61999C0381

Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 15. März 2001. - Susanna Brunnhofer gegen Bank der österreichischen Postsparkasse AG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Wien - Österreich. - Gleiches Entgelt für Männer und Frauen - Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes - Unterschiedliches Entgelt - Begriffe "gleiche Arbeit" und "gleichwertige Arbeit" - Kollektivvertragliche Einstufung in dieselbe Tätigkeitsgruppe - Beweislast - Objektive Rechtfertigung eines unterschiedlichen Entgelts - Qualität der Arbeit eines bestimmten Arbeitnehmers. - Rechtssache C-381/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-04961


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 177 EG Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) hat das Oberlandesgericht Wien (Österreich) dem Gerichtshof sechs Vorlagefragen über die Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen vorgelegt. Das Oberlandesgericht Wien möchte im Wesentlichen wissen, ob eine gleiche Gehaltseinstufung aufgrund Tarifvertrags ausreicht, um von gleicher oder gleichwertiger Arbeit sprechen zu können, wen die Beweislast für die behauptete Diskriminierung trifft und inwieweit ein später nachweisbarer Unterschied im Arbeitsergebnis ein Kriterium für eine unterschiedliche Entlohnung gleicher oder gleichwertiger Arbeit sein kann.

II - Anwendbares Recht

A - Gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen

2. Artikel 141 EG (früherer Artikel 119) bestimmt in Absatz 1:

Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertige Arbeit sicher."

3. In Artikel 141 Absatz 2 EG heißt es:

Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bedeutet,

a) dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,

b) dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist."

4. Artikel 1 der Richtlinie 75/117 lautet:

Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden als ,Grundsatz des gleichen Entgelts bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.

Insbesondere muss dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden."

5. Artikel 4 der Richtlinie 75/117 lautet:

Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder -vereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden können."

B - Nationale Rechtsvorschriften

6. Dem Vorlagebeschluss zufolge obliegt die Bestimmung des Entgelts nach österreichischem Arbeitsrecht grundsätzlich den Parteien im Rahmen des Arbeitsvertrags. Für viele Bereiche sind aber in Kollektivverträgen Mindestentgelte festgelegt. Die zwingende Anwendbarkeit dieser Kollektivverträge bestimmt sich nach der Zugehörigkeit des Arbeitgebers zu der Partei des Kollektivvertrags, die diesen auf der Arbeitgeberseite geschlossen hat. Kollektivverträge werden auf Seiten der Arbeitnehmer regelmäßig von freiwilligen kollektivvertraglichen Berufsvereinigungen - Gewerkschaften - und auf Seiten der Arbeitgeber von Fachorganisationen der gesetzlichen Interessenvertretung, teilweise aber auch von freiwilligen Vereinigungen oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschlossen (§§ 4 ff. des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl 1974/22).

Die Kollektivverträge knüpfen bei der Bestimmung der Mindestentgelte regelmäßig an die jeweils konkret verrichtete Tätigkeit an, stellen also auf die tatsächliche Verwendung des Arbeitnehmers ab und legen für diese (insbesondere im Bereich der Angestellten) häufig unter Berücksichtigung der Zahl der in dieser Verwendung zurückgelegten Dienstjahre ein Mindestentgelt fest. Die Auslegung der Kollektivverträge erfolgt dabei so wie die von Gesetzen.

Entsprechend dem Günstigkeitsprinzip" des § 3 des Arbeitsverfassungsgesetzes steht es den Parteien des einzelnen Arbeitsvertrags jedoch frei, von den Mindestentgelten abzuweichen und ein höheres Entgelt oder höhere Zulagen zu vereinbaren.

Die Festlegung des Entgelts erfolgt in dem hier maßgeblichen Bereich der Angestellten regelmäßig für die Leistung der Normalarbeitszeit (40 Stunden pro Woche) oder einer sonstigen im Kollektivvertrag festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit, bezogen auf einen ganzen Monat.

