Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. Januar 2000. - Ministre de la Santé gegen Jeff Erpelding. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour administrative - Grossherzogtum Luxemburg. - Richtline 93/16/EWG des Rates - Auslegung der Artikel 10 und 19 - Führen der Bezeichnung eines Facharztes im Aufnahmemitgliedstaat durch einen Arzt, dem in einem anderen Mitgliedstaat eine Bezeichnung verliehen worden ist, die in dem Verzeichnis des Artikels 7 dieser Richtlinie nicht für diesen Staat aufgeführt ist. - Rechtssache C-16/99.
Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-06821
1 Der luxemburgische Staatsangehörige Erpelding kehrte nach seiner Ausbildung in Österreich zum Arzt in sein Heimatland zurück, um dort mit Genehmigung der zuständigen luxemburgischen Behörden die Tätigkeit eines Facharztes für Innere Medizin auszuüben.
Trotz seiner Ausbildung in Österreich zum Facharzt für Innere Medizin - Teilgebiet Kardiologie - erlaubte ihm der luxemburgische Gesundheitsminister nicht, die Berufsbezeichnung eines Facharztes für Kardiologie zu führen, da die Kardiologie kein von den österreichischen Behörden anerkanntes Fachgebiet darstelle.
2 Im Ausgangsverfahren ist zwischen den Parteien streitig, von welchen Voraussetzungen die Anerkennung einer in einem Mitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung durch einen anderen Mitgliedstaat abhängt und wie eine in diesem Zusammenhang erworbene Ausbildungsbezeichnung verwendet werden kann.
I - Die Richtlinie 93/16
3 Die Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 soll die Freizügigkeit der Ärzte und die gegenseitige Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erleichtern(1).
4 Für die zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eigenen Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes bestimmt Artikel 6 der Richtlinie Folgendes:
"Jeder Mitgliedstaat, in dem einschlägige Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestehen, erkennt die in Artikel 7 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise des Facharztes, die andere Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach den Artikeln 24, 25, 27 und 29 ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen."
5 Abgesehen von Artikel 7 koordinieren die in Artikel 6 genannten Artikel die nationalen Rechtsvorschriften über die Tätigkeiten des Facharztes im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung der entsprechenden Befähigungsnachweise(2). Sie umfassen insbesondere "bestimmte Mindestbedingungen für den Zugang zur Weiterbildung, deren Mindestdauer, die Art ihrer Durchführung und den Ort, an dem sie erfolgt, sowie für die Kontrolle der Weiterbildung"(3).
6 Artikel 7 in der nach dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union geltenden Fassung(4) lautet:
"(1) Als Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise des Facharztes im Sinne von Artikel 6 gelten diejenigen Nachweise, die von einer der in Artikel 5 Absatz 2 aufgeführten zuständigen Behörde oder Stelle ausgestellt sind und hinsichtlich der betreffenden fachärztlichen Weiterbildung den in Absatz 2 aufgeführten Bezeichnungen derjenigen Mitgliedstaaten entsprechen, in denen es diese fachärztliche Weiterbildung gibt.
(2) In den Mitgliedstaaten gelten folgende Fachbezeichnungen für die jeweils genannte fachärztliche Weiterbildung:
...
- Kardiologie
...
Luxemburg: cardiologie et angiologie
..."
7 In Kapitel V (Führen der Ausbildungsbezeichnung) der Richtlinie bestimmt Artikel 10 Absatz 1:
"Unbeschadet des Artikels 19 tragen die Aufnahmestaaten dafür Sorge, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die die Voraussetzungen der Artikel 2, 4, 6 und 9 erfuellen, zum Führen ihrer im Heimat- oder Herkunftsstaat gültigen rechtmäßigen Ausbildungsbezeichnung und gegebenenfalls der betreffenden Abkürzung in der Sprache dieses Staates berechtigt sind. Sie können vorschreiben, dass neben dieser Bezeichnung Name und Ort der Lehranstalt oder des Prüfungsausschusses, die bzw. der diese Ausbildungsbezeichnung verliehen hat, aufgeführt werden."
8 In Kapitel VI (Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr des Arztes) sieht Artikel 19 vor:
"Bestehen in einem Aufnahmestaat Vorschriften über das Führen der Berufsbezeichnung im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten des Arztes, so führen die Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten, die die in Artikel 2 und Artikel 9 Absätze 1, 3 und 5 vorgesehenen Bedingungen erfuellen, die Berufsbezeichnung, die im Aufnahmestaat der betreffenden Berufsausbildung entspricht, und verwenden die entsprechende Abkürzung.
Absatz 1 gilt auch für das Führen der Facharztbezeichnung durch Fachärzte, die die Bedingungen der Artikel 4 und 6 und des Artikels 9 Absätze 2, 4, 5 und 6 erfuellen."(5)
II - Sachverhalt und Ausgangsverfahren
9 Herrn Erpelding wurde am 30. März 1985 von der Universität Innsbruck das österreichische Diplom eines "Doktors der gesamten Heilkunde" verliehen. Dieses Diplom wurde am 11. April 1986 vom luxemburgischen Bildungsministerium anerkannt.
10 Am 10. April 1991 erteilte die Österreichische Ärztekammer Herrn Erpelding die Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit eines "Facharztes für Innere Medizin". Der luxemburgische Gesundheitsminister erlaubte ihm mit Bescheid vom 29. August 1991, in Luxemburg den Beruf eines Facharztes für Innere Medizin auszuüben.
11 Am 11. Mai 1993 verlieh die Österreichische Ärztekammer Herrn Erpelding das Diplom "Facharzt für Innere Medizin - Teilgebiet Kardiologie". Mit Bescheid vom 9. Juli 1993 erlaubte ihm der luxemburgische Gesundheitsminister, außer der Berufsbezeichnung "Facharzt für Innere Medizin" seine Ausbildungsbezeichnung in der Sprache des Ausbildungsstaats, d. h. die Bezeichnung "Facharzt für Innere Medizin - Teilgebiet Kardiologie" zu führen.
