Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 4. März 1999. - Union française de l'express (Ufex), vormals Syndicat français de l'express international (SFEI), DHL International und Service CRIE gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und May Courier. - Rechtsmittel - Wettbewerb - Abweisung einer Nichtigkeitsklage - Aufgabe der Kommission nach den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag - Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses. - Rechtssache C-119/97 P.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-01341
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Tenor
1 Handlungen der Organe - Begründungspflicht - Umfang - Bezugnahme auf eine frühere Handlung - Zulässigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 190)
2 Rechtsmittel - Gründe - Überprüfung der Würdigung der Beweismittel durch den Gerichtshof - Ausschluß ausser bei Verfälschung
3 Wettbewerb - Verwaltungsverfahren - Prüfung von Beschwerden - Berücksichtigung des Gemeinschaftsinteresses an der Untersuchung einer Sache - Beurteilungskriterien
4 Wettbewerb - Verwaltungsverfahren - Prüfung von Beschwerden - Festlegung von Prioritäten durch die Kommission - Verpflichtung zur Einzelfallprüfung - Einstellung der beanstandeten Verhaltensweisen - Unzureichender Grund für die Verfahrenseinstellung
(EG-Vertrag, Artikel 3 Buchstabe g, 85, 86 und 89 Absatz 1)
5 Verfahren - Beweisaufnahme - Antrag einer Partei - Zurückweisung - Voraussetzungen
1 In der Begründung einer Verwaltungshandlung kann auf andere Handlungen Bezug genommen und insbesondere, zumal bei einem Sachzusammenhang, der Inhalt einer früheren Handlung angeführt werden.
2 Die Beurteilung der vorgebrachten Beweismittel durch das Gericht ist keine der Überprüfung durch den Gerichtshof in der Rechtsmittelinstanz unterliegende Rechtsfrage, es sei denn, diese Beweismittel seien verfälscht worden oder aus den zu den Akten gereichten Schriftstücken ergebe sich die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Gerichts.
3 Da sich auf einem Gebiet wie dem Wettbewerbsrecht der tatsächliche und rechtliche Zusammenhang von Fall zu Fall beträchtlich unterscheiden kann, ist bei der Einschätzung des durch eine Beschwerde begründeten Gemeinschaftsinteresses durch die Kommission auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Es ist nicht angebracht, die Zahl der Beurteilungskriterien, die die Kommission heranziehen kann, einzuschränken oder ihr die ausschließliche Anwendung bestimmter Kriterien vorzuschreiben.
4 Die Kommission, der es nach Artikel 89 Absatz 1 EG-Vertrag obliegt, auf die Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 des Vertrages niedergelegten Grundsätze zu achten, hat die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft festzulegen und gemäß ihrer Ausrichtung durchzuführen. Um der wirksamen Erledigung dieser Aufgabe willen darf sie den ihr vorliegenden Beschwerden verschieden hohe Priorität zuweisen.
Jedoch darf die Kommission bei einer Entscheidung über die Prioritäten nicht bestimmte Situationen, die unter die ihr durch den Vertrag zugewiesene Aufgabe fallen, als von vornherein von ihrem Tätigkeitsbereich ausgeschlossen ansehen. In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission in jedem Einzelfall ein Urteil über die Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und deren fortdauernde Wirkungen zu bilden.
Dauern wettbewerbswidrige Wirkungen nach der Einstellung der sie verursachenden Praktiken fort, so ist die Kommission nach den Artikeln 2, 3 Buchstabe g und 86 EG-Vertrag weiterhin dafür zuständig, zu ihrer Beseitigung oder Neutralisierung tätig zu werden.
Die Kommission darf demzufolge nicht unter Berufung auf die blosse Tatsache, daß angeblich vertragswidrige Praktiken eingestellt worden sind, die Behandlung einer diese Praktiken beanstandenden Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses einstellen, ohne geklärt zu haben, daß keine wettbewerbswidrigen Wirkungen fortdauern und daß der Beschwerde kein Gemeinschaftsinteresse aufgrund der Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs oder von deren fortdauernden Wirkungen zukommt.
5 Wenn die Kläger unter Angabe des Verfassers, des Adressaten und des Datums eines offenbar für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Schriftstücks bei ihm beantragt haben, die Vorlage dieses Schriftstücks anzuordnen, darf das Gericht diesen Antrag nicht mit der Begründung zurückweisen, das Schriftstück sei nicht zu den Akten gegeben worden und für seine Existenz lägen keine Beweise vor.
Das Gericht darf sich nämlich nicht darauf beschränken, die Behauptungen der Parteien wegen unzulänglichen Beweises zurückzuweisen, obwohl es von ihm abhängt, daß durch Bewilligung des Antrags der Parteien die Ungewißheit über die Richtigkeit dieser Behauptungen ausgeräumt wird oder aber die Gründe dafür dargelegt werden, daß ein solches Schriftstück unabhängig von seinem Inhalt keinesfalls für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein kann.
1 Die Union française de l'expreß (Ufex), vormals Syndicat français de l'expreß international (im folgenden: SFEI), DHL International und Service CRIE haben mit Rechtsmittelschrift, die am 22. März 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. Januar 1997 in der Rechtssache T-77/95 (SFEI u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der ihre Beschwerde nach Artikel 86 EG-Vertrag zurückweisenden Entscheidung der Kommission vom 30. Dezember 1994 (im folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist.
2 Am 21. Dezember 1990 legten die Rechtsmittelführer und May Courier Beschwerde bei der Kommission ein, um u. a. einen Verstoß der französischen Post (La Poste française; im folgenden: Post) gegen Artikel 86 EG-Vertrag feststellen zu lassen.
3 Im Hinblick auf Artikel 86 beanstandeten die Rechtsmittelführer die logistische und unternehmerische Unterstützung, die die Post ihrer auf dem Gebiet der internationalen Eilkurierdienste tätigen Tochtergesellschaft Société française de messageries internationales (seit 1992 GDEW France; im folgenden: SFMI) gewähre. Die mißbräuchliche Ausnutzung durch die Post habe darin bestanden, daß die Post ihre Infrastruktur zu ungewöhnlich günstigen Bedingungen von SFMI habe benutzen lassen, um auf diese Weise ihre beherrschende Stellung vom Markt für Basispostleistungen auf den verbundenen Markt der internationalen Eilkurierdienste auszudehnen.
4 Mit Schreiben vom 10. März 1992 teilte die Kommission den Rechtsmittelführern mit, daß ihre Beschwerde zurückgewiesen werde.
