SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

CARL OTTO LENZ

vom 30. April 1996 ( *1 )

A — Einführung

1.

Die vorliegende Rechtssache und die Rechtssache C-222/94, in der ich ebenfalls heute meine Schlußanträge vorgetragen habe, geben dem Gerichtshof zum erstenmal Veranlassung, sich zu zentralen Problemen der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts -und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ( 1 ) (im folgenden „Fernsehrichtlinie “ genannt) zu äußern.

Relevante Vorschriften des Gemeinschaftsrechts

2.

Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, daß Fernsehsendungen — einschließlich von Werbemitteilungen — als Dienstleistungen im Sinne der Artikel 59 und 60 EG-Vertrag anzusehen sind ( 2 ). Der Anwendungsbereich der durch diese Vorschriften geschützten Dienstleistungsfreiheit ist auch eröffnet, wenn ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Betreiber eines Kabelnetzes Fernsehprogramme von Sendern aus anderen Mitgliedstaaten verbreitet ( 3 ).

3.

Die Fernsehrichtlinie verfolgt hauptsächlich das Ziel, Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Fernsehens zu beseitigen ( 4 ). In den Begründungserwägungen wird hierzu ausgeführt:

[9]

„Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Tätigkeiten des Fernsehveranstalters und des Kabelbetreibers weisen Unterschiede auf, von denen einige den freien Verkehr von Sendungen innerhalb der Gemeinschaft behindern und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes verzerren könnten.

[10]

Alle diese Beschränkungen der Freiheit, innerhalb der Gemeinschaft Sendungen auszustrahlen, sind gemäß dem Vertrag aufzuheben.

[11]

Eine derartige Aufhebung muß mit einer Koordinierung der geltenden Rechtsvorschriften einhergehen. Zweck dieser Koordinierung muß es sein, die Ausübung der betreffenden Berufstätigkeiten und allgemein den freien Verkehr von Informationen und Ideen innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern.

[12]

Daher ist es notwendig und ausreichend, daß alle Fernsehsendungen dem Recht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem sie ihren Ursprung haben.“ ( 5 )

Die Fernsehrichtlinie regelt der vom Rat gegebenen Begründung zufolge „das notwendige Mindestmaß, um den freien Sendeverkehr zu verwirklichen“. Für die Organisation und die Finanzierung der Sendungen sowie den Inhalt der Programme bleiben die Mitgliedstaaten zuständig ( 6 ). Im Anschluß hieran heißt es in den Begründungserwägungen:

[14]

„Im Gemeinsamen Markt müssen alle Fernsehsendungen, die ihren Ursprung in der Gemeinschaft haben und für den Empfang in der Gemeinschaft bestimmt sind, speziell diejenigen, welche für den Empfang in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, dem auf die zum Empfang durch die Allgemeinheit im Ursprungsmitgliedstaat bestimmten Fernsehsendungen anwendbaren Recht dieses Mitgliedstaats ebenso wie dieser Richtlinie entsprechen.

[15]

Die Verpflichtung des Sendestaats, die Einhaltung des durch diese Richtlinie koordinierten nationalen Rechts sicherzustellen, reicht nach dem Gemeinschaftsrecht aus, um den freien Verkehr von Fernsehsendungen zu gewährleisten, ohne daß eine zweite Kontrolle aus den gleichen Gründen in jedem der Empfangsstaaten stattfinden muß. Der Empfangsstaat kann jedoch ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen die Weiterverbreitung von Fensehsendungen vorübergehend aussetzen.“ ( 7 )

4.

Artikel 1 der Fernsehrichtlinie, der das Kapitel I der Richtlinie darstellt, enthält verschiedene Begriffsbestimmungen. Unter anderem wird dort der Begriff der „FernsehSendung“ für die Zwecke der Richtlinie definiert. Unter einer Fernsehsendung ist danach „die drahtlose oder drahtgebundene, erdgebundene oder durch Satelliten vermittelte, unverschlüsselte oder verschlüsselte Erstsendung von Fernsehprogrammen, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt ist“, zu verstehen.

5.

Das Kapitel II der Richtlinie („Allgemeine Bestimmungen“) enthält die Artikel 2 und 3. Diese Vorschriften haben — soweit hier von Interesse — folgenden Wortlaut:

„Artikel 2

(1)   Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, daß alle Fernsehsendungen, die

von seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstaltern gesendet werden oder

von Fernsehveranstaltern gesendet werden, die eine von diesem Mitgliedstaat zugeteilte Frequenz oder Übertragungskapazität eines Satelliten oder eine in diesem Mitgliedstaat gelegene Erd-Satelliten-Sendestation benutzen, ohne jedoch der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfen zu sein,

dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen anwendbar ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind. Sie können die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend aussetzen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

mit einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat wird in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 22 verstoßen;

b)

der Fernsehveranstalter hat während der vorangegangenen zwölf Monate bereits mindestens zweimal gegen diese Vorschrift verstoßen;

c)

der betreffende Mitgliedstaat hat dem Fernsehveranstalter und der Kommission schriftlich die behaupteten Verstöße sowie seine Absicht mitgeteilt, im Falle erneuter Verstöße die Weiterverbreitung einzuschränken;

d)

die Konsultationen mit dem Staat, der die Sendung verbreitet, und der Kommission haben innerhalb von 15 Tagen ab der in Buchstabe c) genannten Mitteilung zu keiner gütlichen Regelung geführt, und es kommt zu einem erneuten Verstoß.

Die Kommission achtet darauf, daß eine derartige Aussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Sie kann den betroffenen Mitgliedstaat auffordern, eine gemeinschaftsrechtswidrige Aussetzung unverzüglich zu beenden. Diese Vorschrift läßt die Anwendung entsprechender Verfahren, Rechtsmittel oder Sanktionen bezüglich der betreffenden Verstöße in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unberührt.

(3)   (...)

Artikel 3

(1)   Die Mitgliedstaaten können für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfaßten Bereichen vorsehen.

(2)   Die Mitgliedstaaten sorgen mit geeigneten Mitteln im Rahmen ihrer Rechtsvorschriften dafür, daß die jeweils ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser Richtlinie einhalten.“

6.

Das Kapitel III („Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen“) enthält in den Artikeln 4 bis 9 Vorschriften, durch die sichergestellt werden soll, „daß europäische Produktionen einen Hauptanteil der Sendezeit in den Fernsehprogrammen der Mitgliedstaaten haben“ ( 8 ). Außerdem soll die Entstehung „neuer Quellen für Fernsehproduktionen“ ( 9 ) in der Gemeinschaft gefördert werden, indem ein Teil der Sendezeit oder der Haushaltsmittel der Fernsehveranstalter unabhängigen Herstellern vorbehalten wird.

7.

Artikel 4 der Richtlinie schreibt daher vor, daß die Mitgliedstaaten „im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln“ dafür zu sorgen haben, daß die Fernsehveranstalter den Hauptanteil ihrer Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Teletextleistungen besteht, der Sendung von europäischen Werken ( 10 ) vorbehalten (Absatz 1). Kann dieser Anteil nicht erreicht werden, darf er wenigstens nicht niedriger sein als derjenige Anteil, der in dem betreffenden Mitgliedstaat in den Jahren 1988 beziehungsweise 1990 gegeben war (Absatz 2).

Artikel 5 der Richtlinie schreibt vor, daß die Mitgliedstaaten „im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln“ dafür zu sorgen haben, daß die Fernsehveranstalter mindestens 10 % ihrer Sendezeit oder 10 % ihrer für die Programmgestaltung zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel europäischen Werken von Herstellern vorbehalten, die von den Fernsehveranstaltern unabhängig sind.

8.

Das Kapitel IV (Artikel 10 bis 21) der Richtlinie enthält Vorschriften über Fernsehwerbung und Sponsoring. Artikel 14 untersagt Fernsehwerbung für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind. Artikel 15 stellt bestimmte Voraussetzungen auf, denen die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke entsprechen muß.

9.

Das Kapitel V (Artikel 22) der Richtlinie ist dem Schutz von Minderjährigen gewidmet. Die Mitgliedstaaten haben danach dafür zu sorgen, daß Sendungen von Fernsehveranstaltern, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, keine Programme enthalten, „die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen“.