12 Am 15. April 1997 teilte Herr Erpelding dem Gesundheitsminister mit, dass er sich ausschließlich der Kardiologie widmen wolle und daher bereit sei, auf seine Berufsbezeichnung "Facharzt für Innere Medizin" zu verzichten, wenn ihm erlaubt werde, die Bezeichnung eines Facharztes für Kardiologie zu führen.
13 Mit Bescheid vom 25. April 1997 wies der Gesundheitsminister diesen Antrag mit der Begründung zurück, dass die Disziplin Kardiologie kein von den österreichischen Behörden anerkanntes Fachgebiet darstelle und Herrn Erpelding daher nicht gestattet werden könne, diese Facharzttätigkeit auszuüben. Außerdem stehe es dem Minister nicht zu, ausländische Diplome umzuschreiben. Nach luxemburgischem Recht könnten die Diplome nur in ihrer jeweiligen sprachlichen Fassung anerkannt werden.
14 Auf Antrag von Herrn Erpelding hob das Tribunal administratif diesen Bescheid mit Urteil vom 18. Februar 1998 mit der Begründung auf, dass er unter Verstoß u. a. gegen Artikel 19 der Richtlinie ergangen sei.
15 Am 31. März 1998 legte der luxemburgische Gesundheitsminister hiergegen ein Rechtsmittel bei der Cour administrative (Luxemburg) ein.
III - Die Vorlagefragen
16 Die Cour administrative ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung nicht nur des Artikels 19 der Richtlinie 93/16 über das Führen der Berufsbezeichnung eines Arztes, sondern auch von Artikel 10 über das Führen einer ärztlichen Ausbildungsbezeichnung abhänge. Sie hat daher das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht.
17 Das vorlegende Gericht ersucht um Beantwortung folgender Fragen:
1. Ist Artikel 19 der Richtlinie 93/16/EWG zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise in einem Mitgliedstaat, in dem einschlägige Rechtsvorschriften bestehen, zugunsten eines Antragstellers anwendbar, der einen in einem anderen Mitgliedstaat erlangten, im Verzeichnis der fachärztlichen Weiterbildung in Artikel 7 der Richtlinie aber nicht enthaltenen Befähigungsnachweis besitzt und aufgrund seiner in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Weiterbildung die Genehmigung für das Führen der entsprechenden Berufsbezeichnung im Aufnahmestaat begehrt?
Bei Verneinung der ersten Frage:
2. Verleiht Artikel 10 der fraglichen Richtlinie den Inhabern von in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Ausbildungsbezeichnungen einfach die Befugnis, ihre Ausbildungsbezeichnung und gegebenenfalls die betreffende Abkürzung zu führen, oder ist die Richtlinie vielmehr dahin auszulegen, dass die Ausbildungsbezeichnung nur in der Sprache des Landes, in dem sie zuerkannt worden ist, genehmigt werden kann und gleichwertige Bezeichnungen in der Sprache und gemäß der Nomenklatur des Aufnahmestaats ausgeschlossen sind?
IV - Zur ersten Vorlagefrage
Vorbemerkungen
18 Diese Frage wird von den Parteien unterschiedlich verstanden, so dass es einer Klärung ihres tatsächlichen Inhalts bedarf.
19 So ist nach Ansicht von Herrn Erpelding die Anerkennung eines ausländischen Diploms, das zur Ausübung des Facharztberufs berechtige, von der Frage des Führens der Ausbildungsbezeichnung zu unterscheiden. Auch wenn er hieraus keine Folgerungen für die Zulässigkeit zieht, geht es für ihn hier allein um die Ausbildungsbezeichnung(6).
20 Dem kann nicht gefolgt werden.
21 Zunächst ist festzustellen, dass sich der Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht nicht auf eine Frage des Rechts auf das Führen der Ausbildungsbezeichnung beschränkt. Er betrifft vielmehr auch die Befugnis zum Führen der Berufsbezeichnung, wie Herr Erpelding selbst einräumt, wenn er Artikel 19 der Richtlinie heranzieht und erklärt, das Tribunal administratif, dessen Urteil beim vorlegenden Gericht angefochten werde, habe entschieden, dass er die Berufsbezeichnung eines Kardiologen führen dürfe.
22 Zudem ist es nach ständiger Rechtsprechung allein Sache der nationalen Gerichte, die mit dem Rechtsstreit befasst sind und die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, nach Maßgabe der jeweiligen Sach- und Rechtslage sowohl die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Rechtserheblichkeit der Fragen, die sie dem Gerichtshof stellen, zu beurteilen. Wenn die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen, wie im vorliegenden Fall, die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts betreffen, muss der Gerichtshof daher grundsätzlich darüber befinden(7).
23 Außerdem geht nach dieser Rechtsprechung Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) von einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen den staatlichen Gerichten und dem Gerichtshof aus und gestattet diesem nicht, die Gründe des Vorlagebeschlusses zu überprüfen. Daher kann der Gerichtshof die Entscheidung über ein von einem nationalen Gericht vorgelegtes Ersuchen nur dann ablehnen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der von diesem Gericht erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht(8).
Die erste Frage bezieht sich offensichtlich auf das Führen der Berufsbezeichnung, was durch den Vorlagebeschluss bestätigt wird, in dem das nationale Gericht darauf hinweist, dass der Antrag des Klägers "auf eine Genehmigung für den Kläger gerichtet war, die Berufsbezeichnung $Facharzt für Kardiologie` zu führen"(9). Die erste Vorlagefrage ist demnach dahin zu verstehen, dass die Voraussetzungen aufgezeigt werden sollen, unter denen das Führen der Berufsbezeichnung eines Facharztes genehmigt werden kann.
24 Die italienische Regierung schlägt vor, Artikel 19 in Zusammenhang mit Artikel 9 Absatz 5 der Richtlinie auszulegen, der hier anwendbar sei(10).