5 Mit Beschluß vom 30. November 1992 in der Rechtssache T-36/92 (SFEI u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2479) erklärte das Gericht die Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführer und May Courier für unzulässig. Jedoch hob der Gerichtshof diesen Beschluß mit Urteil vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C-39/93 P (SFEI u. a./Kommission, Slg. 1994, I-2681) auf und verwies die Sache an das Gericht zurück.
6 Mit Schreiben vom 4. August 1994 hob die Kommission die Entscheidung auf, die Gegenstand des Verfahrens vor dem Gericht gewesen war. Das Gericht erklärte daher mit Beschluß vom 3. Oktober 1994 in der Rechtssache T-36/92 (SFEI u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) die Hauptsache für erledigt.$
7 Am 29. August 1994 forderte das SFEI die Kommission gemäß Artikel 175 EG-Vertrag auf, tätig zu werden.
8 Am 28. Oktober 1994 richtete die Kommission ein Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) an das SFEI, in dem sie diesem mitteilte, daß sie die Beschwerde zurückzuweisen beabsichtige.
9 Nachdem die Kommission die Bemerkungen des SFEI erhalten hatte, erließ sie die streitige Entscheidung, die folgenden Inhalt hat:
"Die Kommission bezieht sich auf Ihre am 21. Dezember 1990 bei meinen Dienststellen eingegangene Beschwerde, der eine Abschrift einer am 20. Dezember 1990 beim französischen Conseil de la concurrence erhobenen Beschwerde beigefügt war. Beide Beschwerden betrafen die internationalen Eilkurierdienste der französischen Postverwaltung.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1994 teilte Ihnen die Kommission gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 mit, daß es die von ihr im Rahmen der Untersuchung der Sache ermittelten Umstände nicht rechtfertigten, Ihrer Beschwerde stattzugeben, soweit diese auf Artikel 86 des Vertrages gestützt werde, und forderte Sie auf, hierzu Stellung zu nehmen.
In Ihrer Stellungnahme vom 28. November 1994 hielten Sie an Ihrer Auffassung hinsichtlich des Vorliegens eines Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung durch die französische Post und die SFMI fest.
Die Kommission teilt Ihnen daher unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme mit dem vorliegenden Schreiben ihre endgültige Entscheidung über Ihre Beschwerde vom 21. Dezember 1990 betreffend die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 86 mit.
Die Kommission ist aus den in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 1994 dargestellten Gründen der Auffassung, daß im vorliegenden Fall keine ausreichenden Nachweise für eine Fortdauer der angeblichen Zuwiderhandlungen vorliegen, so daß Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann. Insoweit ergibt sich aus Ihrer Stellungnahme vom 28. November 1994 kein neuer Gesichtspunkt, der es der Kommission ermöglichen würde, dieses auf den nachstehenden Gründen beruhende Ergebnis zu ändern.
Zum einen behandeln das Grünbuch über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste und die Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste (KOM [93]247 endg. vom 2. Juni 1993) u. a. die in der Beschwerde des SFEI im wesentlichen aufgeworfenen Fragen. Obwohl diese Dokumente nur Vorschläge für das künftige Recht enthalten, müssen sie speziell bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob die Kommission ihre beschränkten Mittel angemessen verwendet und ob ihre Dienststellen insbesondere eine rechtliche Regelung für den künftigen Markt für Postdienste ausarbeiten, statt von Amts wegen ihnen zur Kenntnis gebrachte angebliche Zuwiderhandlungen zu untersuchen.
Zum anderen veröffentlichte die Kommission aufgrund einer Untersuchung, die sie gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 bei dem von TNT, der Post und vier weiteren Postverwaltungen gegründeten Gemeinschaftsunternehmen (GD Net) durchgeführt hatte, ihre Entscheidung vom 2. Dezember 1991 in der Sache Nr. IV/M.102. Sie beschloß mit dieser Entscheidung, keine Einwände gegen den angemeldeten Zusammenschluß zu erheben und diesen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Sie wies insbesondere darauf hin, daß für das Gemeinschaftsunternehmen $durch die beabsichtigte Transaktion keine beherrschende Stellung, die den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben erheblich beeinträchtigen könnte, geschaffen oder verstärkt wird`.
Einige Hauptpunkte der Entscheidung bezogen sich auf die Auswirkungen, die die Tätigkeit der ehemaligen SFMI für den Wettbewerb haben konnte: Der ausschließliche Zugang der SFMI zu den Anlagen der Post wurde in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt und auf zwei Jahre nach der Vollendung des Zusammenschlusses befristet, so daß die SFMI jedenfalls nicht als Subunternehmer der Post tätig wurde. Der SFMI von der Post eingeräumte Zugangsrechte waren anderen Kurierdiensten, mit denen die Post einen Vertrag schloß, in gleicher Weise anzubieten.
Dieses Ergebnis entspricht in jeder Hinsicht den von Ihnen am 21. Dezember 1990 für die Zukunft vorgeschlagenen Lösungen. Sie verlangten, daß die SFMI, falls sie weiter die Leistungen der PTT in Anspruch nehmen wolle, für diese die gleichen Preise wie für die Leistungen eines privaten Unternehmens zahlen sollte; ferner forderten Sie, daß $jede Form von Unterstützung und Diskriminierung abgestellt wird` und daß $die SFMI ihre Preise an den tatsächlichen Wert der von der Post angebotenen Leistungen anpasst`.
Die von Ihnen angesprochenen Probleme für den gegenwärtigen und künftigen Wettbewerb auf dem Gebiet der internationalen Eilkurierdienste sind also offensichtlich durch die von der Kommission nunmehr getroffenen Maßnahmen in angemessener Weise geregelt worden.
Sollten Sie der Auffassung sein, daß die Post die ihr in der Sache IV/M.102 auferlegten Bedingungen insbesondere auf dem Gebiet der Beförderung und der Werbung nicht eingehalten hat, so ist es Ihre Sache, soweit möglich, hierfür Beweise beizubringen, und eventuell eine Beschwerde gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu erheben. Die Behauptungen, $die gegenwärtigen Tarife der SFMI (ohne etwaige Rabatte) sind weiterhin wesentlich niedriger als die Tarife der Mitglieder des SFEI` (Seite 3 Ihres Schreibens vom 28. November) oder $Chronopost verwendet die Lastwagen der PTT als Werbeträger` (Feststellungsprotokoll in der Anlage zu Ihrem Schreiben) müssten jedoch durch Tatsachen gestützt werden, die eine Untersuchung durch die Kommission rechtfertigen.
