Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 8. Mai 2001. - Italienische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Gemeinsame Agrarpolitik - Agromonetäre Regelung nach Einführung des Euro - Übergangsmaßnahmen anlässlich der Einführung des Euro. - Rechtssache C-403/99.
Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-06883
Einleitung
1. Um die Nachteile auszugleichen, die für die europäischen Landwirte aus der Einführung des Euro in der gemeinsamen Agrarpolitik entstehen würden, erließ die Europäische Gemeinschaft eine Übergangsregelung, die Beihilfen zu dem Zweck vorsah, den Wertverlust der direkten Beihilfen wettzumachen, den die Umrechnungskurse zwischen nationalen Währungen und der neuen Währungseinheit hervorrufen würden. Unter direkten Beihilfen" (oder auch Direktbeihilfen") sind die Pauschalbeträge, die den Begünstigten je genutzter Hektar (für Schafe und Ziegen) oder je Großvieheinheit gewährt werden, sowie bestimmte im Rahmen der Strukturförderung oder des Umweltschutzes gezahlte Beträge zu verstehen.
Mit der vorliegenden Klage bestreitet die Italienische Republik die Gültigkeit bestimmter von der Kommission erlassener Vorschriften, durch die der Hoechstbetrag des Anteils festgesetzt wurde, der den italienischen Landwirten in Zusammenhang mit Direktbeihilfen, für die der maßgebliche Tatbestand am 1. Juli 1999 eingetreten war, an den genannten Ausgleichsbeihilfen zusteht.
Rechtlicher Rahmen
2. Die agromonetäre Regelung soll den Einfluss verringern, den die Schwankungen der Kurse für die Umrechnung der Währung oder Rechnungseinheit, in der die Rechtsakte der gemeinsamen Agrarpolitik ausgedrückt sind, in diejenige, in der die Beträge gezahlt werden, auf das Einkommensniveau der Landwirte der Gemeinschaft ausüben.
3. Wegen eingehender Erläuterungen der historischen Entwicklung dieser komplexen Regelung verweise ich auf die Schlussanträge, die Generalanwalt Jacobs am 15. März dieses Jahres in der Rechtssache Italien/Rat und Kommission vorgelegt hat.
4. Die Einführung des Euro mit Wirkung vom 1. Januar 1999 brachte eine tiefgehende Umgestaltung der bis dahin geltenden agromonetären Regelung mit sich. Als einheitliche Währung in elf Mitgliedstaaten wurde er zwangsläufig an Stelle des Ecu zur neuen Rechnungseinheit der gemeinsamen Agrarpolitik.
5. Die Verordnung Nr. 2799/98 des Rates bestimmte infolgedessen, dass die Preise und Beträge in den die gemeinsame Agrarpolitik betreffenden Rechtsakten, zu denen die direkten Beihilfen gehören, künftig auf Euro zu lauten haben (Artikel 2 Absatz 1). Beihilfen wie sonstige Beträge werden den Landwirten der teilnehmenden Mitgliedstaaten in Euro gewährt; in den übrigen Fällen werden sie zum entsprechenden Wechselkurs in Landeswährung umgerechnet (Artikel 2 Absatz 2). Die Klägerin ist einer der teilnehmenden Staaten.
6. Um den Landwirten stabile Einnahmen zu sichern, sieht die Neuregelung wie bisher vor, dass den Empfängern von Direktbeihilfen, die durch Veränderungen des Wechselkurses zwischen dem Euro und der Währung, in der sie die Beihilfen erhalten, Nachteile erleiden (Fall der Aufwertung der Auszahlungswährung), Ausgleichsbeihilfen gewährt werden können.
7. Zu diesem Zweck heißt es in Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2799/98: Ist der am Tag des Eintretens des maßgeblichen Tatbestands anwendbare Wechselkurs für [eine direkte Beihilfe] niedriger als der zuvor gültige Wechselkurs, so kann der betreffende Mitgliedstaat den Landwirten beginnend ab dem Tag des Eintretens des maßgeblichen Tatbestands eine Ausgleichsbeihilfe in drei aufeinander folgenden Zwölfmonatstranchen zahlen." Diese Beihilfe muss in Form eines Zusatzbetrags zu den direkten Beihilfen gewährt werden, deren Beträge in nationaler Währung sich verringert haben.
