URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

17. Dezember 1997

Rechtssache T-216/95

Ana María Moles García Ortúzar

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Beamte — Internes Auswahlverfahren für den Wechsel von der Laufbahngruppe C in die Laufbalingruppe B — Entscheidung des Prüfungsausschusses, mit der das Scheitern von Bewerbern in der mündlichen Prüfung festgestellt wird — Umfang der Begründungspflicht — Beurteilung durch den Prüfungsausschuß“

Vollständiger Wortlaut in französischer Sprache   II-1083

Gegenstand:

Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das interne Auswahlverfahren KOM/B/9/93, die Klägerin nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, und der Ausschreibung dieses Auswahlverfalirens

Ergebnis:

Abweisung

Zusammenfassung des Urteils

Nach Gesprächen, die im Paritätischen Ausschuß mit verschiedenen Gewerkschaften und Berufsverbänden über die Durchführung und die Modalitäten eines neuen Auswahlverfahrens für den Wechsel von der Laufbahngruppe C in die Laufbahngruppe B und insbesondere über die Zahl der dabei zu besetzenden Stellen geführt wurden, erklärte sich die Anstellungsbehörde bereit, ein internes Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen zur Besetzung von bis zu 60 Stellen auszuschreiben.

Die Klägerin, eine Kommissionsbeamtin der Laufbahngruppe C, bewarb sich auf diese Ausschreibung hin für das interne Auswahlverfahren KOM/B/9/93, das zur Aufstellung einer Eignungsliste von Verwaltungsinspektoren der Besoldungsgruppen 5 und 4 der Laufbahngruppe B diente, die als Verwaltungsinspektor, Sekretariatsinspektor oder technischer Inspektor eine Sachbearbeitertätigkeit unter Aufsicht in Form von laufenden Büroarbeiten ausüben.

Die Klägerin erzielte in der Vorauswahlprüfung und in der redaktionellen Prüfung ein zufriedenstellendes Ergebnis und wurde zur mündlichen Prüfung zugelassen, die am 18. Oktober 1994 stattfand.

Mit Schreiben vom 18. November 1994 wurde der Klägerin pitgeteilt, daß ihr Name nicht in die Eignungsliste habe aufgenommen werden können, da sie in der mündlichen Prüfung nicht die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht habe.

Am 21. Dezember 1994 richtete der Vorsitzende der zentralen Personalvertretung der Kommission (CCP) ein Schreiben an die Vorsitzende und die Mitglieder des Prüfungsausschusses, in dem es heißt:

„In seiner Sitzung vom 16. Dezember 1994 wurde dem [CCP] ein Bericht über den Verlauf der Arbeiten des Prüfungsausschusses für das im Betreff genannte Auswahlverfahren erstattet; er wurde u. a. darüber informiert, daß die Zahl der in die Eignungsliste aufgenommenen Teilnehmer an diesem Auswahlverfahren weit geringer ist als die Zahl der für diesen Wechsel der Laufbahngruppe zur Verfügung stehenden Stellen.

Angesichts des Wortlauts der Ausschreibung des Aus wähl Verfahrens, wonach die mündliche Prüfung vor allem zur Vertiefung von Fragen dient, die sich aus dem besonderen Charakter des schriftlichen Teils ergeben, erschien es dem [CCP] angebracht, den Prüfungsausschuß um eine Überprüfung des allgemeinen Niveaus der im mündlichen Teil vergebenen Punkte zu bitten, die eine gleichmäßige Gewichtung des schriftlichen und des mündlichen Teils ermöglicht.

Das Büro des CCP steht Ihnen für alle weiteren Auskünfte zu seinem Standpunkt zur Verfügung.“

Am 15. Februar 1995 legte die Klägerin gegen die Entscheidung, sie nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, und gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens selbst Beschwerde ein.

