1. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Lieferung von Gegenständen - Übertragung der Befähigung, über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen - Befugnis der Mitgliedstaaten, bestimmte dingliche Rechte an Grundstücken als körperliche Gegenstände zu behandeln - Ausübung unter der Voraussetzung, dass das Entgelt für das dingliche Recht mindestens dem wirtschaftlichen Wert des betreffenden Grundstücks entspricht - Zulässigkeit
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b)
2. Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken - Gleichstellung der Begründung eines befristeten, entgeltlichen Nießbrauchs mit der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken - Zulässigkeit
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil B Buchstabe b und Teil C Buchstabe a)
1. Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, wonach die Begründung, die Übertragung oder die Änderung dinglicher Rechte an Grundstücken, der Verzicht auf sie oder ihre Kündigung nur dann als Lieferung von Gegenständen" eingestuft werden kann, wenn der als Entgelt für diese Umsätze gezahlte Betrag zuzüglich des Betrages der Mehrwertsteuer mindestens dem wirtschaftlichen Wert des Grundstücks entspricht, auf das sich diese Rechte beziehen. Diese Bedingung dient ungeachtet des Umstands, dass sie in der Praxis selten erfuellt sein wird, dem mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel, eine realistische, korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer zu gewährleisten. Sie verstößt daher nicht gegen Artikel 5 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie.
( vgl. Randnrn. 35-36, 38, Tenor 1 )
2. Artikel 13 Teil B Buchstabe b und Teil C Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die es bei der Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung zulässt, dass die Begründung - für eine vereinbarte Dauer und gegen Vergütung - eines dinglichen Rechts, das wie ein Nießbrauch seinem Inhaber ein Nutzungsrecht an einem Grundstück gibt, der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken gleichgestellt wird.
Die Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer und das Erfordernis einer kohärenten Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere der korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen, führen dazu, die Gewährung dieses dinglichen Rechts im Rahmen der Anwendung der genannten Bestimmungen der Vermietung und Verpachtung gleichzustellen. Denn dadurch, dass eine solche Form der Nutzung von Grundstücken der Vermietung gleichgestellt wird, kann die missbräuchliche Begründung eines Rechts auf Abzug der für Grundstücke gezahlten Vorsteuer verhindert werden, was einem in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie ausdrücklich genannten Ziel entspricht.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Nießbrauch im Zivilrecht mehrerer Mitgliedstaaten Merkmale aufweist, die ihn von der Vermietung oder der Verpachtung abheben. Die fraglichen Besonderheiten, die sich aus der Zugehörigkeit dieser Rechtsfiguren zu unterschiedlichen rechtlichen Kategorien ergeben, sind nämlich zweitrangig gegenüber dem Umstand, dass ein Recht wie der fragliche Nießbrauch und die Vermietung oder Verpachtung in wirtschaftlicher Hinsicht das wesentliche gemeinsame Merkmal aufweisen, dass dem Betreffenden auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.
( vgl. Randnrn. 54-59, Tenor 2 )