8. Es liegt auf der Hand, dass nach der Einführung des Euro derartige Schwankungen nicht im Verhältnis zu denjenigen Mitgliedstaaten auftreten können, die ihn als einheitliche Währung angenommen haben, da die sich auf die gemeinsame Agrarpolitik beziehenden Beträge von diesem Zeitpunkt an in jener einheitlichen Währung ausgedrückt werden.
9. Da jedoch die Möglichkeit bestand, dass die Kurse für die Umrechnung des Euro in nationale Währung - die durch die Verordnung Nr. 2866/98 unwiderruflich festgesetzt werden sollten - nicht mit denjenigen übereinstimmen, die für den Ecu, die bisherige Rechnungseinheit der gemeinsamen Agrarpolitik, galten, was für die Landwirte, deren Auszahlungswährung aufgewertet wurde, Nachteile mit sich brachte, erließ der Rat mit der Verordnung Nr. 2800/98 ein Bündel von Übergangsbestimmungen.
10. Unter diesen sah Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2800/98 die Gewährung einer Ausgleichsbeihilfe für den Fall vor, dass der Umrechnungskurs des Euro in die nationale Währungseinheit ..., der 1999 am Tag des Eintretens des maßgeblichen Tatbestands [auf eine direkte Beihilfe] anwendbar ist, niedriger [ist] als der zuvor gültige Kurs". Der Ausgleichsbetrag war nach Maßgabe von Artikel 5 der Verordnung Nr. 2799/98 zu berechnen.
Der Gesetzgeber beschloss mit anderen Worten, die sich aus der Ersetzung des Ecu durch den Euro möglicherweise ergebenden Minderungen des Umrechnungskurses der Situation bei einer Aufwertung der Auszahlungswährung gleichzustellen, indem er, soweit hier von Interesse, auf jenen Fall eine identische Regelung anwandte.
11. Zur Durchführung der Übergangsregelung erließ die Kommission die Verordnung Nr. 2813/98.
12. Artikel 4 Absatz 2 dieser Vorschrift verweist für die Festsetzung der Beträge der Ausgleichsbeihilfe auf die Verordnung Nr. 2799/98.
13. Nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 2813/98 erfolgt für die teilnehmenden Mitgliedstaaten die Umrechnung der Beihilfen in nationale Währung nach Maßgabe der vom Rat unwiderruflich festgesetzten Eurokurse.
14. Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98, über dessen richtige Auslegung die Parteien streiten, bestimmt Folgendes: Der Hoechstbetrag der Ausgleichsbeihilfe gemäß Artikel 4 Absatz 2, die infolge einer Verringerung des bis 1. Januar 1999 eingefrorenen landwirtschaftlichen Umrechnungskurses gewährt wird, wird um den Kehrwert des Verhältnisses zwischen dem Kurs gemäß Artikel 5 und dem vorgenannten landwirtschaftlichen Umrechnungskurs erhöht."
15. In konkreter Anwendung dieser Gesamtregelung erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1639/1999 vom 26. Juli 1999 zur Festsetzung des Hoechstbetrags der Ausgleichsbeihilfe infolge der Umrechnungskurse des Euro in nationale Währungseinheiten oder der am 1. Juli 1999 geltenden Wechselkurse. Der Anhang dieser Verordnung führt die Hoechstbeträge der ersten Tranche der Beihilfe auf, die als Ausgleich für den am 1. Juli 1999 festgestellten Rückgang des Euro-Umrechnungskurses gegenüber dem zuvor geltenden landwirtschaftlichen Umrechnungskurs gewährt wird.
Die Verordnung Nr. 1639/1999 enthält keine Anwendung von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98. Eben dies bildet die Grundlage der von Italien erhobenen Nichtigkeitsklage.
