Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 14. Januar 1997. - Nils Draehmpaehl gegen Urania Immobilienservice OHG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Arbeitsgericht Hamburg - Deutschland. - Sozialpolitik - Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer - Richtlinie 76/207/EWG - Entschädigungsanspruch im Fall der Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung - Wahl der Sanktionen durch die Mitgliedstaaten - Festsetzung einer Entschädigungshöchstgrenze - Festsetzung einer kumulativen Entschädigungshöchstgrenze. - Rechtssache C-180/95.
Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-02195
1 Mit den Fragen, die es Ihnen vorlegt, ersucht Sie das Arbeitsgericht Hamburg abermals um eine Entscheidung über die Anwendung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen(1) (im folgenden: Richtlinie oder Richtlinie 76/207).
Im Kern werden Sie um Auskunft darüber ersucht, ob es die Richtlinie 76/207 untersagt, daß der Ersatz des durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung entstandenen Schadens ein Verschulden voraussetzt. Ferner fragt das vorlegende Gericht Sie danach, ob es in diesem Fall die Richtlinie 76/207 untersagt, daß eine nationale Regelung eine Hoechstgrenze des Schadensersatzes vorsieht.
2 Wie das nationale Gericht ausführt(2), hatte der Gerichtshof bereits ähnliche Fragen zu entscheiden. Es möchte jedoch eine Bestätigung dafür erhalten, daß der ihm vorliegende Sachverhalt und die Bestimmungen seines nationalen Rechts die gleichen Antworten erfordern.
3 Ich werde die Vorlagefragen behandeln, nachdem ich kurz den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache dargelegt habe.
Rechtlicher Rahmen
Die anwendbaren Gemeinschaftsregelungen: die Richtlinie 76/207
4 Die Richtlinie 76/207 hat zum Ziel, in den Mitgliedstaaten den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen insbesondere dadurch zu verwirklichen, daß den Arbeitnehmern beider Geschlechter gleiche Chancen beim Zugang zur Beschäftigung gewährleistet werden.
5 Zu diesem Zweck definiert Artikel 2 der Richtlinie den Grundsatz der Gleichbehandlung und seine Grenzen. So beinhaltet dieser Grundsatz nach Artikel 2 Absatz 1, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf. Absatz 2 stellt jedoch klar, daß die Richtlinie der Befugnis der Mitgliedstaaten nicht entgegensteht, solche beruflichen Tätigkeiten und gegebenenfalls die dazu jeweils erforderliche Ausbildung, für die das Geschlecht aufgrund ihrer Art oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine unabdingbare Voraussetzung darstellt, von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen.
6 Artikel 3 der Richtlinie erläutert die Tragweite des Grundsatzes der Gleichbehandlung gerade in bezug auf den Zugang zur Beschäftigung. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 beinhaltet die Anwendung dieses Grundsatzes, daß bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt. Artikel 3 Absatz 2 sieht vor, daß die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, daß alle mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden.
7 Nach Artikel 6 der Richtlinie erlassen die Mitgliedstaaten die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält, seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.
Das nationale Recht
8 Die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Berufsleben sind im vorliegenden Fall im Bürgerlichen Gesetzbuch (im folgenden: BGB) und im Arbeitsgerichtsgesetz (im folgenden: ArbGG) enthalten.
9 Nach § 611a Absatz 1 BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme eine Tätigkeit zum Gegenstand hat, die aufgrund ihrer Art nur von Arbeitnehmern eines bestimmten Geschlechts ausgeuebt werden kann. § 611a Absatz 2 BGB bestimmt, daß, wenn der Arbeitgeber bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 zu vertreten hat, "der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten verlangen" kann. Als Monatsverdienst gilt, was dem Bewerber bei regelmässiger Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis hätte begründet werden sollen, an Geld- und Sachbezuegen zugestanden hätte.
10 Nach § 611b Absatz 1 BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz nicht nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des § 611a Absatz 1 Satz 2 vorliegt.
