Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 3. Dezember 1998. - Strafverfahren gegen Ditlev Bluhme. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kriminalretten i Frederikshavn - Dänemark. - Freier Warenverkehr - Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen Mitgliedstaaten - Ausnahmen - Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren - Bienen der Art Apis mellifera mellifera (braune Læsø-Biene). - Rechtssache C-67/97.
Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-08033
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 Freier Warenverkehr - Mengenmässige Beschränkungen - Maßnahmen gleicher Wirkung - Begriff - Verbot der Haltung bestimmter Tierarten in einem Teil des nationalen Hoheitsgebiets
(EG-Vertrag, Artikel 30)
2 Freier Warenverkehr - Ausnahmen - Schutz der Gesundheit von Tieren - Erhaltung der biologischen Vielfalt - Verbot, auf einer Insel andere Arten von Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) zu halten - Zulässigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 36)
1 Eine nationale Regelung, die es verbietet, in einem Teil des nationalen Hoheitsgebiets bestimmte Tierarten zu halten und sie dorthin einzuführen, stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag dar.
Eine solche Regelung, die sich auf die Eigenschaften der betreffenden Tierarten selbst bezieht, kann nicht als eine Regelung über Verkaufsmodalitäten angesehen werden. Sie hat im übrigen eine unmittelbare und sofortige Auswirkung auf den Handel und keine zu ungewissen und mittelbaren Wirkungen, als daß die in ihr vorgesehene Verpflichtung nicht als Hemmnis für den Handel zwischen Mitgliedstaaten angesehen werden könnte.
2 Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, ist als nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen.
Die Maßnahmen zur Erhaltung einer einheimischen Tierpopulation, die Merkmale aufweist, die sie von anderen unterscheidet, tragen dazu bei, die biologische Vielfalt zu bewahren, indem sie das Fortbestehen der betreffenden Population gewährleisten, und bezwecken damit, das Leben dieser Tiere zu schützen.
Im Hinblick auf diese Erhaltung der biologischen Vielfalt ist es unerheblich, ob es sich bei dem Schutzobjekt um eine eigene Unterart, eine unterschiedliche Rasse innerhalb einer Art oder um einen einfachen lokalen Stamm handelt, soweit es sich um Populationen handelt, die Merkmale aufweisen, die sie von anderen unterscheiden und die folglich als schutzwürdig angesehen werden, sei es, um sie vor einer mehr oder weniger imminenten Gefahr des Aussterbens zu bewahren, sei es, wenn eine solche Gefahr nicht besteht, aus einem wissenschaftlichen oder anderen Interesse an der Erhaltung der reinen Population an dem betreffenden Ort.
1 Das Kriminalret Frederikshavn hat mit Beschluß vom 3. Juli 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag und des Artikels 2 der Richtlinie 91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über zuechterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere und zur Änderung der Richtlinien 77/504/EWG und 90/425/EWG (ABl. L 85, S. 37; nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Ditlev Bluhme, dem vorgeworfen wird, gegen die nationalen Rechtsvorschriften verstossen zu haben, nach denen das Halten von Bienen auf der Insel Läsö verboten ist, die nicht der Art Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) angehören.
3 Artikel 1 der Richtlinie bestimmt:
"Im Sinne dieser Richtlinie gelten als $reinrassige Tiere` alle von Anhang II des Vertrages erfassten Zuchttiere, für deren Vermarktung noch keine spezifischeren zuechterischen Gemeinschaftsvorschriften bestehen und die in einem Register oder Stammbuch, das von einer anerkannten Zuechterorganisation oder -vereinigung geführt wird, eingetragen oder registriert sind."