Die Maßnahmen der Kommission nach Artikel 86 des Vertrages sind auf die Erhaltung eines echten Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt gerichtet. Für den Gemeinsamen Markt für internationale Eilkurierdienste hätte die Kommission, in Anbetracht der wesentlichen oben dargestellten Entwicklung, eine Untersuchung der fraglichen Tätigkeiten nur rechtfertigen können, wenn neue Informationen über etwaige Verstösse gegen Artikel 86 geliefert worden wären.
Im übrigen hält sich die Kommission nicht für verpflichtet, möglicherweise früher begangene Verstösse gegen die Wettbewerbsregeln zu untersuchen, wenn eine solche Untersuchung nur bezweckt oder bewirkt, daß den individuellen Interessen der Parteien gedient wird. Nach Auffassung der Kommission besteht nach Artikel 86 des Vertrages kein Interesse an einer solchen Untersuchung.
Ich teile Ihnen mit, daß Ihre Beschwerde aus den angeführten Gründen zurückgewiesen wird."
Die Klage vor dem Gericht
10 Mit der Klageschrift, die am 6. März 1995 eingereicht wurde, haben die Rechtsmittelführer und May Courier Nichtigkeitsklage beim Gericht erhoben und insbesondere gerügt, daß gegen Artikel 86 EG-Vertrag, den Begriff des Gemeinschaftsinteresses, den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung, den Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot verstossen worden sei. Ferner haben sie der Kommission die Begehung eines Ermessensmißbrauchs vorgeworfen.
11 Erstens haben sie geltend gemacht, daß die Kommission Artikel 86 EG-Vertrag verletzt habe, da sie sich auf eine Entscheidung zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1; Berichtigung ABl. 1990, L 257, S. 13) gestützt habe, obwohl sich die Kriterien für die Beurteilung der von ihr zu würdigenden Sachverhalte je nachdem unterschieden, ob Artikel 86 oder die genannte Verordnung angewendet werde.
12 Zweitens haben die Rechtsmittelführer geltend gemacht, die Kommission habe nicht die Rechtsnormen über die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an der der Beschwerde zugrunde liegenden Angelegenheit eingehalten. Zum einen habe sie nicht die Voraussetzungen berücksichtigt, von der die Zurückweisung einer Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses nach der Rechtsprechung (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnr. 86; im folgenden: Urteil Automec II) abhänge; diese Voraussetzungen bezögen sich auf die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens und den Umfang der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen. Zum anderen habe die Kommission nicht erläutert, wie sie sicher sein könne, daß die wettbewerbswidrigen Praktiken eingestellt worden seien.
13 Drittens haben die Rechtsmittelführer die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung und des Diskriminierungsverbots gerügt.
14 Zum Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung haben sie geltend gemacht, die Kommission habe ein ihrer Beschwerde beigefügtes Wirtschaftsgutachten eines Betriebsprüfungsbüros nicht berücksichtigt.
15 Gegen das Diskriminierungsverbot sei dadurch verstossen worden, daß die Kommission beschlossen habe, die Beschwerde zurückzuweisen, weil es sich ihrer Ansicht nach lediglich um in der Vergangenheit liegende Zuwiderhandlungen gehandelt habe und eine Untersuchung daher nur den individuellen Interessen der Parteien gedient hätte. Diese Begründung stehe im Widerspruch zu zahlreichen früheren Entscheidungen der Kommission.
16 Viertens haben die Rechtsmittelführer der Kommission vorgeworfen, sich eines Ermessensmißbrauchs schuldig gemacht zu haben. In diesem Zusammenhang haben sie geltend gemacht, die Erklärungen der jeweiligen für den Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglieder verdeutlichten die zwiespältige Haltung der Kommission, die in der Öffentlichkeit für den Wettbewerb auf dem Postsektor eintrete, aber tatsächlich dem Druck einiger Staaten und nationaler Verwaltungen nachgebe.
17 Zur Untermauerung dieses Standpunkts haben die Rechtsmittelführer beim Gericht beantragt, die Vorlage eines Schreibens des Kommissionsmitglieds Sir Leon Brittan an den Präsidenten der Kommission vom 1. Juni 1995 anzuordnen, aus dem sich ergebe, daß die Kommission beschlossen habe, die in der Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen nicht zu verfolgen, weil sie der Einführung einer Postpolitik durch den Rat den Vorzug gebe.
Das angefochtene Urteil
18 In dem angefochtenen Urteil hat das Gericht festgestellt, daß der Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 86 EG-Vertrag fehlgehe, weil die Zurückweisung der Beschwerde allein darauf beruhe, daß in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse bestehe (Randnrn. 34 und 36). Zwar werde nur im vorletzten Absatz der streitigen Entscheidung ausdrücklich auf das Gemeinschaftsinteresse Bezug genommen (Randnr. 31); dieser Absatz sei aber mit dem Rest der Entscheidung untrennbar verbunden, so daß die streitige Entscheidung insgesamt die Beurteilung der Frage betreffe, ob für die Kommission Grund bestehe, auf einem Gebiet tätig zu werden, auf dem sie ihre Befugnisse bereits ausgeuebt habe (Randnr. 32).
19 Insoweit hat das Gericht ausgeführt, daß die Kommission zunächst darauf hingewiesen habe, daß der Postsektor Gegenstand einer Gesamtanalyse im Rahmen des am 11. Juni 1992 mitgeteilten Grünbuchs über die Postdienste und der am 2. Juni 1993 mitgeteilten Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste gewesen sei. Ferner habe die Kommission festgestellt, daß die speziell für den Fall der internationalen Eilkurierdienste gerügten Verstösse gegen Artikel 86 des Vertrages von ihr im Rahmen der Entscheidung GD Net untersucht und abgestellt worden seien. Schließlich habe die Kommission betont, daß die Kläger das Fortbestehen der Zuwiderhandlungen nicht nachgewiesen hätten und daß es nicht Aufgabe der Kommission sei, sich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des individuellen Interesses der Parteien mit früheren Zuwiderhandlungen zu befassen (Randnr. 32).
20 Das Gericht hat darüber hinaus ausgeführt, daß die der streitigen Entscheidung zugrunde gelegten Gesichtspunkte keinen Sinn hätten, wenn sie als eine rechtliche Würdigung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages anzusehen wären. Die streitige Entscheidung enthalte nämlich weder eine Definition des in geographischer und sachlicher Hinsicht zugrunde zu legenden Marktes noch eine Würdigung der Stellung der Post auf diesem Markt oder eine Beurteilung der Praktiken anhand von Artikel 86 des Vertrages (Randnr. 33).
