61998J0109

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 22. April 1999. - CRT France International SA gegen Directeur régional des impôts de Bourgogne. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal administratif de Dijon - Frankreich. - Abgabe auf die Lieferung von CB-Funkgeräten - Abgabe gleicher Wirkung - Inländische Abgabe - Anwendbarkeit des Verbotes auf den Handel mit Drittländern. - Rechtssache C-109/98.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-02237


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Freier Warenverkehr - Zölle - Abgaben gleicher Wirkung - Abgabe auf die Lieferung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Sende- und Empfangsgeräten für die CB-Funkkanäle - Unzulässigkeit

(EG-Vertrag, Artikel 9, 12 und 95)

2 Freier Warenverkehr - Handelsverkehr mit Drittstaaten - Zölle - Abgaben gleicher Wirkung - Abgabe auf die Lieferung von aus Drittländern eingeführten Sende- und Empfangsgeräten für die CB-Funkkanäle - Unzulässigkeit

(EG-Vertrag, Artikel 9, 12 und 113)

Leitsätze


3 Die Artikel 9 und 12 des Vertrages stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in einem Mitgliedstaat aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des französischen Code général des impôts geregelt ist.

Eine solche Abgabe ist eine Abgabe zollgleicher Wirkung und keine inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages, denn sie gehört nicht zu einem allgemeinen inländischen Abgabensystem, das Erzeugnisgruppen systematisch nach objektiven Kriterien unabhängig vom Ursprung der Erzeugnisse erfasst, da die Methode der Abgabenerhebung für die betreffenden Geräte von der für die anderen Geräte, die das Fernmeldespektrum der Hertzschen Wellen nutzen, in der Weise abweicht, daß die Abgabe auf die Lieferung und nicht auf die Nutzung erhoben wird.

4 Die Artikel 9, 12 und 113 des Vertrages stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in einem Mitgliedstaat aus Drittländern eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des französischen Code général des impôts geregelt ist.

Seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Zolltarifs verstösst die Erhebung eines Zolles oder einer Abgabe gleicher Wirkung, die einseitig von einem Mitgliedstaat auf die Einfuhren unmittelbar aus einem Drittland eingeführt worden ist, gegen die genannten Bestimmungen.

Entscheidungsgründe


1 Das Tribunal administratif Dijon hat mit Urteil vom 24. März 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 15. April 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 9, 12 und 95 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft CRT France International SA (im folgenden: Klägerin), die Telekommunikationsgeräte, darunter Sende- und Empfangsgeräte für die CB-Funkkanäle (im folgenden: CB-Funkgeräte), nach Frankreich einführt, und dem Directeur régional des impôts de Bourgogne wegen eines Abgabenbescheids vom 18. Oktober 1996, mit dem die Finanzverwaltung von der Klägerin 25 127 160 FF Pauschalabgabe auf die Lieferung von CB-Funkgeräten forderte.

3 Diese Abgabe in Höhe von ursprünglich 250 FF je CB-Funkgerät war durch Artikel 83 des Steuerberichtigungsgesetzes 1992 vom 31. Dezember 1992 mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführt worden. Die Abgabe wurde durch Gesetz vom 30. Dezember 1993 mit Wirkung vom 1. Januar 1994 geändert. Diese Bestimmung, die in Artikel 302bis X des Code général des impôts kodifiziert worden ist, lautet:

"I. Die Lieferung von Sende- und Empfangsgeräten für CB-Funkkanäle (CB-Funkgeräte) in Frankreich unterliegt einer Abgabe.

Geräte mit bis zu 40 Kanälen, die ausschließlich in Winkelmodulation mit einer Spitzenleistung von höchstens 4 Watt arbeiten, unterliegen der Abgabe nicht.

II. Die Abgabe ist von Herstellern, Importeuren und Personen zu entrichten, die derartige Geräte innerhalb der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 256bis Absatz I Nummer 3_ erwerben, um sie im Rahmen von Absatz I dieses Artikels zu betreiben.

Die Abgabe wird auf 30 % des Verkaufspreises ohne Mehrwertsteuer der CB-Funkgeräte festgelegt; sie beträgt mindestens 150 FF und höchstens 350 FF je Gerät.

Die Abgabe wird in dem auf den Erwerb des CB-Funkgeräts folgenden Monat fällig.

III. Für die Feststellung, die Erhebung und die Kontrolle der Abgabe gelten dieselben Verfahren und dieselben Sanktionen, Garantien und Vergünstigungen wie für die Mehrwertsteuer. Einsprüche sind nach den für die Mehrwertsteuer geltenden Vorschriften zu erheben, zu prüfen und zu bescheiden."