10.

Kapitel VI (Artikel 23) der Richtlinie behandelt das Recht auf Gegendarstellung. Kapitel VII (Artikel 24 bis 27) enthält Schlußbestimmungen. Gemäß Artikel 25 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechtsund Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie bis spätestens 3. Oktober 1991 nachzukommen. Der Wortlaut der wichtigsten Rechtsvorschriften, welche die Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet erlassen würden, war der Kommission nach Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie mitzuteilen.

Rechtslage in Belgien

11.

In Belgien sind für den Bereich des Fernsehens weitgehend die Regionen zuständig. Im folgenden ist daher die jeweilige Rechtslage für die Französische Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft, das zweisprachige Gebiet Brüssel-Haupstadt und die Deutschsprachige Gemeinschaft darzustellen.

Rechtslage in der Französischen Gemeinschaft

12.

In der Französischen Gemeinschaft sind die hier maßgeblichen Vorschriften in dem Dekret der Französischen Gemeinschaft vom 17. Juli 1987 über den audiovisuellen Bereich ( 11 ) (im folgenden „Dekret vom 17. Juli 1987“ genannt) — in der Fassung, die ihm das Dekret der Französischen Gemeinschaft vom 19. Juli 1991 ( 12 ) verliehen hat — enthalten.

13.

Die Artikel 20 ff. des Dekrets vom 17. Juli 1987 betreffen die Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen über Kabelnetze.

14.

Artikel 22 Absatz 1 betrifft die Programme belgischer Fernsehkanäle. Gemäß Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets kann der „Verteiler“ — das heißt, der Betreiber eines solchen Kabelnetzes — mit schriftlicher, vorheriger Genehmigung der Französischen Exekutive (das heißt, der Exekutive der Französischen Gemeinschaft — „Exécutif de la Communauté française“) Programme anderer Fernsehkanäle verbreiten, die von dem Staat, in dem sie ihren Sitz haben, genehmigt worden sind und die den Bedingungen entsprechen, welche die Exekutive in dem Akt, durch den sie ihre Zustimmung erteilte, festgelegt worden sind. Diese Zustimmmung kann widerrufen werden.

Die Betreiber von Kabelnetzen bedürfen daher der vorherigen Genehmigung der Exekutive, wenn sie die Programme ausländischer Kanäle — und damit auch Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten — über ihr Netz verbreiten wollen. Diese Genehmigung wird nur erteilt, wenn der jeweilige Sender zuvor eine privatrechtliche Vereinbarung mit der. Exekutive abgeschlossen hat. Ein bestimmter Rahmen für diese Vereinbarungen wird in dem Erlaß der Französischen Exekutive vom 22. Dezember 1988 ( 13 ) vorgegeben. Die Sender haben sich in diesen Vereinbarungen unter anderem dazu zu verpflichten, einen Teil ihres Budgets dem Erwerb oder der Herstellung europäischer Produktionen zu widmen.

15.

Artikel 26 des Dekrets regelt die Frage nach der Zulässigkeit der Werbung im Fernsehen. Gemäß Artikel 26 Absatz 2 können die Fernsehveranstalter, die den von der Französischen Exekutive nach Artikel 22 Absatz 2 festgelegten Bedingungen entsprechen, kommerzielle Werbung senden, die sich in besonderem Maße an die Zuschauer in der Französischen Gemeinschaft richtet („publicité commerciale plus particulièrement destinée aux téléspectateurs de la Communauté française“), wenn ihnen die Exekutive hierzu ihre ausdrückliche vorherige Genehmigung erteilt hat. Die Exekutive legt nach Artikel 26 Absatz 3 die Bedingungen fest, unter denen Werbung in die Fernsehprogramme aufgenommen werden darf. Diese Bedingungen schreiben insbesondere vor, daß der betreffende Fernsehveranstalter sich an der Förderung der Produktion audiovisueller Programme der Französischen Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie an der Aufrechterhaltung und Förderung des Pluralismus in der Presse der Französischen Gemeinschaft beteiligen muß.

Artikel 26b Absatz 1 des Dekrets sieht vor, daß die von Artikel 26 Absatz 2 erfaßten Fernsehveranstalter sogenannte „Télé-achat“ -Programme ( 14 ) senden dürfen, wenn die Exekutive ihnen hierzu eine ausdrückliche vorherige Genehmigung erteilt hat. Aus den Ausführungen der Parteien des vorliegenden Verfahrens ist zu schließen, daß diese Vorschrift Verkaufssendungen betrifft, die sich in besonderem Maße an die Fernsehzuschauer in der Französischen Gemeinschaft richten.

16.

Nach Artikel 22 Absatz 2a des Dekrets kann der Betreiber eines Kabelnetzes Programme von Fernsehveranstaltern verbreiten, die über eine Genehmigung nach Artikel 26 Absatz 2 verfügen und die den Bedingungen entsprechen, die von der Exekutive auf der Grundlage von Artikel 26 Absatz 3 festgelegt werden ( 15 ).

Rechtslage in der Flämischen Gemeinschaft

17.

Das betreffende Rechtsgebiet war hier zunächst — soweit für den vorliegenden Fall von Interesse — in dem Dekret der Flämischen Gemeinschaft vom 28. Januar 1987 betreffend die Übertragung von Hörfunkund Fernsehprogrammen über die Rundfunk- und Kabelfernsehnetze sowie über die Zulassung von nichtöffentlichen Fernsehgesellschaften ( 16 ) (im folgenden „Dekret vom 28. Januar 1987“ genannt) geregelt. Die Programme von Fernsehveranstaltern anderer Mitgliedstaaten konnten nach Artikel 3 dieses Dekrets nur dann über flämische Kabelnetze verbreitet werden, wenn sie in der Sprache oder einer der Sprachen des Ausgangslandes ausgestrahlt wurden und wenn die Flämische Exekutive — soweit es sich um nichtöffentliche Sender anderer Mitgliedstaaten handelte — ihre vorherige Genehmigung erteilt hatte, an die Bedingungen geknüpft werden konnten.

18.

In seinem Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-211/91 ( 17 ) stellte der Gerichtshof fest, daß diese Regelung unter anderem gegen die Artikel 59 und 60 des Vertrages verstieß.

19.

Am 4. Mai 1994 erließ die Flämische Gemeinschaft ein Dekret betreffend Rundfunk- und Kabelfernsehnetze und die zur Errichtung und zum Betrieb dieser Netze erforderliche Genehmigung sowie über die Förderung der Sendung und der Produktion von Fernsehprogrammen ( 18 ) (im folgenden „Dekret vom 4. Mai 1994“ genannt). Durch dieses Dekret wurden Teile des Dekrets vom 28. Januar 1987 (darunter auch dessen Artikel 3) aufgehoben und die betroffenen Fragen neu geregelt.

20.

Artikel 3 des Dekrets vom 4. Mai 1994 schreibt vor, daß niemand ein Kabelnetz errichten oder betreiben darf, dem nicht hierzu von der Flämischen Regierung gemäß den in dem Dekret festgelegten Bedingungen eine Genehmigung erteilt worden ist. In dieser Genehmigung werden unter anderem die Programme erwähnt, die verbreitet werden dürfen. Etwaige Änderungen, die sich auf die Verbreitung eines neuen Programmes beziehen, müssen der Flämischen Regierung zur Billigung („goedkeuring“) vorgelegt werden. Diese befindet darüber, ob die im Dekret festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Die Entscheidung über die Billigung der Änderung beziehungsweise deren Ablehnung ist dem Betreiber des Kabelnetzes binnen vier Monaten bekanntzugeben. Der Betreiber ist berechtigt, die geplante Änderung vorzunehmen, sobald diese von der Regierung gebilligt worden ist oder sobald die Frist von vier Monaten verstrichen ist (Artikel 5 Absatz 2 des Dekrets).

21.

