Verwaltungsverfahren und angefochtene Entscheidung
Verfahren vor dem Gerichtshof
Rechtliche Würdigung
Vorbemerkungen
Die Einstufung der Zuschüsse der THA zugunsten der SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen
Vorbringen der Parteien
Würdigung
Die Einstufung des Darlehens in Höhe von 70,3 Millionen DM, das das Land Brandenburg der SMI gewährte, als mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
i) Die unterbliebene Anwendung der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c EG und der insoweit gerügte Begründungsmangel
ii) Verstoß gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG
Die Einstufung der Zuschüsse zugunsten der SMI in Höhe von 1,8 Millionen DM für Umzugsaktivitäten als eine mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
Die Einstufung des Darlehens, das das Land Brandenburg der SiMI gewährte, als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare
staatliche Beihilfe
Die Einstufung des Zuschusses der BvS zugunsten der SiMI als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
Die Anordnung der Rückforderung der Beihilfen von anderen Unternehmen als der SMI
Vorbringen der Parteien
Würdigung
i) Die Rückforderung der der SiMI gewährten Beihilfen
ii) Die Rückforderung der der SMI gewährten Beihilfen
iii) Schlussbemerkungen
Kosten
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat am 11. Juli 2000 nach Artikel 230 EG eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2000/567/EG
der Kommission vom 11. April 2000 über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der System Microelectronic Innovation
GmbH, Frankfurt/Oder (Brandenburg)
(2)
(im Folgenden: angefochtene Entscheidung), erhoben.
Sachverhalt und VerfahrenSachverhalt
2. Vor der deutschen Wiedervereinigung war das VEB/Kombinat Halbleiterwerk Frankfurt/Oder (Brandenburg) hauptsächlich mit der
Fertigung kundenspezifischer Schaltkreise befasst und in seiner Branche Marktführer im gesamten Gebiet des Rates für gegenseitige
Wirtschaftshilfe. Die Rechtsnachfolgerin dieses Unternehmens war die Mikroelektronik und Technologie GmbH (im Folgenden: MTG),
die der Treuhandanstalt (im Folgenden: THA) gehörte; bei der THA handelt es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts,
die mit der Umstrukturierung der Unternehmen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik betraut war.
3. Im Januar 1993 veräußerte die THA (mit Wirkung ab März 1993) 49 % der Anteile der MTG an das in den Vereinigten Staaten von
Amerika ansässige Unternehmen Synergy Semiconductor Corporation (im Folgenden: Synergy). Dabei wurde die MTG umbenannt in
Halbleiter Electronic Frankfurt (O) GmbH (im Folgenden: HEG); im Dezember 1993 wurde die HEG wiederum umbenannt in System
Mikroelektronik GmbH (im Folgenden: SMI). Am 28. Juni 1994 übertrug die THA ihren Anteil an der SMI (in Höhe von 51 %) dem
Land Brandenburg.
4. Im Zeitraum 1993 bis 1997 erhielt die SMI von der THA und von dem Land Brandenburg Zuschüsse in Höhe von insgesamt 135,1 Millionen
DM, wobei sich dieser Betrag folgendermaßen aufteilte:
–
Subventionen der THA in Höhe von 64,8 Millionen DM, davon 45 Millionen für Investitionen, 18 Millionen für den Liquiditätsbedarf
des Unternehmens und 1,8 Millionen für Umzugsaktivitäten
(3)
;
–
ein Darlehen in Höhe von 70,3 Millionen DM, das das Land Brandenburg in zwei Tranchen von 35 und 35,3 Millionen DM gewährte.
5. Wegen geschäftlicher Schwierigkeiten musste die SMI am 25. April 1997 Konkursantrag einreichen und wurde zur SMI i. G. (SMI
in Gesamtvollstreckung). Am 30. Juni 1997 stellte die SMI i. G. ihre Tätigkeit ein. Am 1. Juli 1997 eröffnete das Amtsgericht
Frankfurt an der Oder das Konkursverfahren und ernannte einen Konkursverwalter, der noch am selben Tag, um den weiteren Betrieb
der SMI (mit damals 370 Beschäftigten) sicherzustellen, zwei Auffanggesellschaften gründete, die Silicium Microelektronik
Integration GmbH (im Folgenden: SiMI), die zu 100 % der SMI i. G. gehörte, und die Microelectronic Design & Development GmbH
(im Folgenden: MD & D), die zu 100 % der SiMI gehörte. Die SiMI mit einem Kapital von 50 000 DM und 105 Mitarbeitern sollte
die Geschäftstätigkeit der SMI weiterführen und dafür entgeltlich deren Betriebsvermögen nutzen. Die MD & D mit einem Kapital
in gleicher Höhe sollte dagegen in den Bereichen Consulting, Marketing, Entwicklung und Gestaltung mikroelektronischer Erzeugnisse
und Dienstleistungen tätig sein.
6. Auch weiterhin mit dem Ziel, die Geschäftstätigkeit der SMI aufrechtzuerhalten, gewährte das Land Brandenburg der SiMI am
29. Juli 1997 ein Darlehen in Höhe von 4 Millionen DM zu einem Zinssatz, der um 3 % über dem Marktzins lag. Die Bundesanstalt
für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (die Rechtsnachfolgerin der THA, im Folgenden: BvS) gewährte der SiMI außerdem ein
Darlehen in Höhe von 1 Million DM, um das erwartete negative Geschäftsergebnis der SiMI aus den ersten zwölf Monaten ihrer
Tätigkeit zu decken.
7. Das Land Brandenburg suchte sodann im Einvernehmen mit dem Konkursverwalter einen privaten Investor, der die SiMI übernehmen
sollte. Nach zunächst ergebnislosen Verhandlungen wurden schließlich 80 % der Aktien der MD & D an das in den Vereinigten
Staaten von Amerika ansässige Unternehmen Megaxess Inc. (im Folgenden: Megaxess) veräußert, während die verbleibenden 20 %
von drei Arbeitnehmern der MD & D erworben wurden. Mit Wirkung zum 14. Juli 1999 erwarb die MD & D sodann sowohl die Gesellschaftsanteile
der SiMI zu deren Nominalwert von 50 000 DM als auch das Vermögen der SMI i. G. zum Preis von 1,7 Millionen DM.
Verwaltungsverfahren und angefochtene Entscheidung
8. Nachdem die Kommission aus der Presse davon erfahren hatte, dass der SMI angeblich Beihilfen gewährt werden sollten, ersuchte
sie die deutschen Behörden am 2. September 1996 und 23. Januar 1997 um nähere Auskünfte. Da diese Ersuchen ohne offizielle
Antwort blieben, unterrichtete die Kommission mit Schreiben vom 5. August 1997 die deutschen Behörden über ihre Entscheidung,
ein Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten
(4)
. In diesem Schreiben äußerte die Kommission insbesondere Zweifel an (a) der Vereinbarkeit der angeblichen staatlichen Beihilfen
der THA und des Landes Brandenburg zugunsten der SMI in Höhe von insgesamt 131 Millionen DM mit dem Gemeinsamen Markt und
(b) der Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung über staatliche Beihilfen bei der Veräußerung der Anteile der HEG
an Synergy. Die Kommission forderte die deutsche Regierung ferner auf, ihr alle erforderlichen Unterlagen, Auskünfte und Daten
zu übermitteln, um ihr die Beurteilung zu ermöglichen, ob die der SMI bereits gewährten oder noch zu gewährenden Beihilfen
zulässig seien; dabei wies die Kommission darauf hin, dass sie andernfalls eine Entscheidung allein auf der Grundlage der
ihr vorliegenden Informationen erlassen werde.
9. Während des Verfahrens erteilten die deutschen Behörden der Kommission wiederholt Auskünfte und gaben Stellungnahmen ab. Nur
ein interessierter Dritter (die Swedish Electronic Component Manufacturers Association) reichte bei der Kommission eine Stellungnahme
ein, in der sie deren Entscheidung über die Verfahrenseinleitung befürwortete.
10. Auf der Grundlage der in dem Verfahren ermittelten Informationen erließ die Kommission am 11. April 2000 die angefochtene
Entscheidung, mit der sie
–
feststellte, dass der von der THA gezahlte Zuschuss von insgesamt 64,8 Millionen DM und das vom Land Brandenburg gewährte
Darlehen von insgesamt 70,3 Millionen DM zugunsten der SMI mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien (Artikel 1),
–
weiterhin feststellte, dass der von der BvS gewährte Zuschuss von 1 Million DM und das vom Land Brandenburg gewährte Darlehen
von 4 Millionen DM zugunsten der SiMI ebenfalls mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien (Artikel 2),
–
und Deutschland auferlegte, sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, um diese als rechtswidrig eingestuften Beihilfen (zuzüglich
der zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen) nach dem deutschen Recht zurückzufordern, wofür die Kommission klarstellte, dass
„der Begriff ‚Empfänger‘ die SMI, SIMI und die Microelectronic Design & Development GmbH (MD & D) [einschließe], sowie jedes
Unternehmen, dem die Vermögenswerte vom SMI, SIMI oder MD & D in einer Form übertragen worden [seien] bzw. übertragen [würden],
um die Konsequenzen dieser Entscheidung zu umgehen“ (Artikel 3).
11. In den Begründungserwägungen der Entscheidung erläuterte die Kommission zunächst, aus welchen Gründen (a) die fraglichen Maßnahmen
staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellten (26. und 27. Begründungserwägung) und (b) diese Beihilfen,
da ihnen die Ausnahmen nach Artikel 87 Absätze 2 und 3 EG nicht zugute kommen könnten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar
seien (29. bis 40. Begründungserwägung). In diesem Zusammenhang stellte die Kommission auch klar, dass die Zuschüsse der THA
zugunsten der SMI entgegen der Auffassung der deutschen Behörden nicht von den Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung
der zweiten und dritten Beihilferegelung der THA gedeckt seien
(5)
. Insoweit hob sie insbesondere hervor, dass diese Zuschüsse nur dann unter diese Regelungen hätten fallen können, wenn die
SMI privatisiert worden wäre, wofür aber die Übertragung von 49 % der Anteile der SMI an Synergy nicht genüge
(6)
, da „eine öffentliche Einrichtung eine Mehrheit an dem Unternehmen und die uneingeschränkte Kontrolle über seine Tätigkeit
[behalten habe], während private Anteilseigner lediglich einen Minderheitsanteil“ besessen hätten
(7)
.
12. Nach ihrer Feststellung, dass die fraglichen Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen anzusehen
und rechtswidrig gewährt worden seien, hielt es die Kommission sodann unter „Berücksichtigung der den Empfänger der Beihilfe
betreffenden jüngsten Veränderungen“ für angezeigt, die sich daraus ergebende Rückforderungspflicht genauer zu erläutern
(8)
.
13. Dafür erläuterte sie zunächst allgemein, dass „die Beihilfe von dem Unternehmen zurückgefordert werden [muss], das sie tatsächlich
erhalten hat. Wenn der Empfänger anschließend verkauft wurde, muss die Beihilfe vom Käufer zurückgefordert werden, unabhängig
davon, ob die entsprechenden Beträge in den Verkaufsbedingungen berücksichtigt wurden oder nicht“
(9)
. Zur Anwendung dieses Grundsatzes auf die Beihilfe zugunsten der SiMI stellte die Kommission sodann fest, „dass deren Anteile
am 14. Juli 1999 an MD & D verkauft“ worden seien, weshalb „diese Beihilfe von MD & D zurückzufordern“ sei
(10)
.
