62000C0094

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 20/09/2001. - Roquette Frères SA gegen Directeur général de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes, Beteiligte: Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Frankreich. - Wettbewerbsrecht - Artikel 14 Absätze 3 und 6 der Verordnung Nr. 17 - Nachprüfungsentscheidung der Kommission - Unterstützung durch die nationalen Behörden - Auslegung des Urteils Hoechst/Kommission vom 21. September 1989 - Allgemeine Grundsätze - Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer juristischen Person - Umfang der Kontrolle, die dem für die Genehmigung von Zwangsmaßnahmen gegen Unternehmen zuständigen nationalen Gericht obliegt - Informationspflicht der Kommission - Loyale Zusammenarbeit. - Rechtssache C-94/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-09011


Schlußanträge des Generalanwalts


1. Die Cour de cassation (Frankreich) hat dem Gerichtshof aufgrund einer Beschwerde der Roquette Frères SA (im Folgenden: Roquette) gegen einen Beschluss des Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille (Frankreich) vom 14. September 1998 über die Genehmigung einer Nachprüfung in den Räumlichkeiten dieses Unternehmens zwei Vorabentscheidungsfragen vorgelegt, die dahin gehen, unter welchen Umständen ein nationaler Richter die Durchführung der Nachprüfungsanordnung der Kommission verweigern kann.

I - Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

A - Die Entscheidung der Kommission

2. Die Kommission hat mit Entscheidung vom 10. September 1998 gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages - angeordnet, dass Roquette einer Nachprüfung unterzogen wird.

3. Artikel 1 dieser Entscheidung lautet:

Die Roquette Frères SA wird einer Nachprüfung im Hinblick auf eine etwaige Beteiligung an nach Artikel 85 EG-Vertrag verbotenen Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem Markt für Natriumgluconat und Glucono-delta-Lacton unterzogen. Die Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten des Unternehmens erfolgen.

Die Firma Roquette gestattet den von der Kommission mit der Nachprüfung beauftragten Bediensteten und den sie unterstützenden Bediensteten des betroffenen Mitgliedstaats während der üblichen Geschäftszeit das Betreten aller Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel des Unternehmens. Sie legt die von diesen Bediensteten angeforderten Bücher und sonstigen Geschäftsunterlagen zur Prüfung vor und gestattet ihnen, diese an Ort und Stelle zu überprüfen sowie Abschriften oder Auszüge davon anzufertigen. Das Unternehmen gibt den genannten Bediensteten unverzüglich alle möglichen Erklärungen, die diese zum Gegenstand der Nachprüfung verlangen."

4. Aus den Gründen der Entscheidung der Kommission geht im Wesentlichen Folgendes hervor:

...

Der Kommission liegen Informationen vor, wonach Verantwortliche des betroffenen Unternehmens regelmäßig mit Vertretern von Konkurrenzfirmen zusammengekommen sein sollen, um den Markt für Natriumgluconat untereinander aufzuteilen und Mindestpreise für die Nutzer der einzelnen Marktgebiete abzusprechen. Danach wurde auch die Verkaufsmenge insgesamt und für die einzelnen Gebiete festgelegt. Bei jeder Zusammenkunft soll beurteilt worden sein, inwieweit die Vereinbarungen eingehalten wurden. Jedes Unternehmen, das die ihm zugeteilte Verkaufsmenge überschritten hat, musste anscheinend versuchen, seinen Warenabsatz in der nächsten Zeit zu verringern.

...

Der Kommission liegen Informationen vor, wonach sich diese Kontakte mit Konkurrenzfirmen auch auf Glucono-delta-Lacton erstreckt haben sollen. Dabei soll es sich insbesondere um zwei- oder mehrseitige Gespräche gehandelt haben, die häufig am Rande der Zusammenkünfte für Natriumgluconat stattfanden (und zwar vorher, nachher oder in den Pausen). Bei dieser Gelegenheit sollen die Teilnehmer Markt-, Marktpreis- und Nachfrageinformationen ausgetauscht haben. Sie sollen auch Gespräche über die Produktionskapazitäten und die Verkaufsvolumen geführt haben. Die Kontakte sollen der Preiskontrolle gedient haben und waren anscheinend geeignet, eine Koordinierung des Teilnehmerverhaltens auf dem Markt herbeizuführen.

Die genannten Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen könnten, falls sie nachgewiesen wären, einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages darstellen ... Schon aufgrund ihrer Natur ist anzunehmen, dass sie geheim praktiziert werden, so dass eine Nachprüfung am geeignetsten erscheint, um ihre Existenz im Einzelnen nachzuweisen.

...

Im Interesse einer wirksamen Nachprüfung darf das Unternehmen nicht vorher davon Kenntnis erlangen.

Das Unternehmen ist daher im Wege einer entsprechenden Anordnung einer zwangsweisen Nachprüfung im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 zu unterziehen."

5. Die Kommission beantragte bei der französischen Regierung die erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17, falls sich das Unternehmen einer Nachprüfung widersetze.

6. Aufgrund dieses Antrags forderte die Direction générale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes (Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung, im Folgenden: DGCCRF) die zuständigen örtlichen Dienststellen der Verwaltung auf, sich zum einen den beauftragten Bediensteten der Kommission zur Verfügung zu stellen und zum anderen beim Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille die nach französischem Recht erforderliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmegenehmigung einzuholen.

7. Ein entsprechender Genehmigungsantrag wurde am 14. September 1998 gestellt. Beigefügt waren insbesondere die Entscheidung der Kommission und der Text des Urteils Hoechst/Kommission.

8. Der Präsident des Tribunal de grande instance Lille gab diesem Antrag mit dem vorgenannten Beschluss vom 14. September 1998 statt, auf den ich noch zurückkommen werde.

B - Das geltende nationale Recht

9. Der französische Conseil constitutionnel hat am 29. Dezember 1983 entschieden, dass Ermittlungen in Privaträumen nur unter Beachtung des Artikels 66 der französischen Verfassung durchgeführt werden dürfen, wonach der Schutz der staatsbürgerlichen Grundrechte, insbesondere der Unverletzlichkeit der Wohnung, den Gerichten übertragen ist. Er hat daraus geschlossen, dass dem zuständigen Gericht in den entsprechenden Rechtsvorschriften ausdrücklich die Aufgabe übertragen werden muss, im Einzelnen die Begründetheit des ihm vorliegenden Antrags zu überprüfen.

10. Nach dieser Entscheidung erging die Ordonnance Nr. 86-1243 vom 1. Dezember 1986 über die freie Preisbildung und den freien Wettbewerb (im Folgenden: Ordonnance) mit den Nachprüfungsverfahren, die auf diesem Gebiet erlaubt sind.

11. Artikel 47 der Ordonnance bestimmt:

Die Prüfer haben Zugang zu allen geschäftlich genutzten Räumlichkeiten, Grundstücken und Transportmitteln; sie können die Aushändigung der Bücher, Rechnungen und sonstigen Geschäftsunterlagen verlangen und hiervon Abschriften anfertigen sowie die erforderlichen Auskünfte und Nachweise an Ort und Stelle oder mittels Vorladung einholen. Sie können von ihrer Behörde die Bestellung eines Sachverständigen zur kontradiktorischen Erstellung erforderlicher Gutachten verlangen."

