61995C0018

Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 30. April 1998. - F.C. Terhoeve gegen Inspecteur van de Belastingdienst Particulieren/Ondernemingen buitenland. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof 's-Hertogenbosch - Niederlande. - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Kombinierte Veranlagung der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge - Nichtanwendung eines Höchstsatzes der Sozialbeiträge, der für Arbeitnehmer gilt, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt haben, auf Arbeitnehmer, die ihren Wohnort von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegen - Eventueller Ausgleich durch Vorteile bei der Einkommensteuer - Etwaige Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht - Folgen. - Rechtssache C-18/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-00345


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Die Vorlagefragen, über die sich der Gerichtshof in dieser Rechtssache auszusprechen hat, sind ihm vom niederländischen Gerechtshof 's-Hertogenbosch unterbreitet worden und stellen sich im Rahmen einer Klage des Herrn Terhoeve gegen eine Entscheidung des Leiters der Eenheid particulieren/ondernemingen buitenland des Rijksbelastingdienst über seine gleichzeitige Veranlagung zur Einkommensteuer und zur Beitragsleistung an die allgemeine Sozialversicherung für das Jahr 1990, für das er als nicht in den Niederlanden ansässiger Steuerpflichtiger angesehen wurde.

I - Dem Ausgangsverfahren zugrunde liegender Sachverhalt

2 Den Prozeßakten ist zu entnehmen, daß der Kläger ein niederländischer Staatsangehöriger ist, der vom 1. Januar bis zum 6. November 1990 im Vereinigten Königreich wohnte und arbeitete, wohin ihn sein Arbeitgeber, ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, entsandt hatte. Vom 7. November bis Ende 1990 wohnte und arbeitete er in den Niederlanden.

3 Gemäß dem zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen diesen beiden Staaten geschlossenen Abkommen wurden die von Herrn Terhoeve im Vereinigten Königreich erzielten Arbeitseinkünfte in den Niederlanden nicht der Einkommensteuer unterworfen. Sie wurden jedoch angerechnet, als es darum ging, die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der an die allgemeinen Sozialversicherungen entrichteten Beiträge für die Zeit festzusetzen, in der der Betroffene im Vereinigten Königreich gearbeitet hatte und weiterhin dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterworfen gewesen war.

Während er im Ausland arbeitete, galt er in den Niederlanden als ausländischer Steuerpflichtiger, weshalb seine in diesem Staat erzielten Einkünfte dort steuerpflichtig blieben. Ab 7. November 1990 galt er wiederum als in den Niederlanden ansässiger Steuerpflichtiger.

4 Gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983(1) (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) war Herr Terhoeve weiterhin während des ganzen Jahres 1990 obligatorisch dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterworfen, obwohl er während des größten Teils dieser Zeit im Vereinigten Königreich gearbeitet hatte.

5 Am 29. April 1992 wurde er in den Niederlanden für die Zeit vom 7. November bis zum 31. Dezember 1990, in der er den Status eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen hatte, zusammen zu Einkommensteuer und zur Beitragszahlung an die allgemeinen Sozialversicherungen veranlagt. Die während dieses Zeitraums erzielten steuerpflichtigen Einkünfte beliefen sich auf 15 658 HFL, von denen 9 136 HFL aufgrund der damals geltenden Vorschriften abgezogen wurden, so daß sich eine Bemessungsgrundlage von 6 522 HFL ergab.

Auf diese Bemesssungsgrundlage wurde ein Satz von 13 % für die Einkommensteuer und ein Satz von 22,1 % für die Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen angewandt, so daß sich ein Gesamtbetrag von 2 288 HFL ergab, der sich aus jeweils 847 HFL und 1 441 HFL zusammensetzte. Nach den Feststellungen des Gerechtshof in seinem Beschluß hatte Herr Terhoeve gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben, diese jedoch später zurückgenommen, so daß der Bescheid rechtskräftig wurde.

6 Der jetzt vor dem Gerechtshof anhängige Rechtsstreit geht auf die von der Finanzverwaltung am 30. Juni 1992 für den Zeitraum vom 1. Januar bis 6. November 1990, in dem Herr Terhoeve den Status eines nichtansässigen Steuerpflichtigen besaß, verfügte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer und Beitragszahlung an die allgemeinen Sozialversicherungen zurück.

7 Die Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgte auf einer Bemessungsgrundlage von 16 201 HFL, die ausschließlich dem in den Niederlanden erzielten, aus Arbeitseinkünften und Erträgen aus Immobilien bestehenden Einkommen entsprachen.

Bei der Veranlagung zur Beitragszahlung an die allgemeinen Sozialversicherungen wurde dagegen außer diesen Einkünften das im Vereinigten Königreich bezogene Entgelt berücksichtigt, was dazu führte, daß sich die Bemessungsgrundlage insoweit auf 98 201 HFL erhöhte. Da der für die Beitragszahlungen geltende Satz von 22,1 % lediglich auf die erste Tranche der Einkünfte angewandt wird, die für jenen Zeitraum 42 123 HFL betrug, belief sich die hierfür geschuldete Quote auf 9 309 HFL; dies war im Jahr 1990 die Beitragshöchstgrenze.

8 Wie den in der vorliegenden Rechtssache vorgebrachten Ausführungen zu entnehmen ist, erklärt sich die Festsetzung einer solchen Hoechstgrenze für Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen dadurch, daß der Umfang der Leistungen, die die Träger der Sozialversicherung gewähren, nicht von der Höhe der vom Betroffenen entrichteten Beiträge abhängig ist. Mit der Festsetzung dieser Hoechstgrenze wollte der niederländische Gesetzgeber vermeiden, daß Personen, die sehr hohe Einkünfte beziehen, sich genötigt sehen würden, Beiträge in erheblicher Höhe zu entrichten, die als Prozentsatz der Gesamteinkünfte berechnet würden, ohne daß sie zum Ausgleich Anspruch auf Leistungen hätten, die diesen Beiträgen proportional wären.

9 Der Streit zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens betrifft im Kern die Berechnung des Beitrags zu den allgemeinen Sozialversicherungen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. November 1990. Das vorlegende Gericht hat in erster Linie festzustellen, ob die Finanzverwaltung rechtmäßig gehandelt hat, indem sie die Einkünfte aus der Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit im Vereinigten Königreich als für diesen Zeitraum beitragspflichtiges Einkommen behandelte. Falls es diese Frage bejaht, muß es ferner entscheiden, ob der Satz von 22,1 % auf den Betrag von 42 123 HFL anzuwenden ist, was bedeuten würde, daß Herr Terhoeve den Hoechstbeitrag, nämlich 9 309 HFL, zu entrichten hätte, oder ob, wie er meint, dieser Betrag proportional zu dem innerhalb des Jahres 1990 liegenden Zeitraum zu reduzieren ist, auf den sich die Veranlagung bezieht.

10 Herr Terhoeve macht geltend, er habe 1990 seine Einkünfte weder in vollem noch nahezu vollem Umfang in den Niederlanden bezogen; er betrachtet sich als Opfer einer nach Artikel 48 EG-Vertrag verbotenen Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Mit seiner Klage begehrt er die Nichtigerklärung der streitigen Veranlagung und die Absenkung der bei der Berechnung angewandten Bemessungsgrundlage auf 16 201 HFL, d. h. auf den Betrag der während des streitigen Zeitraums in den Niederlanden erzielten Einkünfte; hilfsweise fordert er die Absenkung auf 35 804 HFL, d. h. auf den Anteil an der - im Jahr 1990 42 123 HFL betragenden - maximalen Bemessungsgrundlage, der demjenigen innerhalb des Jahres 1990 liegenden Zeitraum entspricht, auf den sich die Veranlagung bezieht, nämlich die Zeit vom 1. Januar bis zum 6. November.

II - Die nationalen Rechtsvorschriften

11 Der Gerechtshof führt in seinem Beschluß aus, 1990 sei das System der Erhebung der Einkommensteuer und der Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen mit dem Ziel seiner Vereinfachung radikal geändert worden. Seit diesem Jahr würden diese Steuer und die genannten Beiträge im Wege einer gemeinsamen Veranlagung erhoben. In der Regel falle die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge mit derjenigen der Berechnung der Einkommensteuer zusammen; beide Erhebungen stuenden miteinander in engem Zusammenhang, da die Beiträge nur auf die erste Tranche der Einkünfte erhoben würden, die als Grundlage der Einkommensteuer dienten.