14. Eingehender äußerte sich die Kommission zur Rückforderung der Beihilfe zugunsten der SMI.
15. Insoweit führte sie aus: „Bei einer Unternehmensauflösung infolge von Zahlungsunfähigkeitsverfahren ist es möglich, ja wahrscheinlich,
dass alle dem Unternehmen verbleibenden Vermögenswerte verkauft werden. Per se wirft dies kein besonderes Problem auf, da
der Verkauf unter Aufsicht eines Konkursverwalters erfolgt, der im Interesse der Kreditgeber das bestmögliche Ergebnis zu
erzielen hat, wobei der Erlös des Verkaufs der Vermögenswerte zur Befriedigung ihrer Forderung verwendet wird. Allerdings
kann der Ertrag aus dem Verkauf der Vermögenswerte nicht ausreichend sein für die Begleichung aller Schulden des Unternehmens
und, um die volle Rückzahlung zu gewährleisten, ist somit eine Auflösung im Hinblick auf den Wettbewerb nicht ohne Bedeutung.
Konkurrierende Unternehmen, die möglicherweise infolge der unvereinbaren staatlichen Beihilfe geschädigt worden sind, werden
Gelegenheit haben, die durch das aufgelöste Unternehmen hinterlassene Marktlücke zu füllen und selbst die zum Verkauf stehenden
Vermögenswerte zu erwerben, um sie effizienter zu verwenden. Um einer Umgehung ihrer Entscheidung vorzubeugen und sicherzustellen,
dass alle Wettbewerbsverfälschungen beseitigt werden, ist die Kommission allerdings verpflichtet, gegebenenfalls zu fordern,
dass Rückforderungsverfahren nicht auf den Erstempfänger beschränkt werden, sondern stattdessen jedes Unternehmen einschließen,
das die Geschäftstätigkeit des ursprünglichen Unternehmens unter Verwendung der übertragenen Produktionsanlagen fortsetzt,
sofern Faktoren der Übertragung auf jeder Seite darauf hinweisen, dass die Geschäftstätigkeit de facto fortgesetzt wird“
(11)
.
16. Zum fraglichen Fall heißt es in der angefochtenen Entscheidung weiter: „Im vorliegenden Fall wurden SMI‑Vermögenswerte gemeinsam
mit SIMI‑Anteilen an MD & D verkauft. Der Verkauf der Vermögenswerte war erforderlich, um MD & D zu ermöglichen, die SIMI‑Tätigkeit
zu übernehmen, weil SIMI die SMI‑Vermögenswerte immer genutzt und somit einen Vorteil aus der Beihilfe gezogen hatte, die
formell SMI gewährt worden war. Der Verkauf des Anlagevermögens fand kurz nach dem 28. Juni 1999 statt, als derselbe Verwalter
80 % der Anteile von MD & D an Megaxess und die restlichen 20 % an Arbeitnehmer von MD & D verkauft hatte.“ Somit lag es nach
Ansicht der Kommission auf der Hand, „dass alle diese Transaktionen eng miteinander verbunden sind und dazu führen, alle Vermögenswerte,
die im Eigentum der SMI standen und durch SiMI genutzt wurden, unter die Kontrolle der neuen Anteilseigner von MD & D zu bringen,
so dass diese vor der Rückforderung widerrechtlich gewährter staatlicher Beihilfen geschützt werden. Unter diesen Umständen
haben die jeweiligen für MD & D-Anteile gezahlten Preise auf der einen Seite und für SMI‑Vermögenswerte und SIMI‑Anteile auf
der anderen Seite gezahlten Preise keinen Einfluss auf die Würdigung der gesamten Transaktion“
(12)
.
17. Davon ausgehend, dass „Megaxess und die anderen Käufer von MD & D und natürlich MD & D selbst … vollkommen in Kenntnis der
Existenz [des von der Kommission eingeleiteten] Verfahrens“ gewesen seien und „es in jedem Fall [hätten] berücksichtigen müssen“,
gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, „dass der Begriff ‚Empfänger‘ nicht nur SIMI und SMI, sondern auch MD & D sowie jedes
Unternehmen [einschließe], dem die Vermögenswerte vom SMI, SIMI oder MD & D in einer Form übertragen worden [seien] bzw. übertragen
[würden], um die Konsequenzen dieser Entscheidung zu umgehen“
(13)
.
Verfahren vor dem Gerichtshof
18. In ihrer am 11. Juli 2000 eingereichten Klageschrift hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, die angefochtene Entscheidung
für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Kommission ist diesen Anträgen entgegengetreten
und hat in ihrer Klagebeantwortung ihrerseits beantragt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Nach Abschluss des schriftlichen
Verfahrens, in dem ferner eine Erwiderung und eine Gegenerwiderung eingereicht wurden, haben die Parteien in der Sitzung vom
21. November 2002 mündlich verhandelt.
Rechtliche WürdigungVorbemerkungen
19. In ihrer Klageschrift macht die deutsche Regierung vier Klagegründe geltend:
i) Verletzung der Verteidigungsrechte und von Artikel 88 Absatz 2 EG, da die Rückforderung auch hinsichtlich der SiMI, der
MD & D und anderer, nicht benannter Unternehmen angeordnet worden sei, ohne dass die Kommission gegen diese Unternehmen ein
Untersuchungsverfahren eröffnet hätte;
ii) Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch unzureichende oder unzutreffende Tatsachenfeststellungen (hinsichtlich
der Privatisierung der SMI, der Frage, ob das Darlehen des Landes Brandenburg zugunsten der SiMI unter eine genehmigte Beihilferegelung
fallen könne, und der Gewährung eines Vorteils an die SiMI, MD & D oder Dritte überhaupt) und durch Begründungsmängel (hinsichtlich
der Privatisierung der SMI und der möglichen Anwendbarkeit der Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c EG);
iii) Verstoß gegen die Artikel 87 Absätze 1 und 2 Buchstabe c EG und 88 EG wegen irriger Einstufung der streitigen Maßnahmen
als staatliche Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien;
iv) verschiedene Fehler bei der Anordnung der Rückforderung von Beihilfen von anderen Unternehmen als der SMI, so insbesondere:
fehlende Zuständigkeit der Kommission, Verstöße gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 Absatz 2 EG unter verschiedenen Gesichtspunkten,
Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch unzureichende Tatsachenfeststellungen und Begründungsmängel sowie schließlich
Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.
20. Wie ohne weiteres ersichtlich, betreffen diese Klagegründe (oder die Teile, in die sie sich untergliedern) verschiedene Aspekte
der angefochtenen Entscheidung: Während sich der erste Klagegrund, ein Teil des zweiten Klagegrunds und der vierte Klagegrund
auf die Anordnung der Rückforderung der Beihilfen (Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung) beziehen, haben Teile des zweiten
Klagegrunds und der dritte Klagegrund die Einstufung der streitigen Maßnahmen als staatliche Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbar seien, zum Gegenstand (Artikel 1 und 2). Im Interesse einer klaren und übersichtlichen Darstellung ist bei
der Prüfung dieser Klagegründe mit den Rügen zu beginnen, mit denen die Einstufung der verschiedenen (gesondert zu betrachtenden)
streitigen Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen angegriffen wird, um sodann zur Prüfung
der Rügen überzugehen, die die Anordnung der Rückforderung betreffen.
Die Einstufung der Zuschüsse der THA zugunsten der SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen Vorbringen der Parteien
21. Sieht man von dem Vorbringen der deutschen Regierung ab, mit dem allgemein die versäumte Anwendung der Ausnahmebestimmung
des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c
(14)
und eine insoweit unzureichende Begründung der angefochtenen Entscheidung beanstandet werden und das sich unterschiedslos
auf alle streitigen Maßnahmen bezieht, so knüpfen die Rügen der deutschen Regierung, mit denen speziell die Einstufung der
Zuschüsse der THA zugunsten der SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen angegriffen wird, in erster
Linie an die genannten Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung der ersten und der zweiten THA-Regelung an.
22. Die deutsche Regierung hebt hervor, dass nach der Entscheidung über die erste THA-Regelung bei der Privatisierung eines Unternehmens
durch die THA der Kaufpreis keine Beihilfen enthalten habe, wenn das Unternehmen im Rahmen eines offenen und bedingungsfreien
Bietverfahrens an den besten oder einzigen Bieter verkauft worden sei. In ihrer Entscheidung über die zweite THA-Regelung
habe die Kommission sodann klargestellt, dass ein negativer Kaufpreis (d. h. im Wesentlichen ein Zuschuss zugunsten des veräußerten
Unternehmens oder des Erwerbers) keine staatliche Beihilfe sei, wenn die Abwicklung des Unternehmens teurer gewesen wäre.
Nach dieser Entscheidung sei der Verkauf eines Unternehmens zu einem negativen Preis der Kommission nur mitzuteilen und von
ihr zu überprüfen, wenn das Unternehmen mehr als 1 000 Beschäftigte habe, der Verkauf nicht in einem offenen und bedingungsfreien
Bietverfahren erfolgt sei, das Unternehmen nicht an den besten Bieter verkauft werde oder die Liquidation des Unternehmens
preiswerter sei. In allen anderen Fällen von Privatisierungen sei die Gewährung von Zuschüssen nicht als eine staatliche Beihilfe
oder zumindest als eine Beihilfe im Rahmen einer von der Kommission genehmigten Regelung anzusehen.
23. Da hier alle in der Genehmigungsentscheidung für die zweite THA-Regelung festgelegten Voraussetzungen erfüllt seien, habe
die Kommission die Anwendbarkeit dieser Entscheidung (unter der von ihr angenommenen Prämisse, es handele sich nicht um eine
Privatisierung) zu Unrecht verneint und dementsprechend die Zuschüsse der THA als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche
Beihilfen eingestuft. Insoweit rügt die deutsche Regierung insbesondere
–
eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch unzureichende und fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung, da die Kommission
die Bedingungen, unter denen die 49 % der Anteile der SMI an Synergy verkauft worden seien, nicht angemessen berücksichtigt
und fälschlich angenommen habe, dass Synergy nicht die Kontrolle über das Unternehmen erlangt habe, woraus sie sodann den
fehlerhaften Schluss gezogen habe, dass es sich bei diesem Verkauf nicht um eine Privatisierung im Sinne der zweiten THA-Regelung
gehandelt habe;
–
Begründungsmängel, da in der angefochtenen Entscheidung die Argumentation, mit der die deutsche Regierung dargelegt habe,
dass es sich bei der Veräußerung der 49 % der Anteile der SMI an Synergy um eine Privatisierung im Sinne der zweiten THA-Regelung
gehandelt habe, gänzlich übergangen worden sei;
–
Verstoß gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG durch die fehlerhafte Feststellung der Kommission, dass der Verkauf der
49 % der Anteile der SMI an Synergy oder die anschließende Veräußerung der übrigen 51 % der Anteile an das Land Brandenburg
keine Privatisierung im Sinne der zweiten THA-Regelung gewesen seien, und die daraus resultierende Fehleinstufung der streitigen
Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen.
24. Wenn man aus Gründen, die gleich ersichtlich werden, zunächst die Rüge einer unzureichenden und fehlerhaften Sachverhaltsaufklärung
näher betrachtet, so lässt sich das Parteivorbringen wie folgt zusammenfassen.
25. Die deutsche Regierung macht geltend, dass in der angefochtenen Entscheidung die tatsächlichen Umstände, unter denen die 49 %
der Anteile der SMI an Synergy veräußert worden seien, nicht berücksichtigt worden seien und die Kommission darin auch nicht
konkret geprüft habe, ob Synergy die unternehmerische Führung oder Kontrolle von SMI übernommen habe. Die Kommission habe
lediglich darauf verwiesen, dass Synergy nur eine Minderheitsbeteiligung an SMI erworben habe, und allein und umstandslos
daraus den Schluss gezogen, dass die THA die Kontrolle des Unternehmens behalten und es somit keine Privatisierung gegeben
habe.