12. Artikel 48 der Ordonnance sieht vor:

Die Prüfer können Durchsuchungen an Örtlichkeiten jeder Art und die Beschlagnahme von Unterlagen nur vornehmen, wenn der Minister für Wirtschaft oder der Conseil de la concurrence entsprechende Ermittlungen verlangt und der Präsident des Tribunal de grande instance, in dessen Zuständigkeitsbereich die zu durchsuchenden Örtlichkeiten liegen, oder ein von ihm beauftragter Richter durch Beschluss die gerichtliche Genehmigung hierzu erteilt hat ...

Der Richter hat nachzuprüfen, ob der ihm vorgelegte Genehmigungsantrag begründet ist; dieser Antrag muss alle Angaben enthalten, die die Durchsuchung rechtfertigen können. Er bestellt einen oder mehrere Vollzugsbedienstete zum Zweck der Teilnahme an diesen Vorgängen, die ihn über deren Durchführung unterrichten ...

Der Richter kann sich während des Vorgangs in die betreffenden Räume begeben. Er kann jederzeit die Aussetzung oder Einstellung der Durchsuchung anordnen.

Der in Absatz 1 genannte Beschluss kann nur durch Kassationsbeschwerde nach den Vorschriften des Code de procédure pénale angefochten werden. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Die Durchsuchung, die nicht vor sechs Uhr oder nach einundzwanzig Uhr beginnen darf, findet in Gegenwart des Rauminhabers oder seines Vertreters statt. Die Prüfer, der Rauminhaber oder sein Vertreter sowie der Vollzugsbedienstete sind allein befugt, vor der Beschlagnahme Kenntnis von den Unterlagen zu nehmen ..."

13. Die Vorschriften der Artikel 47 und 48 der Ordonnance wurden auf Nachprüfungen ausgeweitet, die auf Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 beruhen. Demgemäß bestimmt Artikel 56bis der Ordonnance:

Bei der Anwendung der Artikel 85 bis 87 des Vertrages von Rom verfügen der Minister für Wirtschaft und die von ihm gemäß den Bestimmungen dieser Ordonnance bestellten oder ermächtigten Beamten zum einen und der Conseil de la concurrence zum anderen über die Befugnisse, die ihnen nach den Titeln III, VI und VII bzw. nach Titel III dieser Ordonnance zustehen. Die darin vorgesehenen Verfahrensvorschriften sind auf sie anwendbar."

14. Zur klareren Auslegung der genannten nationalen Bestimmungen zitiert Roquette Auszüge aus drei Urteilen der Cour de cassation, worin bestätigt wird, dass der Präsident des Tribunal de grande instance die Cour de cassation in die Lage versetzen muss, zu kontrollieren, ob die Begründetheit des Antrags nachgeprüft wurde.

C - Die vor der Cour de cassation angefochtene Entscheidung

15. Der Beschluss des Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille enthält insbesondere folgende Erwägungen:

... Die vorgenannte Entscheidung der Kommission beruht auf sachlichen und rechtlichen Gründen hinsichtlich der Vermutung nach Artikel 85 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verbotener Verhaltensweisen der Roquette Frères SA, die ich nicht zu beurteilen habe, da eine derartige Beurteilung in den Zuständigkeitsbereich des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg fällt.

Die vorgenannte Entscheidung der Kommission ist daher dem vorliegenden Beschluss beizufügen und ist somit dessen Bestandteil.

Die in der vorgenannten Entscheidung der Kommission enthaltenen Angaben können die in Artikel 48 der vorgenannten Ordonnance definierte Begründung darstellen ..."

16. Nach einem Hinweis auf die Beschreibung des vermuteten Sachverhalts in der Entscheidung der Kommission enthält der Beschluss des Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille insbesondere folgende weitere Erwägungen:

Diese Verhaltensweisen sind die Folge regelmäßiger Zusammenkünfte, bei deren Gelegenheit geheim gehaltene Informationen ausgetauscht werden.

Die Unterlagen, mit denen sich die genannten Verhaltensweisen beweisen lassen, sind daher vertraulicher Art und somit den Prüfern nicht bekannt ...

Der Gebrauch von den in Artikel 47 der Ordonnance vom 1. Dezember 1986 vorgesehenen Befugnissen reicht nicht aus, um der Verpflichtung nachzukommen, der die französische Behörde unter den gegebenen Umständen unterliegt.

Der offensichtlich vertrauliche Charakter der zu ermittelnden Unterlagen und die Pressionen, denen bestimmte Dritte unter Umständen ausgesetzt sind, lassen die Ausübung der in Artikel 48 der Ordonnance vom 1. Dezember 1986 vorgesehenen Befugnisse zu.

Mit Hilfe dieser Befugnisse können die angestrebten Ziele unter Wahrung der Verteidigungsrechte erreicht werden, da die Ausübung dieser Befugnisse meiner Kontrolle unterliegt.

Unter den somit gegebenen Umständen ist zu vermuten, dass die Roquette Frères SA an nach Artikel 85 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verbotenen Verhaltensweisen beteiligt ist, und festzustellen, dass daher die Anwendung des Artikels 48 der vorgenannten Ordonnance nicht außer Verhältnis zu den geplanten Maßnahmen steht, sofern das betroffene Unternehmen nach Durchsuchung seiner Räumlichkeiten seine Originalunterlagen zurückerhält, von denen die Kommission nur Abschriften beantragt hat.

..."

17. Der Beschluss des Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille wurde am 16. September 1998 zugestellt, und die Nachprüfung fand am 16. und 17. September 1998 statt. Roquette kooperierte bei den Nachprüfungsvorgängen, machte jedoch Vorbehalte bezüglich der Abschrift einer Reihe von Dokumenten.

D - Die Kassationsbeschwerde und das Vorlageurteil

18. Roquette legte sodann bei der Cour de cassation eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ein. Sie macht insbesondere geltend, der Präsident des Tribunal de grande instance habe keine Haussuchung anordnen können, ohne die gesamte Kontrollbefugnis auszuüben, die ihm die Verfassung und die Ordonnance übertragen hätten. Er müsse anhand der Unterlagen, die ihm die antragstellende Verwaltung vorzulegen habe, selbst prüfen, ob ernsthafte Rückschlüsse auf wettbewerbswidrige Verhaltensweisen vorlägen, die die Übertragung einer Befugnis zu Zwangsmaßnahmen rechtfertigen könnten. Er habe seine Anordnung nicht allein auf die Entscheidung der Kommission stützen dürfen, ohne sich zu vergewissern, dass eine derartige Entscheidung tatsächlich anhand von Unterlagen oder Schriftstücken ergangen sei, die der Kommission zur Beurteilung vorgelegen hätten.

19. Die Cour de cassation weist im Vorlageurteil auf die vorgenannte Entscheidung des Conseil constitutionnel vom 29. Dezember 1983 hin und stellt fest: Im vorliegenden Fall wurden dem Präsidenten des Tribunal de grande instance Lille ... keine Informationen oder Hinweise gegeben, die auf das Vorliegen der behaupteten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen schließen ließen, so dass er die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags nicht im Einzelnen prüfen konnte. Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung ... lediglich darauf hingewiesen, dass sie über Informationen verfüge, wonach sich das Unternehmen auf dem Markt für Natriumgluconat und Glucono-delta-Lacton wettbewerbswidrig verhalte. Diese Verhaltensweisen hat die Kommission in ihrer Entscheidung zwar beschrieben, jedoch ohne bei deren Analyse, wenn auch nur kurz, auf die Informationen Bezug zu nehmen, die sie zu besitzen behauptet und auf die sie ihre Beurteilung stützt."