7. Der Begriff Überstundenpauschale" betrifft die Frage der Abgeltung von über die Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistungen. Diese Pauschale darf im Durchschnitt nicht niedriger sein als das Entgelt, das der tatsächlich geleisteten Überstundenzahl entspricht.

Die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden kann sich u. a. aus dem konkreten Arbeitsvertrag ergeben.

Ist eine unwiderrufliche Überstundenpauschale vereinbart worden, so ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer auch verpflichtet ist, aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Arbeitgebers die in der Vereinbarung festgelegte Anzahl von Überstunden zu leisten, dass diese dann jedoch mit dem dafür vereinbarten Entgelt abgegolten sind. Dem Arbeitgeber steht es dabei aber nicht frei, einseitig von dieser Vereinbarung abzugehen, also keine Überstundenpauschale - d. h. das vereinbarte Entgelt - zu leisten. Er hat aber jederzeit die Möglichkeit, auf die Erbringung dieser Arbeitsleistung zu verzichten, etwa wenn sie betrieblich nicht erforderlich ist. Ein Recht auf Beschäftigung besteht jedenfalls insoweit zumeist nicht.

8. Hinsichtlich der Festlegung des Entgelts sieht der hier maßgebliche Kollektivvertrag für Angestellte der Banken und Bankiers in § 2 die Gliederung in Tätigkeitsgruppen vor.

Die Tätigkeitsgruppe V erfasst u. a. Angestellte mit entsprechender bankfachlicher Ausbildung, von denen qualifizierte Banktätigkeiten selbständig erledigt" werden. Die Arbeitszeit ist in § 6 des Kollektivvertrags auf 38,5 Stunden festgelegt, und in § 7 werden weiter Regelungen über die Überstundenentlohnung getroffen. § 8 des Kollektivvertrags legt in Punkt I für die Einstufung fest, dass diese für die jeweils neu eintretenden Dienstnehmer zu erfolgen hat und dass u. a. in der Tätigkeitsgruppe V der Versuch der Erzielung eines Einvernehmens zwischen Betriebsrat und Personalabteilung über die Einstufung unternommen werden muss. § 8 Punkt II bestimmt darüber hinaus, dass jeweils auf die tatsächliche - überwiegende - Tätigkeit abzustellen ist.

III - Sachverhalt

9. Im Rechtsstreit zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens, Frau Brunnhofer (im Folgenden: Klägerin) und der Bank der österreichischen Postsparkasse (im Folgenden: Beklagte), geht es um unterschiedliche Entlohnung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.

10. Es steht außer Streit, dass die Klägerin bei der Beklagten vom 1. Juli 1993 bis 31. Juli 1997 als Angestellte beschäftigt war, dass ihr Anfangsbezug einschließlich der unwiderruflichen Überstundenpauschale 40 520 ATS betrug und dass der seit dem 1. August 1994 bei der Beklagten beschäftigte männliche Kollege der Klägerin zu einem Bruttogehalt von 43 871 ATS einschließlich widerruflicher Überstundenpauschale eingestellt wurde. Unstreitig ist weiter, dass das Grundgehalt der Klägerin unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Erhöhungen dem ihres männlichen Kollegen entsprach und dass die Berechnung der Überstundenpauschale beider nach § 7 des Kollektivvertrags für Banken und Bankiers erfolgte und weder der Klägerin noch ihrem männlichen Kollegen Gehaltserhöhungen außer der Reihe - ausgenommen die Kollektivvertragssprünge - gewährt wurden.

11. Die Klägerin macht geltend, Opfer einer Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts zu sein. Obwohl das Grundgehalt einschließlich der tarifvertraglich festgelegten Erhöhungen bei beiden Arbeitnehmern gleich gewesen sei, habe ein Gehaltsunterschied bestanden, da ihr männlicher Kollege eine monatliche Zulage bezogen habe, aufgrund deren er etwa 2 000 ATS mehr als sie verdient habe. Es steht fest, dass die betroffenen Arbeitnehmer seit Aufnahme ihrer Tätigkeit in dieselbe Gehaltsstufe des Kollektivvertrags eingestuft waren.