21 Zum zweiten Klagegrund hat das Gericht erstens die Ansicht vertreten, daß die Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses berechtigt sei, andere erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, als es in seinen früheren Urteilen aufgeführt habe. Denn wie sich aus dem Urteil Automec II ergebe, beruhe diese Beurteilung auf einer unter seiner Kontrolle durchgeführten Untersuchung der Umstände des konkreten Falles (Randnr. 46).
22 Zweitens hat das Gericht ausgeführt, die Kommission sei zu der Entscheidung befugt, daß es nicht angebracht sei, einer Beschwerde, mit der später eingestellte Verhaltensweisen beanstandet würden, stattzugeben. Die Untersuchung der Sache und die Feststellung früherer Zuwiderhandlungen hätten nicht mehr dem Interesse gedient, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen, und hätten damit nicht mehr der der Kommission durch den Vertrag übertragenen Aufgabe entsprochen. Das Ziel eines solchen Verfahrens hätte im wesentlichen darin bestanden, es den Beschwerdeführern zu erleichtern, im Hinblick auf die Erlangung von Schadensersatz vor den nationalen Gerichten ein Fehlverhalten zu beweisen. Dies gelte hier insofern erst recht, als die Abstellung der streitigen Praktiken das Ergebnis einer Handlung der Kommission gewesen sei (Randnrn. 57 f.).
23 Drittens hat das Gericht geprüft, ob die Kommission davon ausgehen durfte, daß im vorliegenden Fall die in der Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen aufgrund des Erlasses der Entscheidung GD Net eingestellt worden seien (Randnr. 61).
24 In diesem Zusammenhang hat es zunächst darauf verwiesen, daß in der Entscheidung GD Net die Kommission zunächst festgestellt habe, daß die angemeldeten Vereinbarungen eine Bestimmung enthielten, wonach von der gemeinsamen Tochtergesellschaft an eine Postverwaltung weitervergebene Dienstleistungen gegen Vergütung und zu den handelsüblichen Bedingungen erbracht werden sollten. Die Kommission habe jedoch darauf hingewiesen, daß die Postverwaltungen zur Zeit ihrer Entscheidung noch kein Verfahren für eine genaue Berechnung der Kosten jeder der erbrachten Leistungen eingeführt hätten und daher Wettbewerbsverzerrungen nicht auszuschließen seien. Sie habe sodann die Ansicht vertreten, daß die Postverwaltungen keine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Gewährung von Quersubventionen an die gemeinsame Tochtergesellschaft hätten, da ihr individueller Anteil an deren Gewinn nicht so hoch sein könne wie die von jeder Postverwaltung gewährten Subventionen. Ferner hätten sich die an dem Geschäft beteiligten Postverwaltungen verpflichtet, die gleichen Leistungen zu den gleichen Bedingungen an Dritte zu erbringen, solange sie das Nichtvorliegen von Quersubventionen nicht beweisen könnten (Randnr. 62).
25 Sodann hat das Gericht festgestellt, daß die Entscheidung GD Net insbesondere die Post betroffen habe und diese daher durch die Bestimmungen der angemeldeten Vereinbarungen und insbesondere durch die Bestimmungen über die Vergütung der durch ihre Tochtergesellschaft an sie weitervergebenen Leistungen sowie durch die der streitigen Entscheidung beigefügten Verpflichtungen rechtlich gebunden werde. Ferner hat das Gericht ausgeführt, daß sich die Post aufgrund des Zusammenschlusses aus dem Markt für internationale Eilkurierdienste zurückgezogen habe, so daß sie auf diesem Sektor keine eigenen Tätigkeiten beibehalten habe, die es ihr ermöglicht hätten, sich den eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen (Randnr. 64).
26 Schließlich hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission in Anbetracht der Bindung der Post an die angemeldeten Vereinbarungen und die oben erwähnten Verpflichtungen habe annehmen dürfen, daß diese Regeln, sobald der Zusammenschluß durchgeführt sein würde - dies sei nach den gegenüber dem Gericht gemachten Angaben am 18. März 1992 der Fall gewesen - eingehalten werden würden, soweit Anhaltspunkte für ihre Verletzung fehlten (Randnr. 68).
27 Viertens hat das Gericht ausgeführt, daß die von den Klägern angeführten zwei Beweise für das Fortbestehen der streitigen Verhaltensweisen - ein öffentliches Protokoll über Werbung für den Dienst "Chronopost" auf einem Fahrzeug der Post und der im Schreiben der Kläger erwähnte Umstand, daß "die gegenwärtigen Tarife der SFMI ... weiterhin wesentlich niedriger sind als die Tarife der Mitglieder des SFEI" - zwar möglicherweise die Feststellung zuließen, daß tatsächlich Leistungen untervergeben worden seien, daß jedoch aus ihnen nicht auf das Vorliegen von Quersubventionen geschlossen werden könne (Randnr. 69).
28 Auch ist nach den Ausführungen des Gerichts der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung angeführte Umstand, daß die Kommission im Juli 1996 beschlossen habe, ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages über ein Beihilfevorhaben Frankreichs zugunsten von SFMI-Chronopost (ABl. 1996, C 206, S. 3) einzuleiten, kein Beweis dafür gewesen, daß die Kommission beim Erlaß der streitigen Entscheidung über Gesichtspunkte verfügte, die ausgereicht hätten, um eine Untersuchung gemäß Artikel 86 des Vertrages für den Zeitraum nach dem Erlaß der Entscheidung GD Net zu rechtfertigen (Randnr. 71).
29 Zu der in der Entscheidung GD Net enthaltenen Aussage, daß Quersubventionen der Postverwaltungen für die gemeinsame Tochtergesellschaft wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären, hat das Gericht festgestellt, sie sei vor ihm nicht angefochten und von den Klägern in ihren Schriftsätzen nicht beanstandet worden (Randnr. 72).
30 Demgemäß hat das Gericht den zweiten Klagegrund im Anschluß an die Feststellung zurückgewiesen, daß die Kläger keine Beweismittel für die weitere Gewährung von Quersubventionen hätten benennen können, die die Einleitung einer Untersuchung hätten rechtfertigen können (Randnr. 73).
31 Zum dritten Klagegrund hat das Gericht ausgeführt, die Kommission habe die Zurückweisung der Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses in der streitigen Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Verhaltensweisen aufgrund der Entscheidung GD Net abgestellt worden seien. Daher könne die Nichtberücksichtigung eines Sachverständigengutachtens, das sich auf einen Zeitraum vor dem Erlaß der Entscheidung GD Net bezogen habe, keine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung darstellen (Randnr. 100).