26. Dieser fehlerhafte Schluss wäre vermieden worden, wenn die Kommission die Verträge über die Privatisierung geprüft hätte,
auf die die deutsche Regierung sie im Übrigen in ihren Mitteilungen vom 6. Oktober 1997 und vom 7. und 14. Februar 2000 hingewiesen
habe. Aus diesen Verträgen ergebe sich nämlich, dass Synergy die Leitung und Führung der SMI übernommen habe; so sei Synergy
insbesondere das Recht zuerkannt worden, zwei der drei Geschäftsführer sowie die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder und den
Aufsichtsratsvorsitzenden zu benennen. Dass Synergy die Kontrolle über das Unternehmen erlangt habe, werde ferner bestätigt
(a) durch den Umstand, dass Synergy nach dem Gesellschaftervertrag eine Erwerbsoption für die übrigen Anteile und der mit
der Verwaltung der THA-Anteile betraute Treuhänder eine entsprechende Veräußerungsbefugnis gehabt habe, sowie (b) durch den
weiteren Umstand, dass alle wesentlichen Entscheidungen der Zustimmung von Synergy bedurft hätten, da nach der Satzung der
SMI eine Mehrheit von 85 % aller Stimmen erforderlich gewesen sei. Hierfür spreche schließlich auch, dass der Treuhänder,
der die Anteile der THA verwaltet habe, nur sekundäre und begrenzte Überwachungsbefugnisse gehabt habe.
27. Die Kommission macht demgegenüber geltend, dass die deutsche Regierung trotz der Informationsanordnung, die ihr die Kommission
in dem Schreiben, mit dem sie sie über die Verfahrenseröffnung unterrichtet habe, erteilt habe, ihr die notwendigen Angaben
zum Sachverhalt nur zögerlich und unvollständig übermittelt und sie so genötigt habe, eine Entscheidung allein auf der Grundlage
der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen
(15)
. Insbesondere habe die Kommission tatsächliche und rechtliche Umstände, unter denen 49 % der Anteile der SMI an Synergy veräußert
worden seien, nicht berücksichtigen können, da (a) die für diese Veräußerung geschlossenen Verträge ihr erstmals mit der Klageschrift
zugegangen seien und (b) auch die Behauptung, der Inhalt dieser Verträge sei ihr von der deutschen Regierung bereits in den
drei genannten Mitteilungen erläutert worden, nicht zutreffe. Jedenfalls habe nach ihrer Auffassung vom Rechtsbegriff der
Privatisierung kein Grund bestanden, sich mit einer Übertragung der Führung und Kontrolle der SMI auf Synergy vertieft zu
befassen.
Würdigung
28. Nach dieser kurzen Skizzierung der Standpunkte der Parteien ist für die rechtliche Würdigung der fraglichen Rüge zunächst
daran zu erinnern, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass die Zuschüsse der THA nicht unter
die zweite und dritte THA-Beihilferegelung fielen, da die Übertragung der 49 % der Anteile der SMI an Synergy nicht als „Privatisierung“
im Sinne dieser Regelungen bezeichnet werden könne. Diese Feststellung wird in der angefochtenen Entscheidung u. a. wie folgt
begründet: „Nach diesen Regelungen wurden Zuschüsse im Fall einer Privatisierung gerade wegen der einzigartigen beispiellosen
Aufgabe der THA gewährt: Umwandlung einer staatlichen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft. Derartige Beihilfen können allerdings
ihr Ziel nur dann erreichen, wenn Unternehmen in öffentlichem Eigentum verkauft werden und ihre Kontrolle privaten Investoren übertragen wird. … Im vorliegenden Fall [aber] behielt eine öffentliche Einrichtung eine Mehrheit an dem Unternehmen und die uneingeschränkte Kontrolle über seine Tätigkeit,
während private Anteilseigner lediglich einen Minderheitsanteil besaßen.“
(16)
29. Wie damit dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung eindeutig zu entnehmen ist, schloss es die Kommission aus, dass im vorliegenden
Fall eine „Privatisierung“ durchgeführt worden war; dies folgerte sie daraus, dass die THA außer der Mehrheitsbeteiligung
an der SMI „die uneingeschränkte Kontrolle über [deren] Tätigkeit“ behalten habe. Es scheint indessen unstreitig, dass diese Beurteilung, wie die deutsche Regierung unwidersprochen seitens
der Kommission hervorgehoben hat, dem wirklichen Sachverhalt nicht entsprach, da die Verträge zur Übertragung der 49 % der
Anteile der SMI auf Synergy letzterer die Kontrolle über das Unternehmen einräumten. Damit liegt es auf der Hand, dass die
rechtliche Würdigung, mit der die Kommission die streitigen Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche
Beihilfen qualifizierte, tatsächlich auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung beruhte.
30. Allein aus diesem Grund kann aber die in Frage stehende Rüge noch nicht durchgreifen, da weiter zu prüfen bleibt, ob diese
fehlerhafte Tatsachenfeststellung, wie die Kommission geltend macht, in Wirklichkeit nicht ihr, sondern der Klägerin zuzurechnen
ist. Festzustellen bleibt also, ob diese fehlerhafte Tatsachenfeststellung nicht auf das Verhalten der deutschen Regierung
zurückgeht, die der Kommission trotz einer ihr am 15. August 1997 zugegangenen förmlichen Informationsanordnung im Sinne des
Urteils Boussac die verlangten Informationen nicht übermittelt haben könnte, womit die Kommission berechtigt gewesen wäre,
die streitigen Maßnahmen „auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen“ zu erlassen
(17)
.
31. Es erscheint mir jedoch zweifelhaft, dass die Dinge sich so verhalten. Wie nämlich die deutsche Regierung zu Recht hervorhebt,
setzte die Kommission, anstatt von dieser sich aus dem Urteil Boussac ergebenden Befugnis Gebrauch zu machen, die Erörterungen
mit den deutschen Behörden fort und erbat von ihnen weitere Auskünfte in einem zwei Jahre und acht Monate währenden Verfahren,
in dem sie einen für den Aufbau ihrer Entscheidung besonders bedeutsamen Gesichtspunkt ohne weiteres hätte aufklären können,
nämlich die Frage der Kontrolle über die SMI nach Übertragung von 49 % ihrer Anteile an Synergy.
32. Entscheidend scheint mir aber vor allem, dass in Wirklichkeit die Kommission darüber, dass die Kontrolle über die SMI auf
Synergy übergegangen war, durchaus ins Bild gesetzt worden war. In ihrer Antwort auf ein Auskunftsersuchen der Kommission
vom 13. Januar 2000 wiesen die deutschen Behörden nämlich am 14. Februar 2000 darauf hin, dass mit der Veräußerung von 49 %
der Anteile der SMI „die Verantwortung der Treuhandanstalt für die SMI GmbH [endete], da die Leitung und Führung der SMI GmbH
in der Folgezeit bei Synergy lag. So übernahm Synergy die neue Strukturierung der SMI GmbH und die Durchführung der beabsichtigten
Investitionen.“ Zwar wurden mit dieser Mitteilung nicht die Modalitäten erläutert, unter denen die Kontrolle über die SMI
auf Synergy übertragen wurden, und auch die entsprechenden Verträge waren ihr nicht beigefügt. Dennoch ist evident, dass die
Kommission, hegte sie insoweit Zweifel, von den deutschen Behörden weitere Auskünfte hätte einholen müssen. Jedenfalls lässt
sich das Verhalten der Kommission, die die Mitteilung der deutschen Regierung gänzlich und ohne Begründung ignorierte und
ihre Entscheidung auf die irrige Prämisse stützte, die THA habe auch nach Übertragung der 49 % der SMI‑Anteile „die uneingeschränkte
Kontrolle über [deren] Tätigkeit behalten“, gewiß nicht als ordnungsgemäß ansehen.
33. Ebenfalls nicht stichhaltig erscheint mir die Argumentation, die die Kommission in ihrer Gegenerwiderung vorträgt. Dort argumentiert
sie, sie habe nicht zu prüfen brauchen, ob Synergy die Kontrolle über die SMI erlangt habe, da jedenfalls die Übertragung
von 49 % der Anteile eines Unternehmens und der Kontrolle über dieses Unternehmen keine Privatisierung im Sinne der zweiten
oder dritten THA-Regelung seien; hierfür sei vielmehr die Übertragung einer Mehrheitsbeteiligung erforderlich. Dem ist nun
ohne weiteres entgegenzuhalten, dass in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen einer Privatisierung nicht aus diesem
Grund verneint wurde. Für dieses Ergebnis hat die Kommission, wie dargelegt, dort vielmehr darauf abgestellt, dass die THA
außer der Anteilsmehrheit an der SMI auch „die uneingeschränkte Kontrolle über [deren] Tätigkeit“ behalten habe. Zum anderen
erscheint mir offenkundig, dass die Kommission, wenn sie sich auf die in ihrer Gegenerwiderung entwickelte Argumentation stützen
wollte, bereits in der angefochtenen Entscheidung hätte darlegen müssen, warum die Veräußerung von 49 % der Anteile eines
Unternehmens bei gleichzeitiger Übertragung der unternehmerischen Kontrolle keine Privatisierung im Sinne der zweiten und
dritten THA-Regelung sei, hierfür aber die Veräußerung von 51 % der Anteile durchaus genüge.
34. Nach alledem ist meiner Auffassung nach die vorliegende Rüge begründet und dementsprechend die angefochtene Entscheidung für
nichtig zu erklären, soweit darin die Zuschüsse der THA zugunsten der SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche
Beihilfen eingestuft werden, ohne dass die weiteren diesen Aspekt betreffenden Rügen geprüft zu werden brauchen.
Die Einstufung des Darlehens in Höhe von 70,3 Millionen DM, das das Land Brandenburg der SMI gewährte, als mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
35. Was die Einstufung des vom Land Brandenburg gewährten Darlehens in Höhe von 70,3 Millionen DM zugunsten der SMI als eine mit
dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe angeht, so rügt die deutsche Regierung – wie hinsichtlich aller streitigen
Maßnahmen – zum einen die unterbliebene Anwendung der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c EG und einen entsprechenden
Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung und zum anderen einen Verstoß gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG,
der darin liege, dass die Kommission den Rahmen der Darlehensgewährung, nämlich die Privatisierung der SMI, nicht berücksichtigt
und folglich verkannt habe, dass das Darlehen von der Entscheidung über die Genehmigung der zweiten THA-Beihilferegelung gedeckt
gewesen sei.
i) Die unterbliebene Anwendung der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c EG und der insoweit gerügte Begründungsmangel
36. Im Wesentlichen wirft die deutsche Regierung der Kommission insoweit vor, sie habe zu Unrecht und ohne angemessene Prüfung
und Begründung das Eingreifen der Ausnahmeregelung nach Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c EG verneint, wonach mit dem Gemeinsamen
Markt vereinbar seien „Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik
Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich“ seien. Nach
Meinung der deutschen Regierung hätte die Kommission prüfen müssen, ob nicht die Stadt Frankfurt an der Oder (an der Grenze
nach Polen) im Sinne dieser Bestimmung ein durch die Teilung Deutschlands betroffenes „Gebiet“ sei und ob nicht die verschiedenen
Maßnahmen zugunsten der beiden dort ansässigen Unternehmen SMI und SiMI zum Ausgleich der Benachteiligung dieses Gebietes
infolge seiner wirtschaftlichen Isolierung erforderlich gewesen seien. Eine solche ordnungsgemäße Prüfung hätte die Kommission
notwendig zu dem Ergebnis geführt, dass die genannte Ausnahmeregelung hier anwendbar sei und die Beihilfen deshalb als mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen seien.
37. Die Kommission erwidert hierauf, dass die deutsche Regierung zur möglichen Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung während
des Verfahrens nichts vorgetragen habe und dass es daher für die Kommission daher kein Grund gegeben habe, diesem Gesichtspunkt
nachzugehen und ihn eingehend zu prüfen. Auch in der Klageschrift sei die Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung nicht schlüssig
dargelegt worden, denn der deutschen Regierung sei darin nicht der Nachweis gelungen, dass die geltend gemachte wirtschaftliche
Isolierung Frankfurts an der Oder darauf beruhe, dass 1948 die innerdeutsche Grenze geschaffen worden sei; dies sei aber nach
der Rechtsprechung erforderlich
(18)
. Speziell zum gerügten Begründungsmangel sei darauf hinzuweisen, dass der deutschen Regierung die restriktive Auslegung der
fraglichen Ausnahmebestimmung in der ständigen Praxis der Kommission wohlbekannt gewesen sei, weshalb es hier genügt habe,
dass die Ausnahmebestimmung als solche benannt und ihre Anwendung verneint worden sei.