Prüfung der Klage
16. Die italienische Regierung stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung auf zwei Gründe: Zum einen sei die Verordnung Nr. 1639//1999 ungültig, weil sie gegen die Verordnungen Nrn. 2799/98, 2800/98 und 2813/98 verstoße, unzureichend begründet und ermessensmissbräuchlich erlassen worden sei; zum anderen ergebe sich der Mangel der Verordnung Nr. 1639/1999, der zur Nichtigerklärung führen müsse, aus einer Verletzung des in Artikel 34 EG festgelegten Grundsatzes der Gleichbehandlung der Landwirte der Gemeinschaft.
Zum ersten Klagegrund
17. Nach Ansicht der klagenden Regierung verletzt die angefochtene Vorschrift Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98, der ein allgemeines Kriterium aufstelle, das ohne Rücksicht auf den jeweils anspruchsbegründenden Tatbestand für alle Arten von direkten Beihilfen gelte, die von der Einfrierung der Umrechnungskurse betroffen seien.
18. Die Kommission macht ihrerseits geltend, Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 sei eine Ausnahmebestimmung, die lediglich auf solche direkten Beihilfen anwendbar sei, für die ein eingefrorener Umrechnungskurs gelte und bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand am 1. Januar 1999 eingetreten sei.
19. Die Kommission schildert eingehend die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 2813/98, deren wichtigste Stadien sich wie folgt zusammenfassen ließen:
- Mit Artikel 3 der Verordnung Nr. 1527/95 und entsprechenden anderen, später erlassenen Bestimmungen habe der Gemeinschaftsgesetzgeber den auf direkte Beihilfen bis zum 1. Januar 1999 einschließlich anwendbaren Umrechnungskurs eingefroren;
- in Übereinstimmung mit Artikel 123 Absatz 4 EG habe die Kommission in Artikel 5 der Verordnung Nr. 2813/98 angeordnet, dass vom 1. Januar 1999 an auf die für teilnehmende Mitgliedstaaten bestimmten direkten Beihilfen der entsprechende, vom Rat unwiderruflich festgesetzte Umrechnungskurs anzuwenden sei;
- die Ausgleichsbeihilfe sei unter Rückgriff auf den neuen Umrechnungskurs festgesetzt worden und habe unter anderem für die Begünstigten des klagenden Staates einen leichten Einkommensverlust mit sich gebracht;
- nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes sei es geboten erschienen, diesen leichten Verlust durch die Einführung eines geeigneten Instruments auszugleichen (das ich berichtigende Erhöhung" nennen werde);
- diese Maßnahme habe lediglich denjenigen Landwirten zugute kommen sollen, deren Beihilfen durch die Einführung des Euro, d. h. seit dem 1. Januar 1999, eine Veränderung erfahren hätten und die zugleich, nämlich bis zum 1. Januar 1999 einschließlich, Anspruch auf eine der Einfrierung unterliegende direkte Beihilfe gehabt hätten;
- aus diesen Gründen wende die Verordnung Nr. 1639/1999, deren Gegenstand die Berechnung des Betrages von Beihilfen gewesen sei, bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand nach dem 1. Januar - nämlich am 1. Juli 1999 - eingetreten sei, die berichtigende Erhöhung nicht an.
20. Diese historische und teleologische Auslegung (die Kommission zieht es vor, von systematischer" Auslegung zu sprechen) wird nach Ansicht der Beklagten durch eine wörtliche Auslegung von Artikel 6 bestätigt, der die Erhöhung derjenigen Beihilfen vorsehe, die dazu bestimmt seien, [eine] Verringerung des bis 1. Januar 1999 eingefrorenen landwirtschaftlichen Umrechnungskurses" auszugleichen. Ausgeschlossen blieben also etwaige Minderungen von Beihilfen, bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand nach dem 1. Januar eingetreten sei, da von diesem Zeitpunkt an nicht mehr von eingefrorenen Kursen" die Rede sein könne.