4 Da die Klägerin die Vereinbarkeit dieser Abgabe mit den Artikeln 9, 12 und 95 des Vertrages bestreitet, hat das Tribunal administratif Dijon die Entscheidung ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die nationalen Behörden durch die Artikel 9, 12 und 95 des Vertrages vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft daran gehindert, von Herstellern, Importeuren und Personen, die in Frankreich Sende- und Empfangsgeräte für CB-Funk vertreiben, eine Abgabe zu erheben, die in Artikel 302bis X des Code général des impôts geregelt ist?

5 Nach Ansicht der Klägerin ist die fragliche Abgabe wegen fehlender einheimischer Produktion als eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll einzustufen, da sie nur eingeführte Erzeugnisse treffe. Die Abgabe auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte CB-Funkgeräte laufe den Artikeln 9 und 12 des Vertrages, diejenige auf aus Drittländern eingeführte CB-Funkgeräte Artikel 113 zuwider.

6 Diese Abgabe könne nicht als eine inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages angesehen werden, da sie nicht Teil eines allgemeinen Besteuerungssystems, das systematisch eingeführte und einheimische Erzeugnisse erfasse, insbesondere nicht eines allgemeinen Systems der Besteuerung der Nutzung des Richtfunknetzes sei. Viele Arten von Geräten zur Nutzung des Richtfunknetzes unterlägen keiner Abgabe. Ferner erfolge die Besteuerung der anderen Arten von Geräten zur Nutzung dieses Netzes nach anderen Kriterien als die Besteuerung der CB-Funkgeräte. Letztere hänge allein von der Zahl der verkauften CB-Funkgeräte ab, ohne daß berücksichtigt werde, ob sie später im französischen Hoheitsgebiet benutzt würden, in welchen Frequenzbereichen sie konkret sendeten oder welche Breite der zugewiesene Bereich habe.

7 Die Klägerin führt, insoweit unbestritten, aus, daß die Einführung der Abgabe zu einer Verdoppelung der Preise der Standardgeräte geführt habe, auf die der Grossteil des Absatzes entfalle, und daß dies zu einem Zusammenbruch des Marktes geführt habe.

8 Demgegenüber vertreten die französische Regierung und die Kommission die Auffassung, daß auch ohne einheimische Produktion die fragliche Abgabe den Charakter einer inländischen Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages habe, da sie Teil eines allgemeinen Besteuerungssystems sei, mit dem die Kosten gedeckt werden sollten, die der Französischen Republik aus der unter die staatliche Hoheitsgewalt fallenden Nutzung des Fernmeldespektrums der Hertzschen Wellen entstuenden. Vor dem 1. Januar 1993 sei diese Abgabe auf die Benutzung der CB-Funkgeräte erhoben und von den Benutzern bei der Erteilung einer individuellen behördlichen Betriebsgenehmigung entrichtet worden. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sei das Gesetz dahin geändert worden, daß die Abgabe nicht mehr auf die Benutzung, sondern auf die Lieferung der CB-Funkgeräte erhoben werde und nicht mehr von den Benutzern, sondern von den Herstellern und den Importeuren zu entrichten sei.

9 Nach Angaben der französischen Regierung und der Kommission unterliegen alle Geräte, die das Richtfunknetz in Frankreich nutzten, einer, wenn auch unterschiedlich ausgestalteten, Abgabe. Abgabenfrei seien nur bestimmte Geräte mit geringer Leistung, die nach einer europäischen Norm zugelassen seien.

10 Die französische Regierung führt schließlich aus, daß die fragliche Abgabe Artikel 95 des Vertrages insbesondere deshalb nicht zuwiderlaufe, weil sie keine einheimische Produktion begünstige. Diese Bestimmung sei im übrigen auf direkt aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse nicht anwendbar; um solche handele es sich bei den meisten CB-Funkgeräten.

11 Nach ständiger Rechtsprechung liegt das entscheidende Merkmal einer Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll, das diese von einer inländischen Abgabe unterscheidet, in dem Umstand, daß erstere ausschließlich das eingeführte Erzeugnis als solches, die zweite aber sowohl eingeführte als auch inländische Erzeugnisse trifft (vgl. insbesondere Urteil vom 3. Februar 1981 in der Rechtssache 90/79, Kommission/Frankreich, Slg. 1981, 283, Randnr. 13.

12 Im vorliegenden Fall gab es unstreitig keine einheimische Produktion von CB-Funkgeräten. Dies ist jedoch eine Tatfrage, die das nationale Gericht zu prüfen hat.