25 Die letztere, in Artikel 19 genannte Bestimmung bezieht sich auf die von Ärzten vor dem Wirksamwerden der Richtlinie erworbenen Rechte(11). Sie sieht insbesondere vor, dass jeder Mitgliedstaat bei Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten als ausreichenden Nachweis deren Befähigungsnachweise des Facharztes anerkennt, auch wenn sie den in Artikel 7 für diesen Mitgliedstaat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, sofern ihnen eine von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigung beigefügt ist. Mit dieser Bescheinigung wird der Nachweis erbracht, dass diese Befähigungsnachweise eine Weiterbildung abschließen, die den in Artikel 6 genannten Artikeln entspricht, und dass sie von dem Mitgliedstaat, der sie ausgestellt hat, den Befähigungsnachweisen gleichgestellt werden, deren Bezeichnungen in Artikel 7 aufgeführt sind.
26 Nach Ansicht der italienischen Regierung ist Artikel 19 der Richtlinie dahin auszulegen, dass das Führen der Berufsbezeichnung unter Umständen, die die Anwendung von Artikel 9 rechtfertigten(12), nur dann erlaubt sei, wenn diese Bezeichnung vom Heimat- oder Herkunftsstaat, der sie ausgestellt habe, einer in Artikel 7 aufgeführten Bezeichnung gleichgestellt werde, da andernfalls jeder Mitgliedstaat die Gleichstellung der Befähigungsnachweise einseitig vornehmen könnte. Im vorliegenden Fall bestehe die Fachbezeichnung, deren Anerkennung beantragt werde, als solche jedoch nicht im Herkunftsstaat.
27 Der Gerichtshof kann nach ständiger Rechtsprechung im Fall ungenau formulierter Fragen aus den vom vorlegenden Gericht gemachten Angaben und aus den Akten des Ausgangsverfahrens diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ermitteln, die unter Berücksichtigung des Streitgegenstands einer Auslegung bedürfen(13).
28 Ohne auf die von der italienischen Regierung aufgeworfene Frage und auf die Anwendbarkeit von Artikel 9 inhaltlich einzugehen, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die erste Vorlagefrage ihrem Wortlaut nach auf die Artikel 19 und 7 abzielt. Dies spricht dafür, dass das vorlegende Gericht Aufschluss über die Auslegung von Artikel 19, soweit er sich auf Artikel 6 bezieht, der wiederum auf Artikel 7 Bezug nimmt, und nicht von Artikel 9 begehrt, zumal nichts in den Akten darauf hindeutet, dass Letzterer als Grundlage für einen Antrag von Herrn Erpelding dienen kann.
29 Aus dem Vorlagebeschluss geht tatsächlich nicht hervor, dass das nationale Gericht den Gerichtshof um Auslegung des Artikels 9 ersucht hat, auch wenn Artikel 19 auf diese Bestimmung verweist. Zum einen bezieht sich die Cour administrative überhaupt nicht auf Artikel 9. Zum anderen erwähnt Herr Erpelding seinerseits weder in seinem Genehmigungsantrag vom 15. April 1997 noch in seinen schriftlichen Erklärungen die Existenz oder die nach Artikel 9 erforderliche Vorlage einer Bescheinigung über die Anerkennung der zur Ausübung eines Facharztberufs erworbenen Rechte.
30 Aus der Darstellung des Sachverhalts und des Ausgangsverfahrens im Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Entscheidung des nationalen Gerichts über den Rechtsstreit davon abhängt, ob die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats die Genehmigung für das Führen einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung versagen können, wenn diese Bezeichnung nicht im Verzeichnis des Artikels 7 aufgeführt ist(14).
31 Somit ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen möchte, ob Artikel 19 der Richtlinie einem Mitgliedstaat, in dem eine Facharzttätigkeit geregelt ist, verwehrt, einem seiner Staatsangehörigen, der in einem anderen Mitgliedstaat einen fachärztlichen Befähigungsnachweis erworben hat, die Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats mit der Begründung zu versagen, dass der Befähigungsnachweis des Herkunftsmitgliedstaats nicht einer der in Artikel 7 der Richtlinie aufgeführten Bezeichnungen entspricht.
Zur Befugnis, das Führen der Berufsbezeichnung nicht zu genehmigen
32 Wie die Kommission bemerkt, unterscheidet die Richtlinie hinsichtlich der Befähigungsnachweise für Fachärzte zwischen Folgendem:
- den Befähigungsnachweisen für Fachärzte, die aufgrund des Bestandsrechts nach Artikel 9 anerkannt werden. Nach der achten Begründungserwägung der Richtlinie ist es nämlich "angebracht, Bestimmungen über die Bestandsrechte für die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes vorzusehen und die Ausbildungsgänge zu genehmigen, die vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Richtlinie begonnen haben";
- den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Befähigungsnachweisen für Fachärzte, die eine fachärztliche Weiterbildung belegen, deren Bezeichnung in dem jeweiligen Mitgliedstaat in Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie aufgeführt ist. Der Inhaber eines derartigen Befähigungsnachweises hat gemäß Artikel 4 Anspruch auf gegenseitige Anerkennung in der gesamten Gemeinschaft;
- den zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eigenen Befähigungsnachweisen für Fachärzte, die eine fachärztliche Weiterbildung belegen, deren Bezeichnung in den Mitgliedstaaten, in denen diese Weiterbildung besteht, in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie aufgeführt ist. Der Inhaber eines derartigen Befähigungsnachweises hat gemäß Artikel 6 Anspruch auf gegenseitige Anerkennung in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, in denen die durch diesen Befähigungsnachweis belegte fachärztliche Weiterbildung besteht. Die Kardiologie ist unter den Fachbezeichnungen in Artikel 7 Absatz 2 aufgeführt.
33 Diese Bestimmung enthält unter der Rubrik "Kardiologie" für Luxemburg die Bezeichnung "cardiologie et angiologie". Für Österreich fehlt dagegen eine Angabe.