20. Die Cour de cassation bezieht sich ferner auf die Feststellungen in den Randnummern 17 und 18 des vorgenannten Urteils Hoechst/Kommission, wonach es keinen dem Recht der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz des Rechts auf Unverletzlichkeit der Geschäftsräume von Unternehmen und keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gebe, die einen derartigen Grundsatz aus Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ableite. Sie führt hierzu aus, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe später in seinem Urteil Niemietz vom 16. Dezember 1992 jedoch entschieden, dass diese Vorschrift auch bestimmte berufliche oder geschäftliche Tätigkeiten oder Räume mit umfassen könne. Die Cour de cassation hebt zudem Artikel 6 Absatz 2 EU hervor, der die Union verpflichte, die Grundrechte zu achten, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach allgemeinen Grundsätzen gewährleiste, sowie Artikel 46 EU, der diese Bestimmung der Kontrolle des Gerichtshofes unterwerfe.

21. Die Cour de cassation betont ferner, im Urteil Hoechst/Kommission werde festgestellt, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Nachprüfungsbefugnisse die verfahrensrechtlichen Garantien des nationalen Rechts beachten müsse.

22. Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation durch Urteil vom 7. März 2000 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das Urteil Hoechst vom 21. September 1989 in Anbetracht der in der Gemeinschaftsrechtsordnung und in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Grundrechte dahin auszulegen, dass ein nationaler Richter, der nach dem nationalen Recht in Wettbewerbsangelegenheiten für die Anordnung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen durch Bedienstete der öffentlichen Verwaltung zuständig ist, die beantragte Genehmigung hierfür nicht verweigern kann, wenn er die Informationen oder Hinweise, die ihm gegeben worden sind, um den Verdacht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen der von der Nachprüfungsentscheidung der Kommission betroffenen Unternehmen zu rechtfertigen, für die Genehmigung einer solchen Maßnahme für unzureichend hält oder wenn er - wie im vorliegenden Fall - überhaupt keine Informationen oder Hinweise erhalten hat?

2. Darf, falls der Gerichtshof eine Verpflichtung der Kommission, dem nationalen Richter ihr vorliegende Hinweise oder Informationen zu geben, über die sie verfügt und die den Verdacht wettbewerbswidriger Verhaltensweisen rechtfertigen, verneint, dieser Richter jedoch in Anbetracht der vorgenannten Grundrechte den Antrag auf Durchsuchung und Beschlagnahme ablehnen, wenn er der Ansicht ist, dass die Entscheidung der Kommission - wie im vorliegenden Fall - nicht hinreichend begründet ist und ihm nicht erlaubt, die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags im Einzelnen zu prüfen, so dass er die nach dem nationalen Verfassungsrecht vorgeschriebene Kontrolle nicht ausüben kann?

II - Stellungnahme

23. Zunächst ist die Tragweite des Problems zu klären, das die Cour de cassation dem Gerichtshof vorgelegt hat.

24. Aus dem Wortlaut der oben genannten französischen Rechtsvorschriften und dem Vorlageurteil ergibt sich, dass es bei den beiden Vorabentscheidungsfragen im Ganzen gesehen darum geht, ob der nationale Richter die Genehmigung zur Nachprüfung (diese entspricht praktisch einer Durchsuchung) verweigern kann, wenn die Notwendigkeit dieser Nachprüfung seines Erachtens weder im Wortlaut der Entscheidung der Kommission noch durch Informationen oder Hinweise nachgewiesen wird, die er ergänzend zu dieser Entscheidung erhält. Die Wendung die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags im Einzelnen zu prüfen" in der zweiten Vorlagefrage lassen in dieser Hinsicht keinen Zweifel zu.

25. Der Gerichtshof hat indessen in Randnummer 35 des Urteils Hoechst/Kommission ausgeführt, dass die zuständige nationale Stelle - gleichgültig, ob es sich um ein Gericht handelt oder nicht - nicht die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Nachprüfungen durch die Kommission, deren Sach- und Rechtserwägungen lediglich der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof unterliegen, durch ihre eigene Beurteilung ersetzen [darf]".

26. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Cour de cassation im Wesentlichen die Frage aufwirft, ob die Rechtsprechung des Urteils Hoechst/Kommission nicht einer Überprüfung bedarf.

A - Das Urteil Hoechst/Kommission und Artikel 8 EMRK

27. Die Cour de cassation führt in dieser Hinsicht zwei Gründe an.

28. Sie bemerkt, dass die Grundrechte seit langem zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehörten, deren Wahrung der Gerichtshof sicherstelle, und dass der EMRK hierbei eine besondere Bedeutung zukomme; sie fragt sich jedoch, ob diese Konvention nicht noch wichtiger geworden sei als früher, nachdem Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union bestimme, dass die Union die in der EMRK gewährleisteten und in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten verankerten Grundrechte als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts achte. Nach Artikel 46 Buchstabe d dieses Vertrages sei der Gerichtshof überdies für die Beachtung des Artikels 6 Absatz 2 in Bezug auf die Handlungen der Organe zuständig.

29. Ich schließe mich jedoch der Auffassung der Kommission an, wonach den genannten Texten eine reine Bestätigungsfunktion zukommt. So hat der Gerichtshof im Urteil Bosman zum Grundsatz der Vereinigungsfreiheit ausgeführt, dass dieser zu den Grundrechten gehört, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden". Artikel 6 Absatz 2 der jetzigen Fassung des Vertrages über die Europäische Union ist indessen mit dem ursprünglichen Artikel F Absatz 2 identisch.

30. Zweitens weist die Cour de cassation darauf hin, dass der Gerichtshof in Randnummer 18 des Urteils Hoechst/Kommission ausgeführt habe, dass Artikel 8 EMRK den Bereich der freien Entfaltung der Persönlichkeit betreffe und sich daher nicht auf Geschäftsräume ausdehnen lasse. Zudem habe der Gerichtshof festgestellt, dass es hierzu noch keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gebe.

31. Die Cour de cassation macht indessen geltend, es gebe nun eine solche Rechtsprechung seit dem oben genannten Urteil Niemietz und anderen nachfolgenden Urteilen.

32. Es ist jedoch auch zu bedenken, dass der Gerichtshof im Urteil Hoechst/Kommission nicht von einem fehlenden Schutz der Unternehmen gegen willkürliche Eingriffe ausgegangen ist, sondern in Randnummer 19 ausgeführt hat: Indessen bedürfen in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder - natürlichen oder juristischen - Person einer Rechtsgrundlage und müssen aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen gerechtfertigt sein; diese Rechtsordnungen sehen daher, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung, einen Schutz gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe vor. Das Erfordernis eines solchen Schutzes ist folglich als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzuerkennen."

33. Da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte inzwischen das Urteil Niemietz erlassen hat und der Gerichtshof dessen Rechtsprechung größte Bedeutung beimisst, ist jedoch zu prüfen, ob für Geschäftsräume juristischer Personen ein noch weiter gehender Schutz vorzusehen ist.