4 Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß
- die Vermarktung reinrassiger Tiere und ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen aus zuechterischen oder genealogischen Gründen weder untersagt noch eingeschränkt oder behindert wird;
- die Kriterien für die Zulassung und die Anerkennung von Zuechterorganisationen oder -vereinigungen, die Kriterien für die Eintragung in die Register und Stammbücher, die Kriterien für die Zulassung reinrassiger Tiere zu Zuchtzwecken und die Verwendung ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen sowie die bei der Vermarktung ihres Samens, ihrer Eizellen oder Embryonen sowie die bei der Vermarktung dieser Tiere und Erzeugnisse vorzulegende Bescheinigung im Hinblick auf die Einhaltung der Erfordernisse nach dem ersten Gedankenstrich unter Ausschluß jeglicher Diskriminierung und unter Wahrung der von der Organisation oder Vereinigung, die das Register oder Stammbuch führt, festgelegten Grundsätze aufgestellt werden. Bis zum Inkrafttreten etwaiger Durchführungsvorschriften gemäß Artikel 6 bleiben die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften unter Beachtung der allgemeinen Bestimmungen des Vertrages anwendbar."
5 Artikel 6 der Richtlinie sieht vor, daß die Durchführungsvorschriften zu der Richtlinie nach dem sogenannten "Ausschußverfahren" erlassen werden. Solche Durchführungsvorschriften sind hinsichtlich der Bienen nicht erlassen worden.
6 In Dänemark ermächtigt § 14a des Gesetzes Nr. 115 vom 31. März 1982 über die Bienenzucht (lov om biavl), der durch das Gesetz Nr. 267 vom 6. Mai 1993 eingefügt wurde, den Landwirtschaftsminister, Bestimmungen zum Schutz bestimmter Bienenrassen in bestimmten dort aufgeführten Gebieten zu erlassen, insbesondere Bestimmungen hinsichtlich der Entfernung oder Vernichtung von Bienenvölkern, die aus Schutzgründen als unerwünscht anzusehen sind. Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung über die Bienenzucht auf Läsö (bekendtgörelse om biavl paa Läsö, Nr. 528, vom 24. Juni 1993, nachstehend: Verordnung) verbietet in § 1, auf Läsö und bestimmten umliegenden Inseln Honigbienen zu halten, die nicht der Art Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) angehören.
7 Die Verordnung sieht in § 2 ausserdem vor, daß diese anderen Bienenvölker von Läsö entfernt oder vernichtet werden oder daß ihre Bienenkönigin gegen eine solche der Unterart braune Läsö-Biene ausgetauscht werden. Gemäß § 6 ist es verboten, nach Läsö und auf die umliegenden Inseln lebende Zuchtbienen, unabhängig von ihrem Entwicklungsstadium, sowie Fortpflanzungsmaterial von Zuchtbienen einzuführen. § 7 der Verordnung schließlich bestimmt, daß der Staat jeden ordnungsgemäß nachgewiesenen Schaden voll ersetzt, der sich aus der in Anwendung der Verordnung erfolgten Zerstörung eines Bienenvolks ergibt.
8 Ditlev Bluhme, dem vorgeworfen wird, unter Verstoß gegen die Verordnung auf Läsö Bienen gehalten zu haben, die nicht der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) angehören, macht u. a. geltend, die nationale Regelung verstosse gegen Artikel 30 EG-Vertrag.
9 Da das Kriminalret der Auffassung ist, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
I. Betreffend die Auslegung des Artikels 30 EG-Vertrag
1. Ist Artikel 30 so auszulegen, daß ein Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen Vorschriften erlassen kann, die das Halten - und damit die Einfuhr - aller anderen Bienen ausser der Art Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) auf eine bestimmte Insel in dem betreffenden Land verbieten, z. B. eine Insel von 114 km2, die zur Hälfte aus Dörfern und kleinen Hafenorten besteht, die für den Fremdenverkehr oder landwirtschaftlich genutzt werden, während die andere Hälfte aus unbestellten Flächen besteht, d. h. aus Wäldern, Heiden, Wiesen, Marschen und eigentlichen Strand- und Dünenflächen, und die am 1. Januar 1997 eine Bevölkerung von 2 365 Personen hatte, wobei es sich um eine Insel handelt, auf der die Erwerbsmöglichkeiten im allgemeinen beschränkt sind, die Bienenzucht jedoch aufgrund der besonderen Flora der Insel und des hohen Anteils unbestellter und extensiv genutzter Flächen eine der wenigen Erwerbsmöglichkeiten darstellt?