12 Nach Artikel 62 der Wet op de inkomstenbelasting (Einkommensteuergesetz) werden Steuerpflichtige, die innerhalb eines Kalenderjahres nacheinander den Status eines gebietsansässigen und eines nicht gebietsansässigen Steuerpflichtigen besessen haben, zweimal, jeweils getrennt, zur Einkommensteuer veranlagt, einmal für die Gesamtheit der Einkünfte, die der Betroffene während seiner Zeit als gebietsansässiger Steuerpflichtiger bezogen hat, und das zweite Mal für diejenigen Einkünfte, die ihm in den Niederlanden während des Zeitraums zugeflossen sind, in dem er den Status eines nicht gebietsansässigen Steuerpflichtigen besaß. War der Steuerpflichtige während dieses ganzen Jahres dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterworfen, so erfolgen ebenfalls zwei getrennte Veranlagungen für seine Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen. Das Gesetz sieht keinerlei dem Veranlagungszeitraum proportionale Absenkung der ersten Tranche der zur Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte vor, der Tranche also, die die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge bildet.

13 Die Einziehung der Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen ist in der Wet financiering volksverzekeringen (Gesetz über die Finanzierung der allgemeinen Sozialversicherungen) geregelt. Gemäß Artikel 8 dieses Gesetzes fallen die beitragspflichtigen Einkünfte mit der Gesamtheit der steuerpflichtigen Einkünfte oder gegebenenfalls mit den in den Niederlanden erzielten steuerpflichtigen Einkünften zusammen. Diese Bestimmung regelt nicht die Erhebung von Beiträgen in den Fällen, in denen ein Pflichtversicherter Einkünfte erzielt, die in den Niederlanden nicht steuerpflichtig sind. Artikel 6 der Uitvoeringsregeling premieheffing volksverzekeringen von 1990, einer zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Verordnung, erweitert jedoch den Begriff der beitragspflichtigen Einkünfte, indem er bestimmt, daß wegen Tätigkeiten, deren Erträge nicht einkommensteuerpflichtig sind, versicherte Personen als für die Zwecke der Beitragserhebung wie auch für diese Erträge steuerpflichtig gelten. Bei diesen Personen werden die durch Tätigkeiten, derentwegen sie versichert sind, erzielten Nettoeinkünfte den einkommensteuerpflichtigen inländischen Einkünften hinzugerechnet.

14 In der Praxis führt die genannte Regelung dazu, daß Personen, die während eines Kalenderjahres der niederländischen Einkommensteuer nacheinander als gebietsansässige und als gebietsfremde Steuerpflichtige - oder umgekehrt - unterworfen waren, zweimal kombiniert veranlagt werden. Bei Steuerpflichtigen, die weiterhin während des ganzen Jahres obligatorisch den allgemeinen Sozialversicherungen angeschlossen bleiben, wird bei jeder dieser Veranlagungen von der maximalen Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge ausgegangen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann diese Regelung zur Folge haben, daß der vom Betroffenen als Beitrag erhobene Betrag den Hoechstbetrag überschreitet, der sich ergäbe, wenn der Prozentsatz des Beitrags auf die erste Tranche der Einkünfte angewandt würde. Das Beispiel des Herrn Terhoeve veranschaulicht diese widersinnigen Wirkungen sehr gut: Für das Jahr 1990 fordert man von ihm für den Zeitraum, in dem er gebietsfremder Steuerpflichtiger war, 9 309 HFL, den Hoechstbetrag, auf den sich die für ein Jahr geschuldeten Beiträge belaufen können und der sich aus der Anwendung des Satzes von 22,1 % auf die erste Tranche der Einkünfte ergibt, die für das genannte Jahr auf 42 123 HFL festgesetzt worden war; für den Zeitraum, in dem er gebietsansässiger Steuerpflichtiger war, wird ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 1 441 HFL verlangt. Hätte Herr Terhoeve aber während jenes ganzen Jahres den Status eines der gleichen niederländischen sozialversicherungsrechtlichen Regelung unterworfenen gebietsansässigen Steuerpflichtigen besessen, so wäre er höchstens mit einem Beitrag in Höhe von 9 309 HFL belastet worden. Es trifft zu, daß dieser Nachteil je nach den Umständen dadurch ausgeglichen werden kann, daß die auf jeden dieser Zeiträume jeweils entfallenden Einkünfte getrennt mit Einkommensteuer belegt werden, was dazu führen kann, daß niedrigere Steuersätze Anwendung finden.

III - Die Vorlagefragen

15 Um diesen Rechtsstreit entscheiden zu können, hat der Gerechtshof dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auf eine Person anwendbar, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, im Laufe des Jahres ihren Wohnort von einem anderen Mitgliedstaat in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger sie ist, verlegt und in diesem Jahr nacheinander in jedem dieser Mitgliedstaaten einer abhängigen Beschäftigung nachgeht, wobei sie ihr Einkommen in diesem Jahr nicht größtenteils in einem der beiden Mitgliedstaaten erzielt hat?

2. a) Ergibt sich aus den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere aus den Artikeln 7 und 48 Absatz 2 EWG-Vertrag und Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68(2), daß bei Anwendung von Rechtsvorschriften, die Aus- und Einwanderer bei der Beitragserhebung für Sozialversicherungen benachteiligen, von der Vermutung auszugehen ist, daß diese Benachteiligung hauptsächlich Staatsangehörige anderer Staaten betrifft?

b) Wenn die Frage unter a zu bejahen ist, handelt es sich dann hier um eine widerlegbare oder um eine unwiderlegbare Vermutung?

c) Wenn es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt, richten sich dann die Möglichkeiten einer Widerlegung der Vermutung allein nach dem nationalen Prozeßrecht, insbesondere den Bestimmungen des Beweisrechts des betroffenen Mitgliedstaates, oder stellt auch das Gemeinschaftsrecht hierfür Erfordernisse auf?

d) Wenn das Gemeinschaftsrecht Erfordernisse für die Widerlegung dieser Vermutung aufstellt, welche Bedeutung kommt dann im vorliegenden Fall folgenden Umständen zu?

- Die beklagte Behörde hat geltend gemacht, daß die - viel umfangreichere - Gruppe von im Ausland wohnenden Steuerpflichtigen fast zur Hälfte aus Staatsangehörigen des Staates der Behörde bestehe, ohne Näheres zur Begründung dieser Behauptung vorzutragen;

- der Betroffene, der eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit geltend gemacht hat, hat die Richtigkeit der vorgenannten Behauptung der Behörde nicht bestritten; und

- die beklagte Behörde ist bedeutend besser als der Betroffene in der Lage, Näheres zusammenzutragen, womit sich die genannte Vermutung gegebenenfalls widerlegen läßt.

3. Gibt es eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die es, ungeachtet der Frage, ob eine (mittelbare) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliegt, verbietet, daß ein Mitgliedstaat einen Arbeitnehmer, der in einem Kalenderjahr seinen Wohnort von diesem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verlegt oder umgekehrt, im Jahr der Verlegung des Wohnorts bei der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen höher belastet als einen Arbeitnehmer, der unter im übrigen gleichen Umständen während dieses ganzen Jahres seinen Wohnort in einem Mitgliedstaat beibehält?

4. Läßt sich eine höhere Beitragsbelastung im Sinne der dritten Frage, wenn sie grundsätzlich gegen Artikel 7 oder Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag oder gegen irgendeine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts verstößt, durch einen oder mehrere der folgenden Umstände, auch im Zusammenhang gesehen, rechtfertigen?

- Die Maßnahme ergibt sich aus einer Regelung, durch die die Erhebung der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge zur Vereinfachung der Erhebung weitgehend, wenn auch nicht vollständig, zusammengefaßt werden soll;

- Lösungen, die unter Aufrechterhaltung dieses Zusammenhangs die genannte höhere Beitragsbelastung verhindern, führen zu technischen Problemen bei der Durchführung oder zu der Möglichkeit einer Überkompensation;

- in manchen Fällen, wenn auch nicht im vorliegenden Fall, ist die Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge für Ein- und Auswanderer im Jahr der Verlegung des Wohnorts geringer als für Personen, die unter im übrigen gleichen Umständen während des ganzen Jahres denselben Wohnort haben.

5. a) Wenn eine höhere Beitragsbelastung im Sinne der dritten Frage gegen Artikel 7 oder Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag oder gegen irgendeine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts verstößt, sind dann bei der Beurteilung der Frage, ob es sich in einem konkreten Fall tatsächlich um eine höhere Belastung handelt, allein die Arbeitseinkünfte zu berücksichtigen oder auch andere Einkünfte des Betroffenen wie Erträge aus Immobilien?

b) Wenn andere Einkünfte als das Arbeitsentgelt unberücksichtigt zu bleiben haben, wie ist dann zu berechnen, ob und inwieweit die Beiträge vom Arbeitseinkommen zu einem Nachteil für den betroffenen Wanderarbeitnehmer führen?