11 Nach § 61b Absatz 2 ArbGG ist, wenn mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung nach § 611a Absatz 2 BGB gerichtlich geltend machen, auf Antrag des Arbeitgebers die Summe dieser Entschädigungen auf sechs Monatsverdienste oder, wenn vom Arbeitgeber ein einheitliches Auswahlverfahren mit dem Ziel der Begründung mehrerer Arbeitsverhältnisse durchgeführt worden ist, auf zwölf Monatsverdienste zu begrenzen. Soweit der Arbeitgeber Ansprüche auf Entschädigungen bereits erfuellt hat, ist dieser Hoechstbetrag entsprechend zu verringern. Übersteigen die Entschädigungen, die den Klägern zu leisten wären, insgesamt diesen Hoechstbetrag, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in dem ihre Summe zu dem Hoechstbetrag steht.
Sachverhalt
12 Mit Schreiben vom 17. November 1994 bewarb sich Herr Nils Draehmpaehl, der Kläger des Ausgangsverfahrens (im folgenden: Kläger), auf eine in der Presse erschienene Stellenanzeige der Urania Immobilienservice OHG (im folgenden: Beklagte), die wie folgt lautete:
"Für unseren Vertrieb suchen wir eine versierte Assistentin der Vertriebsleitung. Wenn Sie mit den Chaoten eines vertriebsorientierten Unternehmens zurechtkommen können, diesen Kaffee kochen wollen, wenig Lob erhalten und viel arbeiten können, sind Sie bei uns richtig. Bei uns muß einer den Computer bedienen können und für die anderen mitdenken. Wenn Sie sich dieser Herausforderung wirklich stellen wollen, erwarten wir Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen. Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt ..."
13 Die Beklagte beantwortete das Schreiben des Klägers nicht. Unter Berufung darauf, daß er für die annoncierte Stelle der bestqualifizierte Bewerber und besser geeignet gewesen sei als die schließlich ausgewählte Bewerberin, und in der Ansicht, er sei aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden, erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Hamburg gegen die Beklagte Klage auf Schadensersatz. Er verlangte die Leistung von Ersatz für den ihm angeblich entstandenen Schaden in Höhe von dreieinhalb Monatsgehältern.
14 Das vorlegende Gericht führt aus, in einem Parallelverfahren vor einer anderen Kammer des vorlegenden Gerichts nehme ein anderer Bewerber die Beklagte wegen eines vergleichbaren Sachverhalts auf Schadensersatz in Anspruch.
15 Die Beklagte erschien nicht zur Güteverhandlung und ließ sich auf die anhängige Klage nicht ein. Weder das vorlegende Gericht noch der Kläger konnten sie erreichen und ihre gegenwärtige Anschrift ermitteln.
16 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts verletzt die Stellenausschreibung der Beklagten § 611b BGB, da sie, ohne gerechtfertigt zu sein(3), ausschließlich für Frauen bestimmt sei. Da der mutmaßliche Kläger aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden sei, sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17 Dem Anspruch des Klägers stehe jedoch § 611a Absatz 2 Satz 1 BGB entgegen, der verlange, daß der Kläger substantiiert darlege, daß den Arbeitgeber ein Verschulden treffe(4), während der Kläger nur Vermutungen äussere.
18 Das Arbeitsgericht Hamburg fragt sich daher, ob § 611a Absatz 2 BGB mit der Auslegung vereinbar ist, die der Gerichtshof Artikel 2 der Richtlinie 76/207 in seinem Urteil vom 8. November 1990, Dekker(5), beigemessen hat, und ob die Bestimmungen des deutschen Rechts, die die Summe der Entschädigung, den die diskriminierte Person verlangen kann, begrenzen(6), mit der Auslegung vereinbar sind, die Sie Artikel 6 der Richtlinie 76/207 in Ihrem Urteil vom 2. August 1993, Marshall II(7), gegeben haben; es sieht sich daher nicht in der Lage, über die Klage zu entscheiden, und legt Ihnen die folgenden vier Auslegungsfragen zur Vorabentscheidung vor:
1. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung die Voraussetzung des Verschuldens des Arbeitgebers aufstellt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen?
2. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - für Bewerber/innen, die im Verfahren diskriminiert worden sind, die die zu besetzende Position jedoch wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers/der Bewerberin auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen?
3. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für einen Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - für Bewerber/innen, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätten, eine Hoechstgrenze von drei Monatsgehältern vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen?
4. Verstösst eine gesetzliche Regelung, die für den von mehreren Geschädigten geltend gemachten Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung - im Gegensatz zu sonstigen innerstaatlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsgehältern für alle diskriminierten Personen vorgibt, gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen?