38. Wie ich sogleich feststellen möchte, erscheinen mir diese Argumente der Kommission überzeugend, so dass die fraglichen Rügen
meiner Auffassung nach nicht durchgreifen können. Und zwar aus folgenden Gründen.
39. Zunächst ist daran zu erinnern, dass Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c EG, da er „eine Ausnahme von dem … allgemeinen Grundsatz
der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt“ statuiert, „eng auszulegen“ ist
(19)
. In Anwendung dieses Auslegungsmaßstabs hat der Gerichtshof festgestellt, dass „sich der Ausdruck ‚Teilung Deutschland‘ historisch
auf die Ziehung der Trennungslinie zwischen den beiden Besatzungszonen im Jahr 1948“ bezieht und daher „‚durch die Teilung
verursachte wirtschaftliche Nachteile‘ nur diejenigen wirtschaftlichen Nachteile [sind], die durch die Isolierung aufgrund
der Errichtung dieser physischen Grenze – beispielsweise durch die Unterbrechung der Verkehrswege oder den Verlust der Absatzgebiete
aufgrund des Abbruchs der Handelsbeziehungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands – in bestimmten Gebieten Deutschlands
entstanden sind“
(20)
. Der Gerichtshof hat weiter hervorgehoben, dass die fragliche Bestimmung es nicht erlaubt, „den wirtschaftlichen Rückstand
der neuen Bundesländer … vollständig auszugleichen“, da „die unterschiedliche Entwicklung der alten und der neuen Bundesländer
auf anderen Gründen [beruht] als der sich aus der Teilung Deutschlands ergebenden geografischen Trennung, namentlich auf den
unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Systemen, die in den beiden Teilen Deutschlands errichtet wurden“
(21)
.
40. Angesichts dieses begrenzten und spezifischen Geltungsbereichs der fraglichen Ausnahmeregelung stimme ich mit der Kommission
darin überein, dass sie sich, nachdem die deutsche Regierung hierzu nichts vorgetragen hatte, auf die Feststellung beschränken
durfte, dass die streitigen Maßnahmen nicht zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen
Nachteile erforderlich gewesen seien. Anders formuliert, trifft es zu (wie die Kommission unwidersprochen seitens der deutschen
Regierung vorgetragen hat), dass die deutsche Regierung diese Ausnahmebestimmung im Verfahren geltend gemacht noch Gründe
für ihre etwaige Anwendbarkeit angeführt hat, so lässt sich der Kommission meines Erachtens nicht vorwerfen, dass sie diese
Frage nicht vertieft prüfte, sondern über sie auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen entschied
(22)
.
41. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass die deutsche Regierung, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat,
auch vor dem Gerichtshof nichts vorgetragen hat, was für die Anwendbarkeit dieser Ausnahmeregelung spräche. Statt nachzuweisen,
dass die streitigen Maßnahmen erforderlich waren, um wirtschaftliche Nachteile auszugleichen, die aus einer Isolierung Frankfurts
an der Oder infolge der Schaffung der historischen innerdeutschen Grenze entstanden waren, hat die deutsche Regierung lediglich
auf die Nähe der Stadt zu Polen und allgemein auf deren angebliche, nicht näher präzisierte wirtschaftliche Isolierung verwiesen.
42. Zusätzlich scheint mir der Hinweis sinnvoll, dass eine eingehende Begründung zu dieser Frage hier auch deshalb nicht zwingend
erforderlich war, weil der deutschen Regierung, wie die Kommission betont hat, deren Entscheidungspraxis und die speziellen
Voraussetzungen, die nach Auffassung der Kommission für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung vorliegen müssen, durchaus
bekannt waren. Ich erinnere daran, dass in einem ganz ähnlichen Fall wie dem hier vorliegenden, in dem die deutsche Regierung
der Kommission zur Last gelegt hatte, sie habe die unterbliebene Anwendung der Ausnahmevorschrift auf eine bestimmte Beihilferegelung
nicht hinreichend begründet, der Gerichtshof darauf verwiesen hat, dass die in jenem Fall angefochtene Entscheidung nur „summarisch
begründet“ zu werden brauchte, weil sie „in einem der deutschen Regierung wohlbekannten Kontext ergangen [war] und … eine
ständige Entscheidungspraxis [fortsetzte]“
(23)
.
43. Im Licht dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Rügen zurückzuweisen sind.
ii) Verstoß gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG
44. Mit ihrer Rüge eines Verstoßes gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG wirft die deutsche Regierung der Kommission vor,
sie habe das vom Land Brandenburg gewährte Darlehen in Höhe von 70,3 Millionen DM zugunsten der SMI zu Unrecht als eine mit
dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe eingestuft, da dieses Darlehen im Rahmen der Privatisierung der SMI
gewährt worden sei und deshalb unter die zweite THA-Regelung falle. Zwar sei es zutreffend, dass die Entscheidung der Kommission
zu der zweiten THA-Regelung nur finanzielle Maßnahmen der THA selbst gestattet habe, während hier das Land die Finanzhilfen
gewährt habe. Die fragliche Entscheidung sei aber dahin auszulegen, dass sie auch Leistungen anderer öffentlicher Stellen
als der THA abdecke, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, in eine von der THA durchgeführte Privatisierung eingebunden seien
und der Entlastung des Haushaltes der THA dienten. Für diese Auslegung spreche insbesondere, dass es nicht Sache der Kommission
sei, festzulegen, mit welchen staatlichen Mitteln Deutschland bestimmte Maßnahmen zu finanzieren habe, da sie andernfalls
unangemessen in Entscheidungen eingriffe, die in die ausschließliche Zuständigkeit der innerstaatlichen Stellen fielen.
45. Die Kommission bekräftigt insoweit zunächst ihre Auffassung, dass im vorliegenden Fall keine Privatisierung im Sinne der zweiten
THA-Regelung vorgelegen habe. Die Ausführungen der deutschen Regierung seien auch in sich widersprüchlich, denn diese behaupte
einerseits, dass die SMI spätestens mit dem Verkauf von 51 % ihrer Anteile an das Land Brandenburg vollständig aus der Kontrolle
der THA entlassen worden sei, und versuche andererseits, das vom Land Brandenburg gewährte Darlehen mit der zweiten THA-Regelung
zu rechtfertigen. Ungeachtet der Frage, ob das fragliche Darlehen im Zusammenhang mit einer Privatisierung der SMI gewährt
worden sei, müsse die Entscheidung über die Genehmigung der zweiten THA-Regelung restriktiv ausgelegt werden und könne jedenfalls
nicht für Zuschüsse anderer öffentlicher Stellen gelten.
46. Dieses letztgenannte Argument der Kommission scheint mir entscheidend dafür, dass die vorliegende Rüge zurückzuweisen ist.
47. Denn ich teile die Auffassung der Kommission, dass die Entscheidungen über die Genehmigung der THA-Regelungen, da sie vom
allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt abweichen, restriktiv auszulegen
sind
(24)
. Meiner Auffassung nach beziehen sich diese Entscheidungen ausschließlich auf Maßnahmen der THA, mit denen der Übergang der
neuen deutschen Bundesländer von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft erleichtert werden soll; daher halte ich es
nicht für möglich, dass diese Entscheidungen auch Maßnahmen anderer öffentlicher Stellen wie des Landes Brandenburg erfassen
können, die neben Maßnahmen der THA erlassen werden.
48. Dies heißt nun freilich nicht, dass die Kommission Maßnahmen anderer öffentlicher Stellen, mit denen der THA die Erfüllung
ihrer komplexen Aufgaben erleichtert werden soll, den Maßnahmen der THA selbst nicht gleichstellen dürfte; es heißt nur, dass
diese Maßnahmen nicht in den Anwendungsbereich der Entscheidungen über die Genehmigung der THA-Regelungen fallen und daher
der Kommission im Einzelfall zu notifizieren und von ihr nach den Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen zu genehmigen
sind. Zum anderen erscheint mir eindeutig, dass mit dieser Lösung nicht unangemessen in die Entscheidungen der deutschen Stellen
über die Wahl der finanziellen Mittel für die Erleichterung des Privatisierungsprozesses eingegriffen wird, sondern dass hiermit
nur die rechtlichen Konsequenzen aus solchen Entscheidungen gezogen werden, die die deutschen Stellen frei treffen.
49. Demnach ist die vorliegende Rüge für unbegründet zu erklären.
Die Einstufung der Zuschüsse zugunsten der SMI in Höhe von 1,8 Millionen DM für Umzugsaktivitäten als eine mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
50. Die deutsche Regierung wendet sich insbesondere gegen die Einstufung der (nach ihrer Darstellung von der BvS gewährten) Zuschüsse
in Höhe von 1,8 Millionen DM zugunsten der SMI für Umzugsaktivitäten als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche
Beihilfe. Wie bereits erwähnt
(25)
, wird diese Maßnahme indessen in der angefochtenen Entscheidung als ein Zuschuss der THA bezeichnet und zusammen mit anderen
Zuschüssen der THA in einer Gesamthöhe von 64,8 Millionen DM geprüft
(26)
. Da ich mich oben bereits dafür ausgesprochen habe, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die
Zuschüsse der THA an die SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen qualifiziert werden (vgl. oben,
Nrn. 21 bis 34), braucht aus meiner Sicht die vorliegende Rüge nicht mehr behandelt zu werden, da die vorgeschlagene Teilnichtigerklärung
der angefochtenen Entscheidung sie gegenstandslos werden ließe.
Die Einstufung des Darlehens, das das Land Brandenburg der SiMI gewährte, als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare
staatliche Beihilfe
51. Hinsichtlich der Einstufung des vom Land Brandenburg gewährten Darlehens in Höhe von 4 Millionen DM zugunsten der SiMI als
eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe beanstandet die deutsche Regierung – neben ihren allgemeinen
Rügen der unterbliebenen Anwendung der Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c EG und eines entsprechenden
Begründungsmangels der angefochtenen Entscheidung (die, wie oben in den Nummern 36 bis 43 dargelegt, meiner Auffassung nach
unbegründet sind) –, dass die Kommission den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt und mit ihrer Feststellung, dass diese Finanzhilfe
nicht unter eine bereits genehmigte Beihilferegelung falle, gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 EG verstoßen habe. Das
Darlehen sei nämlich gemäß „der brandenburgischen Richtlinie über die Gewährung von Mitteln aus dem Konsolidierungsfonds zur
Sicherung mittelständischer Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft“, die ein von der Kommission ausdrücklich genehmigtes
Beihilferegime enthalte, gewährt worden
(27)
.
52. Die Kommission hält dieser Rüge entgegen, dass die deutsche Regierung im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen habe, dass
das fragliche Darlehen gemäß der genannten Richtlinie des Landes Brandenburg gewährt worden sei, und sich zu keinem Zeitpunkt
auf die Entscheidung über die Genehmigung dieses Beihilferegimes berufen habe. Deshalb könne die deutsche Regierung ihr nicht
vorwerfen, dass sie die Frage, ob das Darlehen von der Entscheidung über die Genehmigung der Beihilferegelung des Landes Brandenburg
gedeckt sei, nicht beurteilt habe.
53. Da diesem Vorbringen der Kommission von der deutschen Regierung nicht widersprochen wurde, erscheint es auch mir nicht möglich,
der Kommission eine mangelnde Berücksichtigung dieser genehmigten Beihilferegelung zur Last zu legen. Mangels Informationen
über die Rechtsgrundlage der streitigen Maßnahme und ihre etwaige Subsumtion unter ein genehmigtes Beihilferegime, auf das
sich die deutsche Regierung während des Verfahrens indessen nicht bezogen hat, war die Kommission meiner Auffassung nach berechtigt,
die fragliche Maßnahme allein an den Bestimmungen des Vertrages zu messen
(28)
.
