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 28 EG darstellt. Sollte dies der Fall sein, möchte das Gericht wissen, ob diese Maßnahme unter die in Artikel 30 EG vorgesehene Ausnahme zum Schutz der Gesundheit oder des Lebens von Menschen fällt.
15. Die Kommission ist der - meiner Meinung nach zutreffenden - Ansicht, dass die genannte Verpflichtung eine zusätzliche Erschwernis für die Wirtschaftsteilnehmer darstelle, die geeignet sei, der Einfuhr dieser Art von Brot in Italien jeglichen Anreiz zu nehmen. Darüber hinaus führe der Umstand, dass frisches Brot nicht vorher verpackt werden müsse, zu einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung zugunsten des Letzteren, bei dem es sich per definitionem um ein nationales Erzeugnis handele, das unabhängig davon, ob es handwerklich oder industriell hergestellt werde, am selben Tag gebacken und verkauft werde. Das Hindernis für den freien Warenverkehr, das die italienischen Rechtsvorschriften darstellten, könne nicht mit der Notwendigkeit des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt werden.
16. Ich möchte darauf hinweisen, dass die streitigen Rechtsvorschriften unterschiedslos für in Italien hergestelltes und aus anderen Mitgliedstaaten eingeführtes vorgebackenes Brot gelten. Im Urteil Keck und Mithouard unterscheidet der Gerichtshof zwischen Vorschriften, die die Eigenschaften der Erzeugnisse betreffen, und Vorschriften über Verkaufsmodalitäten, um zu bestimmen, welche unterschiedslos auf nationale und eingeführte Erzeugnisse anwendbaren Maßnahmen eine beschränkende Wirkung entfalten, die sie zu Maßnahmen gleicher Wirkung machen können.
17. In diesem Urteil hat der Gerichtshof bestätigt, dass Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, bestimmten Vorschriften entsprechen müssen ..., selbst dann, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, nach [Artikel 28 EG] verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung dar[stellen], sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht".
Sodann hat der Gerichtshof entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, dass die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.
Seien diese Voraussetzungen nämlich erfuellt, so sei die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tue. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 28 EG.
18. Um festzustellen, ob Artikel 28 EG einer Regelung entgegensteht, die unterschiedslos auf nationale und eingeführte Erzeugnisse anwendbar ist, ist ausgehend von diesem Urteil zu unterscheiden zwischen den Bestimmungen über die Voraussetzungen, die eine Ware erfuellen muss, wie Voraussetzungen in Bezug auf Bezeichnung, Form, Abmessungen, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung und Verpackung, und den Bestimmungen, die Verkaufsmodalitäten regeln.
Seit der Verkündung des Urteils Keck und Mithouard im Jahr 1993, in dem das Verbot des Weiterverkaufs zum Verlustpreis in Frankreich untersucht wurde, hat der Gerichtshof weitere Verkaufsmodalitäten untersucht, wie zum Beispiel eine von einer Berufskammer erlassene standesrechtliche Vorschrift, die es Apothekern verbietet, außerhalb der Apotheke für parapharmazeutische Erzeugnisse zu werben, deren Verkauf ihnen gestattet ist, eine Ladenschlussregelung im Einzelhandel, die Verpflichtung, Einzelhandelsgeschäfte sonntags geschlossen zu halten, eine Regelung, die den Vertrieb von verarbeiteter Milch für Säuglinge außerhalb von Apotheken verbietet, ein Vertriebssystem, das den Einzelhandel mit Tabakwaren staatlich zugelassenen Vertriebshändlern vorbehält, eine Regelung, die die Fernsehwerbung im Sektor des Vertriebs verbietet, das Verbot des Verkaufs mit einer äußerst niedrigen Gewinnspanne, das vollständige Verbot von für Kinder unter 12 Jahren bestimmter Werbung und irreführender Werbung, das Verbot von an den Verbraucher gerichteten Werbeanzeigen durch Hersteller und Importeure von alkoholischen Getränken in einem Staat und die Beschränkung des Feilbietens im Umherziehen in einem bestimmten Verwaltungsgebiet auf die Wirtschaftsteilnehmer, die in diesem Verwaltungsgebiet ihrer Tätigkeit in festen Niederlassungen nachgehen, und auf die von ihnen dort verkauften Waren.