Erörterung
19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 177 des Vertrages nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden kann. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem vorlegenden Gericht alle Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die dieses Gericht in die Lage versetzen, die Frage der Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen(8).
20 Daher sind die vorgelegten Fragen umzuformulieren. So möchte das vorlegende Gericht mit seiner ersten Vorlagefrage von Ihnen wissen, ob Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 so auszulegen sind, daß es untersagt ist, den Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung vom Nachweis eines Verschuldens des Arbeitgebers abhängig zu machen. Die zweite und die dritte Frage beziehen sich auf die Vereinbarkeit einer Hoechstgrenze des gegebenenfalls aufgrund der Richtlinie 76/207 fälligen Schadensersatzes. Mit seiner vierten Frage möchte das nationale Gericht von Ihnen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht nationalen Bestimmungen entgegensteht, die - wie § 61b Absatz 2 ArbGG- eine Hoechstgrenze für kumulativen Schadensersatz vorsehen.
Zur ersten Frage
21 Das nationale Gericht fragt sich, ob die Antwort, die Sie im Urteil Dekker gegeben haben, auch für den bei ihm anhängigen Rechtsstreit gilt.
22 Es sei daran erinnert, daß es in dieser Rechtssache um die Ablehnung der Einstellung einer Bewerberin wegen ihrer Schwangerschaft ging. Das niederländische Gericht fragte sich insbesondere, ob eine nationale Vorschrift, die die Gewährung von Schadensersatz wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom Nachweis eines Verschuldens abhängig macht, mit den Artikeln 2 und 3 der Richtlinie 76/207 vereinbar ist.
23 Sie sind den Schlussanträgen von Herrn Darmon gefolgt(9) und haben, gestützt auf eine bereits gefestigte Rechtsprechung(10), bestätigt, daß die Mitgliedstaaten zwar bei der Wahl der anzuwendenden Mittel für die Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes im Sinne von Artikel 6 der Richtlinie 76/207, frei sind, wenn sich die gewählte Sanktion in den Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers einfügt, daß jedoch jeder Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für sich genommen ausreichen muß, um die volle Haftung seines Urhebers auszulösen, ohne daß daneben ein Verschulden des Arbeitgebers verlangt werden kann oder daß die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden können(11).
24 Die Kommission und der Kläger(12) machen geltend, daß dieses Urteil bereits diese erste Frage, die Ihnen heute vorliegt, beantwortet habe.
25 Die deutsche Regierung führt hingegen aus, daß aus dem Urteil Dekker nicht ohne weiteres geschlossen werden könne, daß die Unvereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Bestimmung mit der Richtlinie unvereinbar sei. Gegenstand dieses Urteils sei nur das Verschuldenserfordernis nach niederländischem Recht gewesen. Im Gegensatz dazu stelle das Verschulden im deutschen Recht die praktische Wirksamkeit der Gemeinschaftsbestimmungen nicht in Frage. Im deutschen Recht sei das Erfordernis des Verschuldens zwar nach der Systematik erforderlich, um die Haftung des Arbeitgebers auszulösen, der Nachweis des Verschuldens sei jedoch leicht zu erbringen, denn Vorsatz oder - auch leichteste - Fahrlässigkeit genüge, um diese Haftung auszulösen. Im übrigen würden an die Fälle, die den Arbeitgeber von seiner Haftung befreiten, äusserst strenge Anforderungen gestellt(13).
26 Ich teile den Standpunkt der deutschen Regierung nicht. Nach meiner Ansicht ist das Urteil Dekker eindeutig und durchaus auf die vorliegende Rechtssache übertragbar. Abgesehen vom unterschiedlichen Geschlecht der Betroffenen sind die Rechtsstreitigkeiten, die den beiden Vorlageverfahren zugrunde liegen, gleich. In beiden Fällen wurde ein Arbeitsverhältnis weder begründet(14) noch auch nur angestrebt(15), und zwar aus Gründen, die ausschließlich mit dem Geschlecht des Bewerbers zusammenhingen. In beiden Fällen machen die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften ihrem Wortlaut nach die Haftung des Arbeitgebers vom Nachweis eines Verschuldens abhängig, das zu der diskriminierenden Handlung oder Verhaltensweise hinzukommt. Eine solche nationale Rechtsvorschrift ermöglicht es dem Arbeitgeber so, sich seiner Haftung aus einem Grund zu entziehen, der nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat, und vereitelt ganz offensichtlich die praktische Wirksamkeit der Richtlinie. Ich beziehe mich hierfür auf die Ausführungen des Generalanwalts Darmon(16).