6. a) Wenn im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts vorliegt, ist das nationale Gericht dann verpflichtet, diesen Verstoß zu beseitigen, auch wenn dies eine Wahl zwischen verschiedenen Alternativen erfordert, von denen jede Vor- und Nachteile hat?

b) Wenn das nationale Gericht in diesem Fall tatsächlich einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht beseitigt, gibt dann das Gemeinschaftsrecht Hinweise in bezug auf die Wahl, die es hierzu unter verschiedenen denkbaren Lösungen treffen muß?

IV - Die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts

16 Artikel 7 EWG-Vertrag, der zu Artikel 6 EG-Vertrag geworden ist(3), bestimmt in Absatz 1:

"Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten."

Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages lautet:

"[Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer] umfaßt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen."

17 Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 enthält ein vollständiges System von Konfliktnormen, die dazu dienen, die Rechtsordnung zu bestimmen, die auf in seinen Anwendungsbereich fallende Personen anwendbar ist. In seinem Artikel 13 heißt es:

"(1) Vorbehaltlich des Artikels 14 c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

..."

Artikel 14, der eine Sonderregelung für andere Personen als Seeleute enthält, die eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausüben, bestimmt, soweit vorliegend von Interesse, folgendes:

"Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:

1. a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt wird, und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.

b) Geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Betreffende entsandt wurde oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; diese Genehmigung ist vor Ablauf der ersten zwölf Monate zu beantragen. Sie darf nicht für länger als zwölf Monate erteilt werden.

..."

18 Ferner heißt es in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68:

"(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

..."

V - Prüfung der Vorlagefragen

19 Der Kläger des Ausgangsverfahrens, die Regierung der Niederlande und die Kommission haben im vorliegenden Verfahren schriftliche Erklärungen abgegeben. Die beklagte Verwaltung hat dem Gerichtshof mitgeteilt, sie reiche keine eigenen Erklärungen ein, sondern mache sich die Ausführungen ihrer Regierung zu eigen. In der mündlichen Verhandlung vom 17. März 1998 sind die Vertreter des Klägers des Ausgangsverfahrens, der niederländischen Regierung und der Kommission erschienen.

Zur ersten Frage

20 Den Ausführungen des Gerechtshof in seinem Vorlagebeschluß entnehme ich, daß dieser mit seiner ersten Frage erfahren will, ob sich ein Arbeitnehmer gegenüber dem Mitgliedstaat, dem er angehört, auf die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit berufen kann, wenn er Angestellter eines Unternehmens mit Sitz in diesem Staat ist und für einen weniger als ein Jahr betragenden Zeitraum in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu dem Zweck entsandt wurde, dort im Dienst dieses Unternehmens eine Tätigkeit auszuüben. Es handelt sich, wie der Gerechtshof weiterhin darlegt, um Arbeitnehmer, deren Einkünfte während des in Betracht kommenden Zeitraums größtenteils nicht in nur einem dieser Mitgliedstaaten erzielt wurden.

21 Der Kläger des Ausgangsverfahrens führt aus, die Bürger eines Mitgliedstaats könnten sich gegenüber diesem Mitgliedstaat auf das Gemeinschaftsrecht berufen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten oder ausgeübt hätten. Dies treffe genau auf ihn zu, da er Bürger der Niederlande sei und im Vereinigten Königreich gewohnt und gearbeitet habe.

22 Die niederländische Regierung schlägt vor, die vorliegende Frage zu bejahen. Sie meint, die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Präzisierung, daß der Betroffene 1990 nicht den größten Teil seiner Einkünfte in einem der beiden Mitgliedstaaten bezogen habe, sei für die Beantwortung der Frage ohne Belang.

23 Die Kommission führt aus, eine Situation wie die des Herrn Terhoeve weise hinreichende Berührungspunkte mit dem Gemeinschaftsrecht auf. Indem er sich in das Vereinigte Königreich begeben habe, um dort zu wohnen und zu arbeiten, habe der Betroffene von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht; dies genüge für die Feststellung, daß sich seine Situation von derjenigen anderer Gemeinschaftsbürger unterscheide, die von diesem Recht niemals Gebrauch gemacht hätten.

24 Ich stimme der Auffassung der Kommission zu. In der Tat hat der Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen anerkannt, daß sich ein Bürger eines Mitgliedstaats, der eine der ihm vom Vertrag gewährten Freiheiten in Anspruch genommen hat, gegenüber diesem Staat auf das Gemeinschaftsrecht berufen kann. So hat er bereits im Urteil Knoors(4), bei dem es sich um einen niederländischen Staatsbürger handelte, der sich in den Niederlanden niederzulassen wünschte und sich hierfür auf seine in Belgien erworbene Berufsausbildung berief, festgestellt, obwohl die Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassung und den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf rein interne Verhältnisse eines Mitgliedstaats anwendbar seien, könne die in Artikel 52 enthaltene Bezugnahme auf die "Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats", die sich "im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats" niederlassen wollten, nicht dahin ausgelegt werden, daß die eigenen Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen wären, wenn sie sich aufgrund der Tatsache, daß sie rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig gewesen seien und dort eine nach dem Gemeinschaftsrecht anerkannte berufliche Qualifikation erworben hätten, gegenüber ihrem Herkunftsland in einer Lage befänden, die mit derjenigen aller anderen Personen, die in den Genuß der durch den Vertrag garantierten Rechte und Freiheiten kämen, vergleichbar sei.

Diese Feststellung wurde in folgenden Urteilen wiederholt: Bouchoucha(5), Kraus(6) - wo der Gerichtshof zusätzlich ausführte, die gleichen Überlegungen träfen für Artikel 48 des Vertrages zu -, Scholz(7) - wo er bestätigte, daß jeder Gemeinschaftsbürger, der von seinem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt habe, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Artikel 48 des Vertrages falle - und Asscher(8), wo er entschied, diese Rechtsprechung sei auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaates anwendbar, die in einem anderen Mitgliedstaat, wo sie ansässig seien, eine selbständige Tätigkeit ausübten, weshalb sich die Betroffenen gegenüber ihrem Herkunftsstaat, in dessen Gebiet sie eine andere selbständige Tätigkeit ausüben, auf Artikel 52 des Vertrages berufen könnten.

25 Im gleichen Sinne hat der Gerichtshof im Urteil Broekmeulen(9) die maßgeblichen Bestimmungen dahin ausgelegt, daß die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr, die durch die Artikel 3 Buchstabe c, 48, 52 und 59 des Vertrages garantiert würden und bei denen es sich um im System der Gemeinschaft grundlegende Freiheiten handele, nicht voll verwirklicht wären, wenn die Mitgliedstaaten die Vergünstigung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen denjenigen ihrer Staatsangehörigen versagen dürften, die von den Erleichterungen auf dem Gebiet des Verkehrs und der Niederlassung Gebrauch gemacht hätten.

26 Anders als im Fall des Herrn Werner - eines deutschen Staatsangehörigen, der seine Befähigungsnachweise und seine Berufsausübung in Deutschland erhalten hatte, dessen berufliche Tätigkeiten sich stets in diesem Land abgespielt hatten und dessen einzige Auslandsberührung in seinem Wohnsitz in den Niederlanden bestand, weshalb der Gerichtshof entschied, es handele sich um eine rein inländische Situation, auf die Artikel 52 des Vertrages nicht anwendbar sei(10), hat im vorliegenden Fall Herr Terhoeve, ein niederländischer Staatsbürger, sein vom Vertrag anerkanntes Recht auf Freizügigkeit von dem Augenblick an ausgeübt, in dem er in das Vereinigte Königreich übersiedelte, um dort vom 1. Januar bis zum 6. November 1990 als Angestellter für sein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen zu arbeiten, in die er anschließend zurückkehrte, um dort weiterhin eine unselbständige Tätigkeit auszuüben.

27 Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, daß Herr Terhoeve sich gegenüber seinem Herkunftsland auf die Vorschriften des Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann, wobei es insoweit nicht darauf ankommt, ob der Betroffene während des in Betracht zu ziehenden Zeitraums den größten Teil seiner Einkünfte in nur einem dieser Mitgliedstaaten erzielt hat.

Zur zweiten Frage

28 Wie ich glaube, will das vorlegende Gericht mit dieser Frage im wesentlichen erfahren, ob die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften dadurch eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bewirken, daß sie hauptsächlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten treffen. Diese Rechtsvorschriften sehen vor, daß ein Arbeitnehmer, der sich in der gleichen Lage befindet wie Herr Terhoeve im Jahre 1990, gleichzeitig zur Einkommensteuer und zur Beitragsleistung an die allgemeinen Sozialversicherungen veranlagt werden kann, einmal für die Zeit, in der er gebietsansässiger, und ein zweites Mal für die Zeit, in der er gebietsfremder Steuerpflichtiger war; dies kann dazu führen, daß seine Beiträge in diesem Jahr die Hoechstgrenze des Betrages überschreiten, den er hätte entrichten müssen, wenn er während des ganzen Jahres gebietsansässiger Steuerpflichtiger gewesen wäre.