Die Kommission wies die Beschwerde am 25. Juli 1995, nach Ablauf der Beantwortungsfrist, ausdrücklich zurück. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 16. August 1995 und dem Rechtsanwalt, der sie im vorgerichtlichen Verfahren vertrat, am 15. September 1995 mitgeteilt. Die Klägerin bestätigte am 28. August 1995 den Empfang der ausdrücklichen Zurückweisung ihrer Beschwerde.

Begründetheit

Zum Antrag auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das interne Auswahlverfahren KOM/B/9/93, die Klägerin nicht in die Eignungsliste aufzunehmen

Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

Die Begründungspflicht gemäß Artikel 25 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (Statut) ist nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das der Adressat an Erläuterungen haben kann (Randnr. 29).

Verweisung auf: Gericht, 16. Dezember 1993, Turner/Kommission, T-80/92, Slg. 1993, II-1465, Randnr. 62

Wie aus der Ausschreibung des Auswahlverfahrens hervorgeht, war Voraussetzung für die Aufnahme in die Eignungsliste, daß bei jeder Prüfung des Auswahlverfahrens mindestens die Hälfte der Gesamtpunktzahl erreicht wurde. Ferner ist ihr zu entnehmen, daß die mündliche Prüfung aus einem Gespräch des Prüfungsausschusses mit den Bewerbern bestand, in dessen Verlauf der Ausschuß unter Berücksichtigung des bei den schriftlichen Prüfungen gewonnenen Gesamteindrucks die mündliche Ausdrucksweise sowie die Befähigung der Bewerber zur Ausübung einer Tätigkeit der Laufbahngruppe B zu beurteilen hatte (Randnr. 30).

Mit der angefochtenen Entscheidung wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sie in der mündlichen Prüfung nicht die Hälfte der erforderlichen Punktzahl erhalten habe, und es wurde ihr die hierfür erteilte genaue Note bekanntgegeben (Randnr. 31).

Zwar ist diese Begründung nicht erschöpfend, da sie weder die Beurteilungen des Prüfungsausschusses noch detailliertere Kriterien für die Korrektur, als sie in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens angegeben sind, aufzeigt. Diese Umstände sind jedoch durch die Geheimhaltung der Beratungen des Prüfungsausschusses gedeckt, und die Begründungspflicht ist daher mit der Wahrung der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses gemäß Artikel 6 des Anhangs III des Statuts in Einklang zu bringen. Somit stellt die Mitteilung der in den verschiedenen Prüfungen erzielten Noten eine hinreichende Begründung der Entscheidungen des Prüfungsausschusses dar. Eine solche Begründung verletzt nicht die Rechte der Bewerber. Sie ermöglicht es ihnen, das Werturteil über ihre Leistungen in Erfahrung zu bringen, und gegebenenfalls zu prüfen, ob sie tatsächlich nicht die nach der Ausschreibung des Auswahlverfahrens erforderliche Punktzahl für die Zulassung zu bestimmten Prüfungen oder zu sämtlichen Prüfungen erhalten haben (Randnrn. 32 bis 34).

Verweisung auf: Gerichtshof, 4. Juli 1996, Parlament/Innamorati, C-254/95 P, Slg. 1996, I-3423, Randnrn. 24, 31 und 32

Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens

Die Ausschreibung des Auswahlverfahrens dient im wesentlichen dazu, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die zu besetzende Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen. Der Prüfungsausschuß, der über ein weites Ermessen in bezug auf die Modalitäten und den genauen Inhalt der im Ralimén eines Auswahlverfahrens vorgesehenen Prüfungen verfügt, ist gleichwohl an den Wortlaut dieser Ausschreibung gebunden; folglich hat das Gericht den genauen Inhalt einer Prüfung zu beanstanden, wenn er über den in der Ausschreibung des Auswahlverfalirens festgelegten Rahmen hinausgeht (Randnrn. 44 und 45).