12. Die Klägerin beruft sich darauf, sie habe die gleiche Arbeit - zumindest eine gleichwertige Arbeit - wie ihr männlicher Kollege verrichtet. Sie war in der Auslandsabteilung der Beklagten damit betraut gewesen, Kredite zu kontrollieren. Nach einer nicht näher festgelegten Anlernzeit sollte sie die Leitung dieser Abteilung übernehmen. Wegen Problemen bei ihrer Arbeit und in ihrer Privatsphäre wurde sie jedoch nicht als Abteilungsleiterin beschäftigt. Später wurde sie auf einem eigens für sie geschaffenen Dienstposten in der Rechtsabteilung verwendet. Auch dort erfuellte sie die Erwartungen nicht, so dass ihr gekündigt wurde.

13. Die Beklagte bestreitet eine Lohndiskriminierung und trägt vor, das unterschiedliche Gehalt sei durch objektive Faktoren zu erklären. Zwar seien die Tätigkeiten der beiden Arbeitnehmer grundsätzlich als gleichwertig eingestuft worden, doch habe der männliche Kollege der Klägerin als Kundenbetreuer nach außen auch verbindliche Zusagen habe machen müssen, womit eine Handlungsvollmacht zwingend verbunden gewesen sei. Dies habe seine höhere Zulage begründet. Bei der Klägerin habe der Kundenkontakt untergeordnete Bedeutung gehabt. Auch rechtfertigten die Qualifikationen des männlichen Kollegen das geringfügig höhere Entgelt. Er habe eine kaufmännische Ausbildung im Rahmen seines Studiums sowie eine Auslandstätigkeit aufzuweisen, die zu einer höheren Qualifikation im Bereich der Kundenbetreuung geführt habe. Aufgrund dessen sei die Qualität der Arbeit unterschiedlich gewesen.

14. Die Gleichbehandlungskommission beim Bundeskanzleramt, die von der Klägerin mit der Angelegenheit befasst worden war, vertrat die Auffassung, eine Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts könne nicht ausgeschlossen werden. Demgemäß verklagte die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 160 000 ATS wegen Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen hatte, legte die Klägerin Berufung beim Oberlandesgericht Wien ein.

IV - Vorlagefragen

15. Das Oberlandesgericht Wien, das der Ansicht war, zur Entscheidung des Rechtsstreits sei die Auslegung einiger gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen erforderlich, hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 15. Juni 1999 folgende Fragen vorgelegt:

1a) Ist es bei der Beurteilung der Frage, ob eine gleiche Arbeit" oder ein gleicher Arbeitsplatz" im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) vorliegt oder eine gleiche oder eine als gleichwertig anerkannte Arbeit im Sinne der Richtlinie 75/117/EWG gegeben ist, im Zusammenhang mit der einzelvertraglichen Vereinbarung von Zulagen zu kollektivvertraglich festgelegten Entgelten ausreichend, darauf abzustellen, ob die beiden verglichenen Arbeitnehmer in die gleiche Tätigkeitsgruppe im Kollektivvertrag eingestuft werden?

1b) Im Fall der Verneinung der Frage 1a:

Ist in dem in Frage 1a dargestellten Fall die gleiche Einstufung im Kollektivvertrag ein Indiz für das Vorliegen einer gleichen oder gleichwertigen Arbeit im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) und der Richtlinie 75/117, das dazu führt, dass der Arbeitgeber die Unterschiedlichkeit der Tätigkeit zu beweisen hat?

1c) Kann sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Entlohnung auf nicht in den Kollektivverträgen berücksichtigte Umstände berufen?

1d) Im Fall der Bejahung der Frage 1a oder 1b:

Gilt dies auch dann, wenn die Einstufung in die Tätigkeitsgruppe im Kollektivvertrag auf einer sehr allgemein gehaltenen Beschreibung beruht?