34. Zunächst weise ich darauf hin, dass Artikel 8 EMRK wie folgt lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

35. Der Schutz der Wohnung ist demnach nicht absolut. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Rahmen der Rechtssache Niemietz bei seiner Untersuchung eines Eingriffs" im Sinne von Absatz 2 des vorgenannten Artikels der Reihe nach geprüft, ob

- ein Eingriff vorlag,

- dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen war,

- damit rechtmäßige Zwecke verfolgt wurden,

- der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.

1. Das Vorliegen eines Eingriffs

36. Eine Nachprüfung gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 stellt zweifellos einen Eingriff im Sinne von Artikel 8 EMRK dar.

37. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Nummer 31 des Urteils Niemietz Folgendes ausgeführt hat:

Eine Auslegung der Begriffe ,Privatleben und ,Wohnung in dem Sinne, dass sie bestimmte berufliche oder geschäftliche Tätigkeiten oder Räume mit umfassen, würde auch allgemein dem wesentlichen Ziel und Zweck von Artikel 8 entsprechen, nämlich den Einzelnen gegen willkürliche Eingriffe der Behörden zu schützen (vgl. z. B. Urteil Marckx/Belgien vom 13. Juni 1979, Serie A Nr. 31, Ziffer 31 - EuGRZ 1979, 455). Eine solche Auslegung würde den Vertragsparteien keine unangemessenen Beschränkungen auferlegen, weil sie ihr Recht behalten, in dem durch Artikel 8 Absatz 2 erlaubten Umfang ,Eingriffe vorzunehmen. Dieses Recht kann dort, wo berufliche oder geschäftliche Tätigkeiten oder Räume betroffen sind, durchaus weitreichender sein, als es sonst der Fall wäre."

38. Die vorgenannte Erwägung zeigt, dass dem beruflichen Bereich nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht notwendigerweise oder in jeder Hinsicht ein so weitgehender Schutz zukommen muss wie der Privatsphäre. Dies könnte insbesondere die Erfordernisse betreffen, denen der Rechtsakt entsprechen muss, mit dem die Nachprüfung angeordnet wird, z. B. bezüglich der Hinweise, die auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht schließen lassen.

2. Der Eingriff muss gesetzlich vorgesehen sein

39. Eine Nachprüfung auf der Grundlage von Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) und der Verordnung Nr. 17 stellt zweifellos einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff" dar.

3. Mit dem Eingriff müssen rechtmäßige Zwecke verfolgt werden

40. Es wurde im vorliegenden Verfahren nicht bestritten - und kann auch nicht bestritten werden -, dass Nachprüfungen der Kommission zur Feststellung von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die unter das Verbot des Artikels 85 des Vertrages fallen können, Eingriffe darstellen, mit denen ein rechtmäßiger Zweck verfolgt wird.

4. Der Eingriff muss in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein

41. Auf dem Gebiet der Absprachen sind die maßgebenden Gesichtspunkte natürlich im wirtschaftlichen Wohl des Landes" und in der Verteidigung der Ordnung" zu erblicken.

42. Wie der Gerichtshof nämlich im Urteil National Panasonic/Kommission, das in Randnummer 25 des Urteils Hoechst/Kommission zitiert wird, betont hat, sollen die einschlägigen Regeln des Gemeinschaftsrechts Wettbewerbsverfälschungen zum Schaden des öffentlichen Interesses, der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher vermeiden helfen".

43. Man kann daher sagen, dass die Nachprüfungen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 17 grundsätzlich notwendig" im Sinne von Artikel 8 EMRK sind.

44. Das Kriterium der Notwendigkeit der Nachprüfung muss jedoch in jedem Einzelfall erfuellt sein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich hierzu in Ziffer 55 seines Urteils Funke/Frankreich vom 25. Februar 1993 wie folgt geäußert:

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes verfügen die Vertragsparteien über einen gewissen Ermessensspielraum, um die Notwendigkeit eines Eingriffs festzustellen; dieser Spielraum ist jedoch mit einer europäischen Kontrolle verbunden. Die in Artikel 8 Absatz 2 genannten Ausnahmen erfordern eine enge Auslegung (Urteil Klass u. a./Deutschland vom 6. September 1978, Serie A Nr. 28, Ziffer 42), und ihre Notwendigkeit in einem bestimmten Fall muss überzeugend gegeben sein."

45. In diesem Sinne ist darauf hinzuweisen, dass in der Gemeinschaft die Notwendigkeit einer Nachprüfung, also der überzeugende Charakter der Argumente, die die Kommission zu deren Rechtfertigung vorträgt, im Fall eines Widerspruchs jeweils der Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 35).

46. Außerdem geht aus den vorgenannten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte keineswegs hervor, dass das für die Beurteilung dieser Notwendigkeit zuständige Gericht entscheiden muss, bevor die Durchsuchung stattfindet. Dies wäre meines Erachtens allerdings besser. Daher hatte ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hoechst/Kommission (Nrn. 146 und 147) bereits vorgeschlagen, dass die Bediensteten der Kommission vom Gerichtshof (oder jetzt vom Gericht) gegebenenfalls eine Durchsuchungsanordnung erhalten können. Ein derartiges Verfahren könnte jedoch nur auf dem Gesetzeswege eingeführt werden.

47. Der Umstand, dass die Notwendigkeit der Durchsuchung vorliegend erst nachträglich überprüft werden kann, dürfte indessen kein Problem in Bezug auf die Wahrung der Grundrechte darstellen, da der Gerichtshof ausdrücklich anerkennt, dass aufgrund einer Anordnung oder einer Entscheidung erzielte Ergebnisse, die in der Folge für rechtswidrig erklärt werden, nicht verwendet werden dürfen. Im Übrigen kann auch in Frankreich eine Durchsuchung stattfinden, bevor das oberste Gericht über deren Begründetheit entschieden hat, da eine Kassationsbeschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss auf dem Gebiet des Wettbewerbs keine aufschiebende Wirkung hat.

48. Aufgrund all dieser Erwägungen komme ich zu dem gleichen Schluss wie die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission, nämlich dass die Grundsätze, die sich aus dem Urteil Hoechst/Kommission ergeben, weder durch die Änderungen des Vertrages über die Europäische Union durch den Vertrag von Amsterdam, noch durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in denen auf die Frage der Anwendung des Grundsatzes der Unverletzlichkeit der Wohnung auf Geschäftsräume eingegangen wird, in Frage gestellt werden können. Diese Grundsätze verleihen den Unternehmen einen Schutz, der demjenigen gleichkommt, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus Artikel 8 EMRK ableitet.

49. Somit bleibt noch im Einzelnen die eigentliche Kernfrage der Cour de cassation zu prüfen, nämlich welche Stelle die gerichtliche Kontrolle ausüben soll und insbesondere welche Rolle dem nationalen Richter hierbei zukommt.

B - Die Rolle des nationalen Richters bei dem Kontrollverfahren

50. Nach Auffassung von Roquette

sind die Zwangsdurchsuchungsanträge der Europäischen Kommission nicht von der Ausübung der Kontroll- und Beurteilungsbefugnis des französischen Richters ausgenommen, und ... sie unterliegen daher den Erfordernissen eines konkreten Nachweises oder einer konkreten Erklärung, um den betreffenden Antrag zu begründen.