2. Für den Fall, daß ein Mitgliedstaat derartige Vorschriften erlassen kann, wird der Gerichtshof ersucht, allgemein die Voraussetzungen dafür zu nennen, konkret:
a) Kann ein Mitgliedstaat Vorschriften der unter 1 beschriebenen Art erlassen, wenn sie nur eine Insel wie die oben beschriebene betreffen, so daß ihre Wirkung geographisch begrenzt ist?
b) Kann ein Mitgliedstaat Vorschriften wie die unter 1 beschriebenen erlassen, wenn dem der Wunsch zugrunde liegt, die Bienenrasse Apis mellifera mellifera vor dem Aussterben zu schützen, was nach der Meinung des Mitgliedstaats dadurch geschehen kann, daß alle anderen Bienenrassen von der betreffenden Insel ferngehalten werden?
In dem Strafverfahren, das der Vorlage zugrunde liegt, hat der Angeklagte bestritten,
- daß es überhaupt eine Bienenrasse Apis mellifera mellifera gebe, und hat ausgeführt, daß die Bienen, die sich derzeit auf Läsö befänden, eine Mischung verschiedener Bienenrassen darstellten,
- daß die braunen Bienen, die sich auf Läsö befänden, nicht einzigartig seien, sondern an vielen Orten der Welt vorkämen, und
- daß die genannten Bienen nicht vom Aussterben bedroht seien.
Deshalb wird gebeten, bei der Beantwortung anzugeben, ob es ausreicht, daß der betreffende Mitgliedstaat es für zweckmässig oder notwendig hält, diese Vorschriften als Teil von Maßnahmen zum Schutz der betreffenden Bienenpopulation zu erlassen, oder ob ausserdem die Voraussetzung erfuellt sein muß, daß die Bienenrasse existiert und/oder daß sie einzigartig ist und/oder daß sie vom Aussterben bedroht ist, wenn das Einfuhrverbot nicht gültig ist oder nicht durchgesetzt werden kann.
c) Wenn keine der unter a und b angegebenen Begründungen den Erlaß solcher Vorschriften rechtfertigt, kann dies dann eine Kombination der beiden Begründungen bewirken?
II. Betreffend die Richtlinie 91/174/EWG des Rates vom 25. März 1991 über zuechterische und genealogische Bedingungen für die Vermarktung reinrassiger Tiere u. a.
1. In welchem Fall ist eine Biene ein reinrassiges Tier in dem Sinne, in dem die Richtlinie diesen Begriff in Artikel 2 verwendet? Ist z. B. eine gelbe Biene ein reinrassiges Tier?
2. Was sind zuechterische Gründe (Artikel 2 der Richtlinie)?
3. Was sind genealogische Gründe (Artikel 2 der Richtlinie)?
4. Ist die Richtlinie dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat ungeachtet dieser Richtlinie die Einfuhr aller anderen Bienen ausser der Rasse Apis mellifera mellifera auf eine Insel wie die, die in Frage I.1 beschrieben wurde, sowie ihre Existenz auf dieser Insel verbieten kann?
Falls ein Mitgliedstaat dies unter gewissen Voraussetzungen tun kann, wird gebeten, diese Voraussetzungen anzugeben.
Zu Teil II der Fragen
10 Mit seinen Fragen begehrt das nationale Gericht im wesentlichen eine Auslegung der Artikel 1 und 2 Absatz 1 der Richtlinie.
11 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß, wie die dänische Regierung und die Kommission zu Recht ausgeführt haben, hinsichtlich der Bienen keine Durchführungsvorschriften nach dem in Artikel 6 der Richtlinie vorgesehenen Verfahren erlassen worden sind.