2a) Liegt dem Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) und der Richtlinie 75/117 ein zumindest insoweit einheitlicher Arbeitnehmerbegriff zugrunde, dass die Verpflichtung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag sich nicht nur nach allgemein definierten Standards richtet, sondern dabei auch die individuelle persönliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist?

2b) Ist Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) bzw. Artikel 1 der Richtlinie 75/117 dahin auszulegen, dass eine objektive Rechtfertigung für die Festlegung eines unterschiedlichen Entgelts auch durch erst im nachhinein beweisbare Umstände, insbesondere den Erfolg der Arbeit eines bestimmten Arbeitnehmers, gerechtfertigt werden kann?

V - Prüfung der Vorlagefragen

A - Fragen 1a und 1b

16. Die ersten beiden Teile der ersten Frage werde ich nachstehend zusammen behandeln. Im Wesentlichen geht es um zwei Aspekte. Sie lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:

1. Liegt unter Berücksichtigung des Sachverhalts, wie er im Vorlagebeschluss dargestellt ist, eine gleiche Arbeit vor,

und

2. wer trägt hierfür die Beweislast?

17. Es geht hier um zwei Arbeitnehmer, einen männlichen und einen weiblichen, die in die gleiche Tätigkeitsgruppe eines Tarifvertrags eingestuft worden sind. Nach österreichischem Arbeitsrecht werden, wie oben in Nummer 6 dargelegt worden ist, in Tarifverträgen Mindestarbeitsbedingungen vorgeschrieben. In individuellen Arbeitsverträgen können günstigere Bedingungen vereinbart werden. Sowohl die Klägerin als auch ihr männlicher Kollege, auf den sie sich bezieht, erhalten das gleiche Grundgehalt. Daneben beziehen beide eine Überstundenvergütung, die bei der Klägerin unwiderruflich und bei ihrem männlichen Kollegen widerruflich ist. Darüber hinaus erhalten beide eine besondere Monatszulage. Diese Sonderzulage fällt bei der Klägerin niedriger aus als bei ihrem männlichen Kollegen.

Auf den ersten Blick ist also eine Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts gegeben, erhält doch die Klägerin 2 000 ATS weniger an monatlicher Zulage als ihr männlicher Kollege. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts tatsächlich zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob eine gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt. Die Antwort hierauf hängt von der Würdigung des Sachverhalts ab. Sollte das vorlegende Gericht zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es hier um gleiche Arbeit geht, läge im vorliegenden Fall eindeutig eine verbotene Diskriminierung im Sinne von Artikel 141 EG vor.

18. Der Umstand, dass beide Personen in dieselbe Tätigkeitsgruppe eines Tarifvertrags eingestuft sind, deutet darauf hin, dass es hier möglicherweise um eine gleiche oder gleichwertige Arbeit geht. Allein aus einer Einstufung in dieselbe Tätigkeitsgruppe eines Tarifvertrags kann jedoch noch nicht auf eine gleiche oder gleichwertige Arbeit geschlossen werden, auch wenn nach § 8 Punkt 2 des im vorliegenden Fall einschlägigen Kollektivvertrags für Angestellte der Banken und Bankiers bei der Einstufung in die Tätigkeitsgruppe V jeweils auf die tatsächliche (überwiegende) Tätigkeit abzustellen ist. Denn auch innerhalb ein und derselben Tätigkeitsgruppe können die Tätigkeiten unterschiedlich sein. Der Kollektivvertrag, um den es hier geht, ist ein Rahmenvertrag mit weit umschriebenen Kategorien von Tätigkeitsgruppen. Innerhalb dieser Kategorien können von Fall zu Fall besondere Arbeitsbedingungen vereinbart werden. Dies ist in der vorliegenden Rechtssache, wie oben bereits geschildert, auch geschehen. Fraglich ist hier somit, ob Unterschiede in der Entlohnung auch durch Unterschiede in der Arbeit gedeckt werden. Wenn das Entgelt unterschiedlich ist, muss sich dies grundsätzlich auch in unterschiedlichen Tätigkeiten äußern. Ist bei diesen aber kein Unterschied festzustellen, hat auch das Entgelt das gleiche zu sein, es sei denn, der Arbeitgeber weist nach, dass die unterschiedliche Entlohnung objektiv zu rechtfertigen ist.

19. Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, ist der Begriff der gleichen Arbeit ein qualitativer, d. h., er bezieht sich ausschließlich auf die Art der betreffenden Arbeitsleistung. Deshalb ist zur Beantwortung der Frage, ob eine gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt, allein darauf abzustellen, welche Tätigkeiten die Arbeitnehmer tatsächlich ausüben. Um zu ermitteln, ob Arbeitnehmer die gleiche Arbeit verrichten, ist zu prüfen, ob sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren, wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen, als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Anhand dieser Vorgaben hat das vorlegende Gericht mithin zu prüfen, ob die Tätigkeit der Klägerin (Kontrolle von Krediten) die gleiche Tätigkeit wie die ihres männlichen Kollegen (Betreuung wichtiger Kunden) oder dieser gleichwertig ist. Ebenso ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, welches Gewicht dem Umstand beizumessen ist, dass der Kollege der Klägerin Handlungsvollmacht hat. Ist deshalb davon auszugehen, dass es sich um so unterschiedliche Tätigkeiten handelt, dass diese eine unterschiedliche Belohnung rechtfertigen können?

20. Sodann ist die Teilfrage der Beweislastverteilung zu untersuchen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, geht es hier um eine unmittelbare Diskriminierung. Bereits in früheren Entscheidungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Beweislast im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung denjenigen trifft, der die Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts behauptet. Nur bei einer mittelbaren Diskriminierung, die durch die angeblich diskriminierten Personen im allgemeinen schwieriger nachzuweisen ist, kann eine Beweislastumkehr geboten sein. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine unmittelbare Diskriminierung, so dass die Beweislast die Klägerin trifft. Mithin hat diese zu beweisen, dass eine gleiche oder gleichwertige Arbeit vorgelegen hat und dass hierfür ein ungleiches Entgelt gezahlt worden ist. Dass die Einstufung in dieselbe Tätigkeitsgruppe ein Indiz für das Vorliegen einer gleichen oder gleichwertigen Arbeit darstellen kann, enthebt denjenigen, der sich für das Opfer einer Lohndiskriminierung hält, nicht von der Verpflichtung, durch nähere Tatsachen und Umstände zu belegen, dass es im betreffenden Fall tatsächlich um gleiche oder gleichwertige Arbeit geht. Sodann ist es Sache des Arbeitgebers, nachzuweisen, dass es Gründe gibt, die das unterschiedliche Entgelt rechtfertigen können. Wie dem Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts zu entnehmen ist, sind die Umstände, die das Entgelt betreffen, selbst so klar, dass der Nachweis eines unterschiedlichen Entgelts keine beweistechnischen Probleme bereitet. Die Klägerin scheint diesen Nachweis zur Genüge erbracht zu haben. Um jedoch ihre Behauptung zu stützen, dass eine nach dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht verbotene ungleiche Entlohnung gegeben ist, muss sie darüber hinaus in erster Linie beweisen, dass eine gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt. Auf der Grundlage der von ihr angeführten Tatsachen und Umstände hat schließlich das vorlegende Gericht festzustellen, ob tatsächlich ein ungleiches Entgelt vorliegt, das nicht durch objektive Unterschiede in der von der Klägerin und dem männlichen Arbeitnehmer, auf den sie sich bezieht, tatsächlich ausgeübten Tätigkeit gerechtfertigt ist.

B - Frage 1d

21. Die vierte Teilfrage der ersten Frage wird nur für den Fall der Bejahung von Teilfrage 1a oder 1b gestellt. Da dem nicht so ist, braucht diese Frage nicht beantwortet zu werden.