32 Zum Diskriminierungsverbot hat das Gericht zunächst festgestellt, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß die Kommission in einem mit der vorliegenden Rechtssache vergleichbaren Fall, in dem die beanstandeten Verhaltensweisen aufgrund einer früheren Entscheidung der Kommission abgestellt worden seien, dennoch hinsichtlich eines abgeschlossenen Sachverhalts eine Untersuchung nach Artikel 86 des Vertrages eingeleitet habe (Randnr.102).
33 Ferner hat das Gericht ausgeführt, die Kläger könnten sich nicht auf eine diskriminierende Anwendung von Artikel 86 des Vertrages berufen, da die streitige Entscheidung ausschließlich auf das fehlende Gemeinschaftsinteresse gestützt werde, so daß die Kommission den beanstandeten Sachverhalt nicht anhand dieser Vorschrift gewürdigt habe (Randnr. 103).
34 Zum vierten Klagegrund hat das Gericht ausgeführt, daß die Ausführungen, für die sich die Kläger auf ein angebliches Schreiben von Sir Leon Brittan an den Präsidenten der Kommission stützten, das nicht zu den Akten gegeben worden sei und für dessen Existenz keine Beweise vorlägen, blosse Behauptungen darstellten, die durch keine Beweise gestützt würden und damit keine Anhaltspunkte für einen Ermessensmißbrauch sein könnten (Randnr. 117).
35 Nach alledem hat das Gericht den vierten Klagegrund zurückgewiesen.
36 Infolgedessen hat das Gericht die Klage abgewiesen und den Rechtsmittelführern die Kosten auferlegt.
Das Rechtsmittel
37 Die Rechtsmittelführer stützen ihr Rechtsmittel auf zwölf Gründe.
38 Erstens habe das Gericht die streitige Entscheidung falsch wiedergegeben.
39 Zweitens habe das Gericht insofern einen Rechtsirrtum begangen, als es angenommen habe, daß die Kommission die streitige Entscheidung auf eine Entscheidung in einer anderen Sache mit anderen Beteiligten, einem teilweise anderen Gegenstand und einer abweichenden Rechtsgrundlage habe stützen können.
40 Drittens sei hilfsweise zu beanstanden, daß das Gericht durch dieses Vorgehen einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Urteils habe entstehen lassen.
41 Viertens fehle es an einer rechtmässigen Grundlage für das angefochtene Urteil.
42 Fünftens habe das Gericht aus dem Akteninhalt nicht rechtmässig ableiten können, daß die Kommission zulässigerweise die Einstellung der Zuwiderhandlungen habe feststellen können.
43 Sechstens habe das Gericht die Rechtsnormen über die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses verkannt.
44 Siebtens habe das Gericht gegen Artikel 86 in Verbindung mit den Artikeln 3 Buchstabe g, 89 und 155 EG-Vertrag verstossen.
45 Achtens habe das Gericht den Gleichheitssatz und die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzt.
46 Neuntens habe das Gericht den Begriff des gleichen Sachverhalts ("vergleichbarer Fall") im Rahmen der Prüfung des den Gleichheitssatz betreffenden Klagegrundes falsch verstanden.
47 Zehntens habe das Gericht den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verletzt.
48 Elftens sei das Gericht auf einen wesentlichen Punkt in ihrer Argumentation nicht eingegangen, der sich auf die Begründung der Zurückweisung ihrer Beschwerde durch die Kommission bezogen habe.
49 Schließlich habe sich das Gericht bei der Anwendung des Begriffes Ermessensmißbrauch insofern rechtlich geirrt, als es nicht alle angeführten Unterlagen geprüft habe.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
50 Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe die streitige Entscheidung insofern falsch wiedergegeben, als es verneint habe, daß diese auf zwei getrennte Gründe, die Existenz des Grünbuchs über die Postdienste und die Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste einerseits und die Entscheidung GD Net andererseits, gestützt gewesen sei.
51 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe die streitige Entscheidung auch dadurch falsch wiedergegeben, als es in diese einen aus dem Gemeinschaftsinteresse hergeleiteten Grund eingefügt habe, der darin nicht erwähnt sei.
52 Hierzu ist lediglich festzustellen, daß das Gericht zu Recht angenommen hat, daß das Fehlen eines Gemeinschaftsinteresses die Grundlage der streitigen Entscheidung insgesamt bilde.
53 Darin hat die Kommission nämlich durchgehend geprüft, ob es angebracht ist, auf einem Gebiet wiederum tätig zu werden, auf dem sie schon Schritte wie den Erlaß des Grünbuchs, der Leitlinien und der Entscheidung GD Net unternommen hatte. Da diese Schritte nur unter diesem Gesichtspunkt erwähnt wurden, können sie nicht als selbständige Gründe für die Zurückweisung der Beschwerde angesehen werden.
54 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
55 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht insofern einen Rechtsirrtum begangen habe, als es erklärt habe, daß die Kommission die streitige Entscheidung durch Verweisung auf eine andere Entscheidung habe begründen können.
56 Jede gerichtliche oder behördliche Entscheidung müsse in sich vollständig sein, da ihr Verfasser sich aufgrund der besonderen Umstände des Falles entscheiden müsse.
57 Wie der Generalanwalt in Nummer 20 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann in der Begründung einer Verwaltungshandlung auf andere Handlungen Bezug genommen und insbesondere, zumal bei einem Sachzusammenhang, der Inhalt einer früheren Handlung angeführt werden.
58 Demnach hat das Gericht keinen Rechtsirrtum begangen, indem es annahm, daß die Kommission in der streitigen Entscheidung auf die Entscheidung GD Net zur Begründung ihrer Ansicht Bezug genommen habe, daß die Entscheidung GD Net zur Abstellung der beanstandeten Praktiken geführt habe, da sie die Post rechtlich gebunden und diese sich aufgrund des Zusammenschlusses aus dem Markt für internationale Eilkurierdienste zurückgezogen habe.
59 Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund
60 Mit ihrem gegenüber dem zweiten hilfsweise vorgebrachten dritten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, falls das Gericht durch seine Annahme, daß die Kommission die streitige Entscheidung durch Verweis auf die Entscheidung GD Net begründet habe, keinen Rechtsirrtum begangen habe, sei das angefochtene Urteil wegen widersprüchlicher Begründung aufzuheben.
61 Nach Ansicht der Rechtsmittelführer ergibt sich nämlich aus den Randnummern 32 und 67 des angefochtenen Urteils, daß sämtliche in der Beschwerde als Verstoß gegen Artikel 86 EG-Vertrag gerügte Sachverhalte und Zuwiderhandlungen im Rahmen der Entscheidung GD Net tatsächlich und rechtlich beurteilt worden seien. Da in der streitigen Entscheidung auf die Begründung der Entscheidung GD Net verwiesen werde, enthalte das angefochtene Urteil einen Widerspruch in der Begründung, wenn es dort ausserdem heisse, daß die beanstandeten Praktiken in der streitigen Entscheidung nicht anhand von Artikel 86 des Vertrages gewürdigt worden seien.