Eine Entscheidung der Kommission auf der Grundlage des Artikels 14 der Verordnung Nr. 17 ist zudem einer der vom Richter zu beurteilenden Faktoren, den dieser als ausreichend betrachten kann, wenn dieser Rechtsakt genügend Aussagekraft besitzt, oder hingegen als Handlung ansehen kann, die weiterer Erklärungen bedarf.

Diese reine Sachverhaltskontrolle des Richters berührt weder die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsgerichte noch die Wirksamkeit der Arbeit der Kommission.

Die Firma Roquette ist daher der Auffassung, dass der Richter die Genehmigung einer Zwangsdurchsuchung verweigern kann, wenn er, wie im vorliegenden Fall und wie die Cour de cassation festgestellt hat, ,überhaupt keine Informationen oder Hinweise erhalten hat."

51. Was ist von dieser Auffassung zu halten?

52. Ich möchte vorweg betonen, dass es im Interesse einer kohärenten Durchführung des Gemeinschaftsrechts wesentlich ist, dass die Kontrolle der Notwendigkeit (oder Begründetheit) einer Nachprüfung im Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofes verbleibt und nicht den Gerichten der Mitgliedstaaten übertragen wird.

53. Zunächst geht klar aus Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) hervor, dass es allein dem Gerichtshof obliegt, die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane zu überwachen. Entscheidungen der Kommission über einen Nachprüfungsvorgang sind indessen zweifellos Entscheidungen im Sinne von Artikel 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG).

54. Allein der Grundsatz, dass Rechtsakte der Organe nur durch Gemeinschaftsgerichte (Gerichtshof oder Gericht) für nichtig erklärt werden können, kann gewährleisten, dass über solche Rechtsakte nach einheitlichen Kriterien entschieden wird. Nur dadurch lässt sich vermeiden, dass eine Handlung der Organe in einem Mitgliedstaat für rechtswidrig erklärt wird, in einem anderen jedoch nicht. Es genügt hierbei der Hinweis auf das Urteil Foto-Frost, das die Regierung des Vereinigten Königreichs mit Nachdruck heranzieht und das ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hoechst/Kommission zitiert habe.

55. Roquette hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es gehe nicht darum, eine Handlung der Kommission für nichtig zu erklären, sondern lediglich darum, deren Ausführung zeitweilig zu blockieren, bis die Kommission weitere Informationen gegeben habe. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Cour de cassation das Problem ganz klar in Form einer unzureichenden Begründung der Entscheidung der Kommission, also einer Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung, aufgeworfen hat. Die Aufgabe des Gerichtshofes besteht darin, die Fragen der Cour de cassation zu beantworten.

56. Eine eingehende Prüfung der Erklärungen von Roquette zeigt jedenfalls eindeutig, dass es dem nationalen Richter nach dem Willen der Klägerin möglich sein soll, die Notwendigkeit oder Begründetheit der Durchsuchung zu prüfen. Bereits wenn er zusätzliche Informationen von der Kommission anfordert, würde der Richter zu verstehen geben, dass ihn die Informationen in der Entscheidung der Kommission oder die ihm in einem ersten Stadium mündlich gegebenen Auskünfte nicht von der Notwendigkeit der Durchsuchung überzeugt haben. Würden ihm ein paar Stunden oder (im Fall einer Änderung der Entscheidung) einige Wochen später neue Hinweise gegeben und würde er auf dieser Grundlage die Genehmigung erteilen, so würde er dadurch zumindest stillschweigend anerkennen: Jetzt bin ich davon überzeugt, dass die Durchsuchung notwendig ist." Er könnte jedoch auch sagen, dass er noch immer nicht überzeugt ist.

57. Bereits eine Verzögerung der Genehmigung, sei es auch nur um einige Stunden, könnte indessen verheerende Folgen haben, wenn gleichlaufende Durchsuchungen in verschiedenen Unternehmen desselben Sektors in mehreren Mitgliedstaaten stattfinden sollen. In einem solchen Fall würde nämlich die Nachricht von den Durchsuchungen, die in diesen anderen Mitgliedstaaten zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt durchgeführt werden, sehr schnell zu dem Unternehmen in dem Mitgliedstaat gelangen, in dem die Genehmigung zeitweilig blockiert ist, so dass dieses alle Spuren der rechtswidrigen Absprache beseitigen könnte.

58. Aus all diesen Gründen ist zweifellos an dem Grundsatz festzuhalten, dass die Beurteilung der Begründetheit, d. h. der Notwendigkeit der Nachprüfung, nicht in die Zuständigkeit des nationalen Richters fallen darf.

59. Ich verstehe aber durchaus die Besorgnisse der Cour de cassation, die den vorgenannten nationalen Rechtsvorschriften gegenübersteht. Durch diese Vorschriften werden die von der Kommission vorgenommenen Nachprüfungen von den materiell- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen mit erfasst, die gelten, wenn es sich allein um das französische Wettbewerbsrecht handelt. Es ist völlig normal, dass das französische Recht vorsieht, dass der Richter, der eine Durchsuchung genehmigt, davon überzeugt sein muss, dass sie begründet ist, und in dieser Hinsicht über ausreichende Anhaltspunkte verfügen muss. Ihm obliegt nämlich im Wesentlichen die Entscheidung, ob die Durchsuchung zu genehmigen ist, da die Cour de cassation nur eine rechtliche Kontrolle ausübt. Der Sachverhalt ist somit vom Präsidenten des Tribunal de grande instance festzustellen, und die Cour de cassation muss entscheiden können, ob dem Präsidenten des Tribunal de grande instance nicht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, indem er diesen Sachverhalt als ausreichend angesehen hat.

60. Im Gemeinschaftsrecht verhält es sich jedoch anders, da die Kontrolle der Notwendigkeit der Durchsuchung nur dem Gerichtshof obliegt und obliegen kann. Er hat, wenn er von dem betroffenen Unternehmen angerufen wird, genau zu prüfen, ob die Kommission vor ihrer Entscheidung über ausreichende Anhaltspunkte für das vermutliche Vorhandensein einer Absprache verfügt hat. Die Kommission muss dem Gemeinschaftsgericht alle Informationen unterbreiten, durch die sich nachweisen lässt, dass die Durchsuchung begründet ist. Ist dies nicht der Fall, so wird der Gerichtshof, wie ich wiederholen möchte, die Entscheidung für nichtig erklären, und es wird der Kommission untersagt sein, die Unterlagen zu verwenden, die sie möglicherweise abgelichtet hat, und von den Auskünften Gebrauch zu machen, die sie vielleicht mündlich von den Angestellten des Unternehmens erhalten hat.

61. Ist aus all dem zu schließen, dass der nationale Richter lediglich die Aufgabe hat, zu prüfen, ob die ihm vorgelegte Entscheidung tatsächlich von der Kommission stammt und ob diejenigen, die die Nachprüfung vornehmen wollen, Unterlagen besitzen, die beweisen, dass sie von der Kommission zu diesem Zweck bestellt wurden?

62. Ich glaube ebenso wie die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission, dass die Rolle des nationalen Richters etwas umfassender ist, dass sie aber nicht so weit geht, wie wohl Roquette und die anderen Regierungen meinen, die Erklärungen abgegeben haben.

63. Es ist meines Erachtens zu unterscheiden zwischen der Kontrolle, die dieser Richter ausüben kann, um festzustellen, ob die Nachprüfung nicht willkürlich oder unverhältnismäßig ist, und der Kontrolle der Durchführung der Nachprüfung oder Durchsuchung.