29 Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht geltend, diese Bestimmungen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit angewandt würden, jedoch eine Unterscheidung nach dem Wohnort träfen, seien diskriminierend. Die Verpflichtung, ein Jahr lang zu den allgemeinen Sozialversicherungen einen Beitrag zu leisten, der über der jährlichen Hoechstgrenze liege, werde dem Betroffenen wegen seines Wohnortwechsels auferlegt, was zu einer Änderung seiner steuerrechtlichen Lage führe, da er von einem ansässigen zu einem nichtansässigen Steuerpflichtigen werde oder umgekehrt. Dieser Wechsel dürfe aber keinen Einfluß auf die Beiträge haben, da der Betroffene während des ganzen Jahres bei den allgemeinen niederländischen Sozialversicherungen pflichtversichert gewesen sei. Dennoch sei er, weil er im Verlauf ein und desselben Jahres, in dem er jeweils Beiträge in Höhe von 1 441 HFL und 9 309 HFL habe entrichten müssen, gebietsansässiger und gebietsfremder Steuerpflichtiger gewesen sei, ungünstiger behandelt worden als eine Person, die während des ganzen Jahres den Status eines ansässigen Steuerpflichtigen gehabt habe, von dem nicht mehr als 9 309 HFL, die Beitragshöchstgrenze für 1990, habe gefordert werden können.

Seiner Auffassung nach finden die streitigen Rechtsvorschriften hauptsächlich auf Wanderarbeitnehmer Anwendung, d. h. auf Angehörige einer Gruppe, die sich größtenteils aus Bürgern anderer Mitgliedstaaten zusammensetze; diese müßten zu den allgemeinen Sozialversicherungen Beiträge leisten, die über dem jährlichen Hoechstbetrag lägen.

30 Die niederländische Regierung führt aus, Wanderarbeitnehmer würden nur dann ungünstiger behandelt, wenn bestimmte Umstände zusammenträfen; die Erhebung der Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen müsse in ihrem Zusammenhang gesehen werden, weshalb die Einziehung der Einkommensteuer und diejenige der Beiträge gemeinsam zu betrachten seien. Im Gegensatz zu den Beiträgen zur Sozialversicherung der Arbeitnehmer beruhten die Beiträge zu den allgemeinen Sozialversicherungen auf dem Grundsatz der Solidarität und wiesen einige Ähnlichkeiten mit den Steuern auf. So würden sie zusammen mit der Einkommensteuer erhoben; die Bemessungsgrundlage, die nicht auf die Löhne oder Gehälter beschränkt sei, sondern alle Arten von Einkünften umfasse, sei in beiden Fällen die gleiche.

Die niederländische Regierung führt weiterhin aus, es gehe vorliegend um die Notwendigkeit, die Kohärenz der steuerrechtlichen Vorschriften zu sichern, zu denen die Bestimmungen über die Einziehung von für die allgemeine Sozialversicherung bestimmten Geldern gehöre; nach Maßgabe vielfältiger individueller Umstände könne das System günstige Folgen haben, z. B. wenn wegen der zweifachen Veranlagung innerhalb eines Jahres die Progression der Einkommensteuer gemildert werde, oder es könne ungünstige Folgen haben. Es sei alles andere als erwiesen, daß die Nachteile dieses Erhebungssystems hauptsächlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten treffe; in Wirklichkeit handele es sich bei den betroffenen Personen hauptsächlich um niederländische Staatsbürger.

31 Nach Ansicht der Kommission begründen die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

32 Lassen Sie mich von vornherein sagen, daß ich mit der Auffassung der Kommission übereinstimme, wonach die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften keine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit begründen.

33 Eingangs möchte ich daran erinnern, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Artikel 6 des Vertrages, der den allgemeinen Grundsatz des Verbotes von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit aufstellt, nur dann selbständig gilt, wenn es sich um vom Gemeinschaftsrecht erfaßte Situationen handelt, für die der Vertrag kein spezielles Diskriminierungsverbot vorsieht(11). Im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer wurde der Grundsatz der Gleichbehandlung in Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages, durch die jede unterschiedliche Behandlung in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen abgeschafft wurde, durchgeführt und konkretisiert.

Es ist daher für die Beantwortung der Vorlagefragen des Gerechtshof vorliegend nicht notwendig, auf Artikel 6 des Vertrages zurückzugreifen.

34 Ebensowenig ist es meines Erachtens erforderlich, Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 heranzuziehen, auf den sich das Gericht, das die von mir geprüften Vorlagefragen gestellt hat, ebenfalls bezieht. Diese Bestimmung verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten, Arbeitnehmern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen zu gewähren wie ihren eigenen Staatsbürgern. Im vorliegenden Fall wird jedoch über den Betrag gestritten, den Herr Terhoeve als Beitrag zu den niederländischen allgemeinen Sozialversicherungen zu entrichten hat und der, wenn er auch nach Maßgabe der ersten Tranche der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer berechnet wird, deshalb nicht minder einen Beitrag zu einem Sozialversicherungssystem eines der Mitgliedstaaten darstellt. Sollte daher für die Beantwortung der Fragen des Gerechtshof auf eine andere Bestimmung als Artikel 48 des Vertrages zurückgegriffen werden müssen, so schiene es mir angebrachter, Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 heranzuziehen, der den fundamentalen Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf dem Gebiet der Sozialversicherung aufstellt.

35 Wie ebenfalls aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervorgeht, verbieten die Vorschriften des Vertrages über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, sondern auch jede Form einer verschleierten Diskriminierung, die zwar andere Unterscheidungskriterien anwendet, tatsächlich aber zu demselben Ergebnis führt. Es ist daher nicht auszuschließen, daß Kriterien wie Herkunfts- oder Wohnort eines Arbeitnehmers sich praktisch in der Weise auswirken können, daß sie zu einer vom Vertrag verbotenen Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führen(12).

36 In den Rechtssachen, in denen der Gerichtshof über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit befunden hat, war es häufig das Kriterium des Wohnorts, dessen Anwendung die Diskriminierung bewirkt hat, weil es sich um eine Voraussetzung handelte, die im Normalfall eher von den eigenen Staatsangehörigen als von den Wanderarbeitnehmern, die Bürger anderer Mitgliedstaaten sind, erfuellt wird(13). Das ist der Grund für die Überlegungen, die das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluß angestellt hat, sowie für die Bemerkungen des Klägers des Ausgangsverfahrens zu dieser Frage.

37 Ich weise jedoch darauf hin, daß zwei Bedingungen erfuellt sein müssen, damit ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, durch die Anwendung der streitigen niederländischen Rechtsvorschriften einen Nachteil erleidet, nämlich daß er im Laufe eines Kalenderjahres in den Niederlanden zunächst ansässiger und anschließend nichtansässiger Steuerpflichtiger gewesen sein muß oder umgekehrt und, last but not least, daß er, auch wenn er in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet und gewohnt hat, weiterhin den niederländischen Rechtsvorschriften über die allgemeinen Sozialversicherungen unterworfen gewesen sein muß.

38 Die allgemeine Regel, nach der sich bestimmt, welche sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften auf einen Wanderarbeitnehmer Anwendung finden, enthält Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71; sie besagt, daß Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt sind, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegen, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat.

39 Nach dieser allgemeinen Regel unterliegt der Wanderarbeitnehmer den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem er arbeitet. Hieraus folgere ich, daß die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, die während eines Teils des Jahres in den Niederlanden arbeiten und anschließend eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat aufnehmen, durch die streitigen Rechtsvorschriften keinen Schaden erleiden, weil sie von dem Augenblick an, in dem sie in diesem anderen Staat zu arbeiten beginnen, nicht mehr den Vorschriften des niederländischen Sozialversicherungsrechts unterworfen sind und für denjenigen Zeitraum Beiträge zu leisten haben, in dem sie diesen Vorschriften unterlagen. Das gleiche trifft für diejenigen Arbeitnehmer zu, die während eines Teils des Jahres in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet haben und sich anschließend zur Aufnahme einer Arbeit in die Niederlande begeben. Dies sind die typischsten Situationen von Wanderarbeitnehmern, die mehrheitlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten sein werden.

40 Die Lage des Angehörigen eines Mitgliedstaats, der von seinem Unternehmen unter den Bedingungen, die für Herrn Terhoeve zutreffen, zur Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat abgestellt wird, wird von Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich als Ausnahme von dieser Regel ins Auge gefaßt. Wie aus der dritten Begründungserwägung des Beschlusses Nr. 162 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer(14) hervorgeht, sollen diese Ausnahmevorschriften "Arbeitnehmern und Trägern der sozialen Sicherheit den sich aus der Anwendung der allgemeinen Regelung des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a oder Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung ergebenden Verwaltungsaufwand ersparen, wenn es sich um kurze Beschäftigungszeiten in einem anderen als dem Mitgliedstaat handelt, in dem das Unternehmen seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat".