54. Demnach sind meiner Ansicht nach auch diese Rügen für unbegründet zu erklären.
Die Einstufung des Zuschusses der BvS zugunsten der SiMI als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe
55. Was die Einstufung des Zuschusses der BvS an die SiMI in Höhe von 1 Million DM als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare
staatliche Beihilfe anbelangt, so erhebt die klagende Regierung nur die allgemeinen Rügen der unterbliebenen Anwendung der
Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c EG und eines entsprechenden Begründungsmangels der angefochtenen Entscheidung.
Insoweit kann ich mich daher darauf beschränken, für die Zurückweisung dieser Rügen auf meine obigen Ausführungen in den Nummern
36 bis 43 zu verweisen.
Die Anordnung der Rückforderung der Beihilfen von anderen Unternehmen als der SMI
56. Schließlich macht die deutsche Regierung hinsichtlich der Anordnung der Rückforderung der Beihilfen von anderen Unternehmen
als der SMI verschiedene Rügen geltend, mit denen sie der Kommission im Wesentlichen vorwirft
–
eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Artikels 88 Absatz 2 EG, da die Anordnung der Rückforderung auch an die SiMI,
die MD & D und andere nicht bekannte Unternehmen gerichtet sei, ohne dass die Kommission gegenüber diesen Unternehmen ein
Untersuchungsverfahren eröffnet hätte,
–
ihre fehlende Zuständigkeit für die Festlegung, in welcher Weise die nationalen Behörden die rechtswidrigen Beihilfen zurückzufordern
hätten,
–
einen Verstoß gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 Absatz 2 EG durch eine rechtswidrige, mit einer angeblichen Umgehung
der Rückzahlungspflicht begründete Ausweitung der Einstufung als Beihilfeempfänger,
–
eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch unzureichende Sachverhaltsaufklärung und Begründungsmängel
–
und eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.
57. Aus Gründen, die sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben, erscheint es mir angezeigt, zunächst die Rüge eines Verstoßes
gegen die Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 Absatz 2 EG zu prüfen, die wesentliche und schwierige Grundsatzfragen hinsichtlich
der Identifizierung der Rechtssubjekte aufwirft, die bei einer Übertragung von Aktien oder Anteilen der begünstigten Gesellschaft
(share deal) oder ihres Vermögens (asset deal) zur Rückzahlung rechtswidriger staatlicher Beihilfen verpflichtet sind.
Vorbringen der Parteien
58. Wie erwähnt, wirft die deutsche Regierung der Kommission mit dieser Rüge vor, sie habe die Eigenschaft des Empfängers der
streitigen Beihilfen (in einer Gesamthöhe von 140,1 Millionen DM) rechtswidrig auf die SiMI, die MD & D und andere nicht benannte
Unternehmen ausgeweitet.
59. Insoweit sei zu betonen, dass keines dieser Unternehmen aus den öffentlichen Mitteln in Höhe von 140,1 Millionen DM einen
wirtschaftlichen Vorteil erlangt habe oder durch die Maßnahmen des Insolvenzverwalters begünstigt worden sei. Hinsichtlich
dieser Maßnahmen sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die SiMI keinen Vorteil aus der Nutzung der Vermögensgegenstände
der SMI erlangt habe, da sie hierfür ein marktübliches Nutzungsentgelt entrichtet habe, und dass auch der MD & D kein Vorteil
aus dem Erwerb der 80 % der Anteile der SiMI und der Vermögensgegenstände der SMI zugeflossen sei, da auch sie hierfür einen
marktüblichen Preis entrichtet habe.
60. Die MD & D könne nicht allein deshalb, weil sie das Anlagevermögen der SMI erworben habe, zur Rückzahlung der dieser gewährten
Beihilfen verpflichtet werden. Die Annahme, dass die Rückzahlungspflicht stets den Vermögensgegenständen der SMI „anzuhaften“
habe, sei abwegig, weil sie dann niemand mehr erwerben wollte und sie einfach vernichtet würden. Auch sei die SiMI nach der
Veräußerung ihrer Geschäftsanteile an die MD & D nicht aufgelöst worden, sondern habe als eigene Gesellschaft mit Ansprüchen
und Verbindlichkeiten fortbestanden: Daher hätten auch bei ihr etwaige Verpflichtungen zur Rückzahlung von Beihilfen zu verbleiben,
für die die MD & D nicht haftbar gemacht werden könne.
61. Es sei ebenfalls unzutreffend, dass die Maßnahmen des Insolvenzverwalters dazu gedient hätten, eine Verpflichtung zur Rückzahlung
von Beihilfen zu umgehen. Der Insolvenzverwalter habe die Vermögensgegenstände der SMI durch ihre Veräußerung zum Marktpreis
keineswegs „in Sicherheit“ gebracht, da die Verkaufseinnahmen der mit der Rückzahlungspflicht belasteten Insolvenzmasse zugeflossen
seien. Eine Umgehung dieser Verpflichtung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Vermögensgegenstände der SMI „en bloc“ veräußert
worden seien, weil so ein höherer Preis als durch einen Einzelverkauf habe erzielt werden können; dadurch seien aber auch
die verfügbaren Mittel für die Rückführung von Beihilfen erhöht worden. Auch wenn die SiMI und die MD & D nicht gegründet
worden wären, hätte sich im Übrigen kein Investor jemals dazu bereit gefunden, die insolvente SMI mit allen ihren Verbindlichkeiten
zu erwerben, womit aber der Insolvenzverwalter keine andere Wahl gehabt habe als die der Veräußerung der Vermögensgegenstände
der SMI zum Marktpreis.
62. Die deutsche Regierung wendet sich schließlich gegen die Auffassung der Kommission, dass eine durch staatliche Beihilfen verursachte
Wettbewerbsverzerrung bestehen bleibe, wenn der Erwerber der Vermögensgegenstände des begünstigten Unternehmens mit diesen
dessen Unternehmenstätigkeit fortführe. Wer die Vermögensgegenstände des begünstigten Unternehmens zum Marktpreis erwerbe,
bewirke keinerlei Wettbewerbsverzerrung, weil er gegenüber seinen Wettbewerbern keinen anormalen Vorteil erlangt habe.
63. Die Kommission erläutert zunächst allgemein ihre Auffassung zur Identifizierung der zur Rückzahlung von Beihilfen verpflichteten
Rechtssubjekte in den Fällen der Veräußerung von Aktien oder Anteilen des begünstigten Unternehmens (share deal) und des Verkaufs
von Vermögensgegenständen dieses Unternehmens (asset deal).
64. Im Fall des share deal werfe diese Frage keine besonderen Schwierigkeiten auf, da das begünstigte Unternehmen fortbestehe
und sich nur die Eigentumsverhältnisse an dem Unternehmen änderten. Wie auch in der Rechtsprechung bestätigt worden sei
(29)
, folge in diesem Fall die Rückzahlungsschuld dem Unternehmen, das die Beihilfen erhalten habe; dies gelte unabhängig davon,
ob ein Wechsel der Anteilseigner eingetreten sei oder ob man bei der Festlegung der Veräußerungsbedingungen die Rückzahlungsverpflichtung
berücksichtigt habe. Setze das Unternehmen seine subventionierten Tätigkeiten fort, so werde es auch weiterhin durch die rechtswidrigen
Beihilfen begünstigt, so dass auch die Wettbewerbsverfälschung andauere.
65. Besondere Probleme stellten sich auch dann nicht, wenn die Vermögensgegenstände des begünstigten Unternehmens auf andere Unternehmen
innerhalb einer verbundenen Unternehmensgruppe übertragen würden. In diesem Fall seien außer dem begünstigten Unternehmen
auch die Unternehmen der Gruppe zur Rückzahlung der Beihilfen verpflichtet, denen infolge der Übertragung der Vermögensgegenstände
möglicherweise die begünstigenden Wirkungen der Beihilfen zugute gekommen seien und die so einen wirtschaftlichen Vorteil
erlangt hätten.
66. Hinsichtlich der Fälle, in denen die Vermögensgegenstände des begünstigten Unternehmens an Drittunternehmen veräußert werden,
trifft die Kommission eine – in Wirklichkeit etwas unklare – Unterscheidung zwischen einem gesonderten Verkauf dieser Güter
und ihrer Veräußerung „en bloc“.
67. So seien beim gesonderten Verkauf der Vermögensgegenstände zum Marktpreis die Erwerber zu einer Rückzahlung der Beihilfen
nicht verpflichtet
(30)
. Mit dem Einzelverkauf gehe nämlich die begünstigte Unternehmenstätigkeit unter und würden die Wettbewerber des begünstigten
Unternehmens entlastet. Damit erlaube die Rückforderung der Beihilfen beim Verkäufer (bei dem begünstigten Unternehmen selbst
oder der Insolvenzmasse oder bei dem Unternehmen in Abwicklung
(31)
) die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung.
68. Größere Probleme ergäben sich dagegen bei einem gebündelten Verkauf der Vermögensgegenstände (Verkauf „en bloc“), der dem
Erwerber die Fortführung der Geschäftstätigkeit des begünstigten Unternehmens ermögliche. In diesem Fall könne die Fortführung
der begünstigten Unternehmenstätigkeit die Wettbewerbsverzerrung fortdauern lassen, weshalb hier eine besondere Wachsamkeit
angezeigt sei, um zu verhindern, dass die Veräußerung der Vermögensgüter des begünstigten Unternehmens eine substanzielle
Umgehung der Rückzahlungspflicht ermögliche, indem die verkauften Vermögensgegenstände „in Sicherheit“ gebracht würden. Eine
solche Umgehung scheine nur dann ausgeschlossen, wenn der gebündelte Verkauf der Vermögensgegenstände des begünstigten Unternehmens
nicht nur zum Marktpreis, sondern auch in einem transparenten und allen Wettbewerbern des begünstigten Unternehmens offenen
Verfahren stattfinde: Nur dann seien die Erwerber von der Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfen frei.
69. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Ausführungen stellt die Kommission zum vorliegenden Fall sodann fest:
–
Die Entscheidungen, das Konkursverfahren zu eröffnen und die SiMI und die MD & D zu gründen, seien im Zeitraum Juni/Juli 1997
getroffen worden, als die deutschen Behörden von der Absicht der Kommission, ein Prüfverfahren einzuleiten, bereits sichere
Kenntnis gehabt hätten.
–
Zwischen diesem Zeitpunkt und Juni/Juli 1999 sei die geschäftliche Aktivität der SMI durch die SiMI mittels Pacht der Aktiva
fortgeführt worden. Da der Kommission keine Informationen vorgelegen hätten, die ihr eine Beurteilung ermöglicht hätten, ob
der Pachtzins tatsächlich den Marktbedingungen entsprochen habe, habe die Kommission lediglich davon ausgehen können, dass
in dieser Zeit die SiMI und ihre Tochter MD & D von den der SMI zu Unrecht gewährten Beihilfen profitiert hätten.
–
Am 28. Juni 1999, als die Kommission im Begriff gewesen sei, eine negative Entscheidung einschließlich einer Rückforderungsanordnung
zu erlassen, sei die MD & D an Megaxess und drei Mitarbeiter der MD & D verkauft worden.
–
Am 14. Juli 1999 habe die MD & D die Anteile der SiMI und das gesamte bewegliche Vermögen der SMI erworben, ohne dass hierfür
ein offenes und transparentes Verfahren befolgt worden sei.
70. Die Gesamtschau dieser Umstände zeige, dass diese verschiedenen Transaktionen darauf abgestimmt gewesen seien, die Rückzahlungspflicht
bei der SMI und der SiMI zu belassen, um der von dieser Verpflichtung freien MD & D die Fortführung der begünstigten geschäftlichen
Tätigkeit zu ermöglichen (insoweit sei insbesondere bezeichnend, dass die MD & D die Anteile der SiMI und die Vermögensgegenstände
der SMI unverzüglich nach ihrer eigenen Veräußerung an Megaxess erworben habe). Nach alledem sei der bestehende wirtschaftliche
Zusammenhang zwischen der MD & D und der SMI sowie der SiMI nicht unterbrochen worden, denn die verschiedenen Transaktionen
hätten nur darauf abgezielt, die subventionierte Unternehmenstätigkeit unter Umgehung der Rückforderungsanordnung fortzuführen.