21. Die italienische Regierung erwidert, Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 sei unbestreitbar, ohne auf irgendeinen anspruchsbegründenden Tatbestand abzustellen, auf alle von der - für die Zeit bis zum 1. Januar 1999 angeordneten - Einfrierung der Umrechnungskurse betroffenen Beihilfen anwendbar. Da es sich um eine klare, unzweideutige Vorschrift handle, sei es nicht angebracht, sie durch den angeblichen Willen des Gesetzgebers zu ersetzen, der den Vorarbeiten entnommen werden müsse.
Überdies stelle sich dasselbe Problem des Vertrauensschutzes in ähnlicher Weise in Bezug auf die Landwirte, deren Anspruch auf Beihilfe später als am 1. Januar entstanden sei.
22. Zunächst muss dieses letztgenannte Vorbringen der klagenden Regierung zurückgewiesen werden. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, konnten sich die an Beihilfen, bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand nach dem 1. Januar 1999 eingetreten war, interessierten Wirtschaftsteilnehmer auf keinerlei berechtigtes Vertrauen berufen, da die vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewährte Garantie hinsichtlich der Einfrierung der Umrechnungskurse mit Ablauf dieses Datums wegfiel.
23. Zweitens ist hervorzuheben, dass die Klägerin den Ausführungen, mit denen die Kommission die Existenzberechtigung von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 zu erklären versucht, zustimmt oder zumindest nicht widerspricht.
24. In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung in Widerspruch zu ihrer im bisherigen Verfahren eingenommenen Haltung Erheblichkeit und Glaubwürdigkeit der Erklärung der Kommission bestritten und ihre eigene Auffassung über die Ratio der Einführung der berichtigenden Erhöhung vorgetragen. Dieses Vorbringen, das im Unterschied zum Vorschlag der Kommission auf keinerlei Unterlagen gestützt ist, ist auf jeden Fall zur Unzeit erfolgt, da es zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht worden ist, als für den Beweisantritt vorgesehen ist.
25. Es bleibt zu fragen, ob die wörtliche Auslegung von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98, wie die italienische Regierung meint, unweigerlich zu dem Ergebnis führt, dass die Kommission rechtswidrig gehandelt hat, indem sie die Gewährung der berichtigenden Erhöhung auf diejenigen direkten Beihilfen beschränkte, für die der Anspruch am 1. Januar 1999 entstanden war.
26. Nach Ansicht Italiens ergibt sich die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 1639/1999 aus dem allgemeinen und unzweideutigen Wortlaut von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98. Gemäß dieser Bestimmung - so wie die Klägerin sie auslegt - müssten alle direkten Beihilfen, bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand 1999 eingetreten sei, in den Genuss der berichtigenden Erhöhung nach Artikel 6 gelangen.
27. Ein erstes Durchlesen der streitigen Bestimmung gestattet kein klares Urteil über ihren zeitlichen Geltungsbereich. Das Instrument des Artikels 6 ist als Ergänzung der in Artikel 4 Absatz 2 derselben Verordnung, auf den er Bezug nimmt, vorgesehenen, Ausnahmecharakter aufweisenden Ausgleichsbeihilfe zu verstehen. Aber auch dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung lässt sich kein nützlicher Hinweis entnehmen, da diese sich darauf beschränkt, unter Verweisung auf die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2799/98 enthaltene Normalregelung die Berechnungsweise der vorübergehend gewährten Ausgleichsbeihilfe festzulegen.