Verweisung auf: Gericht, 16. Oktober 1990, Gallone/Rat, T-132/89, Slg. 1990, II-549, Randnr. 27

Im vorliegenden Fall heißt es zwar in der Ausschreibung des Auswahl Verfahrens, daß die mündliche Prüfung aus einem Gespräch des Prüfungsausschusses mit den Bewerbern besteht, das dazu dient, unter Berücksichtigung des bei den schriftlichen Prüfungen gewonnenen Gesamteindrucks die mündliche Ausdrucksweise sowie die Befähigung der Bewerber zur Ausübung von Tätigkeiten der Laufbahngruppe B zu beurteilen. Aus der Ausschreibung geht jedoch nicht hervor, daß die mündliche Prüfung und die schriftlichen Prüfungen Fragen der gleichen Art betreffen müssen (Randnr. 46).

In Anbetracht der Art und Weise, in der die mündliche Prüfung in der Ausschreibung beschrieben wird, ist sie vielmehr als Ergänzung der schriftlichen Prüfungen anzusehen, die dem Prüfungsausschuß die Beurteilung der Frage ermöglicht, ob die Bewerber aufgrund ihrer Persönlichkeit einen Dienstposten der Laufbahngruppe B bekleiden können (Randnr. 47).

Unter diesen Umständen betreffen die von der Klägerin genannten Fragen keine Themen, die für ein Gespräch zur Beurteilung der mündlichen Ausdrucksweise sowie der Befähigung der Bewerber zur Ausübung von Tätigkeiten der Laufbahngruppe B unangemessen sind (Randnr. 48).

Dritter Klagegrund: Verstoß gegen den Zweck der Prüfungen

Die von der Klägerin genannten Fragen lassen nicht erkennen, daß der Prüfungsausschuß den ihm durch die Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgegebenen Rahmen überschritten hat (Randnr. 53).

Fünfter Klagegrund: Ermessensmißbrauch und Verstoß gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit des Prüfungsausschusses

Die Klägerin hat keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, daß die angefochtene Entscheidung zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen wurde oder daß die Verwaltung ilire Befugnisse zu anderen als den Zwecken ausgeübt hat, zu denen sie ihr übertragen wurden (Randnr. 64).

Verweisung auf: Gericht, 7. Dezember 1995, Abellou. a./Kommission, T-544/93und T-566/93, Slg. ÖD 1995, II-815, Randnr. 86

Sechster Klagegrund: Offensichtlicher Fehler des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung der Befähigung der Klägerin zur Bekleidung eines Dienstpostens der Laufbahngruppe B

Der Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren verfügt über ein weites Ermessen, und die Berechtigung seiner Werturteile kann vom Gemeinschaftsrichter nur dann überprüft werden, wenn ein Verstoß gegen die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses maßgebenden Regeln vorliegt (Randnr. 68).

Verweisung auf: Gericht, 15. Juli 1993, Cámara Alloisio u. a./Kommission, T-17/90, T-28/91 und T-17/92, Slg. 1993, II-841, Randnr. 90; Gericht, 15. Juni 1994, Pérez Jiménez/Kommission, T-6/93, Slg. ÖD 1994, II-497, Randnr. 42; Gericht, 1. Dezember 1994, Michaèl-Chiou/Kommission, T-46/93, Slg. ÖD 1994, II-929, Randnr. 48

Es ist daher nicht Sache des Gerichts, die Beurteilung der Befähigung der Klägerin zur Bekleidung eines Dienstpostens der Laufbahngruppe B durch den Prüfungsausschuß zu überprüfen (Randnr. 69).

Die Verdienste der Klägerin, so groß sie auch sein mögen, können jedenfalls nicht zum Nachweis dafür ausreichen, daß bei der Bewertung ihrer Leistung in der mündlichen Prüfung ein offensichtlicher Fehler begangen wurde, zumal es sich um ein Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen und nicht aufgrund von Befähigungsnachweisen handelt (Randnr. 70).