62 Hierzu ist lediglich zu bemerken, daß sich das Gericht auf die Feststellung beschränkt hat, daß die Kommission in der streitigen Entscheidung die Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses zurückgewiesen habe und daher die streitigen Praktiken nicht im Hinblick auf Artikel 86 EG-Vertrag habe würdigen müssen. Wie sich im übrigen aus Randnummer 58 dieses Urteils ergibt, ist die Bezugnahme auf die Entscheidung GD Net von beschränkter Bedeutung, weil damit zum einen die Prämisse aufgestellt werden soll, daß diese Entscheidung, sollten die beanstandeten Praktiken in der Vergangenheit tatsächlich stattgefunden haben, zu ihrem Verschwinden geführt habe, und weil sie zum anderen nicht die Würdigung dieser Praktiken betrifft, die die Kommission anhand von Artikel 86 des Vertrages in der Entscheidung GD Net vorgenommen haben soll.
63 Da das angefochtene Urteil somit keinen Widerspruch enthält, ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum vierten Rechtsmittelgrund
64 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht nicht die erforderlichen Nachforschungen zur Klärung der Frage angestellt habe, ob die Kommission das angebliche Fehlen von Quersubventionen im Verhältnis zwischen der Post und ihrer Tochtergesellschaft habe feststellen können.
65 Sie beanstanden insbesondere, daß das Gericht eine Reihe von Gesichtspunkten nicht berücksichtigt habe, über die sie es unterrichtet hätten und die eine Fortführung der Subventionen nach 1991 glaubhaft erscheinen ließen, so z. B. das Fehlen einer Betriebsbuchführung der Post, die Verwendung des Images der Post durch die SFMI und ein Wirtschaftsgutachten, das die Kommission in der zum Urteil vom 11. Juli 1996 führenden Rechtssache C-39/94 (SFEI u. a., Slg. 1996, I-3547) vorgelegt habe.
66 Hierzu genügt der Hinweis, daß die Beurteilung der vorgebrachten Beweismittel durch das Gericht keine der Überprüfung durch den Gerichtshof in der Rechtsmittelinstanz unterliegende Rechtsfrage ist, sofern diese Beweismittel nicht verfälscht worden sind oder sich aus den zu den Akten gereichten Schriftstücken nicht die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Gerichts ergibt (Urteile vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42, vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, Randnrn. 48 f., und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 67; siehe auch Beschluß vom 17. September 1996 in der Rechtssache C-19/95 P, San Marco/Kommission, Slg. 1996, I-4435, Randnr. 39), was die Rechtsmittelführer nicht geltend machen.
67 Der vierte Rechtsmittelgrund ist demnach unzulässig.
Zum fünften Rechtsmittelgrund
68 Mit dem ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe in Randnummer 68 des angefochtenen Urteils nicht rechtmässig aus den Prozessakten ableiten können, daß die Kommission zu Recht die Einstellung der Zuwiderhandlungen ab Erlaß der Entscheidung GD Net festgestellt habe.
69 Nach Ansicht der Rechtsmittelführer wird dies schon dadurch widerlegt, daß in der Entscheidung GD Net vorgesehen sei, daß die von den betroffenen Unternehmen übernommenen Verpflichtungen erst am 18. März 1995 wirksam würden. Die Kommission habe daher 1994 nicht unter Berufung auf diese Verpflichtungen feststellen können, daß die beanstandeten Praktiken eingestellt worden seien.
70 Das Gericht hat in Randnummer 72 des angefochtenen Urteils festgestellt, unabhängig von der Anwendung der genannten Verpflichtungen seien
"die Parteien des angemeldeten Zusammenschlusses nämlich an die Bestimmungen ihres Vertrages gebunden, die u. a. regeln, daß jede untervergebene Leistung gegen Entgelt zu den handelsüblichen Bedingungen zu erbringen ist. Ferner ergibt sich aus der Entscheidung GD Net, daß Quersubventionen der Postverwaltungen für die gemeinsame Tochtergesellschaft wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären. Diese Beurteilung, die in der - vor dem Gericht nicht angefochtenen - Entscheidung GD Net enthalten ist, ist von den Klägern in ihren Schriftsätzen nicht beanstandet worden. Tatsächlich sind die Verpflichtungen den Postverwaltungen zusätzlich auferlegt worden und zwingen sie, anderen internationalen Eilkurierdiensten gleiche Leistungen zu den gleichen Bedingungen zu gewähren, solange sie das Nichtvorliegen von Quersubventionen nicht beweisen können."
71 Da somit die Kommission und das Gericht der Ansicht waren, daß die Entscheidung GD Net unabhängig von den darin vorgesehenen Verpflichtungen geeignet sei, die vorgeworfenen Praktiken zu beenden, bezieht sich der erste Teil des fünften Rechtsmittelgrundes jedenfalls auf einen überschüssigen Punkt in der Begründung des angefochtenen Urteils und ist daher unerheblich. Deshalb braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser Teil des fünften Rechtsmittelgrundes, wie die Rechtsmittelführer geltend machen, eine Rechtsfrage aufwirft oder aber die Beweiswürdigung durch das Gericht betrifft und damit unzulässig wäre.
72 Somit ist der erste Teil des fünften Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
73 Mit dem zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführer die in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung, die im Juli 1996 von der Kommission getroffene Entscheidung, ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages über ein angebliches Beihilfevorhaben Frankreichs zugunsten von SFMI-Chronopost einzuleiten, sei "kein Beweis dafür, daß die Kommission beim Erlaß der streitigen Entscheidung über Gesichtspunkte verfügte, die ausgereicht hätten, um eine Untersuchung gemäß Artikel 86 des Vertrages für den Zeitraum nach dem Erlaß der Entscheidung GD Net zu rechtfertigen".
74 Hierzu ist lediglich festzustellen, daß sich der zweite Teil des fünften Rechtsmittelgrundes auf die Prüfung der beim Gericht vorgebrachten Beweise und damit auf die Beweiswürdigung bezieht und deshalb nicht in der Rechtsmittelinstanz geprüft werden kann.