34 Daraus folgt, dass Luxemburg einen Befähigungsnachweis über eine fachärztliche Weiterbildung auf dem Gebiet der Kardiologie und Angiologie erteilt, während Österreich, das diese Art der Weiterbildung nicht bietet, eine entsprechende Bezeichnung nicht kennt.
35 Daher muss Luxemburg einem von Österreich verliehenen fachärztlichen Befähigungsnachweis, der sich auf das Teilgebiet Kardiologie bezieht, in seinem Hoheitsgebiet nicht dieselbe Wirkung verleihen wie dem landeseigenen Befähigungsnachweis, der aufgrund einer Weiterbildung in Luxemburg auf dem Gebiet der Kardiologie und Angiologie verliehen wird.
36 Da es sich nicht nur um die Anerkennung der fachärztlichen Befähigungsnachweise, sondern auch um die Anerkennung des Rechts zum Führen der entsprechenden Berufsbezeichnung handelt, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für diese Anerkennung in beiden Fällen gleich sind, wie aus Artikel 19 der Richtlinie hervorgeht.
37 Nach Artikel 19 Absatz 2 hängt nämlich das Führen der fachärztlichen Berufsbezeichnung davon ab, dass der Facharzt die Bedingungen des Artikels 6 erfuellt, der auf die Weiterbildungsbedingungen der Artikel 24, 25, 27 und 29 und auf den Besitz eines Befähigungsnachweises verweist, der eine Weiterbildung belegt, deren Bezeichnung in Artikel 7 Absatz 2 aufgeführt ist. Diese Bezugnahme auf Weiterbildungsbedingungen, von denen sowohl die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Befähigungsnachweise mit der entsprechenden Wirkung im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates als auch das Recht zum Führen der Berufsbezeichnung dieses Staates abhängt, beweist somit, dass die Befugnis zur Ausübung des Facharztberufs und die Befugnis zum Führen der entsprechenden Berufsbezeichnung eng miteinander verknüpft sind.
38 Die Erfuellung der in Artikel 6 genannten Weiterbildungsbedingungen verpflichtet mit anderen Worten den Aufnahmemitgliedstaat, in dem die betreffende fachärztliche Weiterbildung besteht, sowohl das entsprechende im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat erworbene Diplom anzuerkennen als auch das Recht zum Führen der entsprechenden Berufsbezeichnung zu verleihen.
39 Umgekehrt braucht der Aufnahmemitgliedstaat, wenn diese Bedingungen nicht erfuellt sind und die entsprechende Weiterbildung in Artikel 7 nicht erwähnt ist, einem Antrag auf Genehmigung der Berufsausübung und Anerkennung des Rechts zum Führen der Berufsbezeichnung nicht stattzugeben.
40 Auch wenn in einem Aufnahmemitgliedstaat einschlägige Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Sinne von Artikel 6 der Richtlinie bestehen, ist dieser Staat somit nicht gezwungen, eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Berufsbezeichnung seinen eigenen Bezeichnungen anzugleichen, ohne die Gewissheit zu haben, dass die in Artikel 6 genannten Mindestausbildungsbedingungen der Artikel 24, 25, 27 und 29 erfuellt sind.
41 Zwar soll die Richtlinie, wie aus ihrem Titel klar hervorgeht, die Freizügigkeit der Ärzte und die gegenseitige Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erleichtern, was bedeutet, dass die in einem Mitgliedstaat ausgebildeten Ärzte sich in einem anderen Mitgliedstaat frei niederlassen und dort tätig werden können müssen.
Dies setzt nicht nur ein Verbot jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung(15), sondern auch die Ergreifung positiver Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung dieser Freiheiten voraus, wie etwa Vorkehrungen der Mitgliedstaaten zur Anerkennung der von anderen Mitgliedstaaten verliehenen Befähigungsnachweise(16).
42 Die Freizügigkeit der Ärzte erfordert jedoch mehr als bei anderen Tätigkeiten oder Berufen Vorsichtsmaßnahmen, die gewährleisten, dass die andernorts erlangte Ausbildung und Erfahrung einen ausreichenden Stand im Hinblick auf die Erfordernisse des Gesundheitswesens erreichen(17).
43 Die Angleichung der in den Mitgliedstaaten bestehenden Qualifikationen durch die Festlegung von Mindestbedingungen bei der Ausbildung entspricht folglich einer besonderen Notwendigkeit in diesem Bereich.
44 Obgleich eine automatische Anerkennung der Befähigungsnachweise einen effizienten Liberalisierungsprozess beim Personen- und Dienstleistungsverkehr verbürgt, wird somit verständlich, weshalb eine derartige Anerkennung namentlich bei ärztlichen Leistungen nur unter der Voraussetzung vorgeschrieben werden kann, dass der Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat Sicherheiten bezüglich der Qualifizierung der in seinem Gebiet ausgebildeten Gemeinschaftsangehörigen bietet.
45 Wie die Kommission - insoweit unwidersprochen - festgestellt hat, umfasst die Österreichische Ausbildungsordnung nicht den Facharztberuf eines Kardiologen. Diese Disziplin stellt eine ergänzende Spezialisierung in Verbindung mit dem grundlegenden Facharztbereich der Inneren Medizin dar. Der Grund, warum die Richtlinie die Kardiologie für Österreich nicht erwähnt, ist, wie die Kommission ausgeführt hat, dass dort die Fachausbildung auf dem Gebiet der Kardiologie streng genommen nicht die Bedingungen der Mindestausbildungsdauer des Artikels 27 erfuellt, nämlich einer vierjährigen Ausbildung in dem betreffenden Fachbereich. Die Kardiologie, für die eine zweijährige Ausbildung vorgesehen ist, ergänzt die fünfjährige Grundausbildung in Innerer Medizin(18).
46 Da die Mindestbedingungen der Weiterbildung im Herkunftsmitgliedstaat nicht erfuellt sind und demgemäß die Fachbezeichnung "Kardiologie" für Österreich in Artikel 7 Absatz 2 nicht aufgenommen worden ist, steht es den zuständigen Stellen des Großherzogtums Luxemburg frei, den Antrag auf Erlaubnis zum Führen der entsprechenden Facharztbezeichnung in Luxemburg abzulehnen.