Verweisung auf: Gericht, 15. Februar 1996, Belhanbel/Kommission, T-125/95, Slg. ÖD 1996, II-115, Randnr. 33

Zum Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung des internen Auswahlverfahrens KOM/B/9/93

Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e des Anhangs III des Statuts

Die Ausschreibung des Auswahlverfahrens dient im wesentlichen dazu, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die zu besetzende Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen (Randnr. 76).

Verweisung auf : Gallone/Rat, a. a. O., Randnr. 27

Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Bewerber über den genauen Inhalt jeder Prüfung informiert werden müssen. Das gilt um so mehr für den genauen Ablauf der mündlichen Prüfung, der schon seinem Wesen nach mit einem gewissen Maß an Unbestimmtheit behaftet ist. Diese Prüfung gibt dem Prüfungsausschuß die Möglichkeit, die Befähigung der Bewerber zur Ausübung der fraglichen Tätigkeiten frei zu ermitteln, um seine Beurteilung der Eigenschaften zu vervollständigen, die die schriftlichen Prüfungen erkennen lassen. Der Inhalt der mündlichen Prüfung kann je nach der Erfahrung und der Persönlichkeit der Bewerber unterschiedlich sein, solange ihr Schwierigkeitsgrad gleich bleibt (Randnr. 77).

Verweisung auf : Gallone/Rat, a. a. O., Randnr. 36

Im übrigen wurde das wesentliche Ziel der Ausschreibung des Auswahlverfahrens, den an einer Bewerbung Interessierten die Beurteilung der Frage zu ermöglichen, ob sie sich bewerben sollen, im vorliegenden Fall unstreitig erreicht (Randnr. 78).

Zum „ergänzenden“ Klagegrund eines Verstoßes des Prüfungsausschuses gegen die fiir seine Arbeit maßgebenden Regeln

Gemäß Artikel 44 § 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung muß die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten; im übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Klagegrund, der eine Erweiterung eines zuvor in der Klageschrift unmittelbar oder mittelbar vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und in engem Zusammenhang mit diesem steht, ist jedoch für zulässig zu erklären (Randnr. 87).

Verweisung auf: Gerichtshof, 30. September 1982, Amylum/Rat, 108/81, Slg. 1982,3107, Randnr. 25; Gerichtshof, 19. Mai 1983, Verros/Parlament, 306/81, Slg. 1983, 1755, Randnr. 9; Gericht, 20. September 1990, Hanning/Pariament, T-37/89, Slg. 1990, II-463, Randnr. 38; Gericht, 5. Februar 1997, Ibarra Gil/Kommission, T-207/95, Slg. ÖD 1997, II-31, Randnr. 51

Im vorliegenden Fall stützt sich der Klagegrund nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Die bloße Tatsache, daß die Kommission keine Angaben über eventuelle vom Prüfungsausschuß zur Bewertung der Antworten der Bewerber in der mündlichen Prüfung angewandte Kriterien gemacht hat, ist nicht neu (Randnr. 88).

Zudem steht kein Klagegrand in der Klageschrift in engem Zusammenhang mit der vorliegenden Behauptung der Klägerin, daß der Prüfungsausschuß vorab keine Korrekturkriterien festgelegt habe. Diese Behauptung steht auch nicht in Zusammenhang mit dem gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens gerichteten Klagegrand. Mit diesem Klagegrand wird nur die Art und Weise der Abfassung der Ausschreibung gerügt; er richtet sich somit an die Anstellungsbehörde und nicht an den Prüfungsausschuß (Randnr. 89).

Der „ergänzende“ Klagegrand wurde in der Klageschrift weder unmittelbar noch mittelbar geltend gemacht und steht nicht in engem Zusammenhang mit den darin enthaltenen Klagegründen, so daß er keine Erweiterung dieser Klagegründe darstellt (Randnr. 90).

Folglich ist der vorliegende Klagegrand als neues Angriffsmittel im Sinne von Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung anzusehen und für unzulässig zu erklären, da er nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (Randnr. 91).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.