Lediglich Absatz 1 von Artikel 4 der Verordnung Nr. 2813/98 weist in die richtige Richtung: Artikel 6 bildet in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen von Titel II eine der Durchführungsvorschriften für die Gewährung einer Ausgleichsbeihilfe gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 2800/98". Absatz 1 dieses Artikels macht aber die Gewährung einer Ausgleichsbeihilfe davon abhängig, dass der Umrechnungskurs des Euro in die nationale Währungseinheit oder der Wechselkurs, der 1999 am Tag des Eintretens des maßgeblichen Tatbestands ... anwendbar ist, niedriger ist als der zuvor gültige Kurs". Obwohl der hervorgehobene Passus lediglich dazu bestimmt zu sein scheint, den anwendbaren Wechselkurs für eine begrenzte Zeit festzusetzen, da die Umrechnungskurse ja fest und unwiderruflich sind, ist der Systematik der Übergangsregelung zu entnehmen, dass die von ihr erfassten Beihilfen diejenigen, und nur diejenigen, sind, bei denen der maßgebliche Tatbestand 1999 eingetreten ist.
28. Nach alledem sieht es so aus, als ob Titel II der Verordnung Nr. 2813/98, zu dem die Vorschrift gehört, über deren Auslegung gestritten wird, die Durchführungsbestimmungen für alle direkten Beihilfen enthalte, auf die der Anspruch im Jahr 1999 entstanden ist.
29. Es tauchen jedoch alsbald Zweifel auf.
30. Erstens soll Titel II der Verordnung Nr. 2813/98, wie dort erklärt wird, Artikel 3 der Verordnung Nr. 2800/98 des Rates durchführen, der somit die Rechtsgrundlage für ihn abzugeben scheint. Keine Bestimmung dieser Verordnung ermächtigt die Kommission jedoch, die berichtigende Erhöhung nach Artikel 6 vorzunehmen. Es bestuende Anlass, sich zu fragen, ob dieser Artikel nicht wegen Fehlens einer Rechtsgrundlage in der Grundnorm ungültig ist, wenn nicht festzustellen wäre, dass keine Partei dies beantragt hat, und vor allem, dass die grundsätzlich der agromonetären Normalregelung gewidmete Verordnung Nr. 2799/98 in ihrem Artikel 10 Absatz 1 eine seltsame Ermächtigungsklausel enthält, die in weiter als üblich gefassten Worten der Kommission die Befugnis einräumt, Übergangsmaßnahmen zu treffen, falls solche erforderlich sein [sollten], um die erstmalige Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung zu erleichtern", wobei diese Maßnahmen nur so lange anwendbar [sind], wie es zur Einführung der neuen Regelung unbedingt erforderlich ist". Es steht zwar fest, dass die Verordnung Nr. 2813/98 der Durchführung der Verordnung Nr. 2800/98 zu dienen bestimmt ist, ebenso steht aber fest, dass Letztere für die Berechnung der Beihilfebeträge auf die Verordnung Nr. 2799/98 verweist. Dieses verwickelte Verweisungsspiel konnte der Kommission dazu dienen, sich, gestützt auf Artikel 10 der Verordnung Nr. 2799/98, die Regelung der berichtigenden Erhöhungen auszudenken. In diesem Sinne ist höchstwahrscheinlich die zweite Bezugnahme in der Begründung der Verordnung Nr. 2813/98 zu verstehen, die die Verordnung Nr. 2799/98, insbesondere [deren] Artikel 10", erwähnt.
31. Aus der Gesamtheit dieser Überlegungen ziehe ich die Folgerung, dass Rechtsgrundlage von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 entgegen dem Anschein nicht Artikel 3 der Verordnung Nr. 2800/98, sondern Artikel 10 der Verordnung Nr. 2799/98 ist. Das veranlasst mich, der Aussage des Artikels 10 der Verordnung Nr. 2799/98, dass Anwendbarkeit nur so lange dauert, wie es zur Einführung der neuen Regelung unbedingt erforderlich ist", den Vorrang gegenüber dem Hinweis 1999 am Tag des Eintretens des maßgeblichen Tatbestands" einzuräumen. Die begrenzte Eingriffsbefugnis gemäß der erstgenannten Vorschrift verträgt sich schlecht mit der von der italienischen Regierung vertretenen Auslegung, die durch die Ausdehnung der berichtigenden Erhöhung auf alle Beihilfen, für die der maßgebende Tatbestand 1999 eingetreten ist, darauf hinaus läuft, die Methode für die Berechnung des Betrags der Ausgleichsbeihilfe neu zu definieren, und zwar anders, als es der Rat in Artikel 5 der Verordnung Nr. 2799/98 vorgesehen hat.
