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Leitsätze

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Staatliche Beihilfen - Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe - Anwendung des nationalen Rechts - Unter Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des Artikels 93 des Vertrages gewährte Beihilfe - Rechtssicherheit - Mögliches berechtigtes Vertrauen der Empfänger - Schutz - Voraussetzungen und Grenzen - Berücksichtigung des Interesses der Gemeinschaft

(EG-Vertrag, Artikel 93)

Leitsätze

Die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe findet grundsätzlich nach Maßgabe des einschlägigen nationalen Rechts statt; jedoch darf dessen Anwendung die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nicht praktisch unmöglich machen. Insbesondere muß bei der Anwendung einer Vorschrift, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts von der Abwägung der verschiedenen widerstreitenden Interessen abhängig macht, das Interesse der Gemeinschaft in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Insoweit widerspricht es zwar nicht der Rechtsordnung der Gemeinschaft, wenn das nationale Recht im Rahmen der Rückforderung das berechtigte Vertrauen und die Rechtssicherheit schützt; da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Artikel 93 des Vertrages zwingend vorgeschrieben ist, darf ein beihilfebegünstigtes Unternehmen auf die Ordnungsmässigkeit der Beihilfe jedoch grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung des darin vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde. Einem sorgfältigen Gewerbetreibenden ist es nämlich regelmässig möglich, sich zu vergewissern, daß dieses Verfahren eingehalten wurde, selbst wenn der betreffende Staat für die Rechtswidrigkeit des Beihilfebewilligungsbescheids in einem solchen Masse verantwortlich ist, daß seine Rücknahme als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheint.

Ausserdem beschränkt sich die Rolle der nationalen Behörden bei staatlichen Beihilfen, die für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden, auf die Durchführung der Entscheidungen der Kommission. Da die nationale Behörde kein Ermessen besitzt, ist der Empfänger einer rechtswidrig gewährten Beihilfe nicht mehr im ungewissen, sobald die Kommission eine Entscheidung erlassen hat, in der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung verlangt wird, auch wenn die nationale Behörde die Ausschlußfrist verstreichen lässt, die im nationalen Recht für die Rücknahme des Beihilfebewilligungsbescheids vorgesehen ist.

Daher ist die zuständige nationale Behörde gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, den Bewilligungsbescheid für eine rechtswidrig gewährte Beihilfe gemäß einer bestandskräftigen Entscheidung der Kommission, in der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung verlangt wird, selbst dann noch zurückzunehmen, wenn

- sie die nach nationalem Recht im Interesse der Rechtssicherheit dafür bestehende Ausschlußfrist hat verstreichen lassen,

- sie für dessen Rechtswidrigkeit in einem solchen Masse verantwortlich ist, daß die Rücknahme dem Begünstigten gegenüber als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheint, sofern der Begünstigte wegen Nichteinhaltung des in Artikel 93 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmässigkeit der Beihilfe haben konnte, und

- dies nach nationalem Recht wegen Wegfalls der Bereicherung mangels Bösgläubigkeit des Beihilfeempfängers ausgeschlossen ist, da ein solcher Wegfall bei staatlichen Beihilfen die Regel ist, weil diese Beihilfen im allgemeinen Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, gewährt werden, deren Bilanz im Zeitpunkt der Rückforderung nicht mehr den aus der Beihilfe unbestreitbar resultierenden Vermögenszuwachs erkennen lässt.