64. Bezüglich des erstgenannten Punktes kann nach Auffassung der Kommission in erster Linie davon ausgegangen werden, dass eine derartige Kontrolle nur in den Zuständigkeitsbereich des Gemeinschaftsrichters fällt, da die Kontrolle der Begründung zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit gehöre.

65. Die Kommission räumt indessen ein, dass sich ein absoluter Ausschluss einer Kontrolle der Begründung der Nachprüfungsentscheidung durch die nationale Stelle schwerlich mit der Möglichkeit vereinbaren lässt, die dieser Stelle im Urteil Hoechst/Kommission zuerkannt wird, nämlich den etwa willkürlichen oder unverhältnismäßigen Charakter der beabsichtigten Maßnahmen zu beurteilen. Eine derartige Beurteilung würde nämlich notwendigerweise voraussetzen, dass die nationale Stelle Gegenstand und Zweck der Nachprüfung untersucht, die, wie die Kommission außerdem betont, einen grundlegenden Faktor darstellen, der in der Begründung ihrer Entscheidung enthalten sein muss.

66. Nach Ansicht der Kommission muss sich die Untersuchung der Begründung durch die nationale Stelle jedoch auf das beschränken, was unbedingt erforderlich ist, um dieser Stelle die Ausübung der Beurteilung innerhalb der begrenzten Spanne zu ermöglichen, die für sie im Urteil Hoechst/Kommission vorgesehen ist.

67. Ihres Erachtens müsste also der etwaige willkürliche oder unverhältnismäßige Charakter der beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nur im Hinblick auf den Gegenstand der Nachprüfung beurteilt werden, so dass es genügen würde, die nationale Stelle über die vermutete Zuwiderhandlung und deren engeren Zusammenhang zu informieren (Stellung des betroffenen Unternehmens auf dem Markt, Gefahr der Beseitigung von Unterlagen, Möglichkeit von Pressionen usw.).

68. Somit könnte die nationale Stelle nach Ansicht der Kommission die beantragte Genehmigung rechtmäßig verweigern, wenn die Entscheidung der Kommission keinen der vorgenannten Anhaltspunkte enthielte, die Beschreibung der beanstandeten Verhaltensweisen so ungenau oder lückenhaft wäre, dass eine Beurteilung des etwaigen unverhältnismäßigen oder willkürlichen Charakters der beabsichtigten Maßnahmen unmöglich würde, oder der Nachprüfungsgegenstand offensichtlich zu ungenau bezeichnet wäre (z. B. nachprüfen, ob ein Unternehmen wettbewerbswidrige Praktiken betreibt"), um der genannten Stelle die Ausübung der ihr zustehenden Kontrolle zu ermöglichen.

69. Nach Ansicht der französischen Regierung kann der zuständige nationale Richter die Genehmigung beantragter Durchsuchungen und Beschlagnahmen verweigern, wenn die ihm gegebenen Informationen es ihm seines Erachtens nicht ermöglichen, seine im Urteil Hoechst/Kommission definierte Kontrolle auszuüben. Der zuständige nationale Richter dürfe jedoch - wenn eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung einer wirksamen Aktion der Kommission vermieden werden solle - die Genehmigung beantragter Durchsuchungen und Beschlagnahmen nicht verweigern, sofern ihm die wesentlichen Elemente der Begründung vorlägen, die in Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 vorgesehen sind.

70. Die französische Regierung vertritt nämlich unter Bezugnahme auf die Randnummern 40 und 41 des Urteils Hoechst/Kommission die Auffassung, der Gerichtshof habe zuvor die Tragweite der Begründungspflicht nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) derjenigen des Artikels 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 angeglichen, indem er ausgeführt habe, dass die Kommission den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung angeben müsse, und hinzugefügt habe, die Kommission brauche zwar weder dem Adressaten einer Nachprüfungsentscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln, noch muss sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlung vornehmen; sie hat aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt".

71. Die französische Regierung bemerkt hierzu, der Gerichtshof habe in der Rechtssache Hoechst/Kommission in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, die Begründung der Nachprüfungsentscheidung könne in sehr allgemeinen Wendungen" abgefasst sein, ohne dass dadurch deren Rechtmäßigkeit beeinträchtigt werde.

72. In der Praxis seien die Anhaltspunkte für den beim Richter eingereichten Genehmigungsantrag in der Entscheidung der Kommission enthalten, so dass die Unterscheidung zwischen diesen beiden Vorgängen im Hinblick auf die Begründungskontrolle durch den nationalen Richter etwas künstlich erscheine.

73. Der nationale Richter könne indessen, wie insbesondere das Vorlageurteil zeige, anhand des Urteils Hoechst/Kommission nicht immer wissen, mit Hilfe welcher Faktoren er die Verhältnismäßigkeit der geplanten Zwangsmaßnahmen, gemessen am Nachprüfungsgegenstand, prüfen solle. Nach Ansicht der französischen Regierung machen diese praktischen Schwierigkeiten für die nationalen Gerichte eine möglichst genaue, wenn nicht gar erschöpfende Definition der Tragweite der Begründungsanforderungen bei einer Nachprüfungsentscheidung erforderlich.

74. Diese Begründung könnte sich demnach aus drei Reihen von Anhaltspunkten zusammensetzen. Zunächst handele es sich dabei um die Unternehmensdaten (Firma und Anschrift des Unternehmens, Adresse der zu durchsuchenden Räumlichkeiten). Sodann gehe es um die Angaben zur genauen Natur der vermuteten Praktiken (Preisabsprache, Marktaufteilung usw.), die dem Richter die Beurteilung des Nachprüfungsbereichs ermöglichen sollten. Der Richter sei auch gegebenenfalls vom geheimen Charakter dieser Praktiken in Kenntnis zu setzen, damit er dies bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Zwangsmittel, gemessen am Nachprüfungsgegenstand, berücksichtigen könne. Aus diesem geheimen Charakter könne der Richter auch schließen, dass das Unternehmen zu einer Verschleierungsstrategie in der Lage sei, die zu einem Widerspruch gegen die Nachprüfung führen könne. Und schließlich müsse eine Nachprüfungsentscheidung, wie bereits aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervorgehe, eine dritte Reihe von Anhaltspunkten enthalten, nämlich die Informationen über die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, für die wettbewerbswidrige Praktiken vermutet würden.

75. Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Auffassung, der nationale Richter könne die beantragte Genehmigung nicht mit der Begründung verweigern, die Nachprüfungsentscheidung der Kommission sei nicht genügend begründet, um feststellen zu können, ob sie gerechtfertigt sei.

76. Sie bemerkt erstens, es sei anerkannt, dass die Vorschriften des nationalen Rechts - selbst verfassungsrechtlicher Art - eine sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Verpflichtung nicht beschränken oder zunichte machen dürften und dass sie auszuschalten seien, wenn sie dieser Verpflichtung entgegenstuenden.

77. Zweitens betont die Regierung des Vereinigten Königreichs ebenso wie die französische Regierung, dass Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 selbst die Grundelemente der Begründung einer Nachprüfungsanordnung festlege, wozu der Gegenstand und der Zweck der Nachprüfung gehörten, und dass die Kommission überdies gemäß Randnummer 41 des Urteils Hoechst/Kommission in klarer Weise die Vermutungen angeben müsse, denen sie nachgehen wolle.