Dies wird der erste meiner Auslegung zugrunde liegende Gesichtspunkt sein.
32. Zweitens bemerke ich, dass Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 eigenartig abgefasst wäre, wenn man sich der Auslegung der klagenden Regierung anschlösse. Dort heißt es nämlich, dass [d]er Hoechstbetrag der Ausgleichsbeihilfe gemäß Artikel 4 Absatz 2, die infolge einer Verringerung des bis 1. Januar 1999 eingefrorenen landwirtschaftlichen Umrechnungskurses gewährt wird", erhöht wird. Würde diese Erhöhung, wie Italien meint, für jede direkte Beihilfe gelten, deren anspruchsbegründender Tatbestand 1999 eingetreten ist, so wäre diese Präzisierung überfluessig, da nach der Verordnung Nr. 1527/95 und anderen entsprechenden Bestimmungen alle im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik gewährten direkten Beihilfen bis zu diesem Datum eingefroren waren.
33. Es ist nötig, über diese erste oberflächliche Lektüre hinauszugehen, um zu begreifen, dass der entscheidende abgrenzende Faktor der Bestimmung nicht so sehr die Ausgleichsbeihilfe" wie vielmehr die ihr zugrunde liegende Verringerung" ist: In den Genuss der berichtigenden Erhöhung können diejenigen Ausgleichsbeihilfen gelangen, die durch eine Verringerung des eingefrorenen Umrechnungskurses ausgelöst werden. Es trifft sich, dass die Ausdrücke reducción, réduction, reduction, riduzione und Verringerung - um nur die wichtigsten sprachlichen Fassungen zu zitieren - sämtlich dieselbe Zweideutigkeit aufweisen: unter Verringerung" wird sowohl die Tätigkeit des Verringerns als auch deren Wirkung verstanden. Man unterscheidet also nicht zwischen dem auf die Verkleinerung einer bestimmten Variablen gerichteten Handeln - das z. B. darin bestehen kann, dass der Gesetzgeber einen niedrigeren Umrechnungskurs einführt - und dem Ergebnis dieses Handelns. Es ist dieser letztgenannte Sinn des Ausdrucks, der auf den ersten Blick die von der italienischen Regierung vertretene Auslegung der Bestimmung ermöglicht.
Vertieft man die semantische Auslegung, wie dies angebracht ist, so entdeckt man jedoch nicht nur, dass das Tätigkeitswort verringern" transitiv ist, sondern auch, dass die Größe, von deren Minderung die Rede ist, zwangsläufig als unmittelbarer Gegenstand der Aussage fungiert. Das Verringern" setzt mit anderen Worten das Vorhandensein eines Subjekts voraus, dem die Verkleinerung der in Rede stehenden Variablen zugerechnet wird: Zu einem Verringern muss es jemanden geben, der verringert. Dies gilt nicht für andere Verben mit ähnlichem semantischem Inhalt, wie etwa abnehmen".
34. Von den verschiedenen Tatbeständen, die Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 zugrunde liegen können, stellt aber nur das Tätigwerden des Gesetzgebers, wenn er die von ihm selbst eingefrorenen landwirtschaftlichen Umrechnungskurse nach unten abändert, eine Verringerung in dem oben dargelegten eigentlichen Sinne dar. Der Vergleich des eingefrorenen landwirtschaftlichen Umrechnungskurses mit dem zu einem Zeitpunkt nach dem das Ende der Einfrierung anwendbaren Wechselkurs - wie ihn Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr.2799/98 voraussetzt, auf die die Verordnung Nr. 2813/98 verweist -, ergibt vielleicht eine Abnahme", wenn er eine fallende Tendenz ausweist, niemals aber - in Ermangelung eines Subjekts, dem sie zugerechnet werden könnte - eine Verringerung".