Dies rechtfertige die Ausweitung der Rückzahlungspflicht auch auf die MD & D.
Würdigung
71. Für die rechtliche Würdigung der vorliegenden Rüge ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in der angefochtenen Entscheidung
die Rückforderung der der SiMI gewährten Beihilfen
(32)
und die Rückforderung der der SMI gewährten Beihilfen
(33)
gesondert behandelt werden. Im Interesse einer klareren und einfacheren Darstellung lege ich diese Aufteilung auch hier zugrunde.
i) Die Rückforderung der der SiMI gewährten Beihilfen
72. Was zunächst die der SiMI gewährten Beihilfen angeht, so wird in der angefochtenen Entscheidung, wie bereits erwähnt, bloß
festgestellt, dass „deren Anteile am 14. Juli 1999 an MD & D verkauft wurden“ und dass deshalb „diese Beihilfen von MD & D
zurückzufordern“ seien
(34)
. Diese automatische Schlussfolgerung erklärt sich aus einem zuvor in der Entscheidung dargelegten allgemeinen Grundsatz,
wonach „die Beihilfe von dem Unternehmen zurückgefordert werden [muss], das sie tatsächlich erhalten hat. Wenn der Empfänger
anschließend verkauft wurde, muss die Beihilfe vom Käufer zurückgefordert werden, unabhängig davon, ob die entsprechenden
Beträge in den Verkaufsbedingungen berücksichtigt wurden oder nicht“
(35)
.
73. Angesichts eines solchen typischen Falles des share deal ging die Kommission somit davon aus, dass die Beihilfen von dem Unternehmen
zurückzuzahlen seien, das die Anteile am begünstigten Unternehmen erworben hatte, ohne dass hierfür der Verkaufspreis zu würdigen
sei. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission folglich einen anderen Standpunkt als später in ihren Schriftsätzen
eingenommen, wo sie – wie oben referiert – für diese Fälle vertreten hat, dass die Rückzahlungspflicht bei dem begünstigten
Unternehmen verbleibe, und zwar ungeachtet ihrer etwaigen Berücksichtigung in den Verkaufsbedingungen. Auf diesem Standpunkt
steht auch die deutsche Regierung, die die angefochtene Entscheidung gerade mit der Begründung angreift, dass etwaige an die
SiMI gewährte Beihilfen auch von dieser zurückzuzahlen seien.
74. Um die in der angefochtenen Entscheidung gewählte Lösung zu beurteilen, ist also die streitige Frage der Rückforderung von
Beihilfen im Falle des Verkaufs der Anteile des begünstigten Unternehmens zu prüfen und zu klären, welchen der Beteiligten
(Verkäufer, begünstigtes Unternehmen oder Erwerber) die Rückzahlungspflicht trifft.
75. Ein Hinweis ergibt sich aus dem Urteil ENI‑Lanerossi
(36)
, wonach offenbar die Beihilfen, die vier Unternehmen im Eigentum des Unternehmens Lanerossi (das seinerseits der öffentlichen
Holding ENI gehörte) gewährt worden waren, von diesen selbst zurückzufordern waren, und zwar auch nach ihrer Veräußerung an
private Investoren durch Lanerossi
(37)
, sowie unabhängig davon, ob die sich aus der Rückzahlung der Beihilfen ergebende Belastung in den Verkaufsbedingungen berücksichtigt
worden war oder nicht
(38)
.
76. Diese Feststellung scheint jedoch in Widerspruch zu stehen zu dem Urteil des Gerichtshofes über die von der Kommission erhobene
Klage wegen der versäumten Rückforderung der Beihilfen (Urteil ENI‑Lanerossi II)
(39)
. Mit der Einstufung der SNAM (der Rechtsnachfolgerin der Lanerossi) als Begünstigte der Beihilfen entschied der Gerichtshof
nämlich in diesem zweiten Urteil, dass die Rückführung ordnungsgemäß durch Rückzahlung der Beihilfen durch dieses Unternehmen
erfolgen könne. Damit hat der Gerichtshof es im Wesentlichen anerkannt, dass die Beihilfen von der früheren Eigentümerin der
vier begünstigten Unternehmen (der Verkäuferin) zurückgezahlt werden konnten, ohne zu verlangen, dass die Rückforderung gegenüber
diesen vier Unternehmen oder gar gegenüber den privaten Investoren, die sie erworben hatten, durchgesetzt würde.
77. Weitere Hinweise auf diese streitige Frage ergeben sich aus dem jüngeren Urteil Banks
(40)
, in dem sich der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren mit dem Problem der Rückforderung von Beihilfen nach Privatisierung
des begünstigten Unternehmens befasst hat.
78. Dass im dort zugrunde liegenden Ausgangsfall die erwerbenden Unternehmen zur Rückzahlung der Beihilfen verpflichtet werden
könnten, hat der Gerichtshof in diesem Urteil mit folgender Begründung verneint: „Aus der Tatsache, dass die staatlichen Nachfolgegesellschaften
von British Coal [d. h. die begünstigten Unternehmen] später im Rahmen einer offenen und durch Wettbewerb gekennzeichneten
Ausschreibung zu Marktbedingungen erworben wurden, ist … zu schließen, dass das Beihilfeelement, das British Coal und den
genannten staatlichen Gesellschaften zugute kam, bei den privaten Zuschlagsempfängern wie RJB nicht vorhanden ist. Da diese
Zuschlagsempfänger die fraglichen Gesellschaften unter nicht diskriminierenden Wettbewerbsbedingungen definitionsgemäß zum
Marktpreis erwarben, d. h. zum höchsten Preis, den ein privater Investor unter normalen Wettbewerbsbedingungen für diese Gesellschaften
in der Situation, in der sie sich – insbesondere nach dem Erhalt staatlicher Beihilfen – befanden, zu zahlen bereit war, wurde
das Beihilfeelement zum Marktpreis bewertet und in den Kaufpreis einbezogen. Unter diesen Umständen können die Zuschlagsempfänger
nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Markteilnehmern angesehen werden … Von den privaten Zuschlagsempfängern
wie RJB konnte daher nicht verlangt werden, das betreffende Beihilfeelement zurückzuzahlen“
(41)
Nach diesen Ausführungen zur Lage der erwerbenden Unternehmen stellte der Gerichtshof sodann in allgemeineren Worten fest:
„Wenn ein Unternehmen, das eine Beihilfe erhalten hat, zum Marktpreis verkauft wurde, spiegelt der Kaufpreis allerdings grundsätzlich
die Auswirkungen der zuvor gewährten Beihilfe wider, und der Verkäufer dieses Unternehmens bleibt Nutznießer der Beihilfe.
In diesem Fall muss in erster Linie durch die Rückerstattung der Beihilfe seitens des Verkäufers für die Wiederherstellung
der früheren Situation gesorgt werden“
(42)
.
79. Mit dieser Entscheidung, deren Wortlaut der Gerichtshof auch in seinem späteren Urteil Falck
(43)
aufgegriffen hat, hat er somit klargestellt, dass dann, wenn das begünstige Unternehmen zu einem Preis verkauft wurde, der
seinen Marktpreis nach der Gewährung der Beihilfen widerspiegelt – zu einem Preis also, der den Wert der Beihilfen gewissermaßen
einschließt –, die Beihilfen vom Verkäufer zurückzuzahlen sind
(44)
. Nach der Sichtweise des Gerichtshofes könnte diese Lösung indessen dann nicht anwendbar sein, wenn bei der Festsetzung des
Verkaufspreises die Möglichkeit berücksichtigt wurde, dass die begünstigte Gesellschaft die erhaltenen Beihilfen (zumindest
teilweise) zurückzuerstatten hätte
(45)
, da in diesem Fall der Wert der Beihilfen nicht vollständig im Kaufpreis enthalten sein kann.
80. Weitere (aber nicht sehr klare) Hinweise zur geprüften Frage lassen sich schließlich dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache
Multimedia
(46)
entnehmen, in dem u. a. darüber zu entscheiden war, ob infolge des Umstands, dass das Unternehmen Seleco an Dritte 66 % der
Anteile seiner Tochter Multimedia veräußert hatte, Multimedia von ihrer (geltend gemachten) Haftung für die Rückzahlung bestimmter
Beihilfen frei geworden war
(47)
und die entsprechende Verpflichtung auf Seleco (d. h. die Verkäuferin) übergegangen war
(48)
. Dazu führte der Gerichtshof aus, „dass es sich zwar auf die Rückforderungspflicht nicht auswirkt, wenn ein Anteilseigner
einem Dritten Anteile an einer Gesellschaft verkauft, die durch eine rechtswidrige Beihilfe begünstigt wurde, dass die hier
vorliegende Situation aber von dieser Fallgestaltung abweicht. Es handelt sich nämlich um den Verkauf von Multimedia-Anteile
durch Seleco, die diese Gesellschaft gegründet hat und deren Vermögen der Kaufpreis der Anteile zugute kommt. Daher lässt
sich nicht ausschließen, dass Seleco den Vorteil der empfangenen Beihilfen dadurch behalten hat, dass sie ihre Anteile zum
Marktpreis verkauft hat“
(49)
. Im Ergebnis erklärte der Gerichtshof die Entscheidung der Kommission für nichtig, da sie nach seinen Feststellungen unzureichend
begründet war, so „insbesondere was die angebliche Unerheblichkeit der Tatsache angeht, dass die Anteile an Multimedia zu
einem Preis gekauft wurden, der offenbar dem Marktpreis entspricht“
(50)
.
81. Wie erwähnt, ergibt sich aus diesem Urteil keine klare Stellungnahme zur Frage der Rückforderung von Beihilfen im Fall eines
share deal. Mit seiner Feststellung, dass es sich „auf die Rückforderungspflicht nicht auswirkt, wenn ein Anteilseigner einem
Dritten Anteile an einer Gesellschaft verkauft, die durch eine rechtswidrige Beihilfe begünstigt wurde“, scheint sich der
Gerichtshof nämlich die Auffassung zu eigen zu machen, dass die Rückforderung an das Unternehmen, das die Beihilfen erhalten
hat, zu richten sei. Dieser Auslegung steht aber der nachfolgende Passus entgegen, in dem der Gerichtshof unter Verweis auf
das Urteil Banks im Wesentlichen ausführt, dass der Verkauf von Anteilen zum Marktpreis die Begünstigung durch die Beihilfen
auf den Verkäufer übergehen lassen könne. Daraus lässt sich schließen, dass beim Verkauf der Anteile zum Marktpreis der Verkäufer
die Beihilfen zurückzuzahlen hätte, was offenbar eine Bestätigung darin findet, dass die Entscheidung wegen einer mangelhaften
Begründung gerade hinsichtlich der Würdigung des für die Anteile entrichteten Kaufpreises für nichtig erklärt wurde.
82. Wie diese kurze Sichtung der Rechtsprechung zeigt, bewegt sich der Gerichtshof hinsichtlich der Frage der Rückforderung von
Beihilfen bei Übertragung von Anteilen des begünstigen Unternehmens zwischen zwei Positionen: zum einen der Auffassung, dass
die Beihilfen stets vom begünstigten Unternehmen zurückzuzahlen sind, und zum anderen dem Standpunkt, dass die Beihilfen,
wenn die Anteile zu einem Preis veräußert wurden, der den Marktpreis der begünstigten Gesellschaft nach Gewährung der Beihilfen
widerspiegelt, vom Verkäufer zu erstatten sind. In keinem Fall hat der Gerichtshof indessen die Erstattungspflicht dem Erwerber
auferlegt, dessen Haftung vielmehr beim Verkauf zum Marktpreis ausdrücklich ausgeschlossen wurde (Urteil Banks).