27 Daher schlage ich vor, auf die erste Frage wie folgt zu antworten: Ist die von einem Mitgliedstaat gewählte Sanktion Teil einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers, untersagen es die Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207, die Wiedergutmachung des einem Arbeitnehmer durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung entstandenen Schadens von einem Verschulden auch nur leichtester Art abhängig zu machten.
Zur zweiten und dritten Frage
28 Mit diesen beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Auslegung, die der Gerichtshof Artikel 6 der Richtlinie 76/207 im Urteil Marshall II gegeben hat, Maßnahmen entgegensteht, wie sie das deutsche Recht vorsieht, indem es eine Hoechstgrenze für den gegebenenfalls geschuldeten Schadensersatz festsetzt(17). Im Vorlagebeschluß wird ausgeführt, daß in den sonstigen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen keine solche Hoechstgrenze vorgesehen sei. Dies war Gegenstand eingehender Erörterungen in der mündlichen Verhandlung, über deren Ausgang ich nicht zu befinden habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes geht nämlich Artikel 177 des Vertrages von einer klaren Zuständigkeitsverteilung zwischen den innerstaatlichen Gerichten und dem Gerichtshof aus(18), und er kann den Gerichtshof daher nicht dazu veranlassen, das nationale Recht auszulegen oder anzuwenden(19). Ich habe mich daher nach den rechtlichen und tatsächlichen Angaben zu richten, die das nationale Gericht macht.
Im übrigen werden Sie zu klären ersucht, ob die Antwort von den beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers abhängt, der Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geworden ist.
29 Lassen Sie mich zuerst prüfen, ob die Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts vom Grad der beruflichen Qualifikation des Bewerbers abhängt, der Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geworden ist.
30 Ich glaube, daß dies nicht der Fall ist, und zwar aus mindestens drei Gründen.
31 Erstens ist festzustellen, daß der Arbeitgeber es wie in der Rechtssache Dekker nur aufgrund des Geschlechts des Stellenbewerbers und nicht aus Gründen seiner beruflichen Qualifikation abgelehnt hat, die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Bewerber in Erwägung zu ziehen. Das nationale Gericht verwechselt zwei ganz unterschiedliche Begriffe: denjenigen des Verlustes einer Chance aufgrund des Geschlechts und denjenigen der objektiv falschen Beurteilung der beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers durch den Arbeitgeber.
32 Da der Schaden durch die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung ein Schaden eigener Art ist, ist er unabhängig von jedem anderen dem benachteiligten Bewerber möglicherweise entstandenen Schaden zu ersetzen, ohne daß der Ersatz dieses anderen Schadens irgendeinen Einfluß auf den Grund oder die Höhe des Schadensersatzes wegen dieser Diskriminierung haben kann.
33 Zweitens verpflichtet Artikel 6 der Richtlinie die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung bei Verstössen gegen das Diskriminierungsverbot zur Verhängung einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleistet(20) und eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber hat(21). Meines Erachtens würde die praktische Wirksamkeit der Richtlinie vereitelt, wenn der Ersatz des aufgrund dieser Diskriminierung entstandenen Schadens davon abhängig gemacht würde, daß der benachteiligte Bewerber nachweist, daß er beruflich besser oder gleich gut qualifiziert ist wie der vom Arbeitgeber eingestellte Bewerber.
34 Drittens fällt der Ersatz des durch die Verkennung der beruflichen Verdienste und Fähigkeiten einer Person, eines Mannes oder einer Frau, entstandenen Schadens - natürlich nur, sofern durch sie keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verschleiert wird - nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 76/207. Daher kann ich das mit dem Ausgangsverfahren befasste Gericht nur auf die Anwendung seines nationalen Rechts verweisen.
35 Daher ist die von dem nationalen Gericht in der zweiten Frage ausdrücklich und in der dritten Frage implizit gewünschte Klarstellung in bezug auf die berufliche Qualifikation des aufgrund seines Geschlechts diskriminierten Bewerbers für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.