35. Man könnte behaupten, da sich die Abnahme durch die unwiderrufliche Festsetzung des Kurses für die Umrechnung des Euro in nationale Währung erkläre, die der Rat mit der Verordnung Nr. 2866/98 vorgenommen habe, müsse dieser die Urheberschaft für die Minderung der landwirtschaftlichen Umrechnungskurse zugeschrieben werden. Damit würde aber übersehen, dass sich die Verordnung Nr. 2866/98 überhaupt nicht mit den landwirtschaftlichen Umrechnungskursen befasst, dass die agromonetäre Euro-Regelung derartige Instrumente nicht mehr vorsieht und dass der Gesetzgeber infolgedessen die Regelung der Ausgleichsbeihilfen bei Verringerung der auf direkte Beihilfen anwendbaren Kurse" (so lautet die Überschrift von Titel II der Verordnung Nr. 2813/98) dem in Artikel 5 der Verordnung Nr. 2799/98 geregelten Fall eines Rückgangs des anwendbaren Wechselkurses gleichgestellt hat.
Das heißt, dass im Rahmen der die direkten Beihilfen regelnden Vorschriften die durch die Einführung des Euro bewirkten Veränderungen der auf die gemeinsame Agrarpolitik anwendbaren Kurse einer marktkonformen Entwicklung der Wechselkurse entsprechen. Mehr noch, diese Entwicklungen sind durch Haussen und Baissen im Verhältnis zur vorherigen Situation gekennzeichnet und nicht durch Erhöhungen und Verringerungen.
36. Die von mir vorgeschlagene Auslegung wird im Übrigen dadurch bekräftigt, dass der Gesetzgeber sich im Allgemeinen einer in sich stimmigen Terminologie bedient. Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2799/98 spricht bei seiner Beschreibung der gewöhnlichen Voraussetzungen für die Ermächtigung zur Gewährung einer Ausgleichsbeihilfe nicht von einer Verringerung des Kurses, sondern von einem Kurs, der niedriger [ist] als der zuvor gültige Wechselkurs". Selbst die Verordnung Nr. 1527/95, mit der die Einfrierung von Kursen eingeführt wurde, war nach Artikel 1 der französischen Fassung im Fall einer baisse" der landwirtschaftlichen Umrechnungskurse anwendbar.
37. Ich räume allerdings ein, dass der Ausdruck reducción" (Verringerung") nicht selten unpassenderweise intransitiv gebraucht wird und dass die Texte der Gemeinschaftsverordnungen in ihren verschiedenen sprachlichen Fassungen nicht wenige Widersprüche aufweisen.
38. Wie dem auch sei, die übrigen Anknüpfungspunkte für eine wörtliche Auslegung erlauben es mir, zu demselben Ergebnis zu gelangen wie demjenigen, zu dem mich die obige semantische Untersuchung geführt hat. Ich beziehe mich auf die Interpunktionszeichen - oder, besser gesagt, auf ihr Fehlen - im ersten Satz von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98. Das Vorbringen der Klägerin könnte nur Erfolg haben, wenn der Satzteil congelado hasta el 1 de enero de 1999" (bis 1. Januar 1999 eingefrorenen") eindeutig die Funktion eines Epithetons hätte, in welchem Fall er zwischen Kommata (im Deutschen zwischen Gedankenstrichen oder Klammern) stehen müsste. Man könnte dann, unabhängig von der dem Ausdruck Verringerung" beigelegten Bedeutung, annehmen, dass sich der Tatbestand auf jede Änderung des landwirtschaftlichen Umrechnungskurses beziehe, die sich beiläufig, rein umständehalber, bis zu dem angegebenen Datum ergeben würde. Aus der fehlenden Abgrenzung durch Kommata ist zu folgern, dass der Umrechnungskurs, auf dessen Rückgang oder, wenn man will, dessen Verringerung, es ankommt, hier genau bestimmt wird: Es handelt sich nur um denjenigen, der (oder diejenige, die) die bis zum 1. Januar 1999 eingefrorenen Umrechnungskurse betrifft. Wie die Kommission zutreffend ausführt, erfasst die in Rede stehende Bestimmung keine der etwaigen späteren Rückgänge, da die landwirtschaftlichen Umrechnungskurse keiner Einfrierung mehr unterliegen werden.