13 Der Gerichtshof hat auch anerkannt, daß eine Abgabe, die bei Fehlen eines gleichen oder gleichartigen inländischen Erzeugnisses auf ein aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführtes Erzeugnis erhoben wird, keine Maßnahme gleicher Wirkung, sondern eine inländische Abgabe im Sinne des Artikels 95 EG-Vertrag ist, wenn sie zu einem allgemeinen inländischen Abgabensystem gehört, das Erzeugnisgruppen systematisch nach objektiven Kriterien unabhängig vom Ursprung der Erzeugnisse erfasst (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 14).

14 Dem Vorbringen der französischen Regierung und der Kommission, die Abgabe auf CB-Funkgeräte sei Teil eines solchen Systems und solle es der Französischen Republik ermöglichen, die notwendigen Kosten der Bewirtschaftung des Fernmeldespektrums der Hertzschen Wellen zu decken, ist nicht zu folgen.

15 Denn es ist zwar dargetan worden, daß die meisten Geräte, die dieses Spektrum nutzen, einer Abgabe unterliegen, doch weicht die Methode der Abgabenerhebung für CB-Funkgeräte von der für die anderen Geräte in der Weise ab, daß die Abgabe im Fall der CB-Funkgeräte auf die Lieferung erhoben wird, während sie in den anderen Fällen von den Benutzern getragen wird.

16 Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 31 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist nicht dargetan worden, daß die Abgabe für die Nutzung des Fernmeldespektrums auf die Lieferung der CB-Funkgeräte und nicht auf ihre Benutzung erhoben werden müsste.

17 Wie der Gerichtshof aber im Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 158/82 (Kommission/Dänemark, Slg. 1983, 3573, Randnr. 19) entschieden hat, ist eine Belastung, die ein der Höhe nach angemessenes Entgelt für einen dem Importeur tatsächlich geleisteten Dienst darstellt, keine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll.

18 Bei der hier fraglichen Abgabe handelt es sich nicht um eine solche Belastung, da, wie die Klägerin von der französischen Regierung unwidersprochen ausgeführt hat, durch sie keine Dienstleistung für die Importeure der CB-Funkgeräte finanziert wird.

19 Ferner kann nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache C-130/93, Lamaire, Slg. 1994, I-3215, Randnr. 14) eine solche den Waren wegen des Überschreitens der Grenze auferlegte Belastung dann nicht als nach dem Vertrag verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung angesehen werden, wenn sie wegen Kontrollen erhoben wird, die zur Erfuellung von Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht durchgeführt werden.

20 Es ist unstreitig, daß die fragliche Abgabe nicht unter diese Ausnahme fällt.

21 Folglich stellt die Abgabe, soweit sie die Lieferung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten CB-Funkgeräten trifft, keine inländische Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages dar, sondern eine durch die Artikel 9 und 12 des Vertrages verbotene Abgabe zollgleicher Wirkung.

22 Was die aus Drittländern eingeführten CB-Funkgeräte angeht, verstösst die Erhebung eines Zolles oder einer Abgabe gleicher Wirkung, die einseitig von einem Mitgliedstaat auf die Einfuhren unmittelbar aus einem Drittland eingeführt worden ist, seit dem Inkrafttreten des Gemeinsamen Zolltarifs am 1. Juli 1968 gegen die Artikel 9, 12 und 113 des Vertrages (Urteile vom 13. Dezember 1973 in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73, Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders, Slg. 1973, 1609, Randnr. 18, und vom 7. November 1996 in der Rechtssache C-126/94, Cadi Surgelés u. a., Slg. 1996, I-5647, Randnr. 18).

23 Auf die Vorlagefrage ist daher wie folgt zu antworten: Die Artikel 9 und 12 des Vertrages stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in Frankreich aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des Code général des impôts geregelt ist; die Artikel 9, 12 und 113 des Vertrages stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in Frankreich aus Drittländern eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des Code général des impôts geregelt ist.

Kostenentscheidung


Kosten

24 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Erste Kammer)

auf die ihm vom Tribunal administratif Dijon mit Urteil vom 24. März 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 9 und 12 EG-Vertrag stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in Frankreich aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des französischen Code général des impôts geregelt ist. Die Artikel 9, 12 und 113 EG-Vertrag stehen einer zu Lasten der Hersteller, der Importeure und der Personen, die in Frankreich aus Drittländern eingeführte CB-Funkgeräte liefern, erhobenen Abgabe entgegen, wie sie in Artikel 302bis X des französischen Code général des impôts geregelt ist.