Nach Artikel 10 Absatz 2 des Dekrets können Programme eines Fernsehveranstalters, dem von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Genehmigung erteilt worden ist, über das Kabelnetz verbreitet werden, vorausgesetzt, daß dieser Fernsehveranstalter in dem betreffenden Mitgliedstaat der Kontrolle unterliegt, die dort für Fernsehveranstalter gilt, die sich an das Publikum des betreffenden Mitgliedstaates wenden, und daß diese Kontrolle sich effektiv auch auf die Einhaltung der Vorschriften des europäischen Rechts bezieht. Ferner ist erforderlich, daß der Fernsehveranstalter und die von ihm ausgestrahlten Programme nicht die öffentliche Ordnung, die guten Sitten und die öffentliche Sicherheit in der Flämischen Gemeinschaft gefährden.

Rechtslage im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt

22.

Gemäß Artikel 127 § 2 der belgischen Verfassung gelten die von der Französischen Gemeinschaft und der Flämischen Gemeinschaft erlassenen Dekrete auch für die Betreiber von Kabelnetzen, die ihren Sitz in dem zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt haben, soweit sie aufgrund ihrer Tätigkeit der einen oder der anderen Gemeinschaft zugerechnet werden müssen ( 19 ).

23.

Für sonstige Betreiber von Kabelnetzen in diesem Gebiet gilt nun das am 30. März 1995 verkündete belgische Gesetz betreffend Rundfunk- und Kabelfernsehnetze und die Ausübung der Tätigkeit der Verbreitung von Fernsehprogrammen in dem zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt ( 20 ).

Rechtslage in der Deutschsprachigen Gemeinschaft

24.

In der Deutschsprachigen Gemeinschaft galt zunächst der Königliche Erlaß vom24. Dezember 1966 betreffend Netze zur Verbreitung von Rundfunksendungen ( 21 ). Nach Artikel 21 dieses Erlasses durften unter anderem Werbesendungen nicht weiterverbreitet werden ( 22 ).

25.

Die Rechtsgrundlage für diesen Erlaß stellte der Artikel 13 eines Gesetzes vom 26. Januar 1960 ( 23 ) dar. Diese Bestimmung wurde durch den Artikel 30 des Gesetzes vom 13. Juli 1987 ( 24 ) aufgehoben. Demzufolge gibt es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft derzeit keine Rechtsnorm, durch welche die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen untersagt werden könnte ( 25 ).

Ablauf des Verfahrens

26.

Am 3. November 1992 richtete die Kommission ein Schreiben an das Königreich Belgien, in dem sie diesem gemäß Artikel 169 des Vertrages Gelegenheit zur Äußerung zu den von der Kommission erhobenen Vorwürfen gab. Die Kommission stellte sich in diesem Schreiben auf den Standpunkt, daß der Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie weder in den drei Sprachgemeinschaften noch im Gebiet Brüssel-Hauptstadt ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Was die Französische Gemeinschaft anlangte, rügte die Kommission außerdem einen Verstoß gegen die Artikel 13, 14, 15 und 23 der Richtlinie. Im Hinblick auf die Flämische Gemeinschaft monierte sie einen Verstoß gegen die Artikel 4, 5, 22 und 23 der Richtlinie. Schließlich machte sie geltend, daß die Kapitel III und IV der Richtlinie in der Deutschsprachigen Gemeinschaft und im Gebiet Brüssel-Hauptstadt nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden seien.

27.

Die Kommission erhielt daraufhin ein Schreiben vom 5. April 1993, das die Auffassung der Flämischen Gemeinschaft darlegte. Außerdem erhielt sie ein Schreiben vom 21. April 1993, in dem die Stellungnahme der Französischen Gemeinschaft enthalten war.

28.

Am 10. Januar 1994 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Belgien. Darin warf die Kommission dem Empfänger des Schreibens vor, die Kommission nicht hinreichend genau über die Maßnahmen informiert zu haben, die er zur vollständigen Umsetzung der Fernsehrichtlinie erlassen habe oder erlassen werde. Außerdem habe das Königreich Belgien, was die drei Sprachgemeinschaften und das Gebiet Brüssel-Hauptstadt anlange, Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Was die Französische Gemeinschaft anlangte, rügte die Kommission weiter einen Verstoß gegen die Artikel 14 und 15 der Richtlinie. Im Hinblick auf die Flämische Gemeinschaft monierte sie einen Verstoß gegen die Artikel 4, 5 und 22 der Richtlinie. Schließlich machte sie geltend, daß die Vorschriften der Richtlinie im Gebiet Brüssel-Hauptstadt nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden seien, soweit es sich um Veranstalter handele, die weder der Französischen noch der Flämischen Gemeinschaft zugerechnet werden könnten. Das Königreich Belgien habe daher gegen seine Verpflichtungen verstoßen, die sich aus der Fernsehrichtlinie sowie aus Artikel 5 des Vertrages ergäben. Die Kommission forderte es auf, diese Verstöße binnen zweier Monate abzustellen.

29.

Die Kommission erhielt daraufhin mit Schreiben vom 4. Februar 1994 einen Entwurf des neuen Dekrets der Flämischen Gemeinschaft. Mit Schreiben vom 9. Juni 1994 übersandte das Königreich Belgien der Kommission eine Kopie des inzwischen erlassenen Dekrets vom 4. Mai 1994.

Die Antwort der Französischen Gemeinschaft war in einem Schreiben vom 11. April 1994 enthalten. Schließlich erhielt die Kommission ein Schreiben eines belgischen Ministers vom 7. April 1994, in dem dieser auf die Vorwürfe einging, die das Gebiet Brüssel-Hauptstadt betrafen.

30.

Am 16. Januar 1995 ging beim Gerichtshof eine auf der Grundlage von Artikel 169 des Vertrages erhobene Klage der Kommission ein, die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt. Die Kommission beantragte in dieser Klage, festzustellen, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus der Fernsehrichtlinie und insbesondere gegen ihre Artikel 2, 14 und 15 verstoßen hat,

indem es, was die Französische Gemeinschaft betrifft, in der französischsprachigen Region eine Regelung beibehalten hat, nach der die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,

indem es, was die Französische Gemeinschaft betrifft, in der französischsprachigen Region eine Regelung beibehalten hat, nach der die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung oder Verkaufssendungen enthalten, vorher ausdrücklich genehmigt werden muß und an diese Genehmigung Bedingungen geknüpft sind,

indem es, was die Flämische Gemeinschaft betrifft, in der niederländischsprachigen Region eine Regelung beibehalten hat, nach der die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,

indem es, was die zweisprachige Region der Hauptstadt Brüssel betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552/EWG nachzukommen,

indem es, was die Deutschsprachige Gemeinschaft betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552/EWG nachzukommen, und

indem es, was die Französische Gemeinschaft betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um den Artikeln 14 und 15 der Richtlinie 89/552/EWG vollständig nachzukommen.

Die Kommission hat außerdem beantragt, dem Königreich Belgien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

31.

Die Beklagte beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit sie die Französische Gemeinschaft, die Deutschsprachige Gemeinschaft und das Gebiet Brüssel-Hauptstadt betrifft. Soweit die Klage die Flämische Gemeinschaft betrifft, beantragt sie, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Β — Stellungnahme

32.

Ich werde im folgenden zunächst auf die Frage eingehen, ob der Vorwurf der Kommission, das Königreich Belgien habe gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstoßen, begründet ist. Für die drei Sprachgebiete und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt ist dabei jeweils eine getrennte Prüfung vorzunehmen. Am Ende wird dann noch auf den Vorwurf einzugehen sein, das Königreich Belgien habe im Hinblick auf die Französische Gemeinschaft gegen die Artikel 14 und 15 der Richtlinie verstoßen.

I. Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernseh rieh tlinie

1. Französische Gemeinschaft

a) Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987

33.

Die Kommission vertritt die Auffassung, daß nach Artikel 2 Absatz 1 der Fernsehrichtlinie grundsätzlich allein dem Mitgliedstaat, aus dem die Sendung stammt (dem „Ursprungsmitgliedstaat“ ( 26 )), die Kontrolle darüber obliegt, ob der betroffene Fernsehveranstalter das Recht dieses Mitgliedstaats und die Vorschriften der Fernsehrichtlinie eingehalten hat. Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie erlege den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten zu gewährleisten und deren Weiterverbreitung — von der in Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 enthaltenen Ausnahme abgesehen — nicht aus Gründen zu behindern, die durch die Richtlinie koordiniert wurden. Es sei daher mit dieser Vorschrift nicht vereinbar, wenn ein Mitgliedstaat (der „Empfangsmitgliedstaat“ ( 27 )) die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten über ein Kabelnetz von einer vorherigen Genehmigung abhängig mache, so wie dies Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987 tue.