12 Somit bleiben gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften anwendbar, wenn auch unter Beachtung der allgemeinen Bestimmungen des Vertrages.
13 Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige ist somit im Licht der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag zu untersuchen.
Zu Teil I der Fragen
14 Die Fragen des nationalen Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag darstellt, und falls ja, ob eine solche Regelung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt sein kann.
Zum Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung
15 Ditlev Bluhme und die Kommission sind der Auffassung, ein Verbot, auf der Insel Läsö Bienen zu halten, die nicht der Unterart braune Läsö-Biene angehören, beinhalte ein Einfuhrverbot und stelle also eine gegen Artikel 30 EG-Vertrag verstossende Maßnahme gleicher Wirkung dar. Herr Bluhme vertritt die Ansicht, die im Ausgangsverfahren streitige Regelung stehe faktisch der Einfuhr von Bienen aus anderen Mitgliedstaaten auf die Insel Läsö entgegen. Die Kommission führt in diesem Zusammenhang aus, daß Artikel 30 auch auf Maßnahmen anwendbar sei, die nur einen Teil des Staatsgebiets eines Mitgliedstaats beträfen.
16 Die dänische, die italienische und die norwegische Regierung hingegen machen geltend, die Schaffung eines Gebiets des reinrassigen Vorkommens einer bestimmten Tierart in einem geographisch begrenzten Bereich innerhalb eines Mitgliedstaats beeinträchtige nicht den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Die dänische und die norwegische Regierung führen ausserdem aus, das Verbot, auf die Insel Läsö andere Bienen als braune Läsö-Bienen einzuführen, stelle keine Diskriminierung gegenüber aus den anderen Mitgliedstaaten stammenden Bienen dar, solle nicht den Handel zwischen den Mitgliedstaaten regeln und habe eine zu hypothetische und ungewisse Auswirkung auf den Handel, als daß man es als Handelshemmnis ansehen könne.
17 Die dänische Regierung macht ferner geltend, da die nationale Regelung nicht den Zugang von Bienen zum dänischen Markt als Waren betreffe, sondern lediglich die Voraussetzungen für die Haltung der Bienen innerhalb dieses Mitgliedstaats regele, falle sie nicht unter Artikel 30 EG-Vertrag.
18 Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung anzusehen (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5).
19 Da die im Ausgangsverfahren streitige Regelung in § 6 ein allgemeines Verbot enthält, nach Läsö und auf die umliegenden Inseln lebende Bienen und Fortpflanzungsmaterial von Zuchtbienen einzuführen, verbietet sie auch deren Einfuhr aus anderen Mitgliedstaaten und ist damit geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. Sie stellt somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung dar.
20 Dem steht nicht entgegen, daß die streitige Maßnahme auf einen Teil des Hoheitsgebiets beschränkt ist (vgl. hierzu die Urteile vom 25. Juli 1991 in den Rechtssachen C-1/90 und C-176/90, Aragonesa de Publicidad und Publivía, Slg. 1991, I-4151, Randnr. 24, und vom 15. Dezember 1993 in den Rechtssachen C-277/91, C-318/91 und C-319/91, Ligur Carni u. a., Slg. 1993, I-6621, Randnr. 37).
21 Ausserdem ist entgegen dem Vorbringen der dänischen Regierung, daß das Verbot der Haltung bestimmter Bienen auf der Insel Läsö als eine Regelung über Verkaufsmodalitäten im Sinne des Urteils vom 24. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097) anzusehen sei, festzustellen, daß sich die im Ausgangsverfahren streitige Regelung im Gegenteil auf die Eigenschaften der Bienen selbst bezieht. Daher betrifft ihre Anwendung auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens keine Verkaufsmodalität im Sinne des Urteils Keck und Mithouard (Urteil vom 26. Juni 1997 in der Rechtssache C-368/95, Familiapreß, Slg. 1997, I-3689, Randnr. 11).
