Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999. - Butterfly Music Srl gegen Carosello Edizioni Musicali e Discografiche Srl (CEMED). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile e penale di Milano - Italien. - Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Richtlinie 93/98/EWG - Harmonisierung der Schutzdauer. - Rechtssache C-60/98.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-03939
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 Handlungen der Organe - Handlung, die eine frühere Bestimmung ändert - Anwendung der Änderungsvorschrift auf künftige Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Bestimmung entstanden ist - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Keine Auswirkung
2 Rechtsangleichung - Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Richtlinie 93/98 - Harmonisierung der Schutzdauern - Wiederaufleben der Rechte, die vor Umsetzung der Richtlinie erloschen waren - Schutz der erworbenen Rechte Dritter - Nationale Rechtsvorschriften zur Beschränkung dieses Schutzes - Zulässigkeit
(Richtlinie des Rates 93/98, Artikel 10 Absätze 2 und 3)
1 Handlungen der Organe - Handlung, die eine frühere Bestimmung ändert - Anwendung der Änderungsvorschrift auf künftige Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Bestimmung entstanden ist - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Keine Auswirkung
2 Rechtsangleichung - Urheberrecht und verwandte Schutzrechte - Richtlinie 93/98 - Harmonisierung der Schutzdauern - Wiederaufleben der Rechte, die vor Umsetzung der Richtlinie erloschen waren - Schutz der erworbenen Rechte Dritter - Nationale Rechtsvorschriften zur Beschränkung dieses Schutzes - Zulässigkeit
(Richtlinie des Rates 93/98, Artikel 10 Absätze 2 und 3)
1 Grundsätzlich finden die Gesetze zur Änderung einer gesetzlichen Bestimmung, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts Anwendung, der unter der Geltung des alten Rechts entstanden ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zwar zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft, darf jedoch nicht soweit ausgedehnt werden, daß er die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Regelung entstanden ist, schlechthin ausschließt.
2 Aus der Gegenüberstellung der Bestimmungen des Artikels 10 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 93/98 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte folgt, daß die Richtlinie die Möglichkeit eines Wiederauflebens der Rechte, die nach den vor Umsetzung der Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften erloschen waren, unbeschadet der vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verwertungshandlungen vorgesehen, es dabei aber den Mitgliedstaaten überlassen hat, Maßnahmen zum Schutz der erworbenen Rechte Dritter zu erlassen. Die Mitgliedstaaten sind zum Erlaß solcher Maßnahmen zwar verpflichtet, deren Ausgestaltung liegt aber in ihrem Ermessen, sofern dadurch die Anwendung der neuen Schutzfristen zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt nicht generell verhindert wird.
Artikel 10 Absatz 3 dieser Richtlinie steht somit einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, die für einen begrenzten Zeitraum die Verbreitung von Tonträgern durch Personen gestattet, die diese Tonträger vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigen und in den Verkehr bringen konnten, weil die Rechte daran unter der Geltung des früheren Rechts erloschen waren. Zum einen genügen solche Rechtsvorschriften der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz erworbener Rechte Dritter zu erlassen, und zum anderen entsprechen solche Rechtsvorschriften durch die Beschränkung des Schutzes der erworbenen Rechte Dritter bezueglich der Verbreitung von Tonträgern dem Erfordernis der Begrenzung einer derartigen Vorschrift, die nur vorübergehend gelten kann, damit nicht das Hauptziel der Richtlinie, die Anwendung der neuen Schutzdauer des Urheberrechts und verwandter Rechte zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt, verhindert wird.
3 Grundsätzlich finden die Gesetze zur Änderung einer gesetzlichen Bestimmung, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts Anwendung, der unter der Geltung des alten Rechts entstanden ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zwar zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft, darf jedoch nicht soweit ausgedehnt werden, daß er die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Regelung entstanden ist, schlechthin ausschließt.