75 Somit ist der zweite Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum sechsten und zum achten Rechtsmittelgrund
76 Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses einen Rechtsirrtum begangen. Denn aus dem in Randnummer 86 des Urteils Automec II verwendeten Wort "insbesondere" ergebe sich, daß die Kommission zumindest die dort aufgeführten Gesichtspunkte zu prüfen habe, die lediglich gemäß den Umständen durch weitere spezifische Gesichtspunkte des Einzelfalles ergänzt werden könnten. Andernfalls würde "Gemeinschaftsinteresse" zu einem vagen Begriff, dessen Inhalt die Kommission selbst von Fall zu Fall bestimme.
77 Die Rechtsmittelführer tragen vor, die in Randnummer 86 des Urteils Automec II enthaltene Formulierung sei in allen die Bewertung des Gemeinschaftsinteresses betreffenden späteren Urteilen des Gerichts aufgegriffen worden (Urteile vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-114/92, BEMIM/Kommission, Slg. 1995, II-147, Randnr. 80, und T-5/93, Tremblay u. a./Kommission, Slg. 1995, II-185, Randnr. 62).
78 Mit ihrem achten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, die in Randnummer 46 des angefochtenen Urteils enthaltene Aussage des Gerichts, daß sich die Kommission bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gemeinschaftsinteresse an einer weiteren Prüfung einer Beschwerde bestehe, nicht auf die in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte bezeichneten Gesichtspunkte beziehen müsse, verstosse gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Gleichheit.
79 Da bei der Einschätzung des durch eine Beschwerde begründeten Gemeinschaftsinteresses auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist, ist es nicht angebracht, die Zahl der Beurteilungskriterien, die die Kommission heranziehen kann, einzuschränken oder ihr umgekehrt die ausschließliche Anwendung bestimmter Kriterien vorzuschreiben.
80 Auf einem Gebiet wie dem Wettbewerbsrecht kann sich nämlich der tatsächliche und rechtliche Zusammenhang von Fall zu Fall beträchtlich unterscheiden, so daß es dem Gericht freisteht, bis dahin nicht in Betracht gezogene Kriterien zugrunde zu legen.
81 Wie der Generalanwalt in den Nummern 59 und 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde eine Erstarrung der Rechtsprechung herbeigeführt, wenn man den angeführten Rechtsmittelgründen stattgäbe.
82 Daher sind der sechste und der achte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum siebten Rechtsmittelgrund
83 Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, die vom Gericht zugrunde gelegte Auffassung von der Rolle der Kommission im Rahmen der Kontrolle der Einhaltung von Artikel 86 EG-Vertrag sei unzutreffend. Entgegen dem, was sich aus den Randnummern 56 bis 58 des angefochtenen Urteils ergebe, genüge die Einstellung wettbewerbswidriger Praktiken nicht für die Wiederherstellung annehmbarer Wettbewerbsverhältnisse, soweit die durch diese Praktiken hervorgerufenen strukturellen Ungleichgewichte fortbestuenden. Ein Eingreifen der Kommission in solche Verhältnisse sei durchaus Teil ihrer Aufgabe, für die Herstellung und Erhaltung eines unverfälschten Wettbewerbssystems im Gemeinsamen Markt Sorge zu tragen.
84 Die Quersubventionen der Post an ihr Tochterunternehmen SFMI-Chronopost hätten es der letzteren ermöglicht, auf den Markt der internationalen Eilkurierdienste vorzudringen und sich in nur zwei Jahren eine Position als Marktführer zu verschaffen. Selbst wenn diese Quersubventionen eingestellt worden seien, hätten sie den Wettbewerb verzerrt und verfälschten ihn notwendig weiter.
85 Die Feststellung der fraglichen Zuwiderhandlungen hätte es der Kommission erlaubt, im Rahmen der streitigen Entscheidung alle zur Wiederherstellung gesunder Wettbewerbsverhältnisse dienenden Maßnahmen zu treffen.
86 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die Kommission alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam prüfen, die ihr die Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen (Urteile vom 11. Oktober 1983 in der Rechtssache 210/81, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045, Randnr. 19, vom 28. März 1985 in der Rechtssache 298/83, CICCE/Kommission, Slg. 1985, 1105, Randnr. 18, und vom 17. November 1987 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 20). Ferner haben die Beschwerdeführer einen Anspruch darauf, über das Ergebnis ihrer Beschwerde durch eine Entscheidung der Kommission unterrichtet zu werden, gegen die Klage erhoben werden kann (Urteil vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Randnr. 36).
87 Jedoch begründet Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) für eine Person, die einen Antrag nach dieser Vorschrift stellt, keinen Anspruch auf eine abschließende Entscheidung der Kommission über das Vorliegen der geltend gemachten Zuwiderhandlung (Urteil vom 18. Oktober 1979 in der Rechtssache 125/78, GEMA/Kommission, Slg. 1979, 3173, Randnrn. 17 f.).
88 Die Kommission, der es nach Artikel 89 Absatz 1 EG-Vertrag obliegt, auf die Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 des Vertrages niedergelegten Grundsätze zu achten, hat die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft festzulegen und gemäß ihrer Ausrichtung durchzuführen (Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 44). Um der wirksamen Erledigung dieser Aufgabe willen darf sie den ihr vorliegenden Beschwerden unterschiedliche Priorität zuweisen.
89 Das dahin gehende Ermessen der Kommission ist jedoch nicht unbegrenzt.
90 Zum einen unterliegt die Kommission einer Begründungspflicht, wenn sie die weitere Prüfung einer Beschwerde ablehnt.
91 Da die Begründung so genau und detailliert sein muß, daß das Gericht die Ausübung der Ermessensbefugnis der Kommission zur Festlegung der Prioritäten wirksam überprüfen kann (Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C-19/93 P, Rendo u. a./Kommission, Slg. 1995, I-3319, Randnr. 27), hat die Kommission die Tatsachen, von denen die Rechtmässigkeit der Entscheidung abhängt, und die rechtlichen Erwägungen anzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben (Urteil BAT und Reynolds/Kommission, Randnr. 72, und Urteil vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 22).
92 Zum anderen darf die Kommission bei einer Entscheidung über die Prioritäten bei der Behandlung der ihr vorliegenden Beschwerden nicht bestimmte Situationen, die unter die ihr durch den Vertrag zugewiesene Aufgabe fallen, nicht als von vornherein von ihrem Tätigkeitsbereich ausgeschlossen ansehen.
93 In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission in jedem Fall ein Urteil über die Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und deren fortdauernde Wirkungen zu bilden. Diese Verpflichtung ist insbesondere darauf gerichtet, die Dauer und das Gewicht der beanstandeten Zuwiderhandlungen sowie deren Auswirkung auf die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft zu berücksichtigen.