78. Für die Kontrolle der tatsächlichen und der Rechtsgrundlage einer Nachprüfungsanordnung der Kommission sei jedoch der Gerichtshof zuständig.

79. Die deutsche Regierung führt aus, der nationale Richter könne die Genehmigung verweigern, wenn die Kommission nicht in der Begründung ihrer Entscheidung oder durch die Vorlage von Dokumenten die Informationen im Hinblick auf das konkret betroffene Unternehmen im Einzelnen nach Art und Inhalt darlege, die dem Verdacht der Kommission bezüglich eines Verstoßes gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zugrunde lägen. Zur Vorlage von Dokumenten im Original oder in Kopie sei die Kommission dabei jedoch ebenso wenig verpflichtet wie zur Aufdeckung der Identität etwaiger Informanten. Die Kontrolle durch den nationalen Richter dürfe indessen nicht zu einer inhaltslosen Hülse werden, weil es etwa an konkreten Informationen zur Verdachtsgrundlage der Kommission fehle.

80. Die griechische Regierung vertritt die Auffassung, der nationale Richter könne die Genehmigung verweigern, wenn eine Nachprüfungsanordnung nicht den Gegenstand, den Zweck und ausreichende Anhaltspunkte enthalte, die die Nachprüfung in den Räumlichkeiten eines Unternehmens rechtfertigten, und dem nationalen Richter nicht die Feststellung ermögliche, dass die im nationalen Recht vorgesehenen Garantien gegeben seien.

81. Die italienische Regierung legt dar, dass die nationale Behörde beurteilen müsse, ob die Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder, gemessen am Zweck der Nachprüfung, unverhältnismäßig seien und ob die Zweckmäßigkeit der Durchsuchung aus den in der Kommissionsentscheidung enthaltenen Überlegungen hervorgehe, die notwendigerweise auf Angaben oder Hinweisen zur Bezeichnung des Nachprüfungsgegenstands und -zwecks beruhten (Urteil Hoechst/Kommission, Randnr. 29).

82. Die norwegische Regierung, die sich ebenso wie die deutsche Regierung auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage beschränkt und sich somit auf die gesamten Angaben bezieht, die die Kommission durch ihre Entscheidung und ergänzend hierzu zur Verfügung stellen muss, vertritt die Auffassung, es obliege der Kommission, prima facie eine Rechtfertigung zu geben, so dass die zuständige nationale Stelle also ein Mindestmaß an Informationen oder Hinweisen verlangen könne, um prüfen zu können, ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder, gemessen am Zweck der Nachprüfung, unverhältnismäßig seien.

83. Bei rechtswidrigen Wettbewerbsbeschränkungen würden jedoch häufig Methoden angewandt, die nicht viele Spuren hinterließen. Die Informationsanforderungen an die Kommission bezüglich der Verdachtsbegründung dürften daher nicht allzu streng sein. Die verfügbaren Informationen würden normalerweise nur aus Angaben über den Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften bestehen, und dies müsse ausreichen, um eine Nachprüfung auszulösen. Es sei zu bedenken, dass das eigentliche Ziel einer Nachprüfung in den Unternehmensräumlichkeiten darin liege, Beweismaterial zu sammeln, das sonst nicht gefunden werde. Es wäre unlogisch, zu fordern, dass der nationalen Kontrollbehörde sachliche Beweise vorgelegt würden, bevor eine Nachprüfung wirklich stattfinde.

84. Ich teile diese letzteren Überlegungen vollständig. Zudem finde ich, dass der von der norwegischen Regierung verwendete Begriff Prima-facie-Rechtfertigung" gut gewählt ist; im Gegensatz zur norwegischen Regierung bin ich indessen der Auffassung, dass diese Rechtfertigung einzig und allein aus der Entscheidung der Kommission hervorgehen muss.

85. Will man nicht letztlich zu einer Kontrolle der Notwendigkeit der Nachprüfung durch den nationalen Richter gelangen, so darf dieser nicht zusätzliche Erklärungen verlangen können. Seine Rolle muss sich, wie es die Kommission formuliert, auf die Kontrolle der wirklich offensichtlichen Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Unternehmen beschränken. Es handelt sich sozusagen um eine Kontrolle des ,offenkundigen Irrtums." An anderer Stelle ihrer Ausführungen bemerkt die Kommission, es handele sich um das, was man im französischen Recht als contrôle minimum" (Mindestkontrolle) bezeichne.

86. Ich möchte allerdings noch etwas hinzufügen, was zumindest teilweise den Besorgnissen der deutschen, der italienischen und der norwegischen Regierung entgegenkommt, nämlich dass die Kommission meines Erachtens, soweit sie, ohne ihre Quellen offen zu legen und ohne Dritten zu schaden, in der Lage ist, Angaben zu den Hinweisen zu machen, auf die sie sich stützt, dies auch tun muss.

87. Ich werde diesen Standpunkt noch anhand der im Ausgangsverfahren streitigen Entscheidung näher darlegen.

88. Diese Entscheidung enthält die wesentlichen Teile der Begründung", die in Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 aufgeführt sind. Sie bezeichnet nämlich präzise genug den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung, und sie gibt ferner klar [an], welchen Vermutungen die Kommission nachzugehen beabsichtigt".

89. Sie enthält aber auch einen weiteren Anhaltspunkt, der in der Nachprüfungsentscheidung, um die es in der Rechtssache Hoechst/Kommission ging, nicht in ähnlicher Weise zu finden war, nämlich die Aussage, dass der Kommission Informationen [vorliegen], wonach Verantwortliche des betroffenen Unternehmens regelmäßig mit Vertretern von Konkurrenzfirmen zusammengekommen sein sollen, um den Markt ... untereinander aufzuteilen und Mindestpreise ... abzusprechen ..."

90. In der Entscheidung der Kommission heißt es weiter: Der Kommission liegen Informationen vor, wonach sich diese Kontakte mit Konkurrenzfirmen auch auf Glucono-delta-Lacton erstreckt haben sollen. Dabei soll es sich insbesondere um zwei- oder mehrseitige Gespräche gehandelt haben, die häufig am Rande der Zusammenkünfte für Natriumgluconat stattfanden (und zwar vorher, nachher oder in den Pausen). Bei dieser Gelegenheit sollen die Teilnehmer Markt-, Marktpreis- und Nachfrageinformationen ausgetauscht haben ..."

91. Da das vorlegende Gericht in seiner zweiten Frage ausführt, dass die Entscheidung der Kommission nicht hinreichend begründet ist und [dem nationalen Richter] nicht erlaubt, die Begründetheit des ihm vorgelegten Antrags im Einzelnen zu prüfen", ist anzunehmen, dass die Kommission nach Ansicht der Cour de cassation in ihre Entscheidung weitere Informationen über den Zeitpunkt oder die Häufigkeit dieser Zusammenkünfte sowie über die Gründe hätte aufnehmen müssen, die sie zu dem Schluss veranlasst haben, dass die in der Nachprüfungsentscheidung genannten wettbewerbswidrigen Maßnahmen im Laufe der genannten Zusammenkünfte tatsächlich erörtert und wahrscheinlich getroffen wurden.

92. Dadurch könnte die Kommission aber, zumindest in gewissem Maße, gezwungen sein, die Identität ihrer Informanten preiszugeben; bei diesen handelt es sich zumeist um Angestellte oder ehemalige Angestellte eines an der Absprache beteiligten Unternehmens oder auch um Verantwortliche eines solchen Unternehmens, die einen Gnadenerlass" von der Kommission erwarten.