4 Aus der Gegenüberstellung der Bestimmungen des Artikels 10 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 93/98 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte folgt, daß die Richtlinie die Möglichkeit eines Wiederauflebens der Rechte, die nach den vor Umsetzung der Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften erloschen waren, unbeschadet der vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verwertungshandlungen vorgesehen, es dabei aber den Mitgliedstaaten überlassen hat, Maßnahmen zum Schutz der erworbenen Rechte Dritter zu erlassen. Die Mitgliedstaaten sind zum Erlaß solcher Maßnahmen zwar verpflichtet, deren Ausgestaltung liegt aber in ihrem Ermessen, sofern dadurch die Anwendung der neuen Schutzfristen zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt nicht generell verhindert wird.
Artikel 10 Absatz 3 dieser Richtlinie steht somit einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, die für einen begrenzten Zeitraum die Verbreitung von Tonträgern durch Personen gestattet, die diese Tonträger vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigen und in den Verkehr bringen konnten, weil die Rechte daran unter der Geltung des früheren Rechts erloschen waren. Zum einen genügen solche Rechtsvorschriften der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz erworbener Rechte Dritter zu erlassen, und zum anderen entsprechen solche Rechtsvorschriften durch die Beschränkung des Schutzes der erworbenen Rechte Dritter bezueglich der Verbreitung von Tonträgern dem Erfordernis der Begrenzung einer derartigen Vorschrift, die nur vorübergehend gelten kann, damit nicht das Hauptziel der Richtlinie, die Anwendung der neuen Schutzdauer des Urheberrechts und verwandter Rechte zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt, verhindert wird.
1 Das Tribunale civile e penale Mailand hat mit Beschluß vom 12. Februar 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 2. März 1998, gemäß Artikel Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung des Artikels 10 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 290, S. 9; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Butterfly Music Srl (im folgenden: Butterfly) und Carosello Edizioni Musicali e Discografiche Srl (im folgenden: CEMED), unterstützt durch die Federazione Industria Musicale Italiana (im folgenden: FIMI), über das Recht der Vervielfältigung und Verwertung von Aufnahmen, die nach der früher geltenden Regelung gemeinfrei geworden waren, später aber durch die Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht wieder geschützt waren.
3 Ziel der Richtlinie ist es, die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vorschriften über die Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte zu beseitigen und diese Rechtsvorschriften zu harmonisieren, damit in der gesamten Gemeinschaft dieselbe Schutzdauer gilt. So wurde gemäß Artikel 3 der Richtlinie die Schutzdauer der Rechte der ausübenden Künstler und der Hersteller von Tonträgern auf fünfzig Jahre festgelegt.
4 Nach Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie findet diese Schutzfrist auf alle Werke oder Gegenstände Anwendung, die zu dem für die Umsetzung der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt, das heisst spätestens am 1. Juli 1995, zumindest in einem der Mitgliedstaaten geschützt waren. Artikel 10 Absatz 3 bestimmt jedoch, daß "Nutzungshandlungen, die vor [diesem] Zeitpunkt erfolgt sind, ... von dieser Richtlinie unberührt [bleiben]" und daß "[d]ie Mitgliedstaaten ... die notwendigen Bestimmungen [treffen], um insbesondere die erworbenen Rechte Dritter zu schützen".
5 In Italien betrug die Schutzdauer der Rechte der Hersteller von Schallplatten und ähnlichen Tonträgern sowie der Rechte der ausübenden Künstler nach dem Gesetz Nr. 633 vom 22. April 1941 über das Urheberrecht (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) dreissig Jahre. Dieses Gesetz wurde durch mehrere Decreti-legge aus den Jahren 1994 und 1995, die nicht in Gesetze umgewandelt wurden, und durch das Gesetz Nr. 52 vom 6. Februar 1996 (GURI Nr. 34 vom 10. Februar 1996, allgemeine Ergänzung Nr. 24, im folgenden: Gesetz Nr. 52/96) geändert, das seinerseits durch das Gesetz Nr. 650 vom 23. Dezember 1996 (GURI Nr. 300 vom 23. Dezember 1996), das die Rechtsfolgen jener Decreti-legge bestätigte, geändert wurde.