34.

Das Königreich Belgien stellt nicht in Abrede, daß die Vorschriften der Französischen Gemeinschaft eine solche Genehmigung erfordern. Es vertritt jedoch die Auffassung, daß die entsprechende Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht. Zu diesem Zweck führt es eine ganze Reihe von Erwägungen an, die im folgenden zu prüfen sein werden.

35.

Die Beklagte behauptet, daß ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie schon aus dem Grunde zu verneinen sei, daß diese auf den Bereich des Kabelfernsehens nicht anwendbar sei. Dies gelte jedenfalls, soweit es sich dabei nicht um eine Erstsendung über ein Kabelnetz handele ( 28 ). Die Beklagte stützt sich dabei insbesondere auf die in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie enthaltene Definition des Begriffs der „Fernsehsendung“, wonach darunter die „Erstsendung von Fernsehprogrammen“ zu verstehen sei ( 29 ). Die Auffassung der Kommission lasse sich auch nicht auf den in Artikel 2 Absatz 2 verwendeten Begriff der „Weiterverbreitung“ stützen. Dieser Begriff werde in der Richtlinie nicht definiert. Hätte man tatsächlich auch die Weiterverbreitung über Kabel erfassen wollen, hätte man einen anderen Begriff gewählt. Die Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung ( 30 ) benütze denn auch den Begriff der „Kabelweiterverbreitung“. Die Fernsehrichtlinie würde andernfalls auch von dem internationalen Sprachgebrauch abweichen ( 31 ).

Außerdem sei zu beachten, daß zur Zeit des Erlasses der Fernsehrichtlinie das Kabelfernsehen noch nicht sehr weit verbreitet gewesen sei. Man könne daher nicht annehmen, daß der europäische Gesetzgeber dieses Gebiet habe regeln wollen.

36.

Diese Argumente überzeugen mich nicht. Es kann meines Erachtens keinen Zweifel daran geben, daß die Fernsehrichtlinie auch den Bereich der Weiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten über Kabelnetze regelt. Auf die Definition des Begriffs „Fernsehsendung“ kann die gegenteilige Auffassung schon deshalb nicht gestützt werden, weil Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie nicht auf diese als solche abstellt, sondern auf deren „Weiterverbreitung“. Auch der Richtlinie 93/83 läßt sich nicht entnehmen, daß der Begriff der „Weiterverbreitung“ nicht auf die Tätigkeit der Betreiber von Kabelfernsehnetzen anwendbar sei. Vielmehr dürfte diese Regelung die Auffassung der Kommission noch stützen. Der Begriff der „Kabelweiterverbreitung“ wird dort definiert als „Weiterverbreitung“ von Programmen „durch Kabel- und Mikrowellensysteme“ ( 32 ). Dies belegt meines Erachtens, daß der Begriff der „Weiterverbreitung“ nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers weit genug ist, um auch die Übertragung durch Kabelnetze zu erfassen.

37.

Aus der Fernsehrichtlinie selbst geht im übrigen deutlich hervor, daß sie auf die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen über Kabel Anwendung finden sollte. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die neunte und zehnte Begründungserwägung ( 33 ). Dort wird unter anderem auf die Hindernisse hingewiesen, die sich für die Dienstleistungsfreiheit aus den Unterschieden zwischen den nationalen Vorschriften über die „Ausübung der Tätigkeiten ... des Kabelbetreibers“ ergeben können. „Alle diese Beschränkungen“ der Freiheit, innerhalb der Gemeinschaft Sendungen auszustrahlen, waren nach Ansicht des Rates aufzuheben ( 34 ).

Von einem gewissen Interesse scheint mir im vorliegenden Zusammenhang auch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zu sein, das am 2. Mai 1992 unterzeichnet und durch Beschluß des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 ( 35 ) von der Gemeinschaft genehmigt wurde. Für die Zwecke dieses Abkommens wurde dem Artikel 15 der Fernsehrichtlinie eine Ergänzung hinzugefügt, wonach es den EFTA-Staaten unbenommen bleiben sollte, „den in ihrem Gebiet tätigen Kabelfernsehunternehmen vorzuschreiben, Werbespots für alkoholische Getränke zu verwürfein oder auf andere Weise zu stören“. Diese „Ausnahmeregelung“ dürfe aber „nicht dazu führen, daß die Übertragung von anderen Fernsehprogrammen beschränkt wird“ ( 36 ). Auch dies bestätigt die Auffassung der Kommission, wonach die Fernsehrichtlinie auf Kabelfernsehen Anwendung findet.

38.

Die Kommission weist im übrigen zu Recht darauf hin, daß in dem am 5. Mai 1989 vom Europarat angenommenen Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen ( 37 ) ebenfalls der Begriff der „retransmission“ verwendet wird. Das Übereinkommen ist nach ihrem Artikel 3 auch auf Programme anwendbar, die über Kabel weiterverbreitet werden. Dieses Übereinkommen wurde nur wenige Monate vor der Fernsehrichtlinie der Gemeinschaft erlassen. Dies zeigt, daß man sich zu der fraglichen Zeit sehr wohl — entgegen der von der Beklagten geäußerten Ansicht — Gedanken über die Regelung des Bereichs des Kabelfernsehens gemacht hat. Auf den von der Beklagten erwähnten Umstand, daß Belgien dieses Übereinkommen noch nicht ratifiziert zu haben scheint, kommt es daher nicht an.

39.

Die Behauptung der Beklagten, die Fernsehrichtlinie erfasse nicht den Bereich des Kabelfernsehens, ist daher zurückzuweisen. Ebenso zurückzuweisen ist daher der Einwand der Beklagten, die Vorschriften der Französischen Gemeinschaft würden nur für inländische Kabelnetzbetreiber gelten, so daß es an einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit fehle. Es ist nämlich festzustellen, daß nach der Rechtsprechung die Verbreitung von Fernsehprogrammen aus anderen Mitgliedstaaten sehr wohl in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fällt ( 38 ). Aus der neunten Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie ergibt sich, daß diese gerade der Harmonisierung von nationalen Vorschriften dienen sollte, die diese Freiheit beschränken.

40.

Die Beklagte trägt weiterhin vor, das Erfordernis der Genehmigung diene in der Praxis vor allem dazu, festzustellen, dem Recht welchen Mitgliedstaates ein Fernsehveranstalter nach Artikel 2 Absatz 1 der Fernsehrichtlinie unterworfen ist. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, daß die Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 zu Schwierigkeiten führen und etwa zur Folge haben könne, daß zwei Mitgliedstaaten die Auffassung vertreten, daß sie für ein und denselben Fernsehveranstalter zuständig seien.

41.

Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Es ist zwar richtig, daß die Anwendung von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie zu Schwierigkeiten Anlaß gegeben hat ( 39 ) und daß ein Mitgliedstaat daher ein legitimes Interesse daran hat, in Erfahrung zu bringen, welcher Mitgliedstaat für einen bestimmten Fernsehveranstalter zuständig ist. Es ist jedoch ganz offensichtlich, daß eine Regelung, welche die Weiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten von einer Genehmigung abhängig macht, zu weit geht und deshalb durch das genannte Interesse nicht gedeckt ist. Die Kommission hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Beklagte hätte nachweisen müssen, daß das Genehmigungserfordernis notwendig war, um dem Mitgliedstaat die benötigten Informationen zu verschaffen und daß es keine weniger einschränkende Alternative gab, dieses Ziel zu erreichen. Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht erbracht.

42.