47 Die Behauptung von Herrn Erpelding(19), dass "es ihm erlaubt wurde, die Tätigkeit eines Facharztes der Kardiologie in Luxemburg auszuüben, und er dort seit mehreren Jahren eine kardiologische Praxis betrieb", betrifft eine Tatsache, die der Gerichtshof nicht zu prüfen hat, zumal diese Behauptung von einer Partei des Ausgangsverfahrens bestritten wird. Es ergibt sich nämlich aus dem Vorlagebeschluss(20), dass der Gesundheitsminister gemäß Bescheid vom 25. April 1997 Herrn Erpelding das Recht versagt hat, die Medizin im Fachgebiet der Kardiologie auszuüben. Somit ist die vom vorlegenden Gericht dargelegte Situation maßgebend.
48 Das vorlegende Gericht, das mit einem Antrag auf Nichtigerklärung des ablehnenden Bescheids der luxemburgischen Behörden befasst ist, muss also berücksichtigen, dass Artikel 19 der Richtlinie einem Mitgliedstaat, in dem eine fachärztliche Tätigkeit geregelt ist, nicht verwehrt, einem seiner Staatsangehörigen, der in einem anderen Mitgliedstaat einen fachärztlichen Befähigungsnachweis erworben hat, die Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats zu versagen, wenn der Befähigungsnachweis des Herkunftsmitgliedstaats nicht einer der in Artikel 7 der Richtlinie aufgeführten Bezeichnungen entspricht.
49 Der Vollständigkeit halber ist jedoch auch der genaue Umfang der Verpflichtungen eines Mitgliedstaats zu prüfen, der mit einem Antrag auf Genehmigung zum Führen einer Berufsbezeichnung befasst ist, obwohl die Anerkennung dieser Bezeichnung gemäß der Richtlinie nicht möglich ist. Es erhebt sich nämlich die Frage, ob es Artikel 19 in einem solchen Fall nicht dennoch gestattet, dem Antrag nach einem Vergleich der Fachkenntnisse stattzugeben.
Zum Umfang der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei einem Vergleich der Fachkenntnisse
50 Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Vergleich der Kenntnisse und Qualifikationen wird von der finnischen Regierung bejaht, die die Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung Vlassopoulou auf den vorliegenden Fall aufwirft(21).
Die finnische Regierung räumt zwar ein, dass die in Artikel 19 festgelegten Bedingungen nicht erfuellt seien, da das Fachgebiet der Kardiologie für Österreich in Artikel 7 nicht genannt werde, und aus den Akten nicht ersichtlich sei, dass Herr Erpelding einen Äquivalenznachweis im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 erbracht habe, meint jedoch, dass der Aufnahmemitgliedstaat den Antrag nicht zurückweisen könne, ohne nachzuprüfen, ob die im Befähigungsnachweis des Antragstellers bescheinigten Kenntnisse und fachlichen Qualifikationen den Erfordernissen dieses Staates gerecht würden(22).
Dieses Erfordernis beruhe auf den Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit und auf der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die sich namentlich aus dem vorgenannten Urteil Vlassopoulou ergebe.
51 In der Rechtssache Vlassopoulou beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine als Rechtsanwältin in Athen zugelassene griechische Staatsangehörige, ihre Zulassung als Rechtsanwältin in Mannheim (Deutschland). Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht die Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, nämlich die Erlangung der Befähigung zum Richteramt, erfuelle.
52 Frau Vlassopoulou hatte außer ihren griechischen Diplomen an einer deutschen Universität den Titel eines Doktors der Rechte erworben und arbeitete seit fünf Jahren als Rechtsberaterin in Deutschland.
53 Der Gerichtshof hatte zu entscheiden, ob die Stellen, die für die Entscheidung über einen Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zuständig sind, aufgrund des Artikels 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Befähigungsnachweise und die Berufserfahrung des Betroffenen zu berücksichtigen haben.
54 Nach dem Hinweis, dass "die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, festlegen dürfen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufes notwendig sind, und die Vorlage eines Diploms verlangen dürfen, mit dem diese Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden"(23), hat der Gerichtshof festgestellt, dass solche nationalen Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken können, das sie die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen, wenn sie die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen(24).
55 Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, dass "ein Mitgliedstaat, bei dem die Zulassung zu einem Beruf beantragt worden ist, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation abhängt, somit die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene erworben hat, um den gleichen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, in der Weise zu berücksichtigen [hat], dass er die durch diese Diplome bescheinigten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleicht"(25).
56 Somit sind die in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund einer anderen Art der Ausbildung oder durch Ausübung eines Berufes erworbenen Fachkenntnisse nicht als unerheblich anzusehen.
57 Folglich erhebt sich die Frage, ob ein Aufnahmemitgliedstaat unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen in derselben Weise den Befähigungsnachweis von Herrn Erpelding zu berücksichtigen hat.
58 Diese Verpflichtung besteht meines Erachtens nicht, wenn die Bedingungen des Zugangs zu einem Beruf Gegenstand einer Harmonisierung gewesen sind, die zu einer gegenseitigen Anerkennung der Befähigungsnachweise führt.
59 Das Urteil Vlassopoulou betrifft ebenso wie die darauf folgenden Urteile(26) Fälle, in denen der in Rede stehende Beruf nicht unter ein System der gegenseitigen Anerkennung fiel.
60 Die Einführung eines derartigen Systems befreit die Mitgliedstaaten begreiflicherweise von der Verpflichtung eines Vergleichs der in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Befähigungsnachweise und Erfahrungen, da die bereichsbezogenen Harmonisierungsrichtlinien und die allgemeinen Systeme gegenseitiger Anerkennung nach den ihnen eigenen Methoden gerade Vergleiche für die Bestimmung dieser Äquivalenzen herstellen sollen(27).