36 Im Rahmen dieser Vorlagefragen wünscht das vorlegende Gericht somit von Ihnen eine Entscheidung über die Anwendbarkeit der im Urteil Marshall II getroffenen Entscheidung auf die vorliegende Rechtssache(22). Es führt aus, daß in seinem nationalen Recht entgegen den sonstigen nationalen Bestimmungen des Zivilrechts und des Arbeitsrechts(23) die Sanktion für Verstösse gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit den Bedingungen für den Zugang zu einer Beschäftigung darin bestehe, daß im Rahmen einer Regelung der zivilrechtlichen Haftung des Arbeitgebers eine auf drei Monatsverdienste beschränkte Entschädigung zu zahlen sei. Der Verdienst entspreche demjenigen, auf den der Bewerber nach seiner Einstellung Anspruch gehabt hätte.
37 Es sei darauf hingewiesen, daß Sie in diesem Urteil tatsächlich eine ähnliche Frage zu beantworten hatten, die von einem britischen Gericht gestellt worden war.
38 Frau Marshall, die in diskriminierender Weise entlassen worden war, begehrte die Zahlung einer Entschädigung. Gemäß der Bewertung durch das Industrial Tribunal überstieg ihr finanzieller Verlust aufgrund der diskriminierenden Entlassung die für diese Art von Schaden in Section 65 (1) (b) des Sex Discrimination Act 1975 vorgesehene Hoechstgrenze. Das vorlegende Gericht warf insbesondere die Frage der Vereinbarkeit dieser nationalen Bestimmung mit Artikel 6 der Richtlinie 76/207 auf.
39 Die Kommission und der Kläger vertreten die Ansicht, daß dieses Urteil teilweise auf die vorliegende Rechtssache übertragbar sei.
40 Die deutsche Regierung bestreitet dies. Ihrer Ansicht nach ist das Urteil Marshall II nicht einschlägig, da es in dem besonderen Fall einer diskriminierenden Entlassung ergangen sei, der nicht auf den vorliegenden Fall der diskriminierenden Ablehnung der Einstellung übertragbar sei. Das Urteil von Colson und Kamann sei dagegen übertragbar, und die in Rede stehenden deutschen Rechtsbestimmungen trügen den Grundsätzen Rechnung, die der Gerichtshof in diesem Urteil aufgestellt habe. So sähen sie eine dem erlittenen Schaden angemessene Entschädigung vor, die für den Urheber der Diskriminierung hinreichend abschreckend sei.
41 Ich glaube nicht, daß die in diesen beiden Urteilen aufgestellten Grundsätze nicht miteinander in Einklang gebracht werden können. Meines Erachtens stellt das Urteil Marshall II die dem Urteil von Colson und Kamann zugrunde liegenden Prinzipien klar und entwickelt sie weiter. Ich möchte gerade die in diesen Urteilen aufgestellten Prinzipien ins Gedächtnis rufen.
42 Im Urteil von Colson und Kamann hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, daß die Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 5 und 189 Absatz 3 des Vertrages verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, um das mit der Richtlinie 76/207 verfolgte Ziel zu erreichen, und daß die nationalen Gerichte das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen haben(24). In bezug auf diese Richtlinie haben Sie auch darauf hingewiesen, daß das vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgte Ziel darin besteht, die Wirksamkeit des Verbotes der Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts zu gewährleisten.
43 Sodann haben Sie klargestellt, daß diese wirkliche Chancengleichheit nicht ohne eine geeignete Sanktionsregelung erreicht werden kann(25). In bezug auf Artikel 6 der Richtlinie haben Sie ausgeführt: "Aus dieser Bestimmung folgt, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie zu erreichen, und dafür Sorge zu tragen, daß die Betroffenen sich vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf diese Maßnahmen berufen können. Zu solchen Maßnahmen könnten zum Beispiel Vorschriften gehören, die den Arbeitgeber zur Einstellung des diskriminierten Bewerbers verpflichten oder eine angemessene finanzielle Entschädigung gewähren und die gegebenenfalls durch eine Bußgeldregelung verstärkt werden. Allerdings schreibt die Richtlinie keine bestimmte Sanktion vor, sondern belässt den Mitgliedstaaten die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung ihrer Zielsetzung geeigneten Lösungen."(26) Ferner müssen die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen "eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben"(27).