22 Schließlich hat die Verordnung, wie der Generalanwalt in Nummer 19 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, da sie die Einfuhr von Bienen aus anderen Mitgliedstaaten in einen Teil des dänischen Hoheitsgebiets verbietet, eine unmittelbare und sofortige Auswirkung auf den Handel, und keine zu ungewissen und mittelbaren Wirkungen, als daß die in ihr vorgesehene Verpflichtung nicht als Hemmnis für den Handel zwischen Mitgliedstaaten angesehen werden könnte.
23 Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, stellt somit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag dar.
Zur Rechtfertigung einer Regelung wie der des Ausgangsverfahrens
24 Ditlev Bluhme macht geltend, für die im Ausgangsverfahren streitige Regelung könne kein Rechtfertigungsgrund geltend gemacht werden, zumal es überhaupt keine genetisch unterschiedliche und für die Insel Läsö eigentümliche Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gebe. Ausserdem könne eine solche Regelung, da sie keine tierseuchenrechtlichen Fragen betreffe, nicht nach der Richtlinie 92/65/EWG des Rates vom 13. Juli 1992 über die tierseuchenrechtlichen Bedingungen für den Handel mit Tieren, Samen, Eizellen und Embryonen in der Gemeinschaft sowie für ihre Einfuhr in die Gemeinschaft, soweit sie diesbezueglich nicht den spezifischen Gemeinschaftsregelungen nach Anhang A Abschnitt I der Richtlinie 90/425/EWG unterliegen (ABl. L 268, S. 54), gerechtfertigt werden.
25 Die dänische Regierung macht geltend, wenn das in der Verordnung enthaltene Verbot vom Gerichtshof als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung angesehen werden sollte, so handele es sich doch um eine Maßnahme, die auf Bienen ungeachtet ihrer Herkunft unterschiedslos anwendbar sei und die durch das Ziel des Schutzes der biologischen Vielfalt gerechtfertigt sei, das insbesondere in der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) und in dem am 5. Juni 1992 in Rio de Janeiro unterzeichneten, durch den Beschluß 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 im Namen der Gemeinschaft genehmigten Übereinkommen über die biologische Vielfalt (ABl. L 309, S. 1; nachstehend: Übereinkommen von Rio) anerkannt worden sei. Sie führt hierzu aus, die Biene der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) sei vom Aussterben bedroht und könne nur auf der Insel Läsö erhalten werden, so daß die getroffene Maßnahme erforderlich sei, um ihr Aussterben zu verhindern; sie sei auch im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismässig. Im übrigen beeinträchtige die Verordnung nicht die Möglichkeit, auf der Insel Bienenzucht zu betreiben, sondern sie schreibe nur vor, welche Bienenrasse dazu verwendet werden könne.
26 Die dänische Regierung verweist schließlich auf zahlreiche wissenschaftliche Studien, aus denen sich die besondere Eigenart dieser Biene im Verhältnis zu anderen Rassen ergebe.
27 Die norwegische Regierung trägt in erster Linie vor, die dänische Regelung sei gemäß Artikel 30 EG-Vertrag und gemäß dem Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe Zentral, sogenanntes "Cassis-de-Dijon-Urteil", Slg. 1979, 649, Randnr. 8) aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt.
28 Hilfsweise macht sie in Übereinstimmung mit der italienischen Regierung und der Kommission geltend, die Erhaltung einer seltenen und bedrohten Art falle unter den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren im Sinne des Artikels 36 des Vertrages.
29 Nach Auffassung der norwegischen Regierung ist die Schaffung von Gebieten des reinrassigen Vorkommens die einzige Möglichkeit, um die braune Läsö-Biene zu erhalten.
30 Die Kommission führt aus, der gleiche Rechtfertigungsgrund müsse in dem Fall angenommen werden, daß die Art zwar nicht selten und bedroht sei, wissenschaftliche Gründe jedoch eine reinrassige Zucht wünschenswert machten.