C - Die übrigen Fragen

22. Den Fragen 1c, 2a und 2b ist gemein, dass das vorlegende Gericht damit nach einem näheren Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage sucht, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein erwiesener Unterschied beim Entgelt im Licht des Artikels 141 EG und der Richtlinie 75/117 zu rechtfertigen ist.

23. Die Antwort auf Frage 1c ist aus den Erwägungen zu den Fragen 1a und 1b abzuleiten. Bei diesen habe ich ausgeführt, dass im österreichischen Arbeitsrecht Tarifverträge eine Grundlage für die Arbeitsbedingungen und weiter einen - mitunter weit umschriebenen - Rahmen bilden, in dem die individuellen Arbeitsbedingungen mit den betreffenden Arbeitnehmern zu vereinbaren sind. In einem solchen gesetzlichen und vertraglichen Rahmen können die Arbeitsbedingungen einzelner Arbeitnehmer, die zu der gleichen Tätigkeit- oder Entgeltkategorie gehören, voneinander abweichen. Solche Unterschiede können auch nach dem hier einschlägigen Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt sein, sofern sie auf objektiven Kriterien wie Alter, Ausbildung und Erfahrung der betreffenden Arbeitnehmer beruhen und auf vergleichbare Fälle in gleicher Weise angewandt werden.

Dem bereits angeführten Urteil Bilka entnehme ich, dass die objektiven Rechtfertigungsgründe für solche Unterschiede beim Entgelt einer transparenten Anwendung zugänglich sein müssen, d. h., sie müssen sich aus objektiven wirtschaftlichen Gründen herleiten lassen und den vom Unternehmen angestrebten Zielen angemessen sein.

24. Mit Frage 2a möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 141 EG und der Richtlinie 75/117 ein vergleichbarer Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt und ob sich die Verpflichtungen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag nicht nur nach allgemein definierten Standards richten, sondern dabei auch die individuelle persönliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist. Zur Beantwortung des ersten Teils dieser Frage bedarf es keiner langen Ausführungen. Aus dem oben angeführten Urteil Jenkins sowie aus den Urteilen Kowalska und Newstead ist abzuleiten, dass die Richtlinie 75/117 im Wesentlichen bezweckt, die Verwirklichung des in Artikel 141 EG genannten Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen dadurch zu fördern, dass die konkrete Anwendung dieses Grundsatzes erleichtert wird. Aus dieser Beschränkung - die Richtlinie dient ihrem Zweck nach der Verwirklichung des Artikels 141 EG - kann nur geschlossen werden, dass die zentralen Begriffe des Artikels 141 EG und der Richtlinie inhaltlich übereinstimmen. Das gilt natürlich auch für den Begriff Arbeitnehmer".

25. Schwieriger ist die Beantwortung der zweiten Hälfte dieser Frage, da aus dem Vorlagebeschluss nicht eindeutig hervorgeht, auf welche tatsächlichen Umstände diese Frage abzielt. Rein hypothetisch könnte nämlich das vorlegende Gericht eine Situation meinen, in der in tatsächlicher Hinsicht festgestellt wird, dass zwar die miteinander verglichenen Arbeitnehmer eine gleiche Arbeit" verrichten, jedoch ihre Leistungsfähigkeit bei der Erbringung dieser Arbeitsleistung unterschiedlich ist. Wie auch die Kommission bemerkt, enthält der Vorlagebeschluss keine Feststellung oder Würdigung des Sachverhalts, die es ermöglichen würden, diese Frage nicht als hypothetisch aufzufassen. Mangels näherer tatsächlicher Anknüpfungspunkte müssen wir vor einer Beantwortung der Frage, ob Unterschiede in der persönlichen Leistungsfähigkeit Unterschiede beim Entgelt rechtfertigen können, auf Artikel 141 Absatz 2 EG zurückgreifen. Nach dieser Bestimmung kann das Entgelt entweder einem Akkordlohn oder einem Zeitlohn entsprechen. Im ersten Fall ist nach Artikel 141 Absatz 2 Buchstabe a EG die gleiche Maßeinheit anzuwenden. Je nach Einsatz und jeweiliger Produktivität der betreffenden Arbeitnehmer sind somit bereits aufgrund der objektiv nachprüfbaren Ergebnisse der jeweils unternommenen Anstrengungen Unterschiede beim Entgelt möglich. Anders verhält es sich im zweiten Fall. Artikel 141 Absatz 2 Buchstabe b EG bestimmt, dass bei einer nach Zeit bezahlten Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist. Da es im vorliegenden Fall um nach Zeit bezahlte Arbeit geht, dürfen etwaige Unterschiede in der individuellen Leistungsfähigkeit nicht zu einem unterschiedlichen Entgelt Anlass geben. Ob im vorliegenden Fall tatsächlich eine gleiche Arbeit vorliegt, ist nach den im Rahmen der Beantwortung der Fragen 1a und 1b angestellten Erwägungen aufgrund der objektiven Tatsachen und Umstände festzustellen, die für die Arbeitsplätze der verglichenen Arbeitnehmer bestimmend sind.