44 Im Urteil Marshall II haben Sie zunächst auf diese Grundsätze verwiesen(28) und dann entschieden, daß die Besonderheiten jedes einzelnen Falles einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu berücksichtigen sind(29); weiter haben Sie Ausführungen zur "Angemessenheit" der Sanktion gemacht, die geeignet ist, den Grundsatz der Gleichbehandlung nach einer diskriminierenden Entlassung wiederherzustellen.
45 Generalanwalt Van Gerven hat in seinen Schlussanträgen zum Urteil Marshall II die "angemessene Entschädigung" als diejenige definiert, die hoch genug ist, um eine Sanktion zweckdienlicher, verhältnismässiger und abschreckender Natur darzustellen(30). Somit ist dieser Begriff von der vollständigen Entschädigung zu unterscheiden(31).
46 Sie haben in Abgrenzung gegenüber dieser Auffassung entschieden, daß im Falle einer diskriminierenden Entlassung nur die Wiedereinstellung der diskriminierten Person oder aber die vollständige finanzielle Wiedergutmachung des ihr entstandenen Schadens die Gleichheit wiederherstellen(32) und den Erfordernissen entsprechen kann, die dem Begriff der "angemessenen Entschädigung" zugrunde liegen. Daher haben Sie ausgeführt, daß Artikel 6 der Richtlinie nicht die Festlegung einer Obergrenze der im Falle einer diskrimierenden Entlassung geschuldeten Entschädigung erlaubt, "da sie den Entschädigungsbetrag von vornherein auf einem Niveau festsetzt, das nicht notwendig dem Erfordernis entspricht, durch eine angemessene Wiedergutmachung des durch die diskriminierende Entlassung entstandenen Schadens tatsächliche Chancengleichheit zu gewährleisten"(33). Damit haben Sie das Urteil von Colson und Kamann erläutert.
47 Das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des gewählten Ansatzes für die Wiederherstellung der Gleichheit im Falle einer diskriminierenden Entlassung verfügen, ist daher begrenzt: entweder auf die Wiedereinstellung oder auf die vollständige Wiedergutmachung des Schadens nach dem geltenden nationalen Recht(34).
48 Diesen Urteilen entnehme ich, daß der Gerichtshof den Grundsatz aufgestellt hat, daß, falls die Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden, den durch eine nach der Richtlinie 76/207 verbotene Diskriminierung entstandenen Schaden im Rahmen einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers zu ersetzen, dieser Ersatz vollständig sein muß.
49 Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber als Maßnahme zur Wahrung der Rechte eines aufgrund seines Geschlechts bei der Einstellung diskriminierten Bewerbers eine Entschädigung gewählt, die auf drei Monatsverdienste beschränkt ist, und zwar nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts im Gegensatz zu den sonstigen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen. Zwei Gründe verbieten meines Erachtens solche Bestimmungen.
50 Erstens steht die in den Urteilen von Colson und Kamann sowie Marshall II gewählte Lösung dem entgegen, da ich diesen Urteilen entnommen habe, daß durch sie der Grundsatz der vollständigen Wiedergutmachung des der durch eine nach der Richtlinie 76/207 verbotene Diskriminierung entstandenen Schadens aufgestellt wurde(35).
51 Würde man keine solche Auslegung vornehmen, so würde man im Ergebnis entscheiden, daß die Wiedergutmachung des durch diese Diskriminierung entstandenen Schadens nicht stets vollständig wäre und daß dieser Grundsatz daher nach Maßgabe der verschiedenen Fälle der Diskriminierung angewandt werden müsste. Daher müsste der Gerichtshof in jedem einzelnen Fall die anzuwendende Norm beurteilen; er müsste beispielsweise feststellen, daß bei der Ablehnung einer Einstellung keine vollständige Wiedergutmachung zu erfolgen hätte, ebenso bei der Ablehnung einer beruflichen Weiterbildung usw.; es ließen sich noch viele andere Fälle bilden, in denen Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden und der Gerichtshof daher zu entscheiden sowie gegebenenfalls seine Rechtsprechung zu ändern hätte.