83. Insoweit erscheint mir die erste der vom Gerichtshof eingenommenen Positionen klar vorzugswürdig, da sie mit den Grundsätzen,
die für die Rückforderung von Beihilfen gelten, besser in Einklang steht. Wenn nämlich das Unternehmen, das eine Beihilfe
erhalten hat, nicht aufgelöst wurde und auf dem Markt tätig bleibt, so kann die durch die Beihilfe entstandene Wettbewerbsverfälschung
nur dadurch beseitigt (oder zumindest verringert) werden, dass die Rückzahlungspflicht diesem Unternehmen auferlegt wird –
denn nur so „verliert … der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß, und [wird] die
Lage vor der Zahlung der Beihilfe … wiederhergestellt“
(51)
.
84. Wenn es zum anderen auch zutrifft, dass demjenigen, der die Anteile an dem begünstigten Unternehmen zu einem Preis verkauft,
der deren Marktwert nach Erhalt der Beihilfen widerspiegelt, die Werterhöhung dieses Unternehmens zugute kommt, so liegt doch
ebenfalls auf der Hand, dass dieser Vorteil nicht denjenigen mindert, den das begünstigte Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern
erlangt hat. Und eben dieser Vorteil ist maßgebend für die Wettbewerbsverzerrung und daher durch die Rückforderung der Beihilfen
zu beseitigen, während der finanzielle Vorteil aus dem Verkauf der Anteile einen funktionierenden Wettbewerb auf den Märkten
nicht zu beeinflussen braucht, da doch der Verkäufer nicht unbedingt ein Wirtschaftsteilnehmer sein muss. Wäre jedenfalls
ein für alle Mal geklärt, dass das begünstigte Unternehmen auch beim Verkauf seiner Anteile zum Marktpreis zur Rückerstattung
erhaltener Beihilfen verpflichtet bliebe, würden hierdurch die Spekulationschancen für den Verkäufer beträchtlich reduziert
(und in der Praxis auf die normalen geschäftlichen Ungewißheiten begrenzbar), da die etwaige Belastung aus der Rückforderung
der Beihilfen normalerweise bei der Festlegung der Verkaufsbedingungen berücksichtigt würde.
85. Die Auffassung, dass die Rückforderung an das begünstigte Unternehmen zu richten ist, scheint mir auch deshalb vorzugswürdig,
weil sie den Wirtschaftsteilnehmern größere Sicherheit gewährt. Die Gegenauffassung, wonach die Beihilfen unter besonderen
Umständen vom Verkäufer zurückzufordern sind, schafft erhebliche Unsicherheit, denn häufig ist nur schwer feststellbar, ob
der Kaufpreis den Marktwert des begünstigten Unternehmens nach Erhalt der Beihilfen voll widerspiegelt und nicht einen geringen
Abschlag wegen des Risikos aufweist, dass das begünstigte Unternehmen die Beihilfen zumindest teilweise zu erstatten haben
wird. Noch nicht angesprochen sind damit die erheblichen Unklarheiten und großen praktischen Schwierigkeiten, die die Anwendung
dieser hier kritisierten Auffassung mit sich brächte. Denn außerordentlich kompliziert gestaltete sich in diesem Fall die
Rückforderung gewährter Beihilfen zugunsten eines großen, an der Börse notierten Unternehmens, dessen Aktien täglich in hoher
Zahl ange- und verkauft werden: Jede dieser Transaktionen könnte nämlich einen finanziellen Vorteil für den Verkäufer beinhalten
und eine entsprechende Rückzahlungspflicht erzeugen.
86. Auch wenn ich meine Präferenz für die erste der beiden genannten Positionen des Gerichtshofes zum Ausdruck gebracht habe,
scheint mir indessen im vorliegenden Fall evident (und im Wesentlichen von beiden Parteien anerkannt), dass nach der Rechtsprechung
und den genannten Grundsätzen jedenfalls die Kommission nicht die Rückzahlung der Beihilfen vom Erwerber der Anteile der begünstigten
Gesellschaft verlangen darf, ohne auch nur den Kaufpreis zu berücksichtigen
(52)
.
87. Daraus folgt, dass die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene rechtliche Würdigung hinsichtlich der Rückerstattung
der Beihilfen zugunsten der SiMI den Grundsätzen, die für die Rückforderung von Beihilfen nach den Artikeln 87 EG und 88 EG
gelten, zuwiderläuft.
ii) Die Rückforderung der der SMI gewährten Beihilfen
88. Hinsichtlich der Rückforderung der der SMI gewährten Beihilfen sind zunächst folgende Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung
in Erinnerung zu bringen: „Im vorliegenden Fall wurden SMI‑Vermögenswerte gemeinsam mit SiMI‑Anteilen an MD & D verkauft.
Der Verkauf der Vermögenswerte war erforderlich, um MD & D zu ermöglichen, die SiMI‑Tätigkeit zu übernehmen, weil SiMI die
SMI‑Vermögenswerte immer genutzt und somit einen Vorteil aus der Beihilfe gezogen hatte, die formell SMI gewährt worden war.
Der Verkauf des Anlagevermögens fand kurz nach dem 28. Juni 1999 statt, als derselbe Verwalter 80 % der Anteile von MD & D
an Megaxess und die restlichen 20 % an Arbeitnehmer von MD & D verkauft hatte.“
89. So lag es nach Auffassung der Kommission auf der Hand, „dass alle diese Transaktionen eng miteinander verbunden sind und dazu
führen, alle Vermögenswerte, die im Eigentum der SMI standen und die SiMI genutzt wurden, unter die Kontrolle der neuen Anteilseigner
von MD & D zu bringen, so dass diese vor der Rückforderung widerrechtlich gewährter staatlicher Beihilfen geschützt werden“.
Unter diesen Umständen hatten nach Meinung der Kommission „die jeweiligen für MD & D-Anteile gezahlten Preise auf der einen
Seite und für SMI‑Vermögenswerte und SiMI‑Anteile auf der anderen Seite gezahlten Preise keinen Einfluss auf die Würdigung
der gesamten Transaktion“
(53)
.
90. Da nach Ansicht der Kommission „Megaxess und die anderen Käufer von MD & D und natürlich MD & D selbst … vollkommen in Kenntnis
der Existenz [des] Verfahrens [waren] und … es in jedem Fall [hätten] berücksichtigen müssen“, gelangte die Kommission zu
dem Ergebnis, „dass der Begriff ‚Empfänger‘ nicht nur SiMI und SMI, sondern auch MD & D sowie jedes Unternehmen einschließt,
dem die Vermögenswerte von SMI, SiMI oder MD & D in einer Form übertragen worden sind bzw. übertragen werden, um die Konsequenzen
dieser Entscheidung zu umgehen“
(54)
.
91. Diesen Ausführungen zur Rückforderung der der SMI gewährten Beihilfen ist zu entnehmen, dass die Kommission als „Empfänger“
dieser Beihilfen auch die SiMI, die MD & D und alle übrigen Unternehmen eingestuft hat, die Vermögenswerte einer dieser drei
Unternehmen erworben hätten, um die Konsequenzen der angefochtenen Entscheidung zu umgehen. Auf diese Weise weitete die Kommission
die (entweder – was nicht klar ist – gesamtschuldnerische oder subsidiäre) Haftung für die Rückzahlung der der SMI gewährten
Beihilfen auf diese Gesellschaften und Unternehmen aus.
92. Was die SiMI angeht, so wurde ihre Haftung offenbar einfach daraus hergeleitet, dass sie „die SMI‑Vermögenswerte immer genutzt
und somit einen Vorteil aus der Beihilfe gezogen hatte, die formell SMI gewährt worden war“
(55)
. Wie erwähnt, hat die Kommission dazu vor dem Gerichtshof erläutert, dass sie, da ihr für die Beurteilung, ob die von der
SiMI an die SMI entrichtete Miete für deren Vermögensgegenstände den Marktbedingungen entsprochen habe, keine Informationen
vorgelegen hätten, nur habe annehmen können, dass der SiMI von Juni/Juli 1997 bis Juni/Juli 1999 die der SMI rechtswidrig
gewährten Beihilfen zugute gekommen seien.
93. Insoweit scheint mir jedoch offenkundig, dass zum einen die Kommission einer Tochtergesellschaft die Verpflichtung zur Rückzahlung
von an die Muttergesellschaft gezahlten Beihilfen nicht einfach deshalb auferlegen kann, weil die Tochtergesellschaft über
einen bestimmten Zeitraum Vermögensgegenstände der Muttergesellschaft gemietet hatte, und dass die Kommission zum anderen
diese Rückzahlungspflicht nicht auf die bloße, durch keinen Beleg gestützte Vermutung stützen durfte, dass der Mietzins, zu
dem die Muttergesellschaft ihre Vermögensgegenstände an ihre Tochtergesellschaft vermietet hatte, nicht den Marktbedingungen
entsprochen habe.
94. Demnach läuft meines Erachtens die rechtliche Würdigung, als deren Ergebnis die Kommission die Haftung für die Rückzahlung
der der SMI gewährten Beihilfen auf die SiMI ausweitete, den Grundsätzen über die Rückforderung von Beihilfen zuwider.
95. Was die Haftung der MD & D anbelangt, so hat die Kommission, wie erwähnt, darauf abgestellt, dass der Verwalter der MD & D
unmittelbar nach ihrer Veräußerung an Dritte die Vermögensgegenstände der SMI und die Anteile der SiMI verkauft hat. Ohne
eine Würdigung des für diese drei Verkaufsakte entrichteten Preises vorzunehmen, stellte die Kommission fest, „dass alle diese
Transaktionen eng miteinander verbunden [waren] und dazu [führten], alle Vermögenswerte, die im Eigentum der SMI standen und
durch SiMI genutzt wurden, unter die Kontrolle der neuen Anteilseigner von MD & D zu bringen, so dass diese vor der Rückforderung
widerrechtlich gewährter staatlicher Beihilfen geschützt werden“. Um zu vermeiden, dass durch diese Transaktionen des Insolvenzverwalters
die angefochtene Entscheidung umgangen werden könnte, hat die Kommission deshalb die Haftung für die Rückzahlung der der SMI
gewährten Beihilfen auch auf die MD & D ausgedehnt.
96. Auch diese rechtliche Würdigung hinsichtlich der MD & D scheint mir den für die Rückforderung von Beihilfen maßgebenden Grundsätzen
zuwiderzulaufen, da sie der MD & D die Rückzahlungspflicht mit der unbewiesenen Begründung aufbürdet, man habe die angefochtene
Entscheidung umgehen wollen, indem man die Vermögensgegenstände der SMI der angeordneten Rückerstattung entzogen.
97. Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Vermögensgegenstände der SMI der Rückgewährungspflicht gewiß nicht durch den Verkauf
der SiMI‑Anteile entzogen wurden, da die SiMI diese Gegenstände lediglich aufgrund eines Mietverhältnisses nutzte. Da weiterhin
die Anteile an der SiMI, wie die deutsche Regierung ohne Widerspruch seitens der Kommission ausgeführt hat, zum Marktpreis
veräußert wurden, wurden mit dieser Transaktion der Insolvenzmasse, die mit den öffentlichen Ansprüchen auf Rückzahlung der
Beihilfen belastet war, keine Mittel entzogen.
98. Die Vermögensgegenstände der SMI wurden der Rückgewährungspflicht aber auch nicht durch ihre Veräußerung an die MD & D entzogen,
denn auch in diesem Fall erfolgte, wie die deutsche Regierung unwidersprochen seitens der Kommission vorgetragen hat, der
Verkauf zum Marktpreis. Mit diesem Verkauf erzielte der Verwalter also einen Betrag in Höhe des Marktwertes der Vermögensgegenstände,
der in die mit der Rückzahlungspflicht belastete Insolvenzmasse floss. Mit dem Verkauf der Vermögensgüter der SMI zum Marktpreis,
um so deren Verpflichtungen (darunter der zur Rückzahlung der Beihilfen) nachzukommen, umging also der Insolvenzverwalter
in keiner Weise die Entscheidung der Kommission. Eine solche Umgehung liegt auch nicht darin, dass der Verwalter die Güter
der SMI „en bloc“ verkaufte, denn wie die deutsche Regierung unwidersprochen durch die Kommission ausgeführt hat, konnte so
ein höherer Preis erzielt werden als beim Einzelverkauf der fraglichen Gegenstände.