6 Nach Artikel 17 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 52/96 wurde die Schutzdauer der Rechte dieser Personen von dreissig auf fünfzig Jahre verlängert. Artikel 17 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 52/96 in der geänderten Fassung bestimmt, daß diese Schutzfrist auch für Werke und Rechte gilt, deren Schutz nach den früher geltenden Fristen erloschen, aufgrund der neuen Fristen vom 29. Juni 1995 an aber wiederaufgelebt war. Nach Artikel 17 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 52/96 in der geänderten Fassung sind die neuen Bestimmungen unbeschadet der vor dem 29. Juni 1995 vorgenommen Handlungen und Verträge und der dadurch rechtmässig erworbenen und ausgeuebten Rechte Dritter anwendbar. Insbesondere bleiben unberührt:
"a) die Verbreitung und Vervielfältigung der Ausgabe eines nach der früheren Regelung gemeinfreien Werkes in der graphischen Gestaltung und Verlagsaufmachung, in der sie veröffentlicht worden ist, durch die Personen, die das Werk vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verbreitet und vervielfältigt haben. Künftige Nachträge, die aufgrund der Art des Werkes erforderlich sind, können ebenfalls unentgeltlich verbreitet und vervielfältigt werden;
b) die Verbreitung von Schallplatten und anderen Tonträgern, für die die Nutzungsrechte nach der früheren Regelung erloschen waren, für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch die Personen, die diese Tonträger vor diesem Zeitpunkt vervielfältigt und in den Verkehr gebracht haben".
7 Butterfly, deren Tätigkeit in der Herstellung und Verbreitung von Tonträgern besteht, stellte im November 1992 mit Zustimmung des Schallplattenproduzenten CEMED, der die Rechte an den Originalaufnahmen besaß, und mit Genehmigung der Società Italiana Autori ed Editori (Italienischer Autoren- und Verlegerverband, im folgenden: SIÄ) eine Compactdisc mit dem Titel "Briciole di baci" (im folgenden: CD) her, die sechzehn Lieder mit der Sängerin Mina enthielt, die in den Jahren 1958 bis 1962 aufgenommen worden waren.
8 Diese Aufnahmen wurden Ende 1992 gemeinfrei. Die Schutzfrist für die Rechte der Schallplattenproduzenten und der ausübenden Künstler wurde jedoch später durch die in Randnummer 5 dieses Urteils erwähnten Decreti-legge und das Gesetz Nr. 52/96 in Durchführung der Richtlinie von dreissig auf fünfzig Jahre verlängert.
9 Ende 1995 und Anfang 1996 forderte CEMED Butterfly auf, die CD nicht mehr zu vervielfältigen und zu verbreiten, wobei sie sich darauf berief, daß ihre Rechte aufgrund der in der Richtlinie festgelegten Schutzdauer "wiederaufgelebt" seien. Butterfly erhob daraufhin am 10. Mai 1996 vor dem Tribunale civile e penale Mailand Klage auf Feststellung ihres Rechts auf Vervielfältigung der Aufnahmen auf der CD.
10 Butterfly machte vor dem nationalen Gericht insbesondere geltend, die Richtlinie schließe implizit das Wiedererstarken bereits erloschener Rechte aus. Selbst wenn diese Rechte "wiederaufleben" könnten, verstieße das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung gegen die ausdrückliche Verpflichtung nach Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie, die erworbenen Rechte Dritter zu schützen. CEMED, unterstützt durch den Berufsverband der italienischen Schallplattenhersteller FIMI, beantragte unter Berufung auf die neue Schutzdauer im Wege der Widerklage, Butterfly jede künftige Nutzung der Werke zu untersagen.
11 Nach Auffassung des Tribunale civile e penale Mailand ergibt sich aus Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie eindeutig, daß der Schutz der Rechte nach der Fristverlängerung, die in einigen Mitgliedstaaten aufgrund der Harmonisierung der Schutzfristen notwendig geworden sei, habe wiederaufleben können. Angesichts der Verpflichtung, die erworbenen Rechte Dritter zu schützen, sei zweifelhaft, ob Artikel 17 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 52/96 in der geänderten Fassung rechtmässig sei, wonach Tonträger, bei denen die Verwertungsrechte vor Inkrafttreten des Gesetzes gemeinfrei geworden seien, von Dritten, die vor dem genannten Zeitpunkt das Recht zu deren Vervielfältigung und Inverkehrbringen erworben hätten, nur beschränkt hätten verbreitet werden können. Das Gericht hat daher beschlossen, dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Lässt sich Artikel 10 der Richtlinie 93/98/EWG vom 29. Oktober 1993, namentlich soweit dieser den Erlaß der "notwendigen Bestimmungen, um insbesondere die erworbenen Rechte Dritter zu schützen" vorsieht, so auslegen, daß Artikel 17 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 52 vom 6. Februar 1996 in der durch das Gesetz Nr. 650 vom 23. Dezember 1996 geänderten Fassung damit vereinbar ist?
Zur Zulässigkeit
12 CEMED vertritt die Ansicht, das Vorlageersuchen sei unzulässig, da es angesichts der Umstände des Rechtsstreits unerheblich sei. Sie beruft sich zunächst auf die vertragliche Verpflichtung von Butterfly, die umstrittenen Aufnahmen nicht nach dem 31. Juli 1993 zu vervielfältigen, sodann auf den Wortlaut der Begründung des Vorlagebeschlusses, der sich auf die "Verbreitung der Lagerbestände" beziehe, obwohl alle Exemplare der CD, die Butterfly hergestellt habe, vor Ende 1995 verkauft worden seien, und schließlich auf das fehlende Rechtsschutzinteresse von Butterfly, da diese weder eine urheberrechtliche Lizenz der SIÄ noch eine Genehmigung der Sängerin Mina erhalten habe.
13 Dazu genügt der Hinweis, daß es nach ständiger Rechtsprechung (siehe vor allem Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnrn. 59 bis 61) allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung übernehmen muß, die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlaß seines Urteils zu beurteilen. Nur wenn offensichtlich ist, daß die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, kann er ein Vorlageersuchen zurückweisen (vgl. insbesondere Urteil Bosman, Randnr. 61). Da dies in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall ist, kann das Vorabentscheidungsersuchen also nicht deshalb für unzulässig erklärt werden, weil geltend gemacht worden ist, daß es angesichts der Umstände des Rechtsstreits unerheblich sei.
14 Folglich ist die Vorlagefrage zu prüfen.
Zur Vorlagefrage
15 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die, wie das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung, für einen begrenzten Zeitraum die Verbreitung von Tonträgern durch Personen gestattet, die diese Tonträger vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigen und in den Verkehr bringen konnten, weil die Rechte daran unter der Geltung des früheren Rechts erloschen waren.
16 Butterfly schlägt dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage zu antworten, daß das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung Artikel 10 der Richtlinie widerspreche, da es den Schallplattenherstellern, die gutgläubig Werke verwertet hätten, deren Schutz nach der Verlängerung der Schutzdauer des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte wiederaufgelebt sei, keinen angemessenen Schutz gewähre. Insbesondere sei die Befristung des Rechts der Verbreitung von Schallplatten auf eine Dauer von drei Monaten gemäß Artikel 17 Absatz 4 Buchstabe b des Gesetzes Nr. 52/96 in der geänderten Fassung für die Personen, die diese Schallplatten vor Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigt und in den Verkehr gebracht hätten, unangemessen und stehe im Widerspruch zu der Regelung nach Artikel 17 Absatz 4 Buchstabe a dieses Gesetzes in der geänderten Fassung, nach der die Verbreitung literarischer Werke, die gemeinfrei geworden seien, nicht befristet sei.
17 CEMED, FIMI, die italienische Regierung und die Kommission schlagen demgegenüber als Antwort vor, daß Artikel 10 der Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften, wie dem Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung, nicht entgegenstehe. Sie berufen sich unter anderem darauf, daß die Regeln zur Beschränkung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte eng auszulegen seien. FIMI und die italienische Regierung machen ausserdem geltend, die aus dem Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung folgende Begünstigung der Herausgeber von literarischen Werken, die gemeinfrei geworden seien, sei durch die höheren Investitionen gerechtfertigt, die diese Personen vornehmen müssten. Die Kommission teilt zwar diese Ansicht nicht, hält aber die Frist für den Verkauf der Tonträgerbestände, die unter Berücksichtigung der Decreti-legge von 1994 und 1995 tatsächlich fast ein Jahr betragen habe, für ausreichend, um der Verpflichtung nachzukommen, die erworbenen Rechte Dritter im Sinne der Richtlinie zu schützen.
18 Wie das vorlegende Gericht dargelegt hat, ergibt sich aus Artikel 10 Absatz 2 der Richtlinie eindeutig, daß die Anwendung der in der Richtlinie festgelegten Schutzfristen in den Mitgliedstaaten, deren Recht eine kürzere Schutzdauer vorsieht, dazu führen kann, daß Werke oder Gegenstände, die gemeinfrei geworden sind, wieder geschützt sind.
19 Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers. Während der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission vorsah, daß die Richtlinie "auf die Rechte, die am 31. Dezember 1994 nicht erloschen sind" anwendbar ist, hat das Europäische Parlament diesen Vorschlag geändert und eine Neufassung eingebracht, die im wesentlichen in die endgültige Fassung der Richtlinie übernommen worden ist.
20 Diese Lösung wurde gewählt, um das namentlich in der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie genannte Ziel der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften über die Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte so schnell wie möglich zu erreichen und um zu vermeiden, daß bestimmte Rechte in einigen Mitgliedstaaten erloschen, in anderen dagegen geschützt sind.
21 Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie sieht jedoch vor, daß Nutzungshandlungen, die vor dem für die Durchführung der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt, d. h. spätestens dem 1. Juli 1995, erfolgt sind, von der Richtlinie unberührt bleiben und die Mitgliedstaaten die notwendigen Bestimmungen treffen, um insbesondere die erworbenen Rechte Dritter zu schützen.
22 Wie diese Vorschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus den beiden letzten Begründungserwägungen der Richtlinie. Nach der 26. Begründungserwägung "sollte es [den Mitgliedstaaten] freistehen, Bestimmungen zu erlassen, die die Auslegung, Anpassung und weitere Erfuellung von Verträgen über die Nutzung geschützter Werke oder sonstiger Gegenstände betreffen, die vor der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verlängerung der Schutzdauer geschlossen wurden". Nach der 27. Begründungserwägung sind "die Wahrung erworbener Rechte und die Berücksichtigung berechtigter Erwartungen ... Bestandteil der gemeinschaftlichen Rechtsordnung. Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere vorsehen können, daß das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, die in Anwendung dieser Richtlinie wiederaufleben, unter bestimmten Umständen diejenigen Personen nicht zu Zahlungen verpflichten, die die Werke zu einer Zeit gutgläubig verwertet haben, als diese gemeinfrei waren."
23 Aus der Gegenüberstellung dieser beiden Vorschriften folgt, daß die Richtlinie die Möglichkeit eines Wiederauflebens des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte, die nach den vor Umsetzung der Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften erloschen waren, unbeschadet der vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verwertungshandlungen vorgesehen, es dabei aber den Mitgliedstaaten überlassen hat, Maßnahmen zum Schutz der erworbenen Rechte Dritter zu erlassen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften sind die Mitgliedstaaten zum Erlaß solcher Maßnahmen zwar verpflichtet, deren Ausgestaltung liegt aber in ihrem Ermessen, sofern dadurch die Anwendung der neuen Schutzfristen zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt nicht generell verhindert wird.
24 Wie der Generalanwalt in Nummer 25 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, entspricht diese Lösung ausserdem dem Grundsatz, daß die Gesetze zur Änderung einer gesetzlichen Bestimmung, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts Anwendung finden, der unter der Geltung des alten Rechts entstanden ist (siehe vor allem die Urteile vom 14. April 1970 in der Rechtssache 68/69, Brock, Slg. 1970, 171, Randnr. 6, und vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 270/84, Licata/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1986, 2305, Randnr. 31). Wenn sich das Wiederaufleben des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte nämlich nicht auf Verwertungshandlungen auswirkt, die ein Dritter vor dem Zeitpunkt des Wiederauflebens abgeschlossen hat, kann es nicht als rückwirkend angesehen werden. Die Anwendung des Grundsatzes des Wiederauflebens der Rechte auf die künftigen Folgen von nicht endgültig abgeschlossenen Sachverhalten bedeutet dagegen, daß dies sich auf die Rechte eines Dritten auswirkt, einen Tonträger weiter zu verwerten, der zu diesem Zeitpunkt zwar vervielfältigt, dessen Exemplare aber noch nicht in den Verkehr gebracht und verkauft worden sind.