61 Was die Rechtsprechung Vlassopoulou - die in der Aufstellung von Leitlinien allgemeiner Art besteht, die von den Mitgliedstaaten zu beachten sind, diesen aber einen bestimmten Ermessensspielraum bei der Art und Weise der Bestimmung der Gleichwertigkeit belassen(28) - den Mitgliedstaaten vorschreibt, wurde durch die nach Artikel 57 des Vertrages erlassenen Richtlinien harmonisiert, näher bestimmt und in einem einheitlichen Text zusammengefasst. Dessen wichtigstes Merkmal ist, dass die Mitgliedstaaten nunmehr, von Ausnahmen abgesehen, gehalten sind, jeden Befähigungsnachweis anzuerkennen, der den harmonisierten Ausbildungsbedingungen in einem bestimmten Sektor entspricht.
Wie die Kommission in der Sitzung zu Recht bemerkt hat, entspricht Artikel 8 der Richtlinie im Übrigen bereits den in der Rechtsprechung Vlassopoulou aufgestellten Erfordernissen. Nach Absatz 2 dieses Artikels muss nämlich ein Aufnahmemitgliedstaat, dem ein Antrag eines Gemeinschaftsangehörigen vorliegt, der keinen nach Maßgabe des Artikels 6 erworbenen Befähigungsnachweis über seine fachärztliche Weiterbildung vorweisen kann, die von dem genannten Gemeinschaftsangehörigen bereits abgeleistete und durch einen von den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaats ausgestellten Nachweis belegte Weiterbildungszeit ganz oder teilweise anrechnen, soweit diese der im Aufnahmestaat für das betreffende Fachgebiet vorgeschriebenen Dauer der Weiterbildung entspricht. Gemäß Artikel 8 Absatz 3 kann der Aufnahmemitgliedstaat dann eine ergänzende Weiterbildung vorschreiben.
62 Müssten die Mitgliedstaaten neben diesen Bestimmungen der Richtlinie die Anträge auf Berufsausübung und Führen der Berufsbezeichnung, deren Genehmigung die Richtlinie nicht vorschreibt, nach der Rechtsprechung Vlassopoulou prüfen, so bestuende die Gefahr, dass der Vereinheitlichungseffekt des durch die Richtlinie geregelten Rechts und der Grad der Koordinierung abnähmen. Die Mindestausbildungsbedingungen könnten nämlich außer Acht gelassen werden, und vor allem noch, je nach Mitgliedstaat, unter unterschiedlichen Bedingungen. Diese Verzerrungen würden zudem der Klarheit der geltenden Gemeinschaftsregelung schaden. Sie würden schließlich auch den Interessen der Gemeinschaftsangehörigen zuwiderlaufen, da diese wegen der Vielfalt von Beurteilungskriterien in den verschiedenen Mitgliedstaaten objektiv mehr Gefahren einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgesetzt wären.
63 Diese Gründe sprechen gegen eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Anträge auf Zugang zu einem einer Harmonisierungsrichtlinie unterworfenen Beruf oder auf Ausübung eines derartigen Berufes, die die Bedingungen der Richtlinie nicht erfuellen, anhand anderer Kriterien zu prüfen. Sie sprechen auch dagegen, dass ein Mitgliedstaat von sich aus bereit ist, so zu handeln(29). Somit kann ein in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallender Antrag nur auf dem in der Richtlinie vorgesehenen Weg genehmigt werden.
V - Zur zweiten Vorlagefrage
64 Mit dieser Frage wünscht das vorlegende Gericht Aufklärung über den Sinn von Artikel 10 der Richtlinie, wenn das Führen der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung in einem Aufnahmemitgliedstaat gemäß Artikel 19 nicht genehmigt wird.
65 Es fragt, ob Artikel 10 in diesem Fall dahin auszulegen ist, dass der Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Ausbildungsbezeichnung diese Bezeichnung nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats führen darf, oder ob er diese Bezeichnung vielmehr in der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats oder aber eine gleichwertige Bezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats führen darf.
66 Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 10 Absatz 1 in Verbindung mit der neunten Begründungserwägung der Richtlinie.
67 Artikel 10 Absatz 1 beinhaltet bekanntlich das Recht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die die Voraussetzungen des Artikels 6 erfuellen, "zum Führen ihrer im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat gültigen rechtmäßigen Ausbildungsbezeichnung und gegebenenfalls der betreffenden Abkürzung in der Sprache dieses Staates".
68 Damit schafft diese Bestimmung ein Recht der in anderen Mitgliedstaaten ausgebildeten Ärzte und eine Verpflichtung des Aufnahmemitgliedstaats, dieses Recht zu beachten.
69 Mit der Feststellung, dass die "Ausbildungsbezeichnung nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaats geführt werden [darf]", schränkt die neunte Begründungserwägung dieses Recht indessen ein. Die Beschränkung des Rechts zum Führen der genannten Bezeichnung auf die alleinige Verwendung der Originalsprache ist dadurch bedingt, dass "eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome nicht unbedingt die sachliche Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge, die zu einem solchen Diplom führen, zur Folge hat"(30).
70 Während also die Ausübung der Niederlassungsfreiheit der Ärzte durch die gegenseitige Anerkennung der Berufsbezeichnungen gewährleistet werden kann, die durch eine Mindestkoordinierung der Ausbildungsbedingungen ermöglicht wird, kann diese Ausbildung - und somit die Bezeichnung, durch die sie belegt wird - jedenfalls nicht in allen betroffenen Mitgliedstaaten völlig gleichwertig sein.