41 Meines Erachtens wird es sich bei Wanderarbeitnehmern, die durch die Anwendung der streitigen niederländischen Rechtsvorschriften einen Nachteil erleiden können, zumeist um im Gebiet der Niederlande bei einem in diesem Staat ansässigen Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer handeln, die von ihrem Arbeitgeber in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt werden, um als dessen Angestellte während eines begrenzten und verhältnismäßig kurzen Zeitraums Arbeiten auszuführen.

In einem solchen Fall werden diese entsandten Arbeitnehmer gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 während der Zeit, in der sie in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten, weiterhin den niederländischen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften unterliegen, was zur Folge haben wird, daß sie in Anwendung der seit 1990 geltenden Vorschriften zusammen zur Einkommensteuer und zu den Beiträgen der allgemeinen Sozialversicherungen veranlagt werden, was wiederum dazu führen kann, daß sie wie Herr Terhoeve verpflichtet sind, Beiträge zu leisten, die über dem Hoechstbetrag liegen, den sie auf der gleichen Rechtsgrundlage zu entrichten gehabt hätten, wenn sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hätten.

42 Wie ich vermute, werden es im allgemeinen Arbeitnehmer niederländischer Staatsangehörigkeit sein, die sich in einer solchen Situation befinden. Jedenfalls besteht kein Anlaß zu der Annahme, es handele sich um eine nationale Vorschrift, die, sei es auch nur potentiell, hauptsächlich Arbeitnehmer benachteiligen könnte, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind. Aus diesem Grund läßt sich nicht sagen, daß die Vorschrift zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führe.

43 Kann aber ein Mitgliedstaat einen Arbeitnehmer, der sich in der Lage des Herrn Terhoeve befindet, verpflichten, Beiträge zu seinem Sozialversicherungssystem zu entrichten, die den Hoechstbetrag übersteigen, der von ihm hätte gefordert werden können, wenn er während der fraglichen Zeit keinen Gebrauch von seinem Recht auf Freizügigkeit gemacht hätte? Genau dies ist Gegenstand der dritten Frage.

Zur dritten Frage

44 Wie mir scheint, wünscht das vorliegende Gericht mit dieser Frage zu erfahren, ob das Gemeinschaftsrecht Vorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, denen zufolge Gemeinschaftsbürger, einschließlich der eigenen Angehörigen dieses Staates, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, verpflichtet sind, Beiträge zu einem System der Sozialversicherung zu entrichten, die den Hoechstbetrag übersteigen, der von Arbeitnehmern gefordert werden kann, die von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht haben.

45 Der Kläger des Ausgangsverfahrens meint, eine Erhöhung der finanziellen Belastung könne die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit behindern.

46 Die niederländische Regierung bleibt bei der Auffassung, daß der hypothetische Arbeitnehmer, der seinen Wohnsitz verlege und auf den sich die Vorlagefrage beziehe, nicht in allen Fällen höhere Beiträge zu entrichten habe; aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, so wären die ungünsigen Folgen nicht dauerhaft, sondern träten nur im Laufe des Jahres ein, in dem er zum Teil im Ausland gewohnt habe.

47 Die Kommission führt aus, die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften oder zumindest die Art und Weise, in der sie angewandt würden, beseitigten, was die Arbeitnehmer angehe, die im Laufe des Kalenderjahres von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten, einen sozialversicherungsrechtlichen Vorteil, nämlich das einem Arbeitnehmer, der während des ganzen Jahres in den Niederlanden gearbeitet habe, zustehende Recht, zu den allgemeinen Sozialversicherungen keine Beiträge zu entrichten, die über dem für den fraglichen Zeitraum festgesetzten Hoechstbetrag lägen. Diese Situation könne einen Arbeitnehmer an der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit hindern; die niederländischen Rechtsvorschriften oder die Art und Weise, in der sie angewandt würden, behinderten die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, was mit den Bestimmungen der Artikel 48 bis 51 des Vertrages unvereinbar sei.

48 Auch hier teile ich die Auffassung der Kommission. Nach einer gefestigten Rechtsprechung gehört die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den grundlegenden Prinzipien der Gemeinschaft, und die diese Freiheit verbürgenden Bestimmungen des Vertrages haben seit dem Ablauf der Übergangszeit unmittelbare Wirkung(15). Der Gerichtshof hat auch festgestellt, die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit solle den Gemeinschaftsbürgern die Ausübung jeder Art von Erwerbstätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft erleichtern und stehe einer nationalen Regelung entgegen, die diese Personen dann benachteiligen könnte, wenn sie ihre Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats hinaus ausdehnen wollten(16).

49 Für den Bereich der Sozialversicherung der Wanderarbeitnehmer besteht eine ebenfalls gefestigte Rechtsprechung im gleichen Sinne. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Masgio(17) entschieden, Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages und Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71, die den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Anwendung dieser Verordnung aufstellen, seien "im Licht ihres Zwecks auszulegen; dieser besteht, insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, in der Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer, die eine der Grundlagen der Gemeinschaft darstellt"; "die Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag sowie die zu ihrer Durchführung erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Verordnung Nr. 1408/71, bezwecken, zu verhindern, daß ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in mehr als einem Mitgliedstaat beschäftigt war, schlechter gestellt wird, als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem Mitgliedstaat zurückgelegt hat."

50 Zu diesem Punkt hat der Gerichtshof, ebenfalls im Urteil Masgio, weiterhin festgestellt, "daß der Zweck der Artikel 48 bis 51 verfehlt würde, wenn Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern"(18). Weiter heißt es dort: "Ein solcher Verlust könnte nämlich den EG-Arbeitnehmer davon abhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und würde somit die Freizügigkeit beeinträchtigen."(19)

51 Nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bleiben in den Niederlanden beschäftigte Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, indem sie für einen begrenzten, relativ kurzen Zeitraum von ihrem Unternehmen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, und die im gleichen Jahr oder allenfalls im darauffolgenden Jahr in die Niederlande zurückkehren, um dort zu arbeiten, weiterhin dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterworfen. Den Prozeßakten ist zu entnehmen, daß ein Arbeitnehmer, der innerhalb ein und desselben Kalenderjahres in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird und später in den Mitgliedstaat seiner Herkunft zurückkehrt, zweimal gleichzeitig für die Einkommensteuer und für die Beitragsleistung an die allgemeinen Sozialversicherungen veranlagt werden kann, nämlich einmal für die Zeit, in der er gebietsansässiger, und ein anderes Mal für die Zeit, in der er gebietsfremder Steuerpflichtiger war, während er aus denselben Rechtsgründen bis zu vier Mal veranlagt werden kann, wenn diese beiden Ortswechsel sich auf zwei Kalenderjahre verteilen. Der erstgenannte Sachverhalt trifft auf Herrn Terhoeve zu, der, wie wir gesehen haben, als Beitrag einen Betrag zu entrichten hat, der den Hoechstbetrag übersteigt, der von ihm hätte gefordert werden können, wenn er während des ganzen Jahres gebietsansässiger Steuerpflichtiger gewesen wäre, d. h., wenn er von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hätte. Im zweiten Fall kann der Arbeitnehmer gehalten sein, aus dem gleichen Rechtsgrund zwei Jahre lang einen diesen Hoechstbetrag übersteigenden Beitrag zu entrichten. Und all dies geschieht, ohne daß ihm zum Ausgleich ein stärkerer sozialer Schutz gewährt würde.

52 Da diese Folge meines Erachtens jedesmal dann eintreten wird, wenn ein Arbeitnehmer unter den geschilderten Voraussetzungen von seinem Unternehmen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, fällt es schwer, anzunehmen, daß ein solcher Arbeitnehmer gern bereit sein wird, eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Jedenfalls glaube ich, daß er kein Interesse daran haben wird, mehr als einmal in seiner beruflichen Laufbahn in dieser Weise entsandt zu werden, wenn er die hiermit verbundenen nachteiligen wirtschaftlichen Folgen festgestellt hat.

53 Im Licht dieser Überlegungen bin ich der Meinung, daß die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden, im Bereich der sozialen Sicherheit diejenigen Arbeitnehmer benachteiligen, die unter den in Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 genannten Voraussetzungen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, da sie diese Arbeitnehmer ungünstiger behandeln als diejenigen, die von diesem Recht keinen Gebrauch machen, und daß die genannten Vorschriften daher die Freizügigkeit der Arbeitnehmer behindern können. In der Tat kann die Aussicht darauf, daß der Arbeitnehmer, wenn er von seinem Unternehmen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, einen höheren Beitrag zur Sozialversicherung leisten muß als denjenigen, den er bei einem Verbleib in den Niederlanden zu entrichten gehabt hätte, diesen Arbeitnehmer davon abschrecken, sein Recht auf Freizügigkeit auszuüben.