19. Angesichts dieser Beispiele bin ich der Auffassung, dass die italienische Regelung, die dem Einzel- oder Großhändler die Verpflichtung auferlegt, das - tiefgefrorene oder nicht tiefgefrorene - vorgebackene Brot unmittelbar im Anschluss an einen zusätzlichen Backvorgang - noch bevor es zum Verkauf gelangt - zu verpacken, nicht als eine Verkaufsmodalität betrachtet werden kann, sondern dass sie eine Voraussetzung aufstellt, die die Ware erfuellen muss, damit sie verkauft werden darf, und deshalb zu den Maßnahmen gehört, die sich auf die Eigenschaften der Ware beziehen.
20. Auch wenn diese Bestimmung unterschiedslos auf in Italien hergestelltes und auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführtes vorgebackenes Brot angewendet wird, nimmt sie den Anreiz für die Einfuhr dieses Erzeugnisses nach Italien, da sie den Wirtschaftsteilnehmern, die das Brot zusätzlich backen und in den Verkehr bringen, durch die Verpackung zusätzliche Kosten auferlegt, die bei frischem Brot nicht entstehen. Unabhängig davon, ob der Käufer die Kosten trägt und dadurch der Preis steigt und der Kauf weniger attraktiv wird, oder ob sie dem Verarbeiter oder dem Verkäufer zur Last fallen, wird der Verkauf von vorgebackenem Brot beeinträchtigt.
Da frisches Brot nicht haltbar, sondern für den sofortigen Verzehr bestimmt ist und praktisch nur vorgebackenes Brot Gegenstand innergemeinschaftlichen Handels sein kann, ist es offenkundig, dass die Verpflichtung, vorgebackenes Brot vorher zu verpacken, die nur die Wirtschaftsteilnehmer trifft, die es verkaufen, den Verkauf von vorgebackenem Brot zugunsten des frischen Brotes benachteiligt und im Wesentlichen eingeführte Erzeugnisse betrifft. Diese Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels macht die Verpflichtung zu einer Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung.
21. Der Gerichtshof hat kürzlich daran erinnert, dass eine staatliche Maßnahme auch dann als diskriminierend oder protektionistisch im Sinne der Vorschriften über den freien Warenverkehr qualifiziert werden kann, wenn sie nicht sämtliche inländischen Erzeugnisse begünstigt oder nicht nur eingeführte Erzeugnisse, sondern auch inländische Erzeugnisse benachteiligt.
22. Es bleibt festzustellen, ob die in Artikel 30 EG vorgesehene Ausnahme mangels gemeinschaftlicher Harmonisierung eine residuale Zuständigkeit für die Mitgliedstaaten begründet, die es ihnen erlaubt, Artikel 28 EG entgegenstehende Regelungen zu erlassen und aufrechtzuerhalten, um neben anderen grundlegenden gesellschaftlichen Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen.
23. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes haben die nationalen Behörden nachzuweisen, dass die betreffende Regelung zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher erforderlich ist und dass die getroffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Im vorliegenden Fall liefert das vorlegende Gericht dem Gerichtshof zum einen keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Umstand, dass das von Herrn Morellato verkaufte Brot nicht verpackt wurde, bevor es in den Handel kam, eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher darstellen könnte. Zum anderen hat die italienische Regierung auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofes ausdrücklich eingeräumt, dass die in dieser Bestimmung vorgenommenen Änderungen nicht aufgrund von Erfordernissen der Lebensmittelsicherheit oder Verbraucherschutzerwägungen erfolgten, sondern nur, weil - tiefgekühltes oder nicht tiefgekühltes - vorgebackenes Brot, das nach einem zusätzlichen Backvorgang in den Verkehr gebracht wird, eine zu große Konkurrenz für das handwerklich hergestellte Brot darstellt.
24. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580, der dem Einzel- oder Großhändler die Verpflichtung auferlegt, das - tiefgekühlte oder nicht tiefgekühlte - vorgebackene Brot unmittelbar nach einem zusätzlichen Backvorgang - noch bevor es zum Verkauf gelangt - zu verpacken, in seiner Anwendung durch den Bürgermeister von Padua eine nach Artikel 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellt, die nicht durch die Ausnahme des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in Artikel 30 EG gerechtfertigt ist.