31 Zu der Frage, ob es eine vom Aussterben bedrohte Bienenunterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gibt, führt die Kommission aus, es handele sich hierbei um eine Beweisfrage, die folglich in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts falle. Sie führt aus, das Verbot dürfe sich nicht auf die Haltung brauner Bienen der Art Apis mellifera mellifera aus anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern erstrecken, wenn kein angemessener Rechtfertigungsgrund für eine solche Einschränkung bestehe. Ein solches Verbot dürfe kein Mittel zu willkürlicher Diskriminierung sein oder den Schutz bestimmter gewerblicher Interessen bezwecken.
32 Die italienische Regierung führt schließlich aus, es gebe zahlreiche Unterarten von Apis mellifera mellifera, die als Rassen und innerhalb letzterer als Ökotypen bestimmt seien, die das Ergebnis einer natürlichen Anpassung an die Umweltbedingungen der verschiedenen Gebiete darstellten.
33 Hierzu ist festzustellen, daß die Maßnahmen zur Erhaltung einer einheimischen Tierpopulation, die Merkmale aufweist, die sie von anderen unterscheidet, dazu beitragen, die biologische Vielfalt zu bewahren, indem sie das Fortbestehen der betreffenden Population gewährleisten. Sie bezwecken damit, das Leben dieser Tiere zu schützen, und können nach Artikel 36 EG-Vertrag gerechtfertigt sein.
34 Im Hinblick auf diese Erhaltung der biologischen Vielfalt ist es unerheblich, ob es sich bei dem Schutzobjekt um eine eigene Unterart, eine unterschiedliche Rasse innerhalb einer Art oder um einen einfachen lokalen Stamm handelt, soweit es sich um Populationen handelt, die Merkmale aufweisen, die sie von anderen unterscheiden und die folglich als schutzwürdig angesehen werden, sei es, um sie vor einer mehr oder weniger imminenten Gefahr des Aussterbens zu bewahren, sei es, wenn eine solche Gefahr nicht besteht, aus einem wissenschaftlichen oder anderen Interesse an der Erhaltung der reinen Population an dem betreffenden Ort.
35 Es ist jedoch zu prüfen, ob die nationale Regelung im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Schutzziel erforderlich und verhältnismässig war oder ob es möglich gewesen wäre, mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ergebnis zu erreichen (Urteil vom 8. Februar 1983 in der Rechtssache 124/81, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1983, 203, Randnr. 16).
36 Die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch Schaffung von Gebieten, in denen eine Population einen besonderen Schutz genießt, ist im Übereinkommen von Rio, insbesondere in dessen Artikel 8 Buchstabe a, anerkannt und ist auch schon im Gemeinschaftsrecht vorgesehen (insbesondere die in der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten [ABl. L 103, S. 1] oder die in der Richtlinie 92/43 vorgesehenen besonderen Schutzgebiete).
37 Was die Gefahr des Aussterbens der braunen Läsö-Biene angeht, so ist es unbestreitbar, daß diese Gefahr im Fall der Kreuzung mit gelben Bienen tatsächlich besteht, da die Gene der braunen Biene rezessiv sind. Die Schaffung eines Schutzgebiets, in dem keine anderen Bienen als braune Läsö-Bienen gehalten werden dürfen, durch die nationale Regelung zu dem Zweck, den Fortbestand letzterer zu sichern, ist also eine geeignete Maßnahme im Hinblick auf das verfolgte Ziel.
38 Es ist demgemäß zu antworten, daß eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, als nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen ist.
Kosten
39 Die Auslagen der dänischen, der italienischen und der norwegischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
(Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Kriminalret Frederikshavn mit Beschluß vom 3. Juli 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 30 EG-Vertrag dar.
2. Eine nationale Regelung, wonach auf einer Insel wie Läsö keine anderen Bienen als solche der Unterart Apis mellifera mellifera (braune Läsö-Biene) gehalten werden dürfen, ist als nach Artikel 36 EG-Vertrag durch den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt anzusehen.