Zur vierten Frage

54 Mit dieser Frage wünscht das vorlegende Gericht für den Fall, daß die vorhergehende Frage zu bejahen ist, zu erfahren, ob sich diese höheren Beiträge aus einem oder mehreren der von ihm angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen lassen: dem Wunsch des Gesetzgebers, die Beitreibung zu vereinfachen, den technischen Durchführungsproblemen, die mit einer Ausgleichung dieser höheren Beiträge verbunden wären, und schließlich dem Umstand, daß die Anwendung der streitigen Vorschriften auch dazu führen könne, daß die Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Beitrag zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, niedriger sei als für seßhaft gebliebene Arbeitnehmer. Die niederländische Regierung trägt zusätzlich vor, die genannten Vorschriften seien durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten.

55 Zu Recht führt die Kommission hierzu aus, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer im allgemeinen und zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im besonderen habe bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit von geltend gemachten Rechtfertigungsgründen unterschiedliche Kriterien angewandt. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Masgio(20) eine sehr strenge Haltung eingenommen, indem er feststellte, daß "Artikel 48 Absatz 3 EWG-Vertrag nur solche Beschränkungen der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer zuläßt, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt werden können" und daß sich "außer in diesen im EWG-Vertrag ausdrücklich geregelten Fällen ... daher eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht rechtfertigen [läßt]". Es liegt auf der Hand, daß keiner der vom vorlegenden Gericht genannten Rechtfertigungsgründe und ebensowenig der von der niederländischen Regierung geltend gemachte Grund die von dieser Rechtsprechung genannten Voraussetzungen erfuellen, wenn man den engen Spielraum berücksichtigt, den der Wortlaut der Richtlinie 64/221/EWG(21) den Mitgliedstaaten beläßt.

56 In anderen Urteilen jüngeren Datums hat der Gerichtshof jedoch bei der Prüfung der Frage, ob ein der Freizügigkeit der Arbeitnehmer entgegenstehendes Hindernis gerechtfertigt war, auf seine Rechtsprechung zum freien Dienstleistungsverkehr zurückgegriffen. So hat er in seinem Urteil Kraus(22) ausgeführt, daß die Artikel 48 und 52 jeder nationalen Regelung entgegenstuenden, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sei, die aber geeignet sei, die Ausübung der durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen einschließlich der Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, der die Regelung erlassen habe, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Anders verhielte es sich nur, wenn mit einer solchen Regelung ein berechtigter Zweck verfolgt werde, der mit dem EWG-Vertrag vereinbar und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre. In einem solchen Fall müßte jedoch darüber hinaus die Anwendung der fraglichen nationalen Regelung geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und sie dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich sei(23).

Der Gerichtshof richtet somit seine Einstellung zu Artikel 48 des Vertrages an der Betrachtungsweise aus, mit der er an Artikel 59 herangeht. Das bedeutet, daß einerseits das Verbot auf alle Maßnahmen erstreckt wird, die, mögen sie auch ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sein, die Freizügigkeit behindern, während andererseits die Zahl der Rechtfertigungsgründe erhöht wird, so daß diese den Kreis der bereits in Artikel 48 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen erweitern.

57 Wie mir scheint, genügen die vom vorlegenden Gericht benannten etwaigen Rechtfertigungsgründe auch nicht den weniger strengen Erfordernissen, die diese Rechtsprechung aufgestellt hat.

58 Was erstens den Willen des Gesetzgebers betrifft, die Beitreibung zu vereinfachen, so gibt es zwar keinen Grund dafür, ihn als mit dem Vertrag unvereinbar anzusehen, es läßt sich aber nicht behaupten, dieser Wunsch nach Vereinfachung beruhe auf zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses.

59 Was zweitens die Probleme der technischen Durchführung anbelangt, die sich im Fall von Maßnahmen zur Vermeidung überhöhter Beitragsforderungen ergeben würden, so ist klar, daß im Rahmen des Gemeinschaftsrechts Probleme administrativer Art oder Schwierigkeiten bei der Durchführung es nicht rechtfertigen können, daß Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, schlechter behandelt werden als solche, die dies nicht getan haben; hat doch der Gerichtshof festgestellt, daß sich zwar praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Bestimmungen ergeben könnten, daß dieser Umstand jedoch nicht geeignet sei, die Rechte zu beeinträchtigen, die die Betreffenden aus den Grundsätzen der Sozialgesetzgebung der Gemeinschaft herleiten(24).

60 Was schließlich die steuerlichen Vorteile angeht, die der Wanderarbeitnehmer erzielen kann und die möglicherweise den Nachteil ausgleichen können, der sich aus der Verpflichtung ergibt, höhere Beiträge zu zahlen, so genügt die Feststellung, daß dies nicht das mit den streitigen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel ist und daß diese Vorteile, wenn sie bestehen, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen. In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß die von einer Vorschrift, die bestimmte Wanderarbeitnehmer benachteiligt, bewirkte Diskriminierung dadurch, daß andere Wanderarbeitnehmer, die sich in einer anderen Lage befinden, dank dieser Vorschrift in den Genuß von Vorteilen gelangen, weder beseitigt noch aufgewogen werden könne(25).

61 Meines Erachtens läßt sich die streitige Regelung, deren Anwendung die von mir dargelegten Folgen zeitigt, auch nicht durch die Notwendigkeit rechtfertigen, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten.

62 In zwei Urteilen aus dem Jahr 1992(26) hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Notwendigkeit, die Kohärenz der steuerlichen Regelung zu gewährleisten, eine bestimmte belgische versicherungsrechtliche Vorschrift rechtfertigte, die andernfalls gegen Artikel 48 des Vertrages verstoßen hätte. Diese Vorschrift machte den Abzug bestimmter Versicherungsprämien von der Summe der beruflichen Einkünfte davon abhängig, daß diese Prämien in Belgien gezahlt worden waren.

Der Gerichtshof war der Auffassung, daß diese Regelung einen Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der Lebensversicherungsprämie und der Besteuerung der von den Versicherern aufgrund von Verträgen über Alters- und Lebensversicherung geschuldeten Beträge herstellte, da die Pensionen, Renten, Kapitalien und Rückkaufswerte der Lebensversicherungsverträge steuerfrei bleiben, wenn der Abzug dieser Prämien nicht möglich war. In einem Steuersystem, das diese Merkmale aufweist, wird der sich aus dem Abzug der Lebensversicherungsprämien von der Gesamtheit der steuerpflichtigen Einkünfte ergebende Verlust an Einnahmen durch die Besteuerung der von den Versicherern geschuldeten Pensionen, Renten oder Kapitalien ausgeglichen; ist ein Abzug dieser Prämien nicht möglich, so bleiben die genannten Beträge steuerfrei.

Um die Kohärenz dieses Systems zu sichern, war es erforderlich, einem Staat das Recht auf Besteuerung der von den Versicherten geschuldeten Beträge zuzuerkennen, wenn dieser Staat verpflichtet war, den Abzug der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Lebensversicherungsprämien hinzunehmen. Da das Gemeinschaftsrecht bei seinem damaligen Stand die Bewahrung der Kohärenz des Systems mittels weniger restriktiver Maßnahmen als den in den belgischen Rechtsvorschriften vorgesehenen - nämlich der Bestimmung, der zufolge die Prämien, um abzugsfähig zu sein, in Belgien entrichtet sein mußten - nicht gewährleisten konnte, kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß diese Maßnahme gerechtfertigt war.

63 In einem Urteil aus dem Jahr 1995(27) wies der Gerichtshof dagegen das in die gleiche Richtung zielende Vorbringen zurück, mit dem die luxemburgische Regierung zu rechtfertigen versuchte, daß die Gewährung einer Zinsvergütung als soziale Beihilfe davon abhängig gemacht wurde, daß zur Finanzierung von Bau, Erwerb oder Verbesserung einer Wohnung gewährte Darlehen bei einem in Luxemburg zugelassenen Kreditinstitut aufgenommen worden waren, was bedeutete, daß dieses Institut seinen Sitz in diesem Land haben mußte. Der Gerichtshof stellte bei dieser Gelegenheit fest, daß zwischen der Gewährung der Zinsvergütung an die Darlehensnehmer und deren Finanzierung durch die auf die Erträge der Geldinstitute erhobene Steuer kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe.