B. Vierte Vorlagefrage
25. Sodann möchte das Tribunale Civile Padua wissen, ob es als nationales Gericht verpflichtet ist, inländische Rechtsbestimmungen nicht anzuwenden, die, wie das Gesetz Nr. 580, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen können.
26. Wie ich schon in den Schlussanträgen in der ersten Rechtssache Morellato ausgeführt habe, erkennt der Gerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit des Artikels 28 EG seit dem Urteil Iannelli an; in diesem Urteil hatte er festgestellt, dass das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung zwingend und klar ist, dass es zu seiner Anwendung keiner weiteren Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaftsorgane bedarf und dass es somit Rechte des Einzelnen begründet, die von den staatlichen Gerichten zu wahren sind.
27. Außerdem ist auf die eindeutige Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Lösung des Konflikts zwischen nationalen und Gemeinschaftsnormen hinzuweisen. Das beste Beispiel für diese Rechtsprechung ist nach wie vor das Urteil Simmenthal, in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane im Verhältnis zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten zur Folge haben, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird.
Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, dass jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar wäre, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein - auch zeitweiliges - Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden. Schließlich ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede - auch spätere - entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.
28. Nach dieser Rechtsprechung sind die nationalen Gerichte daher verpflichtet, nationale Rechtsvorschriften nicht anzuwenden, die gegen Artikel 28 EG verstoßen. Das nationale Gericht muss den Rechtsstreit, über den es befindet, im Einklang mit dieser Maßnahmen gleicher Wirkung verbietenden Gemeinschaftsbestimmung entscheiden, ohne eine - auch spätere - nationale Bestimmung zu berücksichtigen und ohne die Abweichung von der nationalen Regelung beantragen zu müssen.
29. Im Übrigen ist die Verpflichtung der nationalen Gerichte, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare nationale Rechtsvorschriften nicht anzuwenden, auch vom italienischen Verfassungsgericht in einer Rechtsprechung, die mit dem Urteil Granital begründet und ab dem Urteil vom 11. Juli 1989 bestätigt worden ist, in aller Klarheit anerkannt worden.
C. Fünfte Vorlagefrage
30. Schließlich möchte das Tribunale civile Padua wissen, ob - tiefgekühltes oder nicht tiefgekühltes - vorgebackenes Brot, das in Frankreich rechtmäßig hergestellt und in Italien zusätzlich gebacken wurde, frei verkehrsfähig sein muss, ohne Beschränkungen wie der des Artikels 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 zu unterliegen, wonach das Erzeugnis zu verpacken ist, bevor es zum Verkauf gelangt.
31. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich unmittelbar aus den Antworten auf die vorhergehenden Fragen. Da die italienische Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellt, die nach Artikel 28 EG verboten und nicht nach Artikel 30 EG gerechtfertigt ist, muss für das in Rede stehende Brot der Grundsatz des freien Warenverkehrs gelten, ohne dass seine Vermarktung Beschränkungen wie der des Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 unterliegen darf, wonach es zu verpacken ist, bevor es zum Verkauf gelangt.
VIII - Ergebnis
32. Nach allem schlage ich vor, auf die von dem Tribunale civile Padua vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:
1. Artikel 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580, der Einzel- oder Großhändler die Verpflichtung auferlegt, das - tiefgefrorene oder nicht tiefgefrorene - vorgebackene Brot unmittelbar nach einem zusätzlichen Backvorgang - noch bevor es zum Verkauf gelangt - zu verpacken, stellt in seiner Anwendung durch den Bürgermeister von Padua eine nach Artikel 28 EG verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar, die nicht durch die Ausnahme des Schutzes der öffentlichen Gesundheit in Artikel 30 EG gerechtfertigt ist.
2. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nationale Rechtsvorschriften nicht anzuwenden, die gegen das Gemeinschaftsrecht, konkret gegen Artikel 28 EG, verstoßen.
3. Für - tiefgekühltes oder nicht tiefgekühltes - vorgebackenes Brot, das in Frankreich rechtmäßig hergestellt und in Italien zusätzlich gebacken wurde, muss der Grundsatz des freien Warenverkehrs gelten, ohne dass seine Vermarktung Beschränkungen wie der des Artikels 14 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 580 unterliegen darf, wonach es zu verpacken ist, bevor es zum Verkauf gelangt.