71 Die Lage ist anders in Bezug auf die Berufsbezeichnung, die das Recht auf Ausübung eines Berufes beinhaltet.
Da eine in einem Mitgliedstaat erworbene Berufsbezeichnung gleiche Wirkungen im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entfalten muss, ist ein Arzt, dessen Berufsbezeichnung anerkannt wird, natürlich berechtigt, die gleichwertige Berufsbezeichnung im Aufnahmemitgliedstaat zu führen. Dieses Recht ist eine der Wirkungen der seiner Berufsbezeichnung zuerkannten Gleichwertigkeit, da der Arzt anderenfalls nicht alle Eigenschaften aufwiese, die für die im Aufnahmemitgliedstaat bereits niedergelassenen Ärzte kennzeichnend sind. Das Führen einer Berufsbezeichnung in einer anderen Sprache würde sehr wahrscheinlich Zweifel an seinem Recht auf Ausübung des Arztberufes wecken, was die Niederlassungsfreiheit ernsthaft behindern würde.
72 Dagegen belegt eine Ausbildungsbezeichnung den Abschluss eines speziellen Lehrgangs zum Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, der, wenn er zum Teil harmonisiert ist, bisher jedoch nicht gänzlich vereinheitlicht worden ist. Unter diesen Umständen lassen sich diese Ausbildungsgänge nicht anders als durch ihre Originalbezeichnung wiedergeben, da sich andernfalls unterschiedliche Gegebenheiten hinter einer einheitlichen Bezeichnung verbergen würden, was zum Nachteil der Patienten wäre und wofür es im Hinblick auf die Erfordernisse der Niederlassungsfreiheit keinen besonderen Grund gibt.
73 Die Ausbildungsgänge sind also differenziert und nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen. Dies ist der Grund, weshalb ein Aufnahmemitgliedstaat vorschreiben kann, dass der zum Führen einer Ausbildungsbezeichnung Berechtigte diese Bezeichnung "in einer vom Aufnahmestaat festgelegten Form verwendet", um nämlich zu vermeiden, dass die Ausbildungsbezeichnung des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats "im Aufnahmestaat mit einer Bezeichnung verwechselt werden [kann], die in diesem Staat eine zusätzliche Ausbildung voraussetzt, die von dem Begünstigten nicht erworben wurde"(31). Daraus erklärt sich auch, weshalb die Aufnahmemitgliedstaaten "vorschreiben [können], dass neben dieser Bezeichnung Name und Ort der Lehranstalt oder des Prüfungsausschusses, die bzw. der diese Ausbildungsbezeichnung verliehen hat, aufgeführt werden"(32).
74 Diese Erwägungen machen deutlich, weshalb eine Ausbildungsbezeichnung nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaats zu führen ist und dem zum Führen einer solchen Bezeichnung Berechtigten namentlich nicht gestattet werden kann, eine andere Bezeichnung zu führen, wie z. B. eine gleichwertige Bezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats.
75 Ich möchte noch hinzufügen, dass Artikel 10 Absatz 1, wonach ein Aufnahmemitgliedstaat das Recht der Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zum Führen ihrer Ausbildungsbezeichnung gewährleisten muss, sofern die Betroffenen die Bedingungen des Artikels 6 erfuellen(33), meines Erachtens diesem Aufnahmestaat nicht verbietet, das genannte Recht auch dann zu gewähren, wenn diese Staatsangehörigen die in Artikel 6 vorgeschriebenen Ausbildungsbedingungen nicht erfuellen.
76 Wie bereits dargelegt, beinhaltet Artikel 10 Absatz 1 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, deren Anwendungsbereich durch die Bedingungen festgelegt ist, die die betroffenen Staatsangehörigen erfuellen müssen, um ihre Ausbildungsbezeichnung führen zu können. Andererseits ist es aufgrund der Erfordernisse der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt, dass die Mitgliedstaaten, sofern sie es wünschen, nicht daran gehindert werden, einem in einem anderen Mitgliedstaat ausgebildeten Arzt - wenn auch unter Bedingungen, die nicht die Anerkennung seiner Berufsbezeichnung erlauben - das Führen seiner akademischen Bezeichnung zu gestatten, vorausgesetzt, diese Verwendung erfolgt wie bei den Begünstigten in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaats.
77 Es erscheint mir nämlich wünschenswert, dass die in der Gemeinschaft erworbene Bezeichnung, selbst wenn sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fachgebiet des betroffenen Arztes steht, so weit wie möglich zur Ausübung der Berufstätigkeit dieses Arztes beiträgt, indem sie als Informationsquelle für den Teil seiner Patienten dient, der die Bedeutung und Tragweite der betreffenden Bezeichnung erfassen kann.
78 Es ist sicherlich nicht ohne Interesse für die Patienten eines Arztes wie Herrn Erpelding, der Facharzt für Innere Medizin ist, und auch für den Betroffenen selbst, dass er seine Patienten darüber informieren darf, dass er in einem anderen Mitgliedstaat eine akademische Bezeichnung erworben hat, die sich auf die Kardiologie bezieht. Diese Entscheidung kann jedenfalls der Beurteilung der Mitgliedstaaten überlassen bleiben, da die Richtlinie sich zu der entsprechenden Befugnis nicht äußert.
Ergebnis
79 Aufgrund all dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen der Cour administrative wie folgt zu beantworten:
1. Artikel 19 der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise ist dahin auszulegen, dass er dem Recht eines Mitgliedstaats, in dem eine Facharzttätigkeit geregelt ist, nicht entgegensteht, einem Gemeinschaftsangehörigen, der in einem anderen Mitgliedstaat einen fachärztlichen Befähigungsnachweis in Verbindung mit dieser Tätigkeit erworben hat und im erstgenannten Mitgliedstaat tätig werden will, die Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung des letzteren Mitgliedstaats zu versagen, wenn der Befähigungsnachweis des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats nicht einer der in Artikel 7 der genannten Richtlinie aufgeführten Bezeichnungen entspricht.
2. Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 93/16 ist dahin auszulegen, dass ein Facharzt, der eine Ausbildungsbezeichnung in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, diese Bezeichnung, auch wenn er nicht die Bedingungen des Artikels 19 erfuellt, im Aufnahmemitgliedstaat nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats führen darf, was das Führen dieser Bezeichnung in der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats oder einer gleichwertigen Ausbildungsbezeichnung des letzteren ausschließt.
(1) - ABl. L 165, S. 1 (im Folgenden: Richtlinie).
