1 Freier Dienstleistungsverkehr - Ausstrahlung von Fernsehsendungen - Richtlinie 89/552 - Fernsehwerbung - Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie - Dem Sendemitgliedstaat obliegende Überprüfung - Nationale Regelung zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende Werbung - Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden aufgrund einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung - Zulässigkeit - Bedingung - Keine Behinderung der Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus diesem Mitgliedstaat
(Richtlinien 84/450 und 89/552 des Rates)
2 Freier Dienstleistungsverkehr - Mengenmässige Beschränkungen - Maßnahmen gleicher Wirkung - Begriff - Behinderung aufgrund nationaler Bestimmungen, die die Absatzmodalitäten in einer nichtdiskriminierenden Weise regeln - Unanwendbarkeit des Artikels 30 des Vertrages - Fernsehwerbung - Regelung über irreführende Werbung - Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden aufgrund einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung - Zulässigkeit - Voraussetzungen
(EG-Vertrag, Artikel 30 und 36)
3 Freier Dienstleistungsverkehr - Beschränkungen - Fernsehwerbung - Regelung über irreführende Werbung - Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden aufgrund einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung - Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses - Voraussetzungen
(EG-Vertrag, Artikel 56 und 59)
4 Freier Dienstleistungsverkehr - Ausstrahlung von Fernsehsendungen - Richtlinie 89/552 - Fernsehwerbung - Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie - Dem Sendemitgliedstaat obliegende Überprüfung - Nationale Vorschriften, die gerade dazu dienen, den Inhalt der für Minderjährige bestimmten Fernsehwerbung zu kontrollieren - Anwendung auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten - Unzulässigkeit
(Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 16 und 22)
5 Die Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, gemäß einer allgemeinen Regelung zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende Werbung Maßnahmen, z. B. Verbote und Anordnungen, gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen, sofern diese Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus diesem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats verhindern.
Die Richtlinie sieht zwar vor, daß die Mitgliedstaaten den freien Empfang gewährleisten und die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die die Fernsehwerbung und das Sponsoring betreffen, nicht behindern, schließt jedoch die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die gerade die Ausstrahlung und Verbreitung von Programmen betreffen, nicht völlig und von vornherein aus, ebensowenig insbesondere die Anwendung einer nationalen Regelung, die allgemein dem Verbraucherschutz dient, dabei aber keine zweite Kontrolle der Fernsehsendungen zusätzlich zu der vom Sendestaat durchzuführenden Kontrolle einführt.
Die Richtlinie 84/450 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, die insbesondere in ihrem Artikel 4 Absatz 1 vorsieht, daß die Mitgliedstaaten im Interesse sowohl der Verbraucher als auch der Wettbewerber und der Allgemeinheit für geeignete und wirksame Möglichkeiten zur Bekämpfung der irreführenden Werbung sorgen, verlöre im Bereich der Fernsehwerbung ihren Sinn, wenn der Empfangsstaat gegenüber einem Werbetreibenden keine Maßnahmen mehr treffen könnte; dies stuende im Gegensatz zu der Willenskundgebung des Gemeinschaftsgesetzgebers.
6 Nationale Maßnahmen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, fallen nicht unter Artikel 30 des Vertrages, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Eine Regelung, die Fernsehwerbung in einem bestimmten Sektor untersagt, betrifft solche Verkaufsmodalitäten, soweit sie eine Form der Förderung einer bestimmten Methode des Absatzes von Erzeugnissen verbietet.
Artikel 30 des Vertrages ist daher so auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb Maßnahmen gegen einen Werbetreibenden wegen einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen, es sei denn, diese Vorschriften berühren den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich nicht in der gleichen Weise, sind aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie der Lauterkeit des Handelsverkehrs oder des Verbraucherschutzes oder zur Erreichung eines der in Artikel 36 des Vertrages genannten Ziele nicht erforderlich und stehen hierzu nicht in einem angemessenen Verhältnis, oder diese Ziele oder zwingenden Gründe können durch Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.
7 Artikel 59 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen. Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob diese Vorschriften aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie der Lauterkeit des Handelsverkehrs oder des Verbraucherschutzes oder zur Erreichung eines der in Artikel 56 des Vertrages aufgeführten Ziele erforderlich sind, ob sie hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehen und ob diese Ziele oder zwingenden Gründe nicht durch Maßnahmen hätten erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen.
8 Die Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ist dahin auszulegen, daß eine Bestimmung eines nationalen Rundfunkgesetzes, wonach eine Werbeanzeige, die im Fernsehen während der Werbezeit ausgestrahlt wird, nicht darauf gerichtet sein darf, die Aufmerksamkeit von Kindern unter zwölf Jahren zu erregen, auf Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten nicht angewendet werden darf.
Die Richtlinie enthält nämlich eine speziell für den Schutz Minderjähriger im Hinblick auf Fernsehprogramme im allgemeinen und Fernsehwerbung im besonderen erlassene umfassende Regelung, deren Beachtung vom Sendestaat zu gewährleisten ist. Diese Regelung, die zwar nicht bedeutet, daß Regelungen des Empfangsstaats nicht angewendet werden dürfen, die allgemein dem Schutz der Verbraucher oder von Minderjährigen dienen, sofern diese Anwendung die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus einem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats nicht verhindert, verbietet dem Empfangsstaat jedoch, auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten Vorschriften anzuwenden, die speziell dazu dienen, den Inhalt der Fernsehwerbung für Minderjährige zu kontrollieren und damit eine zweite Kontrolle zusätzlich zu derjenigen einzuführen, die der Sendemitgliedstaat gemäß der Richtlinie vorzunehmen hat.