52 Ich halte diese Ausfassung weder für gerechtfertigt noch für sachgerecht. Denn in den verschiedenen Fällen (Entlassung, Ablehnung der Einstellung usw.) befinden sich die Arbeitnehmer oder die Bewerber in der gleichen Situation: Sie wurden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, da der Arbeitgeber das gleiche tadelnswerte Verhalten an den Tag gelegt hat. Der allgemeine Gleichheitssatz im Gemeinschaftsrecht verlangt jedoch, daß gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden und daß ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, daß eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre(36). Wenn sich die Arbeitnehmer in gleicher Lage befinden, ist daher die gleiche Regel anzuwenden und der ihnen entstandene Schaden in vollem Umfang auszugleichen(37).
53 Jedoch kann der Schaden, der den diskriminierten Arbeitnehmern entstanden ist, unterschiedlichen Umfang haben. Das nationale Gericht muß daher nicht nur den verschiedenen vorkommenden Fällen der Verletzung des Gleichheitssatzes Rechnung tragen, sondern auch den unterschiedlichen Umständen des Einzelfalls im Rahmen ein und derselben Fallgruppe einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Unabhängig davon ist es allein Sache des Tatrichters, nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften die Schadenshöhe unter Berücksichtigung aller Einzelheiten zu bestimmen, die er sonst berücksichtigt.
54 Zweitens und hilfsweise steht auch der Grundsatz der Verfahrensautonomie der nationalen Rechtsordnungen derartigen Bestimmungen des deutschen Rechts entgegen. Die Wahrung dieses Grundsatzes setzt voraus, daß es in Ermangelung einer Harmonisierung durch das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten freisteht, die Lösung zu wählen, die angemessen ist, um diesen Rechtsschutz zu gewährleisten; die gewählte Sanktion muß jedoch die gleiche Schutzwirkung haben wie diejenige, die im Rahmen einer vergleichbaren nationalen Regelung angewandt wird(38). Das vorlegende Gericht legt jedoch dar, daß dies hier nicht der Fall ist.
55 Daher schlage ich in bezug auf die zweite und dritte Frage vor, festzustellen, daß die Begrenzung des Schadensersatzes wegen diskriminierender Ablehnung einer Einstellung gegen die Artikel 2 Absatz 1, 3 Absatz 1 und 6 der Richtlinie 76/207 verstösst.
Zur vierten Frage
56 Mit dieser Frage begehrt das nationale Gericht von Ihnen Auskunft darüber, ob die Richtlinie 76/207 einer nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, eine Begrenzung des Schadensersatzes, auf die die bei der Einstellung aufgrund ihres Geschlechts diskriminierte Person Anspruch hätte, zu erwirken, wenn mehrere Schadensersatzbegehren wegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eingereicht werden. Diese nationale Regelung erlaubt es mit anderen Worten, im Gegensatz zu den sonstigen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen(39) den Betrag der zu zahlenden Entschädigung nach Maßgabe der Zahl der Bewerber anzupassen. Dadurch kann sich die Entschädigung, die die Betroffenen beanspruchen können, aufgrund der festgesetzten Hoechstgrenze deutlich verringern.
57 Ich darf Sie auf die Überlegungen verweisen, die ich eben angestellt habe, denn es besteht kein Unterschied zwischen den beiden Fragen. Auch hier geht es um Bestimmungen, die zur Folge haben, daß der Betrag der Wiedergutmachung des Schadens begrenzt wird, der dem im Rahmen eines Einstellungsverfahrens aufgrund seines Geschlechts diskriminierten Bewerber tatsächlich entstanden ist.
58 Infolgedessen schlage ich vor, die vierte Vorlagefrage zu bejahen.
Anträge
59 Nach alledem schlage ich vor, auf die Fragen des vorlegenden Gerichts wie folgt zu antworten:
1. Ist die von einem Mitgliedstaat gewählte Sanktion für Verletzungen des Diskriminierungsverbots Teil einer Regelung über die zivilrechtliche Haftung, so sind die Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen so auszulegen, daß sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, durch die die Wiedergutmachung des einem Arbeitnehmer durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in einem Einstellungsverfahren entstandenen Schadens von der Voraussetzung eines Verschuldens des Arbeitgebers abhängig gemacht wird.
2. Die Artikel 2 Absatz 1, 3 Absatz 1 und 6 der Richtlinie 76/207 sind so auszulegen, daß sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, durch die - im Gegensatz zu den sonstigen nationalen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - eine Hoechstgrenze von drei Monatsverdiensten für die Entschädigung festgesetzt wird, die Bewerber oder Bewerberinnen, die in einem Einstellungsverfahren diskriminiert wurden, im Falle einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Rahmen der Einstellung verlangen können.