39. Aus meinen Überlegungen zu diesem Teil der Klage ergibt sich somit, dass eine Auslegung nach dem Wortlaut von Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98, die mit der von der Kommission vorgeschlagenen, von Italien nicht wirksam bestrittenen historischen und teleologischen Auslegung vereinbar ist, zumindest möglich und deshalb kraft der für die Rechtsakte der zuständigen Behörde geltenden Rechtmäßigkeitsvermutung vorzuziehen ist. Eine derartige Auslegung steht im Übrigen in Einklang mit der Ermächtigung, die als Rechtsgrundlage für die streitige Bestimmung als Rechtsgrundlage dient, nämlich mit Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2799/98, demzufolge die erforderlichen Übergangsmaßnahmen nur so lange anwendbar [sind], wie es zur Einführung der neuen Regelung unbedingt erforderlich ist".
40. Die italienische Regierung macht im Rahmen des vorliegenden ersten Klagegrundes noch geltend, die den Gegenstand der Klage bildende Verordnung Nr. 1639/1999 leide an einem gegen Artikel 253 EG verstoßenden Begründungsmangel und sei mit Ermessensmissbrauch behaftet. Dieses Vorbringen, das kaum näher ausgeführt worden ist, scheint sich auf die angebliche Unvorhersehbarkeit" zu stützen, die die Klägerin der gesetzgeberischen Änderung zuschreibt, die sie in der angefochtenen Verordnung erblickt. Nachdem ich hinsichtlich des Hauptprämisse zum gegenteiligen Ergebnis gelangt bin, bin ich genötigt vorzuschlagen, dieses Nebenvorbringen und damit den Klagegrund in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund
41. Aus den verschiedenen Stadien des schriftlichen Verfahrens ergibt sich, dass die italienische Regierung die Verordnung Nr. 1639/1999 auch wegen einer angeblichen Verletzung des in Artikel 34 EG ausgesprochenen Grundsatzes der Gleichbehandlung der Landwirte angreift. Es bestehe eine nicht hinnehmbare Diskriminierung zwischen einerseits den Landwirten, denen direkte Beihilfen, für die der anspruchsbegründende Tatbestand am 1. Januar 1999 eingetreten sei, zugute kämen und für die - gemäß der Verordnung Nr. 755/1999 - die in Artikel 6 der Verordnung Nr. 2813/98 vorgesehene Erhöhung angewandt worden sei, und andererseits denjenigen Landwirten, die aufgrund später entstandener Ansprüche Beihilfen erhielten und deshalb nicht in den Genuss der berichtigten Erhöhung kommen könnten.
42. Schließt man sich der von mir vertretenen Auslegung an, so wäre die unterschiedliche Behandlung, die die klagende Regierung geltend macht, nicht auf die angefochtene Verordnung zurückzuführen, sondern auf die Verordnung Nr. 2813/98, die nicht Gegenstand der vorliegenden Klage ist, was zur Zurückweisung des Klagegrundes führen müsste. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass die Gründe, mit denen die Kommission die Entstehungsgeschichte der berichtigten Erhöhung erklärt hat, insbesondere das Bestreben, das berechtigte Vertrauen der Begünstigten nicht zu enttäuschen, schlüssig sind und zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung ausreichen.
43. Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Kosten
44. Aus der von mir vorgeschlagenen Abweisung der Klage in ihrer Gesamtheit folgt, dass die Italienische Republik gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.
Ergebnis
45. Aufgrund der Gesamtheit der von mir vorgetragenen Überlegungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Klage der Italienischen Repubilk abzuweisen und ihr ausdrücklich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.