64 In Abschnitt 21 ihrer schriftlichen Bemerkungen beruft sich die niederländische Regierung zur Rechtfertigung der streitigen Vorschriften - die die Bestimmungen über die Beitreibung von Geldmitteln für die allgemeinen Sozialversicherungen einschließen - zwar auf die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, unterläßt es jedoch, diese Behauptung zu erläutern. Auch in den Akten habe ich keine Begründung für die Auffassung gefunden, daß die Kohärenz des niederländischen Steuersystems es erforderlich mache, daß Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten, höhere Beiträge zur Sozialversicherung entrichteten als seßhafte Arbeitnehmer.

Zur fünften Frage

65 Für den Fall, daß der Gerichtshof feststellt, daß die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nationalen Bestimmungen entgegenstehen, aufgrund deren Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, höhere Beiträge zur Sozialversicherung entrichten müssen als seßhafte Arbeitnehmer, fragt der Gerechtshof, ob für die Entscheidung darüber, ob das Beitragsniveau höher ist, lediglich die Arbeitseinkünfte oder auch andere Einnahmen des Betroffenen, gegebenenfalls die Erträge aus seinem Immobiliarvermögen, zu berücksichtigen sind. Für den Fall, daß die anderen Einkünfte unberücksichtigt zu bleiben hätten, wünscht das vorlegende Gericht weiterhin zu erfahren, wie und in welchem Umfang zu beurteilen ist, ob die auf die Arbeitseinkünfte erhobenen Beiträge für den in Rede stehenden Arbeitnehmer Nachteile mit sich bringen.

66 Bekanntlich sieht Artikel 51 des Vertrages die Koordinierung und nicht die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vor, und läßt materiell- und verfahrensrechtliche Unterschiede zwischen den Sozialversicherungssystemen der Mitgliedstaaten sowie den Ansprüchen der in ihnen arbeitenden Personen bestehen(28). Aufgrund dieses Artikels hat der Rat die Verordnung Nr. 1408/71 sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 mit Durchführungsvorschriften zur erstgenannten Verordnung(29) erlassen; diese Durchführungsvorschriften verfolgen hauptsächlich den Zweck, die auf diesem Gebiet geltenden unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften zu koordinieren, um zu gewährleisten, daß die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht diejenigen Personen, die von ihr Gebrauch machen, im Verhältnis zu denjenigen benachteiligt, die ihre Tätigkeit in einem einzigen Mitgliedstaat ausüben(30).

67 Sicherlich ist es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts Sache der Gesetzgebung eines jeden Mitgliedstaats, das Recht auf oder die Pflicht zum Anschluß an dessen Systeme der sozialen Sicherheit sowie die Bedingungen hierfür zu bestimmen(31). Die Mitgliedstaaten müssen jedoch meines Erachtens, wenn sie von dieser Zuständigkeit Gebrauch machen, nicht nur den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, indem sie diese Vorschriften ohne Diskriminierung zwischen den eigenen Staatsangehörigen und den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten anwenden, sondern sich überdies vergewissern, daß die nationalen Bestimmungen über die soziale Sicherheit die wirksame Ausübung der durch Artikel 48 des Vertrages verbürgten grundlegenden Freiheitsrechte nicht behindern.

68 Mit Ausnahme von Artikel 14d der Verordnung Nr. 1408/71, der verschiedene vorliegend nicht anwendbare, höchstspezifische Bestimmungen enthält, regelt das Gemeinschaftsrecht, soweit es die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betrifft, nicht die Zusammensetzung der Bemessungsgrundlage für die Beiträge zu den innerstaatlichen Systemen der sozialen Sicherheit.

69 Wie ich meine, ist es in Ermangelung einer anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung - ebenso wie dies für die Festlegung der Voraussetzungen für das Recht oder die Pflicht gilt, sich einem System der sozialen Sicherheit oder dem einen oder anderen Zweig eines solchen Systems anzuschließen - Sache der Gesetzgebung eines jeden Mitgliedstaats, die Faktoren zu bestimmen, aus denen sich die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zu dem eigenen System der sozialen Sicherheit zusammensetzt, vorausgesetzt, daß nicht zwischen den eigenen Staatsangehörigen und den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten diskriminiert wird und daß die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht im Verhältnis zu den seßhaften Arbeitnehmern benachteiligt werden.

Zur sechsten Frage

70 Mit dieser letzten der vorgelegten Fragen wünscht das vorlegende Gericht zu erfahren, was es zu tun hat, falls es zu dem Ergebnis gelangt, es liege eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vor, wenn diese Verletzung im vorliegenden Fall die Folge der kombinierten Anwendung verschiedener gesetzlicher Vorschriften ist und es mehrere Alternativen zu ihrer Vermeidung gibt, ohne daß ihm irgendeine dieser Alternativen völlig zufriedenstellend erschiene.

Dies ist nicht das erste Mal, daß sich ein innerstaatliches Gericht diesem Dilemma gegenübersieht; der Gerichtshof hat sich zu diesem Punkt mehrfach ausgesprochen.

71 Wie ich bereits in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache C-358/95(32) ausgeführt habe, liegt eine klare Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Lösung des Konflikts zwischen innerstaatlichen und gemeinschaftlichen Rechtsnormen vor. Das beste Beispiel für diese Rechtsprechung ist nach wie vor das Urteil Simmenthal(33), wo der Gerichtshof ausgeführt hat, daß nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten zur Folge haben, daß allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird. Im gleichen Urteil hat der Gerichtshof überdies festgestellt, daß jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar wäre, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, daß dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen würde, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden(34). Abschließend hat der Gerichtshof entschieden, daß staatliche Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden haben, gehalten seien, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede - auch spätere - entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne daß sie die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müßten(35).

72 Überdies hat der Gerichtshof bereits in seinem Urteil Van Duyn(36) ausgeführt, daß Artikel 48, der den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer verankere und den Staaten eine eindeutige Verpflichtung auferlege, die zu ihrer Wirksamkeit keiner weiteren Maßnahme der Gemeinschaftsorgane oder Mitgliedstaaten bedürfe und diesen bei der Durchführung keinen Ermessensspielraum belasse, unmittelbar anwendbar sei und den Einzelpersonen Rechte verleihe, die sie vor den Gerichten eines Mitgliedstaats geltend machen könnten.

73 Weiterhin obliegt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes den innerstaatlichen Gerichten kraft des in Artikel 5 des Vertrages niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit, den Rechtsschutz zu gewähren, der sich für die Bürger aus der unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ergibt(37).

74 Unter Berücksichtigung der von mir vorgeschlagenen Antworten auf die vorhergehenden Fragen sowie der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes meine ich, daß die sechste Frage des Gerechtshof dahin beantwortet werden sollte, daß die staatlichen Gerichte, denen es obliegt, das Gemeinschaftsrecht auf einen bei ihnen anhängigen Rechtsstreit anzuwenden, verpflichtet sind, diesen Rechtsstreit so zu entscheiden, daß die volle Wirksamkeit der Artikel 48 bis 51 des Vertrages gewährleistet bleibt, so daß Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht eines sozialversicherungsrechtlichen Vorteils wie des Rechts beraubt werden, keine den für die seßhaften Arbeitnehmer geltenden Beitragssatz überschreitenden Beiträge entrichten zu müssen, und somit nicht davon abgeschreckt werden, ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben.

VI - Ergebnis

Im Licht der bisherigen Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Gerechtshof 's-Hertogenbosch wie folgt zu beantworten:

1. Ein Angehöriger eines Mitgliedstaates ist befugt, sich gegenüber diesem Staat auf die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu berufen, wenn er als Angestellter eines in diesem Staat ansässigen Unternehmens für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wurde, um dort eine unselbständige Tätigkeit für dieses Unternehmen auszuüben. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer während des in Betracht zu ziehenden Zeitraums den größten Teil seiner Einkünfte in einem einzigen dieser Staaten erzielt hat.

2. Die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften begründen keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

3. Die Artikel 48 bis 51 des Vertrages stehen Maßnahmen eines Mitgliedstaats entgegen, die Gemeinschaftsbürgern einschließlich der eigenen Staatsangehörigen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Entrichtung eines Beitrags zu den allgemeinen Sozialversicherungen auferlegen, der höher ist als der von den Arbeitnehmern, die nicht von diesem Recht Gebrauch gemacht haben, geforderte Hoechstbetrag.

4. Soweit die streitigen niederländischen Rechtsvorschriften die Freizügigkeit der Arbeitnehmer behindern, lassen sie sich durch keine der vom vorlegenden Gericht genannten Umstände rechtfertigen, d. h. nicht durch den Wunsch des Gesetzgebers, die Beitreibung zu vereinfachen, die technischen Durchführungsprobleme, die mit einer Ausgleichung der in Rede stehenden höheren Beiträge verbunden wären, und den Umstand, daß die Anwendung der streitigen Vorschriften auch dazu führen kann, daß die Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und Beitrag zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, in bestimmten Fällen niedriger ist als für seßhaft gebliebene Arbeitnehmer.