(2) - Vierzehnte Begründungserwägung.
(3) - Ebenda.
(4) - Vgl. Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1), insbesondere Anhang I Nr. XI, D III 1 Buchstabe d.
(5) - Artikel 4 entspricht bezüglich der gegenseitigen Anerkennung der allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Befähigungsnachweise eines Facharztes Artikel 6, der die gegenseitige Anerkennung der zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eigenen Befähigungsnachweise regelt. Artikel 9 enthält Bestimmungen über die Bestandsrechte der Ärzte für von den Mitgliedstaaten ausgestellte Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise und die Genehmigung von Ausbildungsgängen, die begonnen haben, bevor die Richtlinie wirksam wurde (achte Begründungserwägung).
(6) - Seiten 2 und 4 der schriftlichen Erklärungen.
(7) - Siehe z. B. Urteil vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97 (Bronner, Slg. 1998, I-7791, Randnr. 16).
(8) - Ebenda, Randnr. 17.
(9) - S. 1 der deutschen Übersetzung des Vorlagebeschlusses.
(10) - Nummer 1 der schriftlichen Erklärungen.
(11) - Siehe oben, Fußnote 5.
(12) - Obwohl sich die italienische Regierung nicht ausdrücklich dazu äußert, bezieht sie sich wohl auf Artikel 9, weil Herr Erpelding seine Ausbildung auf dem Gebiet der Inneren Medizin - Teilgebiet Kardiologie - in Österreich vor dem Beitritt dieses Landes zur Gemeinschaft durchgeführt hat.
(13) - Siehe z. B. Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-107/98 (Teckal, Randnr. 34, Slg. 1999, I-8121).
(14) - Die Cour administrative erklärt im Vorlagebeschluss (S. 5 der deutschen Übersetzung): "... sind die Parteien geteilter Ansicht darüber, ob dann, wenn das angeführte Kardiologiediplom, wie im vorliegenden Fall, im Fachgebietverzeichnis des Artikels 7 der Richtlinie - die Artikel 6 und 7 sind in Luxemburg, wo es eine einschlägige Regelung gibt, anwendbar - nicht für Österreich aufgeführt ist, dem Diplominhaber dennoch das Führen des Titels eines Facharztes für Kardiologie in Luxemburg zu genehmigen ist ..."
(15) - Zweite Begründungserwägung.
(16) - Dritte und fünfte Begründungserwägung.
(17) - Siehe Artikel 57 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 47 Absatz 3 EG), der für die einschlägige schrittweise Liberalisierung eine vorherige Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung der medizinischen Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraussetzt.
(18) - Nrn. 15 und 16 der schriftlichen Erklärungen.
(19) - S. 4 seiner schriftlichen Erklärungen.
(20) - S. 4 der deutschen Übersetzung.
(21) - Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89 (Slg. 1991, I-2357).
(22) - Nrn. 4 und 5 der schriftlichen Erklärungen.
(23) - Urteil Vlassopoulou, Randnr. 9.
(24) - Ebenda, Randnr. 15.
(25) - Ebenda, Randnr. 16.
(26) - Siehe z. B. Urteile vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-104/91 (Aquirre Borell u. a., Slg. 1992, I-3003), vom 9. Februar 1994 in der Rechtssache C-319/92 (Haim, Slg. 1994, I-425), vom 22. März 1994 in der Rechtssache C-375/92 (Kommission/Spanien, Slg. 1994, I-923), vom 1. Februar 1996 in der Rechtssache C-164/94 (Aranitis, Slg. 1996, I-135) und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-234/97 (Fernández de Bobadilla, Slg. 1999, I-4773); im Folgenden: Rechtsprechung Vlassopoulou.
(27) - Zu den bereichsbezogenen Systemen gegenseitiger Anerkennung der Diplome, die von 1975 bis 1985 für sieben Berufe (Ärzte, Krankenpfleger, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen, Apotheker und Architekten) eingeführt wurden, kamen zwei allgemeine Anerkennungssysteme hinzu. Die bereichsbezogenen Systeme machen die Anerkennung der Diplome von der Beachtung eines Mindestmaßes an Koordinierung der Bedingungen für den Zugang zum Beruf oder dessen Ausübung abhängig. Angesichts des komplexen Charakters der Harmonisierungsarbeit und des sich daraus für die Verwirklichung des Binnenmarkts auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs ergebenden schleppenden Verlaufs wurden die bereichsbezogenen Systeme durch die allgemeinen Systeme ergänzt, die auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen, wonach die Ausbildungsgänge in den einzelnen Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Zugang zu den geregelten Berufen und auf deren Ausübung als miteinander vergleichbar angenommen werden.
(28) - Die Rechtsprechung Vlassopoulou verpflichtet einen Mitgliedstaat in dieser Hinsicht zur Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Befähigungsnachweise durch Vergleich zwischen den bescheinigten und den geforderten Kenntnissen und Fähigkeiten. Das einzige Kriterium für die Beurteilung der Gleichwertigkeit dieser Fachkenntnis ist die Kenntnis- und Fähigkeitsstufe, die aufgrund des betreffenden Befähigungsnachweises anzunehmen ist. Die Mitgliedstaaten können jedoch den objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sich auf den rechtlichen Rahmen des betreffenden Berufes im Herkunftsmitgliedstaat oder auf dessen Tätigkeitsbereich beziehen.
(29) - Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im vorgenannten Urteil Fernández de Bobadilla in Randnummer 27 wie folgt entschieden hat: "Wenn die [eine] ... oder die [andere] Richtlinie ... anwendbar ist, so kann eine öffentliche Anstalt eines Mitgliedstaats, die verpflichtet ist, die Vorschriften der betreffenden Richtlinie zu beachten, keine Homologierung der Befähigungsnachweise eines Bewerbers durch die zuständigen nationalen Stellen mehr verlangen."
(30) - Neunte Begründungserwägung.
(31) - Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie.
(32) - Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie.
(33) - Siehe oben, Nr. 37.