Im Mittelpunkt des Verteidigungsvorbringens der Beklagten steht denn auch eine andere, grundsätzlichere Erwägung. Das Königreich Belgien ist der Auffassung, daß Artikel 2 Absatz 1 der Fernsehrichtlinie deren Artikel 2 Absatz 2 vorgehe. Alle Fernsehsendungen müßten demzufolge dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats sowie — nach Artikel 3 der Richtlinie — den Vorschriften der Fernsehrichtlinie entsprechen. Allein solche Sendungen könnten in den Genuß der Vorteile des Artikels 2 Absatz 2 kommen, das heißt, die übrigen Mitgliedstaaten seien nur dann dazu verpflichtet, den freien Empfang der betreffenden Sendungen zu gewährleisten und deren Weiterverbreitung nicht zu behindern, wenn diese Bedingung erfüllt sei. Die Beklagte leitet daraus das Recht des Empfangsmitgliedstaats ab, nachzuprüfen, ob das Recht des Ursprungsmitgliedstaats und die Vorschriften der Fernsehrichtlinie eingehalten wurden.

Die Beklagte macht dabei geltend, daß die Vorgehensweise der Französischen Gemeinschaft insbesondere der Verwirklichung der Artikel 4 und 5 der Fernsehrichtlinie diene. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat sie dazu noch ausgeführt, daß sich der Artikel 4 der Richtlinie an alle Mitgliedstaaten zu richten scheine und daher auch nicht allein der Ursprungsmitgliedstaat für dessen Beachtung zu sorgen habe.

43.

Gleich zu Anfang sei gesagt, daß diese Auffassung meines Erachtens nicht akzeptiert werden kann. Sie liefe auf jene zweite Kontrolle von Fernsehsendungen durch den Empfangsmitgliedstaat hinaus, welche die Fernsehrichtlinie gerade ausschließen möchte. Wollte man der Auffassung der Beklagten folgen, würde die durch die Richtlinie herbeigeführte Liberalisierung auf dem Gebiet des Fernsehens weitgehend zunichte gemacht.

44.

Die von der Beklagten vertretene Ansicht ist weder mit dem Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Richtlinie vereinbar. Nach Artikel 2 Absatz 1 der Fernsehrichtlinie hat der Ursprungsmitgliedstaat dafür zu sorgen, daß die Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterworfen sind oder für die er aus anderen Gründen zuständig ist, dem Recht entsprechen, das in diesem Mitgliedstaat auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen anwendbar ist. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie hat der Ursprungsmitgliedstaat außerdem dafür zu sorgen, daß die seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen der Fernsehrichtlinie einhalten. Beide Verpflichtungen richten sich an den Ursprungsmitgliedstaat. Die Empfangsmitgliedstaaten werden in Artikel 2 Absatz 2 angesprochen. Sie haben den freien Empfang zu gewährleisten und sind verpflichtet, die Weiterverbreitung der betreffenden Sendungen — von einer dort genannten Ausnahme abgesehen — nicht aus Gründen zu untersagen, die in Bereiche fallen, die durch die Richtlinie koordiniert worden sind.

45.

Dies entspricht vollkommen dem Konzept, das sich insbesondere aus der fünfzehnten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt. Danach reicht die Verpflichtung des Ursprungsmitgliedstaats, die Einhaltung des durch diese Richtlinie koordinierten nationalen Rechts sicherzustellen, nach dem Gemeinschaftsrecht aus, um den freien Verkehr von Fernsehsendungen zu gewährleisten, „ohne daß eine zweite Kontrolle aus den gleichen Gründen in jedem der Empfangsstaaten stattfinden muß“. Daraus ergibt sich deutlich, daß dem jeweiligen Empfangsmitgliedstaat nicht erlaubt sein soll, eine solche zweite Kontrolle durchzuführen. Der nachfolgende, letzte Satz der fünfzehnten Begründungserwägung unterstreicht dies noch, indem er darauf hinweist, daß der Empfangsmitgliedstaat „jedoch ausnahmsweise und unter besonderen Bedingungen“ die Weiterverbreitung eines Programms „vorübergehend“ aussetzen kann.

46.

Eine ausdrückliche Befugnis für ein Einschreiten des Empfangsmitgliedstaats findet sich lediglich in Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Fernsehrichtlinie. Diese Befugnis ist jedocheng begrenzt. Sie betrifft zunächst lediglich den Fall, daß Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten gegen Artikel 22 verstoßen. Es handelt sich also dabei um Fälle, in denen die fraglichen Sendungen die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können. Der Empfangsmitgliedstaat kann jedoch nur einschreiten, wenn es sich um offensichtliche, ernste und schwerwiegende Verstöße handelt. Sein Tätigwerden hängt darüber hinaus davon ab, daß der betreffende Fernsehveranstalter bereits mehrere Verstöße dieser Art begangen hat und daß Konsultationen mit dem Ursprungsmitgliedstaat und der Kommission erfolglos geblieben sind. Aus dieser bis ins Detail ausgestalteten Regelung kann nur geschlossen werden, daß der Empfangsmitgliedstaat nicht berechtigt sein soll, einseitige Maßnahmen gegen Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten zu ergreifen, wenn die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ebenso ist aus dieser Regelung der Schluß zu ziehen, daß der Empfangsmitgliedstaat nicht berechtigt ist, gegen Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einseitige Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Verstoß gegen andere Vorschriften der Fernsehrichtlinie vorliegt oder ein solcher behauptet wird. Dies entspricht auch voll und ganz der bereits zitierten Äußerung in der fünfzehnten Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie. Die Auffassung der Beklagten, die in Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 enthaltene Regelung schließe nicht aus, daß der Empfangsmitgliedstaat ein Recht zur Kontrolle der Einhaltung anderer Vorschriften der Richtlinie habe, ist daher nicht haltbar.

47.

Dieser Regelung liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, daß jeder Mitgliedstaat darauf vertrauen darf, daß der jeweils zuständige Mitgliedstaat seine aus Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie folgenden Kontrollpflichten gegenüber den Fernsehveranstaltern, für die er verantwortlich ist, auch wahrnimmt. Im übrigen kommt dies auch in der bereits zitierten Vorschrift zum Ausdruck, weist doch Artikel 2 Absatz 2 Satz 5 ausdrücklich darauf hin, daß die Möglichkeit des Empfangsmitgliedstaats, unter eng umgrenzten Voraussetzungen zum Zwecke des Minderjährigenschutzes gegen Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einzuschreiten, das Recht des Ursprungsmitgliedstaats, gegen die betreffenden Verstöße vorzugehen, unberührt läßt.

48.

Es erscheint mir daher offenkundig, daß nach der Konzeption der Fernsehrichtlinie allein der Ursprungsmitgliedstaat die Einhaltung der Rechtsvorschriften dieses Staates sowie der Fernsehrichtlinie überwachen sollte. Der Empfangsmitgliedstaat ist, soweit der Anwendungsbereich der Richtlinie reicht, nur in den von Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie eng umschriebenen Fällen befugt, gegen die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einzuschreiten.

49.

Aus den Ausführungen der Beklagten geht deutlich hervor, daß die streitige Vorschrift der Französischen Gemeinschaft insbesondere die Einhaltung der Artikel 4 und 5 der Richtlinie sicherstellen soll. Entgegen der Auffassung der Beklagten bin ich jedoch der Ansicht, daß gerade in diesem Bereich ein Recht des Empfangsmitgliedstaats, Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einer Zweitkontrolle zu unterwerfen, nicht hingenommen werden kann. Sowohl der Artikel 4 als auch der Artikel 5 knüpfen die von ihnen aufgestellten Pflichten ersichtlich an Vorausetzungen, die auf die Besonderheiten des jeweiligen Mitgliedstaats verweisen. Dieser ist denn auch am besten in der Lage, zu beurteilen, was „im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln“ getan werden kann und soll, um diesen Pflichten nachzukommen. Es geht nicht an, daß ein anderer Mitgliedstaat seine eigene Beurteilung dessen, was praktisch durchführbar und angemessen ist, an die Stelle der Einschätzung durch den Ursprungsmitgliedstaat setzt, indem er dessen Sendungen einer (weiteren) Kontrolle unterwirft.

50.

Dies bedeutet nicht, daß die Erfüllung der Verpflichtungen durch den Ursprungsmitgliedstaat überhaupt nicht nachgeprüft werden könnte. Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, daß ein anderer Mitgliedstaat gegen seine aus der Fernsehrichtlinie fließenden Verpflichtungen verstoßen hat, kann er ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 170 des Vertrages einleiten oder die Kommission ersuchen, selbst auf der Grundlage des Artikels 169 des Vertrages gegen den betreffenden Mitgliedstaat einzuschreiten.

