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Leitsätze

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1. Vorabentscheidungsverfahren - Zuständigkeit des Gerichtshofes - Auslegung des Gemeinschaftsrechts in einem Zusammenhang, in dem es nicht unmittelbar anwendbar ist - Zulässigkeit der vorgelegten Fragen im konkreten Fall

(Artikel 234 EG; Richtlinie 78/660 des Rates)

2. Freizügigkeit - Niederlassungsfreiheit - Gesellschaften - Richtlinie 78/660 - Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen - Rückstellung für das Risiko aus einer unter der Bilanz angegebenen Verpflichtung - Möglichkeit der Ausweisung auf der Passivseite der Bilanz - Voraussetzung - Bewertung der Aktiva und Passiva - Möglichkeit einer pauschalen Bewertung - Voraussetzung

(Richtlinie 78/660 des Rates, Artikel 14, 20 Absatz 1 und 31 Absatz 1 Buchstabe e)

3. Freizügigkeit - Niederlassungsfreiheit - Gesellschaften - Richtlinie 78/660 - Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen - Grundsätzliche Abstellung auf den Bilanzstichtag bei der Bewertung der Aktiva und Passiva - Nach diesem Tag erfolgte Rückzahlung eines Kredits, für den wegen der mit ihm verbundenen Risiken eine Rückstellung vorgenommen worden war - Rückwirkende Neubewertung - Nichtbestehen einer Verpflichtung - Voraussetzung

(Richtlinie 78/660 des Rates, Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe c bb)

Leitsätze

1. Vorabentscheidungsfragen, die in einem Rechtsstreit über die Bewertung einer Rückstellung für zu vermutende Verluste aus einer Risikounterbeteiligung eines Kreditinstituts an einem Darlehen vorgelegt werden und die Auslegung der Vierten Richtlinie 78/660 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen betreffen, sind - ungeachtet dessen, dass die Mitgliedstaaten zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse nicht verpflichtet waren, die Bestimmungen der Vierten Richtlinie auf den Jahresabschluss einer Einheit wie der im vorliegenden Fall betroffenen anzuwenden, dass die nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Vierte Richtlinie umgesetzt wurde, die von dieser aufgestellten Grundsätze nicht wörtlich übernommen haben und dass sich die für Steuerbilanzen geltende Regelung nur mittelbar auf diese nationalen Umsetzungsvorschriften stützt und demzufolge die Vierte Richtlinie außerhalb des von dieser erfassten Kontextes umsetzt - zulässig, wenn

- die Probleme der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, deren Klärung das vorlegende Gericht anstrebt, sich im Wesentlichen auf das nach der Vierten Richtlinie verlangte Rechnungslegungskonzept beziehen,

- die fraglichen Bestimmungen nach den maßgebenden Ereignissen ohne Änderung auf Einheiten wie die im vorliegenden Fall betroffene erstreckt worden sind und die Vorabentscheidungsfragen somit weder allgemein noch hypothetisch sind,

- nichts in den Vorschriften des nationalen Rechts bei der Aufstellung der Rechnungsabschlüsse solcher Einheiten der uneingeschränkten Beachtung des Zweckes, der Grundsätze und der Bestimmungen dieser Richtlinie entgegenstand.

( vgl. Randnrn. 78, 90-92, 94, Tenor 1 )

2. Die Vierte Richtlinie 78/660 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen schließt nicht aus, dass nach ihrem Artikel 20 Absatz 1 zu vermutende Verluste oder Verbindlichkeiten aufgrund einer gemäß Artikel 14 dieser Richtlinie unter der Bilanz angegebenen Verpflichtung auf der Passivseite der Bilanz als Rückstellung ausgewiesen werden, sofern der fragliche Verlust oder die fragliche Verbindlichkeit am Bilanzstichtag als wahrscheinlich oder sicher" qualifiziert werden kann; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe e dieser Richtlinie, dem zufolge die in den Aktiv- und Passivposten enthaltenen Vermögensgegenstände einzeln zu bewerten sind, schließt nicht aus, dass zur Wahrung der Grundsätze der Vorsicht und des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögenslage eine pauschale Beurteilung aller relevanten Gesichtspunkte die geeignetste Bewertungsmethode darstellt. Da die Vierte Richtlinie keine Detailregelungen enthält, sondern sich darauf beschränkt, allgemeine Grundsätze aufzustellen, ohne zu versuchen, alle denkbaren Anwendungen dieser Grundsätze zu regeln, ist die Bewertung der relevanten Gesichtspunkte - gegebenenfalls unter Berücksichtigung internationaler Rechnungslegungsstandards (IAS) - nach dem nationalen Recht vorzunehmen, wobei stets die in dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Grundsätze uneingeschränkt zu beachten sind.

( vgl. Randnrn. 112, 116, 118-119, Tenor 2 )

3. Nach Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe c bb der Vierten Richtlinie 78/660 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen müssen für die Bewertung der Posten im Jahresabschluss alle voraussehbaren Risiken und zu vermutenden Verluste berücksichtigt werden, die in dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr entstanden sind; für die Bewertung der Aktiva und Passiva ist somit grundsätzlich auf den Bilanzstichtag abzustellen.

Die nach dem Bilanzstichtag erfolgte Rückzahlung eines Kredits stellt insoweit keine Tatsache dar, die eine rückwirkende Neubewertung einer Rückstellung erfordert, die sich auf diesen Kredit bezieht und auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen ist. Die Beachtung des Grundsatzes des den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes verlangt jedoch, dass im Jahresabschluss der Wegfall des mit dieser Rückstellung erfassten Risikos erwähnt wird.

( vgl. Randnrn. 121, 126, Tenor 3 )