3. Die Artikel 2 Absatz 1, 3 Absatz 1 und 6 der Richtlinie 76/207 sind so auszulegen, daß sie nationalen gesetzlichen Regelungen entgegenstehen, durch die - im Gegensatz zu den sonstigen nationalen zivil- und arbeitsrechtlichen Regelungen - für den Fall, daß mehrere Personen eine Entschädigung verlangen, eine Hoechstgrenze von kumulativ sechs Monatsverdiensten für die Entschädigung aller Personen festgesetzt wird, die in einem Einstellungsverfahren aufgrund des Geschlechts diskriminiert worden sind.
(1) - ABl. L 39, S. 40.
(2) - S. 8 bis 10 des Vorlagebeschlusses.
(3) - Im Sinne von § 611a Absatz 1 BGB.
(4) - Vorlagebeschluß, S. 7, Buchstabe a.
(5) - Rechtssache C-177/88, Slg. 1990, I-3941.
(6) - Paragraph 611a Absatz 2 BGB und § 61b Absatz 2 ArbGG.
(7) - Rechtssache C-271/91, Slg. 1993, I-4367.
(8) - Siehe u. a. Urteil vom 1. Februar 1996 in der Rechtssache C-177/94 (Perfili, Slg. 1996, I-161, Randnr. 9).
(9) - Schlussanträge zum Urteil Dekker (Nrn. 34 bis 37).
(10) - Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891).
(11) - Urteil Dekker (Randnrn. 22 bis 26).
(12) - Erklärungen der Kommission (Nrn. 19 bis 22) und des Klägers des Ausgangsverfahrens (Nrn. 39 bis 43).
(13) - Erklärungen der deutschen Regierung (Nrn. 4 und 5).
(14) - Rechtssache Dekker.
(15) - Vorliegende Rechtssache.
(16) - Nr. 35 seiner Schlussanträge zum Urteil Dekker.
(17) - Paragraph 611a Absatz 1 BGB und § 61b Absatz 2 ArbGG.
(18) - Siehe u. a. die Urteile vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62 (Van Gend & Loos, Slg. 1963, 3), vom 5. Oktober 1977 in der Rechtssache 5/77 (Tedeschi, Slg. 1977, 1555, Randnrn. 17 bis 19) und vom 23. Februar 1995 in den Rechtssachen C-358/93 und C-416/93 (Bordessa u. a., Slg. 1995, I-361, Randnr. 10).
(19) - Siehe u. a. die Urteile vom 6. April 1962 in der Rechtssache 13/61 (De Geus, Slg. 1962, 99) und vom 20. Oktober 1993 in der Rechtssache C-10/92 (Balocchi, Slg. 1993, I-5105, Randnrn. 16 und 17).
(20) - Urteile Von Colson und Kamann (Randnr. 23) und Dekker (Randnr. 23).
(21) - Siehe u. a. Urteil Marshall II (Randnr. 24).
(22) - Beschluß des vorlegenden Gerichts, S. 8 f. Buchstabe b.
(23) - Siehe Nr. 28 meiner Schlussanträge.
(24) - Randnrn. 15 und 26.
(25) - Randnr. 22.
(26) - Randnr. 18, Hervorhebung von mir.
(27) - Randnr. 23, Hervorhebung von mir.
(28) - Randnrn. 23 und 24.
(29) - Randnr. 25.
(30) - Nr. 18 seiner Schlussanträge.
(31) - A. a. O., Randnr. 17.
(32) - Urteil Marshall II (Randnrn. 25 und 26).
(33) - A. a. O., Randnr. 30, Hervorhebungen von mir.
(34) - A. a. O., Randnr. 36.
(35) - Nr. 48 meiner Schlussanträge.
(36) - Siehe zuletzt Urteil vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-241/95 (Accrington Beef u. a., Slg. 1996, I-0000).
(37) - Urteil Marshall II (Randnr. 26).
(38) - Vgl. insbes. Urteil vom 21. September 1989 in der Rechtssache 68/88 (Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Randnrn. 23 und 24).
(39) - Vgl. Nr. 28 meiner Schlussanträge.