94 Dauern wettbewerbswidrige Wirkungen nach der Einstellung der sie verursachenden Praktiken fort, so ist die Kommission somit nach den Artikeln 2, 3 Buchstabe g und 86 EG-Vertrag weiterhin dafür zuständig, zu ihrer Beseitigung oder Neutralisierung tätig zu werden (siehe in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnrn. 24 f.).
95 Die Kommission darf also nicht unter Berufung auf die blosse Tatsache, daß angeblich vertragswidrige Praktiken eingestellt worden sind, die Behandlung einer diese Praktiken beanstandenden Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses einstellen, ohne festgestellt zu haben, daß keine wettbewerbswidrigen Wirkungen fortdauern und daß der Beschwerde kein Gemeinschaftsinteresse aufgrund der Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs oder von deren fortdauernden Wirkungen zukommt.
96 Nach alledem ist festzustellen, daß das Gericht von einer irrigen Auffassung über die Aufgabe der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs ausgegangen ist, als es, ohne sich der Feststellung zu vergewissern, daß die wettbewerbswidrigen Wirkungen nicht andauerten und gegebenenfalls der Beschwerde nicht ihretwegen ein Gemeinschaftsinteresse zukommt, entschied, daß die Untersuchung einer Beschwerde über vergangene Zuwiderhandlungen nicht der der Kommission durch den Vertrag übertragenen Aufgabe entspreche, sondern im wesentlichen dazu diene, es den Beschwerdeführern zu erleichtern, zur Erlangung von Schadensersatz vor den nationalen Gerichten ein Fehlverhalten zu beweisen.
97 Der siebte Rechtsmittelgrund ist somit stichhaltig.
Zum neunten Rechtsmittelgrund
98 Mit ihrem neunten Klagegrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht in Randnummer 102 des angefochtenen Urteils der Zurückweisung ihrer Rüge, daß die Kommission durch Einnahme einer anderen Haltung als in anderen Rechtssachen gegen den Gleichheitssatz verstossen habe, eine zu enge Auslegung des Begriffes des gleichen Sachverhalts zugrunde gelegt habe.
99 Hierzu ist lediglich festzustellen, daß die Rechtsmittelführer keine Rechtssache haben anführen können, in der die Kommission trotz einer früheren Entscheidung eine Untersuchung im Hinblick auf Artikel 86 EG-Vertrag über Praktiken eingeleitet hat, die sie als beendet ansah. Daher kann nicht angenommen werden, daß das Gericht mit seiner Auffassung, daß die Rechtsmittelführer keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nachgewiesen hätten, einem Irrtum in der Beurteilung der Gleichheit der Sachverhalte unterlegen ist.
100 Der neunte Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen.
Zum zehnten Rechtsmittelgrund
101 Mit ihrem zehnten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht dadurch gegen den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verstossen habe, daß es in Randnummer 100 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, es stelle keine Verletzung des genannten Grundsatzes dar, wenn die Kommission ein vom Beschwerdeführer vorgelegtes Sachverständigengutachten, das für einen Zeitraum vor dem Erlaß der Entscheidung GD Net das Vorliegen der beanstandeten Praktiken habe beweisen sollen, nicht berücksichtigt habe.
102 Da das betreffende Gutachten lediglich einen Zeitraum vor der mutmaßlichen Einstellung der beanstandeten Praktiken betraf, war es offenbar unerheblich für die Frage, ob eine Fortführung der Untersuchung angebracht ist. Daher hat das Gericht zu Recht entscheiden können, daß die Kommission es nicht habe berücksichtigen müssen.
103 Der zehnte Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen.
Zum elften Rechtsmittelgrund
104 Mit ihrem elften Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht auf einen wesentlichen Punkt in ihrer Argumentation nicht eingegangen sei, den sie aus den Begründungsunterschieden zwischen der ersten, mit Schreiben vom 10. März 1992 mitgeteilten Zurückweisung der Beschwerde und deren den Gegenstand der streitigen Entscheidung bildenden endgültigen Zurückweisung abgeleitet hätten.
105 Hierzu ist festzustellen, daß das Gericht, wie der Generalanwalt in Nummer 29 seiner Schlussanträge dargetan hat, das betreffende Vorbringen in Randnummer 22 des angefochtenen Urteils wiedergegeben und in Randnummer 35 zurückgewiesen hat.
106 Somit ist der elfte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum zwölften Rechtsmittelgrund
107 Mit ihrem zwölften Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, daß das Gericht ohne Prüfung aller von ihnen angeführten Unterlagen über den Klagegrund des Ermessensmißbrauchs entschieden habe.
108 So habe das Gericht in Randnummer 117 des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß ein Schreiben von Sir Leon Brittan an den Präsidenten der Kommission kein hinreichender Anhaltspunkt für den Ermessensmißbrauch sei, da es nicht zu den Akten gegeben worden sei und keine Beweise für seine Existenz vorlägen.
109 Da sie ausdrücklich beantragt hätten, die Vorlage des genannten Schreibens anzuordnen, habe das Gericht bei der Beurteilung des Begriffes des Ermessensmißbrauchs einen Rechtsirrtum begangen, als es, ohne sich die Mittel zur Prüfung des Schreibens zu beschaffen, dieses als nicht hinreichenden Anhaltspunkt eingestuft habe.
110 Das Gericht durfte den Antrag der Rechtsmittelführer, die Vorlage eines offenbar für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Schriftstücks anzuordnen, nicht mit der Begründung zurückweisen, dieses Schriftstück sei nicht zu den Akten gegeben worden und für seine Existenz lägen keine Beweise vor.
111 Denn aus Randnummer 113 des angefochtenen Urteils ergibt sich, daß die Rechtsmittelführer den Verfasser, den Adressaten und das Datum des Schreibens, dessen Vorlage sie verlangten, angegeben hatten. Angesichts solcher Angaben konnte sich das Gericht nicht darauf beschränken, die Behauptungen der Parteien wegen unzulänglichen Beweises zurückzuweisen, obwohl es von ihm abhing, daß durch Bewilligung des Antrags der Rechtsmittelführer, die Vorlage von Schriftstücken anzuordnen, die eventuelle Ungewißheit über die Richtigkeit dieser Behauptungen ausgeräumt wurde oder aber die Gründe dafür dargelegt wurden, daß ein solches Schriftstück unabhängig von seinem Inhalt keinesfalls für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein konnte.
112 Der zwölfte Rechtsmittelgrund ist somit stichhaltig.
113 Nach alledem sind der siebte und der zwölfte Rechtsmittelgrund für stichhaltig zu erklären, und das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben.
Zur Zurückverweisung an das Gericht
114 Nach Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann dann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Da der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif ist, ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
(Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. Januar 1997 in der Rechtssache T-77/95 (SFEI u. a./Kommission) wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.