51.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß diese Verfahren keinen angemessenen Rechtsschutz böten, da es sich bei Fernsehsendungen ihrer Natur nach um höchst vergängliche Vorgänge handele und ein durch sie bewirkter Schaden nicht wiedergutgemacht werden könne. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Rahmen einer solchen Vertragsverletzungsklage — wie die Kommission zu Recht bemerkt hat — gemäß Artikel 186 des Vertrages einstweilige Anordnungen treffen kann. Vor allem jedoch ist noch einmal auf die in Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommende Wertung hinzuweisen. Wenn ein Empfangsmitgliedstaat schon in einem so wichtigen und sensitiven Bereich wie dem des Schutzes von Minderjährigen nur unter bestimmten Voraussetzungen und auch nicht sogleich einseitig tätig werden darf, wäre es nicht verständlich, warum ein solches Recht bejaht werden sollte, wenn es etwa um die Frage der Einhaltung der in den Artikeln 4 und 5 enthaltenen Quotenregelungen geht.

52.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich das Genehmigungserfordernis auch nicht durch Vorschriften wie die Artikel 3 Absatz 1 und 19 rechtfertigen läßt, wonach die Mitgliedstaaten für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter strengere Bestimmungen vorsehen dürfen. Es handelt sich hier nämlich um Sendungen von Fernsehveranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht der Rechtshoheit des Empfangsmitgliedstaats unterliegen.

53.

Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß eine Zweitkontrolle von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten durch den Empfangsmitgliedstaat, wie sie die streitige Vorschrift der Französischen Gemeinschaft vorsieht, mit der Fernsehrichtlinie grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist. Es ist allerdings daran zu erinnern, daß die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet sind, die Weiterverbreitung solcher Sendungen nicht aus Gründen zu behindern, die in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert wurden. Die -Fernsehrichtlinie enthält keine vollständige Harmonisierung auf dem Gebiet der Fernsehtätigkeit. In ihrer siebzehnten Begründungserwägung wird ausdrücklich festgestellt, daß sich die Richtlinie „auf spezifisch für das Fernsehen geltende Regelungen beschränkt“ und bestehende oder künftige Rechtsangleichungsmaßnahmen der Gemeinschaft unberührt läßt, „mit denen insbesondere zwingenden Erfordernissen zum Schutz der Verbraucher, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Wettbewerbs entsprochen werden soll“. Ließe sich das streitige Genehmigungserfordernis daher auf Gründe stützen, die in Bereiche fielen, die nicht durch die Fernsehrichtlinie koordiniert wurden, läge kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang mehrere Argumente vorgetragen, die nun zu prüfen sein werden.

54.

Hier ist vielleicht der angemessene Ort, um zunächst kurz auf das auf Artikel 10 des Übereinkommens des Europarates vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ( 40 ) gestützte Argument der Beklagten einzugehen. Nach Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 dieses Übereinkommens schließt das durch diesen Artikel geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung nicht aus, daß die Staaten Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen. Wie die Kommission zu Recht ausführt, ändert jedoch der Umstand, daß ein System, wonach Fernsehveranstalter einer Genehmigung des jeweiligen Staates bedürfen, mit dem genannten Übereinkommen des Europarates vereinbar ist, nichts daran, daß ein entsprechendes Genehmigungserfordernis mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein kann.

55.

Das Königreich Belgien beruft sich darauf, daß das streitige Genehmigungserfordernis es erlauben soll, nachzuprüfen, ob die betreffenden Sendungen die Urheberrechte und verwandten Schutzrechte beachten. Die Beklagte beruft sich dabei auf die bereits erwähnte Richtlinie 93/83 und insbesondere auf deren Artikel 8 Absatz 1, der folgenden Wortlaut hat:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die Kabelweiterverbreitung von Rundfunksendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Staatsgebiet unter der Beachtung der anwendbaren Urheberrechte und verwandten Schutzrechte und auf der Grundlage individueller oder kollektiver Verträge zwischen den Urheberrechtsinhabern, den Leistungsschutzberechtigten und den Kabelunternehmen erfolgt.“

56.

In den Begründungserwägungen der Richtlinie weist der Rat darauf hin, daß es im Bereich des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte noch an der erforderlichen Rechtssicherheit fehle, soweit die grenzüberschreitende Verbreitung von Sendungen über Kabelnetze betroffen sei. Die Weiterverbreitung solcher Sendungen über Kabel stelle eine Handlung dar, die in den Bereich des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte falle. Der Betreiber eines Kabelnetzes bedürfe daher zur Ausübung seiner Tätigkeit der Genehmigung sämtlicher Rechtsinhaber. Er könne jedoch bei der derzeitigen Rechtslage nicht sicher sein, ob er bei Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung tatsächlich alle erforderlichen Rechte erworben habe ( 41 ). Die durch die Fernsehrichtlinie „festgelegten rechtlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung eines einheitlichen audiovisuellen Raumes“ bedürften daher „in bezug auf das Urheberrecht einer Ergänzung“ ( 42 ).

Nach der Richtlinie hat der Kabelnetzbetreiber sich die erforderlichen Genehmigungen durch vertragliche Vereinbarungen zu beschaffen. Um zu verhindern, daß das reibungslose Funktionieren dieser Vereinbarungen durch den Einspruch von Außenseitern, die Rechte an einzelnen Programmteilen innehaben, in Frage gestellt werden kann ( 43 ), sieht die Richtlinie in ihrem Artikel 9 Absatz 1 vor, daß die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, daß die Rechte der Urheberrechtsinhaber und der Inhaber verwandter Schutzrechte „nur durch Verwertungsgesellschaften“ geltend gemacht werden können.

57.

Aus dem Vorstehenden erhellt, daß der Betreiber eines Kabelnetzes dafür zu sorgen hat, daß bei der Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten keine Urheberrechte oder verwandten Schutzrechte verletzt werden. Zu diesem Zwecke haben diese Betreiber Vereinbarungen mit Verwertungsgesellschaften zu schließen, welche diese Rechte für deren Inhaber geltend machen. Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, daß für den Schutz der genannten Rechte gesorgt wird. Es darf angenommen werden, daß die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung dadurch Genüge leisten, daß sie den Betreibern von Kabelnetzen entsprechende Rechtspflichten auferlegen und deren Erfüllung überwachen. Es ist hingegen nicht ersichtlich, warum es zu diesem Zweck erforderlich sein soll, die Weiterverbreitung an eine Genehmigung zu knüpfen, die nur erteilt wird, wenn die betroffenen ausländischen Sender mit der Exekutive der Französischen Gemeinschaft eine Vereinbarung geschlossen haben. Die Beklagte hat insoweit keine Ausführungen gemacht, aus denen geschlossen werden könnte, daß das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung zum Schutz der Urheberrechte erforderlich gewesen wäre, ohne daß es ein weniger restriktives Mittel zur Erreichung dieses Zweckes gegeben hätte.

58.

Das Königreich Belgien beruft sich zur Rechtfertigung der streitigen Vorschrift außerdem auch auf Artikel 128 des Vertrages. Es vertritt die Auffassung, daß die Fernsehrichtlinie nunmehr im Lichte dieser Vorschrift ausgelegt werden müsse. Diese Vorschrift wurde durch den Vertrag über die Europäische Union in den EG-Vertrag eingefügt und bildet den einzigen Artikel des Titels IX („Kultur“) im dritten Teil dieses Vertrages. Artikel 128 sieht unter anderem vor, daß die Gemeinschaft einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten zu leisten hat (Absatz 1). Gemäß Artikel 128 Absatz 4 trägt die Gemeinschaft „den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags Rechnung“.

59.