93. Hätte die Kommission hingegen, wie die norwegische Regierung bemerkt, auf dem Markt praktisch gleichlaufende Preisänderungen aller Hersteller des fraglichen Sektors festgestellt oder hätten die industriellen Nutzer der betreffenden Erzeugnisse - wie bei der Absprache des Kartonagensektors - bei der Kommission eine Beschwerde eingereicht, bei der sie selbst die Presse eingeschaltet hätten, so bestuende selbstverständlich kein Grund, weshalb die Kommission dies nicht in ihrer Entscheidung erwähnen sollte. Dies trifft jedoch nur in Ausnahmefällen zu.

94. Ich vertrete daher entschieden den Standpunkt, dass die Kommission im Text ihrer Entscheidung in klarer Weise die Vermutungen angeben muss, denen sie nachgehen will, dass sie diese jedoch nur insoweit durch Hinweise zu untermauern hat, als durch diese Hinweise nicht ihre Informationsquellen offen gelegt werden können oder Dritten Schaden zugefügt werden kann.

95. Somit lässt sich in vielen Fällen nicht verhindern, dass die Kommission nur erklären kann, aus den ihr vorliegenden Informationen" gehe hervor, dass das betreffende Unternehmen vermutlich an wettbewerbswidrigen Maßnahmen dieser oder jener Art für diese oder jene Erzeugnisse teilgenommen habe.

96. Die Kommission könnte allerdings aus Höflichkeitsgründen etwaige zusätzliche Fragen des nationalen Richters beantworten, sofern sich dies unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit bewerkstelligen ließe. Wie die Kommission jedoch in der mündlichen Verhandlung bemerkt hat, kann jedenfalls in Frankreich die Mitteilung von Schriftstücken, die dem Richter vorgelegt wurden, den Parteien im Kassationsverfahren nicht verweigert werden. Zudem ist wohl aus den Urteilen der Cour de cassation zu schließen, dass der Präsident des Tribunal de grande instance in seinem Beschluss alle vor ihm abgegebenen mündlichen Erklärungen zusammenfassen muss, die für ihn dazu beigetragen haben, die Durchsuchungsgenehmigung zu erteilen.

97. Ich komme nun zum zweiten Bereich der Aufgabe des nationalen Richters, nämlich zur Kontrolle der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens.

98. Zur Stützung ihres Vorbringens hat Roquette mit Nachdruck auf zwei Sätze der Randnummer 35 des Urteils Hoechst/Kommission hingewiesen, die wie folgt lauten:

Die Kommission hat dafür zu sorgen, dass die nach nationalem Recht zuständige Stelle über alle Mittel verfügt, deren sie bedarf, um die ihr zustehende Kontrollbefugnis ausüben zu können."

... ist die nationale Stelle befugt, nach Feststellung der Echtheit der Nachprüfungsentscheidung zu prüfen, ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig sind, sowie für die Wahrung der Vorschriften ihres nationalen Rechts bei der Durchführung dieser Maßnahmen zu sorgen."

99. Auf den ersten Satz, der die Mittel" betrifft, über die die nationale Stelle verfügen muss, folgt unmittelbar der Satz ... darf diese Stelle - gleichgültig ob es sich um ein Gericht handelt oder nicht - nicht die Beurteilung der Notwendigkeit der angeordneten Nachprüfungen durch die Kommission, deren Sach- und Rechtserwägungen lediglich der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof unterliegen, durch ihre eigene Beurteilung ersetzen". Aus der Abfolge dieser beiden Sätze geht hervor, dass die Mittel", die der nationalen Stelle an die Hand zu geben sind, nicht aus der Gesamtheit der Hinweise und vertraulichen Informationen bestehen können, die die Kommission besitzt, was jedenfalls durch Randnummer 41 des Urteils Hoechst/Kommission ausgeschlossen wird. Bei diesen Mitteln kann es sich also nur um diejenigen handeln, die das nationale Gericht braucht, um seine Aufgabe zu erfuellen, die in Randnummer 34 des genannten Urteils definiert ist und darin liegt, die ... im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensgarantien" zu beachten.

100. Unter Verfahrensgarantien" versteht der Gerichtshof offenbar die nationalen Vorschriften über die Zuständigkeit des Richters und die Formvorschriften für dessen Entscheidung. Es kann sich auch um die Festlegung der Adresse der verschiedenen Räumlichkeiten des nachzuprüfenden Unternehmens, des Nachprüfungsdatums und der Nachprüfungszeit, der Identität der beteiligten Kommissions- und nationalen Bediensteten und anderer praktischer Einzelheiten dieser Art handeln, die nach dem nationalen Recht gegebenenfalls erforderlich sind.

101. Der zweite von Roquette herangezogene Satz betrifft, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission zu Recht in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, nur die Art und Weise, in der die Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden können. Der nationale Richter kann, falls seine Rechtsvorschriften es zulassen oder erforderlich machen, selbst an der Nachprüfung teilnehmen. Er kann die Vollzugsbediensteten, die die Bediensteten der Kommission begleiten, auffordern, versperrte Türen, Schränke oder Fahrzeuge nur dann gewaltsam zu öffnen, wenn sich die Angestellten des Unternehmens weigern, sie zu öffnen, da es sich andernfalls um willkürliche oder unverhältnismäßige Zwangsmaßnahmen handeln würde. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs bemerkt, kann der nationale Richter darauf hinweisen, dass das Unternehmen berechtigt ist, seinen Rechtsbeistand hinzuzuziehen (ohne dass daraus eine zeitliche Verschiebung entstehen darf, mit deren Hilfe Beweismaterial beseitigt werden kann), und dass die Angestellten berechtigt sind, Erklärungen oder Antworten zu unterlassen, die das Unternehmen beschuldigen könnten.

102. Der nationale Richter hat also letztlich dafür zu sorgen, dass physische Zwangsmaßnahmen unterbleiben, wenn sie durch das Verhalten der Betriebsleitung nicht gerechtfertigt sind, und allgemein, dass die Nachprüfung nach den geltenden Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats durchgeführt wird.

Ergebnis

103. Aufgrund all dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, entsprechend der Anregung der Kommission die beiden von der Cour de cassation zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zusammenfassend wie folgt zu beantworten:

In Anbetracht der gerichtlichen Kontrolle aufgrund von Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ergangener Nachprüfungsentscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, der den allgemeinen Grundsatz des Schutzes jeder natürlichen oder juristischen Person gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt anerkennt, ist Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen, dass die nationale Stelle, die über den von der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 6 dieser Verordnung gestellten Unterstützungsantrag zu befinden hat,

- nicht die Mitteilung der Anhaltspunkte oder Hinweise verlangen kann, auf die sich die Kommission für den Erlass ihrer Nachprüfungsentscheidung stützt, und nicht nachprüfen kann, ob diese Anhaltspunkte zutreffen und relevant sind;

- die beantragte Genehmigung nur verweigern kann, wenn der Gegenstand und der Zweck der Nachprüfung in der Entscheidung der Kommission nicht angegeben oder offensichtlich zu ungenau bezeichnet sind, um der genannten nationalen Stelle die ihr zustehende Kontrolle der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen.