61997J0414

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 16. September 1999. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Einfuhr und Erwerb von Waffen - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Nicht konforme nationale Rechtsvorschriften. - Rechtssache C-414/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-05585


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Vertragsverletzungsverfahren - Vorverfahren - Nichtbestehen einer Verpflichtung des Mitgliedstaats, alle seine Verteidigungsmittel vorzubringen

(EG-Vertrag, Artikel 169 [jetzt Artikel 226 EG])

2 Mitgliedstaaten - Verpflichtungen - Verstoß - Rechtfertigung - Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit - Zulässigkeit - Voraussetzungen

(EG-Vertrag, Artikel 36, 48, 56 und 223 [nach Änderung jetzt Artikel 30 EG, 39 EG, 46 EG und 296 EG] sowie Artikel 169 und 224 [jetzt Artikel 226 EG und 297 EG])

3 Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befugnis der Mitgliedstaaten, bestimmte Steuerbefreiungen vorläufig beizubehalten - Umfang - Einführung neuer Befreiungstatbestände - Unzulässigkeit

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b)

4 Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie - Befreiungen bestimmter Umsätze im Zusammenhang mit den in Anhang F Nummern 23 und 25 genannten Kriegsschiffen und Luftfahrzeugen - Ausdehnung auf militärisches Gerät - Unzulässigkeit

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b und Anhang F Nummern 23 und 25)

Leitsätze


1 Im Rahmen einer Klage nach Artikel 169 des Vertrages (jetzt Artikel 226 EG) kann nicht ohne Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verlangt werden, daß sich der betroffene Mitgliedstaat auf die von ihm vorgebrachten Verteidigungsmittel bereits im vorprozessualen Verfahren berufen hat. Ist der Streitgegenstand in diesem Verfahren eindeutig festgelegt worden, hat der Mitgliedstaat nämlich das Recht, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel anzuführen, um seine Verteidigung sicherzustellen, da es keine Verfahrensvorschrift gibt, die ihn verpflichten würde, während der vorprozessualen Phase sämtliche Argumente vorzubringen.

2 Die Vorschriften des Vertrages, die Ausnahmen für den Fall einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorsehen, also die Artikel 36, 48, 56 und 223 (nach Änderung jetzt Artikel 30 EG, 39 EG, 46 EG und 296 EG) sowie Artikel 224 (jetzt Artikel 297 EG), regeln begrenzte aussergewöhnliche Tatbestände und eignen sich wegen dieses begrenzten Charakters nicht für eine extensive Auslegung.

Daher muß der Mitgliedstaat, der diese Ausnahmen in Anspruch nehmen möchte, um die Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen zu rechtfertigen, nachweisen, daß die erlassenen Maßnahmen nicht die Grenzen der genannten Tatbestände überschreiten.

3 Ein Mitgliedstaat, der in Durchführung der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern bestimmte Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen hat, ist anschließend nicht mehr berechtigt, diese Umsätze mit der Begründung von der Steuer zu befreien, er mache von der Möglichkeit nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie Gebrauch, die in Anhang F der Richtlinie aufgeführten Umsätze während einer Übergangszeit weiterhin zu befreien.

4 Der durch die Richtlinie 91/680 eingeführte Artikel 28 Absatz 3a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, der das Königreich Spanien ermächtigt, die in Anhang F Nummern 23 und 25 genannten Umsätze, also Umsätze im Zusammenhang mit Kriegsschiffen und Luftfahrzeugen, von der Mehrwertsteuer zu befreien, ist als Ausnahme eng auszulegen. Der betreffende Mitgliedstaat verstösst daher gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie, wenn er die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät, soweit es sich nicht um Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe handelt, von der Mehrwertsteuer befreit.

Entscheidungsgründe


1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 5. Dezember 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstossen hat, daß es entgegen den Artikeln 2 Nr. 2, 14, 28a und 28c Teil B der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät, soweit es sich nicht um Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe im Sinne der Nummern 23 und 25 des Anhangs F der Richtlinie handelt, von der Mehrwertsteuer befreit hat.

2 Nach der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer

- Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt (Artikel 2 Nr. 1);

- die Einfuhr von Gegenständen (Artikel 2 Nr. 2) und

- der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen (Artikel 28a, eingefügt durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen, ABl. L 376, S. 1).

3 Artikel 14 dieser Richtlinie führt die zulässigen Befreiungen bei der Einfuhr auf. Artikel 28c Teil B (eingefügt durch die Richtlinie 91/680) nennt die zulässigen Befreiungen beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen.

4 Gemäß der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23; im folgenden: Beitrittsakte) ist die Sechste Richtlinie in Spanien mit Ausnahme der Kanarischen Inseln sowie von Ceuta und Melilla anwendbar.

5 Nach dem Gesetz Nr. 6/87 vom 14. Mai 1987 über die Haushaltszuweisungen für Investitionen und Unterhaltung der Streitkräfte (BÖ vom 19. Mai 1987; im folgenden: spanisches Gesetz) ist die Einfuhr von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten nach Spanien einschließlich der Lieferung von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät rückwirkend zum 1. Januar 1986 von der Mehrwertsteuer befreit.

6 Aufgrund des spanischen Gesetzes erhebt die spanische Regierung auf bestimmte Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbungen von Gegenständen keine Mehrwertsteuer, obwohl nach Ansicht der Kommission weder in den Artikeln 14 und 28c der Sechsten Richtlinie noch in der Beitrittsakte eine solche Befreiung vorgesehen ist.

7 Da die Kommission in der Einführung dieser Befreiung einen Verstoß gegen Artikel 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie sah, forderte sie die spanische Regierung mit Schreiben vom 7. Februar 1990 auf, sich hierzu innerhalb von zwei Monaten zu äussern.

8 Die spanischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 7. Mai 1990. Die Kommission blieb gleichwohl bei ihrer Auffassung, daß die Einführung der streitigen Befreiung in die spanische Rechtsordnung einen Verstoß gegen die Sechste Richtlinie darstelle.

9 Die Kommission stellte allerdings fest, daß das Königreich Spanien seit dem 1. Januar 1993 gemäß der Richtlinie 91/680 bestimmte Umsätze im Zusammenhang mit den in den Nummern 23 und 25 des Anhangs F der Sechsten Richtlinie genannten Kriegsschiffen und Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer befreien könne und daß es daher zwar in bezug auf militärisches Gerät bis zum 1. Januar 1993 gegen die Richtlinie verstossen habe, seitdem aber hinsichtlich des in den Nummern 23 und 25 dieses Anhangs genannten Geräts kein Verstoß mehr vorliege.

10 Am 6. August 1996 forderte die Kommission das Königreich Spanien mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme auf, dieser innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe durch den Erlaß der erforderlichen Maßnahmen nachzukommen.

11 Mit Schreiben vom 16. Juni 1997 antwortete das Königreich Spanien auf diese Stellungnahme und wiederholte dabei im wesentlichen seinen Standpunkt.

12 Angesichts dieses Vorbringens der spanischen Behörden hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben, da das Königreich Spanien ihrer Ansicht nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nachgekommen war.

13 Die Kommission macht geltend, daß nach der Sechsten Richtlinie jede Einfuhr und jeder innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterliege. In drei Fällen unterlägen solche Vorgänge nicht der Mehrwertsteuer, und zwar in den Fällen der in den Artikeln 14 und 28c der Sechsten Richtlinie abschließend aufgeführten Befreiungen, im Fall des Artikels 28 Absatz 3 dieser Richtlinie, wonach während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit vorübergehend eine Befreiung gewährt werden könne, und schließlich dann, wenn die Befreiung in der Beitrittsakte vorgesehen sei.

14 In den Artikeln 14 und 28c seien die Befreiungen aufgezählt, die die Mitgliedstaaten gewähren müssten oder könnten. In dieser Aufzählung finde sich keine Befreiung für Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtes Gerät, wie sie im spanischen Gesetz vorgesehen sei.

15 Die Beitrittsakte verpflichte das Königreich Spanien, die erforderlichen Maßnahmen in Kraft zu setzen, um den Richtlinien vom Beitritt an nachzukommen. Das Königreich Spanien habe die Mehrwertsteuer durch das Gesetz Nr. 30/85 vom 2. August 1985 (BÖ vom 9. August 1985) eingeführt, das am 1. Januar 1986 in Kraft getreten sei.

16 Zum Zeitpunkt der Einführung der Mehrwertsteuer habe das Königreich Spanien demnach die Unterwerfung der Einfuhr und des innergemeinschaftlichen Erwerbs von militärischem Gerät vorgesehen; die Befreiung dieser Umsätze sei erst über ein Jahr danach beschlossen worden, jedoch rückwirkend zu dem Zeitpunkt, von dem an die Mehrwertsteuer in Spanien erhoben worden sei.

17 Das Königreich Spanien trägt vor, daß die nationale spanische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, insbesondere mit Artikel 223 Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 296 Absatz 1 Buchstabe b), nach dessen Schutzklausel die Mitgliedstaaten die Maßnahmen ergreifen könnten, die ihres Erachtens für die Wahrung ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich seien, soweit sie die Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit beträfen. Das spanische Gesetz, dessen Geltungsdauer durch das Gesetz Nr. 9/90 verlängert worden sei, sei so zu verstehen, daß es auf der Grundlage dieses Artikels erlassen worden sei, denn die Befreiung von der Mehrwertsteuer stelle eine Maßnahme dar, die für die Verwirklichung der wesentlichen Ziele des Strategischen Gesamtplans und insbesondere zur Gewährleistung der Effektivität der spanischen Streitkräfte bei der nationalen Verteidigung und im Rahmen der NATO erforderlich sei.

18 Die Kommission macht zunächst geltend, das Königreich Spanien habe sein Verteidigungsmittel verspätet vorgebracht, da es sich während der vorprozessualen Phase zu keinem Zeitpunkt darauf berufen habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssten die Verstösse, die die Kommission dem Mitgliedstaat zur Last lege, in den verschiedenen Phasen des Verfahrens übereinstimmen; die Kommission könne lediglich gewisse Präzisierungen zur Stützung ihrer Auffassung vornehmen. Dieses Erfordernis gelte entsprechend im vorliegenden Fall.

19 Hierzu genügt die Feststellung, daß ein solches Erfordernis gegen den allgemeinen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verstieße. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt der ordnungsgemässe Ablauf des vorprozessualen Verfahrens eine durch den Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie nicht nur für den Schutz der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats, sondern auch dafür dar, daß sichergestellt ist, daß das eventuelle streitige Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat (vgl. Beschluß vom 11. Juli 1995 in der Rechtssache C-266/94, Kommission/Spanien, Slg. 1995, I-1975, Randnr. 17). Ist der Streitgegenstand festgelegt, hat der Mitgliedstaat somit das Recht, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel anzuführen, um seine Verteidigung sicherzustellen. Im übrigen gibt es keine Verfahrensvorschrift, die den betreffenden Mitgliedstaat verpflichten würde, im Rahmen einer Klage nach Artikel 169 des Vertrages während der vorprozessualen Phase sämtliche Argumente zu seiner Verteidigung vorzubringen.

20 Nach Ansicht der Kommission ist die Maßnahme, die das Königreich Spanien angeblich auf der Grundlage der Schutzklausel des Artikels 223 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages beschlossen habe, weil sie "erforderlich" sei, eng auszulegen, da sie eine Ausnahme von der Regel der Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer bilde. Das Königreich Spanien müsse daher darlegen, inwiefern die Unterwerfung unter die Mehrwertsteuer die wesentlichen Interessen seiner nationalen Sicherheit beeinträchtigen könnte. Die Kommission verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung der sich aus einer Richtlinie ergebenden Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen.

21 Wie der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84 (Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 26) entschieden hat, sieht der Vertrag Ausnahmen für den Fall einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nur in den Artikeln 36, 48, 56, 223 und 224 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 30 EG, 39 EG, 46 EG, 296 EG und 297 EG) vor, die begrenzte aussergewöhnliche Tatbestände regeln. Wegen ihres begrenzten Charakters eignen sich diese Vorschriften nicht für eine extensive Auslegung.

22 Daher muß der Mitgliedstaat, der diese Ausnahmen in Anspruch nehmen möchte, nachweisen, daß die betreffenden Befreiungen nicht die Grenzen der genannten Tatbestände überschreiten. Im vorliegenden Fall hat das Königreich Spanien nicht nachgewiesen, daß die im spanischen Gesetz vorgesehenen Befreiungen für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind. Aus der Begründung dieses Gesetzes geht nämlich klar hervor, daß es hauptsächlich die Finanzmittel festlegen und zuteilen soll, die eine Verstärkung und Modernisierung der spanischen Streitkräfte ermöglichen, und daß es somit die wirtschaftliche und finanzielle Grundlage des Strategischen Gesamtplans bildet. Folglich sind die Befreiungen von der Mehrwertsteuer nicht erforderlich, um das Ziel des Schutzes der wesentlichen Sicherheitsinteressen des Königreichs Spanien zu erreichen.

23 Im übrigen würde, wie der Generalanwalt in Nummer 12 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Unterwerfung der Einfuhr und des Erwerbs von Waffen unter die Mehrwertsteuer ein derartiges Ziel nicht beeinträchtigen, da die Einnahmen aus der Entrichtung der Mehrwertsteuer, die auf diese Umsätze anfiele, bis auf einen geringen Prozentsatz, der als Eigenmittel dem Haushalt der Gemeinschaft zugeführt würde, in den Staatshaushalt zurückflössen.

24 Die spanische Regierung hat somit nicht nachgewiesen, daß die Abschaffung der im spanischen Gesetz vorgesehenen Befreiung der Einfuhr und des Erwerbs von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät von der Mehrwertsteuer eine Maßnahme war, die den Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen des Königreichs Spanien hätte beeinträchtigen können, so daß derartige Befreiungen nach Artikel 223 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages gerechtfertigt wären.

25 Zur Rechtfertigung der im spanischen Gesetz vorgesehenen Befreiungen verweist das Königreich Spanien ausserdem auf Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten während einer Übergangszeit die in Anhang F aufgeführten Umsätze weiterhin befreien können, darunter "Lieferungen, Umbauten, Instandsetzung, Wartung, Vercharterung und Vermietung von Luftfahrzeugen, einschließlich der darin eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb, die durch staatliche Einrichtungen verwendet werden" (Nr. 23), und "Lieferungen, Umbauten, Instandsetzung, Wartung, Vercharterung und Vermietung von Kriegsschiffen" (Nr. 25).

26 Nach Auffassung des Königreichs Spanien trifft Artikel 28 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie keine Übergangsregelung für Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaft nach dem 31. Dezember 1977 beigetreten sind. Es wäre jedoch dem Königreich Spanien zufolge ungerecht, die den Europäischen Gemeinschaften beitretenden neuen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln als die Staaten, die zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglieder gewesen seien, so daß die neuen Mitgliedstaaten vom Tag ihres Beitritts zu den Gemeinschaften an ebenfalls die Rechte aus Artikel 28 der Sechsten Richtlinie in Anspruch nehmen könnten, ohne daß dieses Recht ausdrücklich in der Beitrittsakte vorgesehen sei.

27 Artikel 9 des Gesetzes Nr. 44/82 vom 7. Juli 1982 über die Haushaltszuweisungen für Investitionen und Unterhaltung der Streitkräfte (BÖ vom 21. Juli 1982) habe die Einfuhr jeder Art von Material, das für den Investitionsplan der spanischen Streitkräfte erforderlich gewesen sei, von der Ausgleichsteuer für inländische Abgaben befreit. Diese Steuer sei mit der Einführung der Mehrwertsteuer abgeschafft und infolge des Beitritts des Königreichs Spanien zu den Gemeinschaften durch die Mehrwertsteuer ersetzt worden. Die streitige Befreiung habe somit zum Zeitpunkt des Beitritts des Königreichs Spanien existiert und auf der Grundlage des Artikels 28 der Sechsten Richtlinie beibehalten werden können.

28 Die Kommission dagegen meint, daß die Ausgleichsteuer für inländische Abgaben mit der Einführung der Mehrwertsteuer durch das Gesetz Nr. 30/85 abgeschafft worden sei, das am 1. Januar 1986 in Kraft getreten sei, als das Königreich Spanien den Europäischen Gemeinschaften beigetreten sei. Folglich habe das Königreich Spanien zum Zeitpunkt der Einführung der Mehrwertsteuer jede Einfuhr und jeden innergemeinschaftlichen Erwerb von militärischem Gerät dieser Steuer unterworfen. Die Befreiung dieser Umsätze habe das Königreich Spanien später (jedoch rückwirkend zum 1. Januar 1986) mit dem spanischen Gesetz beschlossen.

29 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache C-35/90, Kommission/Spanien, Slg. 1991, I-5073, Randnr. 7) konnte das Königreich Spanien, nachdem es die Lieferung von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät aus anderen Mitgliedstaaten durch das am 1. Januar 1986 in Kraft getretene Gesetz Nr. 30/85 der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung unterworfen hatte, anschließend nicht mehr von der Möglichkeit Gebrauch machen, diese Tätigkeiten nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie weiterhin von der Steuer zu befreien.

30 Eine rückwirkende Befreiung, wie sie in der spanischen Regelung vorgesehen ist, stuende zudem im Widerspruch zum Zweck der Gemeinschaftsvorschrift. Nach ständiger Rechtsprechung steht nämlich Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie schon seinem Wortlaut nach der Einführung neuer Befreiungstatbestände entgegen (vgl. Urteile vom 8. Juli 1986 in der Rechtssache 73/85, Kerrutt, Slg. 1986, 2219, Randnr. 17, und vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-74/91, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 15).

31 Was den Anwendungsbereich des durch die Richtlinie 91/680 eingeführten Artikels 28 Absatz 3a betrifft, der das Königreich Spanien ermächtigt, die in Anhang F Nummern 23 und 25 genannten Umsätze zu befreien, so ist eine solche Befreiung als Ausnahme eng auszulegen (vgl. Urteil Kommission/Spanien vom 17. Oktober 1991, Randnr. 9) und räumt die Vertragsverletzung durch das Königreich Spanien nur teilweise aus. Zum einen bleibt nämlich die Vertragsverletzung bis zum 1. Januar 1993, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 91/680, vollständig bestehen, und zum anderen betrifft die durch diese Richtlinie eingeführte Ausnahme nur Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe.

32 Daher ist festzustellen, daß das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Sechsten Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 91/680 verstossen hat, daß es entgegen den Artikeln 2 Nr. 2, 14, 28a und 28c Teil B dieser Richtlinie die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät, soweit es sich nicht um Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe im Sinne der Nummern 23 und 25 des Anhangs F der Richtlinie handelt, von der Mehrwertsteuer befreit hat.

Kostenentscheidung


Kosten

33 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Spanien mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, es zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen verstossen, daß es entgegen den Artikeln 2 Nr. 2, 14, 28a und 28c Teil B die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Waffen, Munition und ausschließlich für den militärischen Gebrauch bestimmtem Gerät, soweit es sich nicht um Luftfahrzeuge und Kriegsschiffe im Sinne der Nummern 23 und 25 des Anhangs F der Richtlinie handelt, von der Mehrwertsteuer befreit hat.

2. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.