26. Frage 2b ist meines Erachtens zu verneinen. Wenn für gleiche Arbeit aufgrund tatsächlicher Umstände, wie etwa der besonderen Leistungsfähigkeit eines bestimmten Arbeitnehmers - die einleuchtenderweise erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags bei der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeiten festgestellt werden kann - ein unterschiedliches Entgelt gezahlt wird, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Erwartungen können nicht die Begründung für eine unterschiedliche Entlohnung einer noch zu erbringenden, im Übrigen aber gleichen oder gleichwertigen Arbeitsleistung sein. Wenn sich nachträglich auf der Grundlage bereits erbrachter Arbeitsleistungen herausstellt, dass in der persönlichen Leistungsfähigkeit objektive Unterschiede bestehen, kann das natürlich zu einer unterschiedlichen Laufbahn Anlass geben. Aber dann geht es nicht mehr um gleiche Arbeit.

VI - Ergebnis

27. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Oberlandesgerichts Wien wie folgt zu beantworten:

1a) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine gleiche Arbeit oder ein gleicher Arbeitsplatz im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) vorliegt oder eine gleiche oder eine als gleichwertig anerkannte Arbeit im Sinne der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen gegeben ist, ist es im Zusammenhang mit der einzelvertraglichen Vereinbarung von Zulagen zu kollektivvertraglich festgelegten Entgelten nicht ausreichend, darauf abzustellen, ob die beiden verglichenen Arbeitnehmer in die gleiche Tätigkeitsgruppe im Kollektivvertrag eingestuft sind.

1b) Eine gleiche Einstufung im Kollektivvertrag führt, auch wenn sie ein Indiz für das Vorliegen einer gleichen oder gleichwertigen Arbeit im Sinne des Artikels 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) und der Richtlinie 75/117/EWG ist, nicht dazu, dass im Fall einer unmittelbaren Diskriminierung der Arbeitgeber die Unterschiedlichkeit der Tätigkeit zu beweisen hat.

1c) Der Arbeitgeber kann sich zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Entlohnung auf nicht im Tarifvertrag berücksichtigte Umstände berufen, sofern diese auf sachlich berechtigten Gründen beruhen.

1d) Diese Frage ist nur für den Fall der Bejahung von Frage 1a oder 1b gestellt; sie bedarf daher keiner Beantwortung.

2a) Den Bestimmungen des Artikels 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) und der Richtlinie 75/117 liegt ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff zugrunde. Folgt aus der Bewertung der ausgeübten Tätigkeiten, dass eine gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, vorliegt, so gilt nach dem Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, dass ein unterschiedliches Entgelt auch bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit der verglichenen Arbeitnehmer unzulässig ist.

2b) Artikel 119 EG-Vertrag (jetzt Artikel 141 EG) bzw. Artikel 1 der Richtlinie 75/117 ist dahin auszulegen, dass ein unterschiedliches Entgelt aus Gründen, deren Bestehen erst im Nachhinein beweisbar ist, nicht gerechtfertigt werden kann.