99. Zum anderen hat die Kommission nichts dafür vorgetragen, dass im vorliegenden Fall Betrugshandlungen zum Nachteil der Gläubiger
begangen worden wären, durch die das Vermögen des insolventen Unternehmens hätte geschädigt werden können. Sie hat auch nicht
behauptet, dass im Insolvenzverfahren zum Nachteil der öffentlichen Gläubiger der Gleichbehandlungsgrundsatz missachtet worden
wäre. Angesichts dieser Umstände meine ich, dass der Verkauf der Vermögensgegenstände der SMI zum Marktpreis, wenn die Ansprüche
auf Rückzahlung der Beihilfen im Insolvenzverfahren ordnungsgemäß angemeldet wurden, keinerlei Umgehung der Rückzahlungspflicht
beinhalten konnte
(56)
.
100. Schließlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass die Haftung der MD & D im Gegensatz zu dem Standpunkt, den offenbar die Kommission
in ihren Schriftsätzen vertritt, auch nicht wirksam darauf gestützt werden kann, dass der gebündelte Verkauf der Vermögensgegenstände
der SMI (der die Fortführung der begünstigten Geschäftstätigkeit ermöglichte) nicht in einem offenen und transparenten Verfahren
vorgenommen worden sei und die sich aus den Beihilfen ergebende Wettbewerbsverzerrung aus diesem Grund nicht habe ausräumen
können.
101. Dem ist entgegenzuhalten, dass in der angefochtenen Entscheidung die Haftung der MD & D nicht auf diese Annahme gegründet
wurde. Denn nirgends in der angefochtenen Entscheidung wird darauf verwiesen, dass der gebündelte Verkauf der Vermögensgegenstände
der SMI nicht in einem offenen und transparenten Verfahren stattgefunden habe und dass so Wettbewerber der SMI vom Erwerb
der Güter, mit der die SMI die begünstigte Tätigkeit ausübte, ausgeschlossen worden wären. In der angefochtenen Entscheidung
und in den Akten finden sich vielmehr Gesichtspunkte, die gerade das Gegenteil vermuten lassen: So habe der Verkauf in einem
gerichtlich beaufsichtigten Insolvenzverfahren stattgefunden, er sei nicht sofort vorgenommen worden, sondern ihm seien vergebliche
Verhandlungen mit einem anderen Unternehmen aus den USA vorausgegangen, und schließlich habe kein Wettbewerber der SMI beanstandet,
dass die Transaktion nicht hinreichend transparent gewesen wäre.
102. Ich komme somit zu dem Ergebnis, dass auch die rechtliche Würdigung, mit der die Kommission die Haftung für die Rückzahlung
der der SMI gewährten Beihilfen auf die MD & D ausweitete, den Grundsätzen über die Rückforderung von Beihilfen zuwiderläuft.
Gleiches gilt für die Ausweitung dieser Haftung auf jedes andere Unternehmen, das Vermögensgüter der SMI, der SiMI oder der
MD & D erworben habe, um angeblich die Rechtsfolgen der Entscheidung zu umgehen, denn auch insoweit scheint die Kommission
im Wesentlichen ihrer Würdigung im Hinblick auf MD & D zu folgen.
iii) Schlussbemerkungen
103. Nach alledem bin ich der Auffassung, dass die vorliegende Rüge durchgreift und dass folglich die angefochtene Entscheidung
für nichtig zu erklären ist, soweit darin die Rückforderung der Beihilfen von anderen Unternehmen als der SMI angeordnet wird,
ohne dass die übrigen in dieser Hinsicht geltend gemachten Rügen geprüft zu werden brauchen.
Kosten Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der
Gerichtshof kann jedoch nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre
eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da ich, wie ausgeführt, zu dem Ergebnis gelange, dass
Deutschland und die Kommission jeweils teilweise unterlegen sind, erscheint es mir angemessen, dass jeder Partei ihre eigenen
Kosten auferlegt werden.
Ergebnis Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:
–
Die Entscheidung 2000/567/EG der Kommission vom 11. April 2000 über die staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der System
Microelectronic Innovation GmbH, Frankfurt/Oder (Brandenburg), wird für nichtig erklärt, soweit darin die Zuschüsse der THA
zugunsten der SMI als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen eingestuft werden und soweit darin die Rückforderung
der Beihilfen von anderen Unternehmen als der SMI angeordnet wird.
In der angefochtenen Entscheidung wird die Subvention in Höhe von 1,8 Millionen DM für Umzugsaktivitäten als eine Subvention
der THA bezeichnet, während sie nach der Klageschrift von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (der Rechtsnachfolgerin
der THA) gewährt wurde.
Wie aus den Akten hervorgeht, wurden Synergy in Wirklichkeit 49 % der Anteile der HEG übertragen, die erst anschließend in
System Mikroelektronik (SMI) umbenannt wurde. Da jedoch in der angefochtenen Entscheidung von der Übertragung von 49 % der
Anteile der SMI auf Synergy die Rede ist, wird der Einfachheit halber auch in diesen Schlussanträgen diese Ausdrucksweise
gewählt.
26. Begründungserwägung. Die Kommission wies dabei auf Folgendes hin: „Außer im Fall von Privatisierungen lassen [die THA-Regelungen]
lediglich Darlehen und Bürgschaften zu … Nach diesen Regelungen wurden Zuschüsse im Fall einer Privatisierung gerade wegen
der einzigartigen beispiellosen Aufgabe der THA gewährt: Umwandlung einer staatlichen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft.
Derartige Beihilfen können allerdings ihr Ziel nur dann erreichen, wenn Unternehmen in öffentlichem Eigentum verkauft werden
und ihre Kontrolle privaten Investoren übertragen wird.“
47. und 48. Begründungserwägung. Was unter einer solchen Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu verstehen sei, erläuterte die
Kommission wie folgt: „Als Beispiele dafür könnte herangezogen werden, was übertragen wurde (Vermögenswerte und Zahlungsverpflichtungen,
Personal, konsolidierte Vermögenswerte), der Kaufpreis, die Identität des Anteilseigners oder des Eigners des Erstunternehmens
und des Käufers, der Zeitpunkt, zu dem die Übertragung stattfindet (nach Beginn der Nachprüfung, nach Einleitung des formellen
Prüfverfahrens oder nach Erlass der endgültigen Entscheidung), und der kommerzielle Charakter des Transfers.“ Die Kommission
stellte ferner klar, dass ihre Erwägungen zur Rückforderung von Beihilfen von Unternehmen, die die Geschäftstätigkeit des
ursprünglichen Begünstigten fortführen, auch gälten, „wenn die Geschäftstätigkeit im Verlauf von Zahlungsunfähigkeitsverfahren
übertragen wird“.
Bekanntlich gelten nach dieser Vorschrift als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar „Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter,
durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die
Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind“.
Die Kommission verweist insoweit auf das bekannte Urteil in der Rechtssache Boussac (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache
C‑301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I‑307, Randnr. 22), wonach die Kommission, wenn ein „Mitgliedstaat trotz der Anordnung
der Kommission die verlangten Auskünfte nicht [erteilt], … befugt [ist], das Verfahren abzuschließen und die Entscheidung,
mit der die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, auf der Grundlage
der ihr vorliegenden Informationen zu erlassen“.
Die Kommission bezieht sich insbesondere auf das Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1999 in den verbundenen Rechtssache
T‑132/96 und T‑143/96 (Freistaat Sachsen u. a./Kommission, Slg. 1999, II‑3663) und auf das Urteil des Gerichtshofes vom 19.
September 2000 in der Rechtssache C‑156/98 (Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I‑6857).
In diesem Sinne vgl. z. B. das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juni 2002 in der Rechtssache C‑382/99 (Niederlande/Kommission,
Slg. 2002, I‑5163), wonach „die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen insbesondere
im Hinblick auf die Begründungspflicht anhand der Auskünfte zu beurteilen [ist], die die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des
Erlasses dieser Entscheidung übermittelt hatten“. Diesem Grundsatz folgend, stellte der Gerichtshof in diesem Urteil fest,
dass die dort klagende Regierung der Kommission nicht vorwerfen konnte, „sie habe es unterlassen, im Rahmen der Beurteilung
der Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages das Ziel des Umweltschutzes zu berücksichtigen“,
nachdem die klagende Regierung „derartige Erwägungen im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht“ hatte (Randnr. 84).
Zur Notwendigkeit einer engen Auslegung von Bestimmungen, die „eine Ausnahme von dem … allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit
staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt“ bilden, siehe das bereits genannte Urteil vom 19. September 2000 in der Rechtssache
C‑156/98 (Deutschland/Kommission, Randnr. 49).
Im Einzelnen werden die Zuschüsse der THA an die SMI in der angefochtenen Entscheidung bei einem angegebenen Gesamtbetrag
von 64,8 Millionen DM wie folgt aufgeteilt: 45 Millionen für Investitionen, 18 Millionen zur Deckung des Liquiditätsbedarfs
des Unternehmens und 1,8 Millionen für Umzugsaktivitäten.
Auch insoweit ist zu verweisen auf das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juni 2002 in der Rechtssache C‑382/99 (Niederlande/Kommission),
wonach „die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen insbesondere im Hinblick
auf die Begründungspflicht anhand der Auskünfte zu beurteilen [ist], die die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des Erlasses dieser
Entscheidung übermittelt hatten“ (Randnr. 84).
Es ist nicht eindeutig erkennbar, ob die Kommission für den Ausschluss der Erwerberhaftung auch verlangt, dass der Verkauf
in einem offenen und bedingungsfreien Verfahren vorgenommen wird. Falls es sich so verhält, sei aber darauf hingewiesen, dass
dann die Unterscheidung zwischen einem Einzelverkauf der Vermögensgüter des begünstigten Unternehmens und ihrer gebündelten
Veräußerung nicht nachvollziehbar wäre.
Es ist nicht ganz klar, auf welche Fallgestaltungen sich die Kommission insoweit bezieht, allgemein aber lässt sich ihren
Ausführungen entnehmen, dass die genannte Regel gelten solle beim Verkauf der Vermögensgüter durch das begünstigte Unternehmen,
bei freiwilliger Abwicklung des Unternehmens oder im Insolvenzfall.
Diese Veräußerung fand offenbar nach Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG und wenige Monate vor dem Erlass
der Entscheidung der Kommission statt, mit der die Rückforderung angeordnet wurde.
Urteil des Gerichtshofes vom 24. September 2002 in den verbundenen Rechtssachen C‑74/00 P und C‑75/00 P (Falck, Slg. 2002,
I‑7869, Randnrn. 180 und 181).
Nicht klar ist allerdings, ob der Gerichtshof mit der Formulierung, dass die Rückerstattung „in erster Linie“ seitens des
Verkäufers geleistet werden muss, eine subsidiäre Haftung der anderen Beteiligten begründen wollte.
Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Anteile während eines von der Kommission nach Artikel 88 Absatz 2 EG eingeleiteten
Verfahrens veräußert werden.
Urteil des Gerichtshofes vom 8. Mai 2003 in den verbundenen Rechtssachen C‑328/99 und C‑399/00 (SIM Multimedia, noch nicht
in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
Nach der in dieser Rechtssache angefochtenen Entscheidung der Kommission (Entscheidung 2000/536/EG vom 2. Juni 1999, ABl.
L 227, S. 24) haftete Multimedia subsidiär für die Rückzahlung von bestimmten Seleco gewährten Beihilfen, da Seleco während
des Prüfverfahrens an Multimedia einen bestimmten Unternehmensbereich veräußert hatte.
Urteil vom 4. April 1995 in der Rechtssache C‑348/93 (Kommission/Italien, Slg. 1995, I‑673, Randnr. 27). Im gleichen Sinne
auch Urteil vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C‑480/98 (Spanien/Kommission, Slg. 2000, I‑8717, Randnr. 35).