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Leitsätze

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1. Vorabentscheidungsverfahren - Zuständigkeit des Gerichtshofes - Grenzen - Ermittlung des Gegenstands der Frage

(Artikel 234 EG)

2. Vorabentscheidungsverfahren - Zuständigkeit des Gerichtshofes - Grenzen - Offensichtlich unerhebliche Frage

(Artikel 234 EG)

3. Niederlassungsfreiheit - Freier Kapitalverkehr - Bestimmungen des Vertrages - Anwendungsbereich - Nationale Rechtsvorschriften, die den Grundstückserwerb regeln - Einbeziehung

(Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe e EG; Richtlinie 88/361 des Rates, Anhang I)

4. Freier Kapitalverkehr - Grunderwerbsbeschränkungen - System der vorherigen Anzeige des Grunderwerbs - Zulässigkeit - System der vorherigen Genehmigung des Erwerbs von Baugrundstücken - Unzulässigkeit

(Artikel 56 EG bis 60 EG)

Leitsätze

1. Der Gerichtshof ist zwar im Verfahren nach Artikel 234 EG nicht befugt, die Normen des Gemeinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, und er ist somit auch nicht dafür zuständig, eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts unter jene Normen einzuordnen; er kann aber das Gemeinschaftsrecht im Rahmen der durch diesen Artikel vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen den Gerichten anhand der Akten insoweit auslegen, als dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen dieser Bestimmung dienlich sein könnte.

( vgl. Randnr. 22 )

2. Der Umstand, dass ein Ausgangsverfahren mit keinem Element über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist, hat nicht zur Folge, dass die Fragen, die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorliegen, nicht zu beantworten wären. Grundsätzlich ist es allein Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung oder Prüfung der Gültigkeit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht.

( vgl. Randnrn. 24-25 )

3. Innerstaatliche Regelungen des Grundstückserwerbs, durch die die Errichtung von Zweitwohnungen in bestimmten Gebieten aus raumplanerischen Erfordernissen untersagt wird, müssen sich im Rahmen der Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr halten.

Zum einen führt nämlich die Ausübung des Rechts, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, das, wie sich aus Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe e EG ergibt, die notwendige Ergänzung der Niederlassungsfreiheit darstellt, zu Kapitalverkehr.

Zum anderen umfasst der Kapitalverkehr Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr im Anhang I der Richtlinie 88/361 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [der durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben wurde], die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffes des Kapitalverkehrs behält.

( vgl. Randnrn. 28-30 )

4. Die Artikel 56 EG bis 60 EG stehen einem Verfahren der vorherigen Anzeige, wie es in der durch das Salzburger Grundverkehrsgesetz 1997 (Salzburger GVG) geschaffenen Regelung des Grundstückserwerbs vorgesehen ist, nicht entgegen, das jeden Grundstückserwerber der Verpflichtung unterwirft, eine Erklärung abzugeben, in der er angibt, dass er Österreicher oder Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, und erklärt, dass er das Grundstück als Hauptwohnsitz oder zu gewerblichen Zwecken nutzen wird.

Zwar beschränkt diese Maßnahme bereits durch ihren Gegenstand den freien Kapitalverkehr. Eine solche Beschränkung kann gleichwohl zugelassen werden, wenn die nationalen Vorschriften, wie die streitige Regelung, in nicht diskriminierender Weise ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgen und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, d. h., wenn sich das gleiche Ergebnis mit anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen nicht erreichen ließe.

Hinsichtlich der ersten Voraussetzung können Beschränkungen der Errichtung von Zweitwohnungen in einem bestimmten geografischen Gebiet, die ein Mitgliedstaat in Verfolgung raumplanerischer Ziele zur Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung und einer vom Tourismus unabhängigen Wirtschaftstätigkeit verfügt, als Beitrag zu einem im Allgemeininteresse liegenden Ziel angesehen werden. Diese Feststellung kann durch andere Anliegen, die diesen Maßnahmen zugrunde liegen können, wie solche des Umweltschutzes, nur erhärtet werden. Außerdem ergibt sich aus den Vorschriften des Salzburger GVG, dass sie keine Ungleichbehandlung von österreichischen Erwerbern und Personen, die ihren Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten haben und die vom Vertrag garantierten Freiheiten in Anspruch nehmen, bewirken.

Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung steht das aus raumplanerischen Gründen aufgestellte Erfordernis einer dem Erwerb von Baugrundstücken vorausgehenden Erklärung, das mit der Möglichkeit von Sanktionen im Fall des Verstoßes gegen die abgegebene Erklärung bewehrt ist, mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang. Das Verfahren nach dem Salzburger GVG hat grundsätzlich im Wesentlichen Erklärungscharakter. Das Minimalerfordernis einer vorherigen Anzeige hat im Unterschied zu Kontrollverfahren, die erst nachträglich durchgeführt werden, den Vorteil, dass es dem Erwerber eine gewisse Rechtssicherheit bietet. Außerdem erscheint eine vorherige Prüfung besser geeignet, bestimmten schwer wieder gutzumachenden Schäden vorzubeugen, die durch eine schnelle Verwirklichung von Bauvorhaben verursacht werden. So kann in der Formalität der vorherigen Anzeige eine Ergänzung der Strafsanktionen und der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Veräußerung, die die Verwaltung beim nationalen Gericht erheben kann, gesehen werden. Unter diesen Umständen kann dieser Aspekt des durch das Salzburger GVG errichteten Verfahrens als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen werden.

Demgegenüber stehen die Artikel 56 EG bis 60 EG einem Verfahren der vorherigen Genehmigung, wie es in dieser Regelung vorgesehen ist, die den Erwerb eines Grundstücks einer vorherigen Genehmigung unterwirft, wenn aufgrund der dargestellten Erklärung keine Bestätigung der zuständigen Behörde erteilt wurde, entgegen.

Die sich aus dem Erfordernis einer vorherigen Genehmigung ergebenden Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs können nämlich durch ein angemessenes Anmeldungssystem beseitigt werden, ohne dass dadurch die wirksame Verfolgung der Ziele beeinträchtigt wird, die mit dieser Regelung angestrebt werden.

( vgl. Randnrn. 32-37, 40 und Tenor )