Die Beklagte scheint der Auffassung zu sein, daß diese Vorschrift die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt, Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einer erneuten Kontrolle zu unterziehen. Wie sie zu dieser Auslegung gelangt, ist mir allerdings nicht einsichtig. Bereits die Fernsehrichtlinie selbst verfolgte — insbesondere durch die in ihren Artikeln 4 und 5 getroffenen Regelungen — auch kulturelle Zwecke. Soweit das von der Beklagten postulierte Recht des Empfangs-mitgliedstaats, nachzuprüfen, ob der Ursprungsmitgliedstaat seine Verpflichtungen aus der Fernsehrichtlinie erfüllt hat, auf die Befolgung dieser Artikel abstellt, handelt es sich somit um einen Bereich, der durch die Richtlinie koordiniert wurde. Nach dem klaren und bereits mehrfach zitierten Wortlaut des Artikels 2 Absatz 2 der Richtlinie darf der Empfangsmitgliedstaat jedoch die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten nicht aus Gründen behindern, die in Bereiche fallen, die durch die Richtlinie koordiniert worden sind. Im übrigen ist festzuhalten, daß die — unbestrittene — Tatsache, daß für Fragen der Kultur primär die Mitgliedstaaten zuständig sind, die Gemeinschaft nicht daran hindert, für die Mitgliedstaaten verbindliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Grundfreiheiten zu treffen, auch wenn dabei — wie es im Bereich des Fernsehens der Fall ist — kulturelle Erwägungen mit zu berücksichtigen sind. Artikel 128 Absatz 5 des Vertrages schreibt zwar ausdrücklich vor, daß zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels neben Empfehlungen nur Fördermaßnahmen „unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ erlassen werden können. Auch die Beklagte behauptet jedoch nicht, daß dadurch etwa die Rechtsgrundlage für die Fernsehrichtlinie entfallen wäre. Die von der Beklagten vertretene Auffassung läßt sich somit nicht auf Artikel 128 stützen.

60.

Die Beklagte beruft sich überdies auf das nunmehr in Artikel 3 b Absatz 2 des Vertrages niedergelegte Subsidiaritätsprinzip, ohne allerdings klarzustellen, wie dieser Grundsatz ihre Auffassung zu stützen geeignet sein soll. Insoweit genügt meines Erachtens bereits die Feststellung, daß die mit der Fernsehrichtlinie verfolgten Ziele nur durch die Koordinierung der nationalen Vorschriften erreicht werden konnten. Eine Regelung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber war daher nötig. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach die Mitgliedstaaten befugt sein sollen, Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einer zweiten Kontrolle zu unterwerfen, würde hingegen der Schaffung jenes „einheitlichen audiovisuellen Raumes“ entgegenstehen, den die Fernsehrichtlinie schaffen wollte ( 44 ). Dies belegt meines Erachtens, daß die Mitgliedstaaten eine solche Befugnis auch nicht aus dem Subsidiaritätsprinzip herleiten können.

Das Subsidiaritätsprinzip kommt nach Artikel 3b Absatz 1 des Vertrages im übrigen nur in den Bereichen zur Anwendung, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. Die in den Artikeln 59 ff. des Vertrages geschützte Dienstleistungsfreiheit, deren Durchsetzung die Fernsehrichtlinie dienen soll, gehört jedoch — ebenso wie die sonstigen in Artikel 7a des Vertrages genannten Materien — zum ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft.

61.

Schließlich ist noch auf den Einwand der Beklagten einzugehen, die streitige Regelung stelle überhaupt kein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr dar. Die betroffenen Fernsehveranstalter aus anderen Mitgliedstaaten würden freiwillig die erforderlichen Vereinbarungen mit der Exekutive abschließen, die außerdem lediglich der Durchsetzung der Artikel 4 und 5 der Fernsehrichtlinie dienten.

Von einem freien Entschluß der betroffenen Fernsehveranstalter kann hier jedoch schwerlich die Rede sein. Immerhin ist der Abschluß dieser Vereinbarungen ja die Voraussetzung dafür, daß die betreffenden Programme in der Französischen Gemeinschaft in ein Kabelnetz eingespeist werden dürfen. Auf die Frage, inwieweit die Exekutive beim Abschluß solcher Vereinbarungen über ein Ermessen verfügt, kommt es daher meines Erachtens nicht an. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung überdies eingeräumt, daß zu der Zeit, als diese beim Gerichtshof eingereicht wurde, wenigstens ein Fernsehveranstalter aus einem anderen Mitgliedstaat nicht bereit war, eine solche Vereinbarung zu treffen ( 45 ).

62.

Wichtiger ist hingegen der weitere von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, wonach der Abschluß dieser Vereinbarungen ein besonders geeignetes Mittel sei, die Entwicklung der europäischen Fernsehproduktion zu fördern. Durch sie würden die Artikel 4 und 5 der Fernsehrichtlinie verwirklicht. Nun ist es sicher richtig, daß der Abschluß von Vereinbarungen, in denen sich die Fernsehveranstalter verpflichten, einen Teil ihres Budgets dem Erwerb oder der Herstellung europäischer Produktionen zu widmen, dem von der Fernsehrichtlinie verfolgten Ziel der Förderung der Fernsehproduktion in der Gemeinschaft dienen kann. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sich die Beklagte dadurch Aufgaben und Befugnisse anmißt, die nach der Fernsehrichtlinie dem Ursprungsmitgliedstaat vorbehalten sein sollen. Der Ursprungsmitgliedstaat mag von dem Umfang der ihm durch die Artikel 4 und 5 der Richtlinie auferlegten Verpflichtungen, „im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln“ für die Förderung europäischer Werke zu sorgen, eine andere Vorstellung haben als der Empfangsmitgliedstaat. Es geht nicht an, daß der Empfangsmitgliedstaat seine Maßstäbe insoweit auch an Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten anlegt, indem er diese einer Zweitkontrolle unterwirft. Verstößt ein Ursprungsmitgliedstaat tatsächlich gegen seine insoweit aus der Fernsehrichtlinie fließenden Verpflichtungen, kann er von den anderen Mitgliedstaaten zur Rechenschaft gezogen und erforderlichenfalls vor dem Gerichtshof verklagt werden. Ein Recht zur Selbsthilfe sieht die Richtlinie nur in ihrem bereits erörterten Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 vor, dessen Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Die streitige Regelung der Französischen Gemeinschaft behindert daher sehr wohl die Dienstleistungsfreiheit.

63.

Die Beklagte macht jedoch geltend, daß die fraglichen Regelungen aus kulturpolitischen Erwägungen gerechtfertigt seien und daher kein Verstoß gegen die Artikel 59 ff. des Vertrages vorliege. Insbesondere scheint sie der Auffassung zu sein, daß die Vorschriften der Französischen Gemeinschaft dem Schutze des Pluralismus in den Medien dienten. Wie der Hinweis auf den Pluralismus in der Presse und auf die Ausstrahlung von Werbesendungen zeigt, bezieht sich dieses Argument vorwiegend auf die in den Artikeln 26 und 26b des Dekrets vom 17. Juli 1987 enthaltenen Regelungen, die ich später behandeln werde. Da die Beklagte jedoch ersichtlich der Auffassung ist, daß auch die in Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets enthaltene Regelung durch dieses Argument gerechtfertigt werden könne, ist es erforderlich, dieses bereits hier zu erörtern.

64.

Aus der Rechtsprechung läßt sich schließen, daß die Erhaltung und Sicherung des Pluralismus auf dem Fernsehsektor oder in den Medien allgemein ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel darstellt, das Einschränkungen der durch die Artikel 59 ff. des Vertrages geschützten Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann ( 46 ). Richtig ist zwar, daß sich ein Mitgliedstaat nur auf solche im Allgemeininteresse liegenden Erwägungen stützen kann, soweit die entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften nicht auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind ( 47 ). Die Beklagte stellt sich jedoch auf den Standpunkt, daß diese Frage in der Fernsehrichtlinie nicht abschließend geregelt worden ist. Die Kommission beruft sich für ihre gegenteilige Auffassung zwar auf die in den Artikeln 10 ff. der Richtlinie enthaltenen Regeln. Es handelt sich bei diesen Vorschriften jedoch um Bestimmungen eher technischen Charakters, die mit der Meinungsvielfalt in den Medien nur sehr mittelbar zu tun haben.

65.

Die Beklagte hat daher nicht nachgewiesen, warum die streitigen Regelungen der Französischen Gemeinschaft erforderlich und verhältnismäßig sein sollen, um den Pluralismus im Fernsehbereich oder in den Medien allgemein zu schützen. Auch zur Frage der Verhältnismäßigkeit finden sich keine näheren Erläuterungen. Vielmehr hat die Beklagte lediglich allgemeine Behauptungen aufgestellt, ohne für diese einen konkreten Beleg anzubieten. Dies kann nicht als ausreichend angesehen werden.