5. In Ermangelung einer anwendbaren Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist es Sache der Gesetzgebung eines jeden Mitgliedstaats, die Faktoren zu bestimmen, aus denen sich die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zu dem eigenen System der sozialen Sicherheit zusammensetzt, vorausgesetzt, daß dies nicht zu einer Diskriminierung zwischen den eigenen Staatsangehörigen und den Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten führt und daß die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht im Verhältnis zu den seßhaften Arbeitnehmern benachteiligt werden.

6. Die staatlichen Gerichte, denen es obliegt, das Gemeinschaftsrecht auf einen bei ihnen anhängigen Rechtsstreit anzuwenden, sind verpflichtet, diesen so zu entscheiden, daß die volle Wirksamkeit der Artikel 48 bis 51 des Vertrages gewährleistet bleibt, so daß Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht eines sozialversicherungsrechtlichen Vorteils wie des Rechts beraubt werden, keine den für die seßhaften Arbeitnehmer geltenden Hoechstbeitragssatz überschreitenden Beiträge entrichten zu müssen, und somit nicht davon abgeschreckt werden, ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben.

(1) - ABl. L 230, S. 6.

(2) - Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2).

(3) - Geändert durch Artikel G Nummer 8 des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union (ABl. C 191, S. 1).

(4) - Urteil vom 7. Februar 1979 in der Rechtssache 115/78 (Slg. 1979, 399, Randnr. 24).

(5) - Urteil vom 3. Oktober 1990 in der Rechtssache C-61/89 (Slg. 1990, I-3551, Randnr. 13).

(6) - Urteil vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92 (Slg. 1993, I-1663, Randnrn. 15 und 16).

(7) - Urteil vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-419/92 (Slg. 1994, I-505, Randnr. 9).

(8) - Urteil vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache C-107/94 (Slg. 1996, I-3089).

(9) - Urteil vom 6. Oktober 1981 in der Rechtssache 246/80 (Slg. 1981, 2311, Randnr. 20).

(10) - Urteil vom 26. Januar 1993 in der Rechtssache C-112/91 (Slg. 1993, I-429).

(11) - Siehe Randnr. 6 des Urteils in der Rechtssache Scholz (zitiert in Fußnote 7); ferner Urteile vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783, Randnr. 19) und vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-193/94 (Skanavi und Chryssanthakopoulos, Slg. 1996, I-929, Randnr. 20).

(12) - Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73 (Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11).

(13) - Urteile vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 41/84 (Pinna, Slg. 1986, 1), vom 8. Mai 1990 in der Rechtssache C-175/88 (Biehl, Slg. 1990, 1779), vom 10. November 1992 in der Rechtssache C-326/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-5517), vom 10. März 1993 in der Rechtssache C-111/91 (Kommission/Luxemburg, Slg. 1993, I-817), vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93 (Schumacker, Slg. 1995, I-225), vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache C-266/95 (Merino García, Slg. 1997, I-3279) und vom 27. November 1997 in der Rechtssache C-57/96 (Meints, Slg. 1997, I-6689).

(14) - Beschluß Nr. 162 vom 31. Mai 1996 zur Auslegung des Artikels 14 Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer anzuwendenden Rechtsvorschriften (ABl. L 241, S. 28).

(15) - Urteile vom 7. Juli 1976 in der Rechtssache 118/75 (Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185, Randnr. 16), vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86 (Heylens, Slg. 1987, 4097, Randnr. 8), vom 16. Juni 1992 in der Rechtssache C-351/90 (Kommission/Luxemburg, Slg. 1992, I-3945, Randnr. 18), vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-370/90 (Singh, Slg. 1992, I-4265, Randnr. 15) und vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 93).

(16) - Urteile vom 7. Juli 1988 in den Rechtssachen 143/87 (Stanton, Slg. 1988, 3877, Randnr. 13) sowie in den verbundenen Rechtssachen 154/87 und 155/87 (Wolf u. a., Slg. 1988, 3897, Randnr. 13); Urteile in den Rechtssachen Singh und Bosman (zitiert in Fußnote 15, jeweils Randnrn. 16 und 94).

(17) - Urteil vom 7. März 1991 in der Rechtssache C-10/90 (Slg. 1991, I-1119, Randnrn. 16 und 17). Siehe ferner Urteile vom 12. Oktober 1978 in der Rechtssache 10/78 (Belbouab, Slg. 1978, 1915, Randnr. 5), vom 25. Februar 1986 in der Rechtssache 284/84 (Spruyt, Slg. 1986, 685, Randnr. 18) und vom 2. Mai 1990 in der Rechtssache C-293/88 (Winter-Lutzins, Slg. 1990, I-1623, Randnr. 13).

(18) - Zitiert in Fußnote 17, Randnr. 18. Diese Feststellung findet sich ebenfalls in den Urteilen vom 21. Oktober 1975 in der Rechtssache 24/75 (Petroni, Slg. 1975, 1149, Randnr. 13), vom 9. Juli 1980 in der Rechtssache 807/79 (Gravina, Slg. 1980, 2205, Randnr. 6) sowie in den Urteilen in den Rechtssachen Spruyt und Winter-Lutzins (zitiert in Fußnote 17, jeweils Randnrn. 19 und 14).

(19) - Zitiert in Fußnote 17, Randnr. 18. Siehe auch Urteile vom 22. Februar 1990 in den Rechtssachen C-228/88 (Bronzino, Slg. 1990, I-531, Randnr. 12) und C-12/89 (Gatto, Slg. 1990, I-557, Randnr. 12). Diese Rechtsprechung wurde in jüngster Zeit im Urteil vom 9. Dezember 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-45/92 und C-46/92 (Lepore u. a., Slg. 1993, I-6497, Randnr. 21) bestätigt.

(20) - Zitiert in Fußnote 17, Randnr. 24.

(21) - Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. Nr. 56, S. 550).

(22) - Zitiert in Fußnote 6, Randnr. 32.

(23) - Diese Rechtsprechung wurde im Urteil Bosman bestätigt (zitiert in Fußnote 15, Randnr. 104).

(24) - Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-236/88 (Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I-3163, Randnr. 17).

(25) - Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 20/85 (Roviello, Slg. 1988, 2805, Randnr. 16).

(26) - Urteile vom 28. Januar 1992 in den Rechtssachen C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249) und C-300/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-305).

(27) - Urteil vom 14. November 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3955).

(28) - Urteil in der Rechtssache Pinna (zitiert in Fußnote 13, Randnr. 20); Urteile vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (Rönfeldt, Slg. 1991, I-323, Randnr. 12) und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-165/91 (Slg. 1994, I-4661, Randnr. 18).

(29) - Verordnung des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6).

(30) - Urteil vom 20. September 1994 in der Rechtssache C-12/93 (Drake, Slg. 1994, I-4337, Randnr. 12).

(31) - Urteile vom 18. Mai 1989 in der Rechtssache 368/87 (Hartman Troiani, Slg. 1989, 1333, Randnr. 21), vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-245/88 (Daalmeijer, Slg. 1991, I-555, Randnr. 15) und vom 20. Oktober 1993 in der Rechtssache C-297/92 (Baglieri, Slg. 1993, I-5211, Randnr. 13).

(32) - Diese Rechtssache führte zum Urteil vom 13. März 1997 in der Rechtssache C-358/95 (Morellato, Slg. 1997, I-1431, insbes. I-1441 und I-1442).

(33) - Urteil vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77 (Slg. 1978, 629, Randnr. 17).

(34) - Zitiert in Fußnote 33, Randnrn. 22 und 23. Diese Rechtsprechung wurde durch das Urteil vom 19. Juni 1990 in der Rechtssache C-213/89 (Factortame u. a., Slg. 1990, I-2433, Randnrn. 18 und 20) bestätigt.

(35) - Zitiert in Fußnote 33, Randnr. 24. Diese Rechtsprechung wurde kürzlich bestätigt in den Urteilen vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 170/88 (Ford España, Slg. 1989, 2305), vom 4. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-13/91 und C-113/91 (Debus, Slg. 1992, I-3617, Randnr. 32), vom 9. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-228/90 bis C-234/90, C-339/90 und C-353/90 (Simba u. a., Slg. 1992, I-3713, Randnr. 27) und in der Rechtssache Morellato (zitiert in Fußnote 32, Randnr. 18).

(36) - Urteil vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74 (Slg. 1974, 1337, Randnrn. 4 bis 8).

(37) - Urteil in der Rechtssache Factortame (zitiert in Fußnote 34, Randnr. 19). Siehe auch Urteile vom 10. Juli 1980 in den Rechtssachen 811/79 (Ariete, Slg. 1980, 2545) und 826/79 (Mireco, Slg. 1980, 2559).