25 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß der Grundsatz des Vertrauensschutzes zwar zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft gehört, nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht so weit ausgedehnt werden darf, daß er die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Regelung entstanden ist, schlechthin ausschließt (siehe vor allem die Urteile vom 14. Januar 1987 in der Rechtssache 278/84, Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 1, Randnr. 36, vom 20. September 1988 in der Rechtssache 203/86, Spanien/Rat, Slg. 1988, 4563, Randnr. 19, vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C-221/88, Busseni, Slg. 1990, I-495, Randnr. 35).
26 Nach alledem entsprechen nationale Rechtsvorschriften, die, wie das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung, für einen begrenzten Zeitraum nach ihrem Inkrafttreten Personen die Verbreitung von Tonträgern gestatten, die diese vervielfältigt und in den Verkehr gebracht hatten, nachdem die Verwertungsrechte für diese Tonträger nach dem früheren Recht erloschen waren, den Vorschriften der Richtlinie.
27 Zum einen genügen solche Rechtsvorschriften der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zum Schutz erworbener Rechte Dritter zu erlassen. Zwar gestattete das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung die Verbreitung der Tonträger nur für drei Monate, eine solche Frist kann aber im Hinblick auf das verfolgte Ziel als angemessen angesehen werden, zumal die tatsächliche Frist, wie die Kommission vorgetragen hat, angesichts der Umstände, unter denen die Richtlinie durch die in Randnummer 5 dieses Urteils erwähnten Decreti-legge und das Gesetz Nr. 52/96 umgesetzt worden ist, nach der Umsetzung fast ein Jahr betrug.
28 Zum anderen entsprechen solche Rechtsvorschriften durch die Beschränkung des Schutzes der erworbenen Rechte Dritter bezueglich der Verbreitung von Tonträgern dem Erfordernis der Begrenzung einer derartigen Vorschrift, die nur vorübergehend gelten kann, damit nicht das Hauptziel der Richtlinie, die Anwendung der neuen Schutzdauer des Urheberrechts und verwandter Rechte zu dem in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt, verhindert wird.
29 Diese Auslegung wird nicht dadurch berührt, daß eine andere Vorschrift des Gesetzes Nr. 52/96 in der geänderten Fassung, die im Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist, für die Verbreitung literarischer Werke eine andere Schutzregelung für die erworbenen Rechte Dritter vorsieht. Diese Vorschrift betrifft nämlich eine andere Gruppe von Berechtigten, die sich nicht in der gleichen Situation befinden wie die von der streitigen Vorschrift Betroffenen. Unabhängig davon, ob die Schutzregelung für diese andere Gruppe den Vorschriften der Richtlinie entspricht, kann sie die Beurteilung einer Regelung, die eine objektiv andere Situation betrifft, nicht beeinflussen.
30 Folglich ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie einer nationalen Vorschrift nicht entgegensteht, die, wie das Gesetz Nr. 52/96 in der geänderten Fassung, für einen begrenzten Zeitraum die Verbreitung von Tonträgern durch Personen gestattet, die diese Tonträger vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigen und in den Verkehr bringen konnten, weil die Rechte daran unter der Geltung des früheren Rechts erloschen waren.
Kosten
31 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Tribunale civile e penale Mailand mit Beschluß vom 12. Februar 1998 vorgelegte Frage für Recht erkannt:
Artikel 10 Absatz 3 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte steht einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, die, wie das italienische Gesetz Nr. 52 vom 6. Februar 1996 in der durch das italienische Gesetz Nr. 650 vom 23. Dezember 1996 geänderten Fassung, für einen begrenzten Zeitraum die Verbreitung von Tonträgern durch Personen gestattet, die diese Tonträger vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vervielfältigen und in den Verkehr bringen konnten, weil die Rechte daran unter der Geltung des früheren Rechts erloschen waren.