66.

Es ist somit festzustellen, daß die in Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987 angelegte Regelung, wonach die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten über Kabel vorher genehmigt werden muß, gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstößt.

b) Artikel 26 Absatz 2 und Artikel 26b Absatz 1 des Dekrets vom 17. Juli 1987

67.

Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die Vorschrift des Artikels 26 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987, wonach die Weiterbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Zuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung enthalten, einer vorherigen Genehmigung bedarf, gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstößt. Sie stützt diese Auffassung auf dieselben Erwägungen, die sie bereits im Zusammenhang mit Artikel 22 Absatz 2 dieses Dekrets vorgetragen hat. Die Kommission ist der Ansicht, daß die hier zu prüfende Bestimmung sogar noch restriktiver sei als jene des Artikels 22 Absatz 2 des Dekrets, da dieser eine vorherige Genehmigung vorschreibe, während Artikel 26 Absatz 2 des Dekrets sogar eine ausdrückliche vorherige Genehmigung verlange.

Dies gelte entsprechend für die in Artikel 26b Absatz 1 des Dekrets enthaltene Regelung für Verkaufssendungen.

68.

Das Königreich Belgien macht geltend, daß die fragliche Regelung gerechtfertigt sei, da sie dazu diene, der Umgehung der nationalen Vorschriften einen Riegel vorzuschieben. Das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung erlaube es der zuständigen Behörde, nachzuprüfen, ob es sich bei einem Sender tatsächlich um einen Fernsehveranstalter handele, auf den die Fernsehrichtlinie Anwendung finde.

69.

Der Ansicht der Beklagten zufolge handelt es sich bei den Fernsehveranstaltern, die von der fraglichen Regelung betroffen seien, entweder um ausländische Sender, die der Anwendung der Vorschriften der Französischen Gemeinschaft aus dem Wege zu gehen suchten, oder aber um ausländische Sender, die als Fernsehveranstalter betrachtet werden müßten, die nach Artikel 2 Absatz 1 der Fernsehrichtlinie der Rechtshoheit der Französischen Gemeinschaft unterworfen seien.

70.

Was zunächst die Behauptung der Beklagten anlangt, die streitige Regelung sei erforderlich, um dem Empfangsmitgliedstaat die notwendigen Informationen über die jeweiligen Fernsehveranstalter zu vermitteln, kann ich mich mit einem Hinweis auf meine Ausführungen zu Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987 begnügen ( 48 ). Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, daß es zur Beschaffung der von ihr benötigten Informationen erforderlich war, die Weiterverbreitung der betroffenen Sendungen von einer ausdrücklichen vorherigen Genehmigung abhängig zu machen.

71.

In der Sache selbst stimmen beide Parteien darin überein, daß die Fernsehrichtlinie den Mitgliedstaaten nicht das Recht genommen habe, sich unter bestimmten Bedingungen gegen die Umgehung ihrer Rechtsvorschriften zur Wehr zu setzen. Ich teile diese Ansicht. Sie steht mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Dienstleistungsfreiheit im Einklang. Schon im Jahre 1974 hat der Gerichtshof im Fall Van Binsbergen entschieden, daß einem Mitgliedstaat nicht das Recht zum Erlaß von Vorschriften abgesprochen werden könne, „die verhindern sollen, daß der Erbringer einer Leistung, dessen Tätigkeit ganz oder vorwiegend auf das Gebiet dieses Staates ausgerichtet ist, sich die durch Artikel 59 garantierte Freiheit zunutze macht, um sich den Berufsregelungen zu entziehen, die auf ihn Anwendung fänden, wenn er im Gebiet dieses Staates ansässig wäre“ ( 49 ). Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung vor einiger Zeit in seinem Urteil in der Sache TV10 bestätigt ( 50 ).

72.

Das zuletzt genannte Urteil ist für den vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung. Es ging dort um einen Fernsehveranstalter, der sich in Luxemburg niedergelassen hatte, aber vorwiegend Programme für den niederländischen Markt sendete. Nach der Ansicht des niederländischen Gerichts, das den Fall dem Gerichtshof vorgelegt hatte, war die Niederlassung in Luxemburg erfolgt, um es diesem Fernsehveranstalter zu ermöglichen, sich der Anwendung der niederländischen Vorschriften zu entziehen. Die in Artikel 59 des Vertrages geschützte Dienstleistungsfreiheit sollte demnach dazu mißbraucht werden, die Vorschriften des Empfangsmitgliedstaats zu umgehen.

73.

Die Kommission hält der Beklagten jedoch zu Recht entgegen, daß die hier streitige Regelung nicht damit gerechtfertigt werden könne, daß sie zur Verhinderung von Umgehungen der Vorschriften des Empfangsmitgliedstaats erforderlich wäre. Dies würde nämlich voraussetzen, daß allen Fernsehveranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten, die kommerzielle Werbung oder „télé-achat“-Programme senden, die sich in besonderem Maße an die Zuschauer in der Französischen Gemeinschaft richten, vorgeworfen werden könnte, sie wollten die Vorschriften des Empfangsmitgliedstaats umgehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Vorwurf der Umgehung ist vielmehr nur begründet, wenn der jeweilige Fernsehveranstalter mißbräuchlich handelt. Im Urteil TV10 wird denn auch die Möglichkeit des Empfangsmitgliedstaats, sich mit einer solchen Begründung gegen Sendungen aus dem Ausland zur Wehr zu setzen, für den Fall bejaht, daß sich Anstalten, die sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen haben, durch die Ausübung der im Vertrag garantierten Freiheiten „in mißbräuchlicher Weise“ der Anwendung der Vorschriften des Empfangsmitgliedstaats entziehen könnten ( 51 ).

74.

Es kann nicht angenommen werden, daß jeder Fernsehveranstalter aus einem anderen Mitgliedstaat, der Werbe- oder Verkaufssendungen ausstrahlt, die sich besonders an Zuschauer in der Französischen Gemeinschaft richten, schon aus diesem Grunde rechtsmißbräuchlich handeln würde. In dem bereits erwähnten Urteil in dem von der Kommission gegen Belgien hinsichtlich der Vorschriften der Flämischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Fernsehens angestrengten Vertragsverletzungsverfahren hat der Gerichtshof unter Hinweis auf das Urteil Van Binsbergen bekräftigt, daß der Empfangsmitgliedstaat Maßnahmen treffen kann, um einen Mißbrauch des Artikels 59 des Vertrages durch einen Fernsehveranstalter, dessen Tätigkeit „ganz oder hauptsächlich auf das Gebiet dieses Staates ausgerichtet ist“, zu verhindern. Er hat jedoch angefügt: „(H)ieraus folgt jedoch nicht, daß es einem Mitgliedstaat gestattet wäre, ein allgemeines Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Marktteilnehmer zu erlassen, da dies auf die Beseitigung des freien Dienstleistungsverkehrs hinauslaufen würde.“ ( 52 )

Diese Rechtsprechung kann meines Erachtens auch auf den Bereich der Fernsehrichtlinie übertragen werden. Dafür spricht im übrigen der Umstand, daß diese Richtlinie auch für solche Sendungen gilt. In der — bereits zitierten — vierzehnten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es, daß alle Fernsehsendungen, die ihren Ursprung in der Gemeinschaft haben und „die zum Empfang in der Gemeinschaft bestimmt sind, speziell diejenigen, welche für den Empfang in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind“ ( 53 ), dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats entsprechen müssen. Ein Mitgliedstaat kann also nicht unterstellen, daß alle Sendungen ausländischer Fernsehveranstalter, die sich besonders an das Publikum in diesem Mitgliedstaat richten, schon aus diesem Grunde einen Rechtsmißbrauch darstellen würden. Gerade dies tut jedoch die hier zu prüfende Regelung der Französischen Gemeinschaft.

75.

Schließlich ist zu beachten, daß es sich bei der vom Gerichtshof in den Urteilen Van Binsbergen und TV10 anerkannten Möglichkeit für ein Einschreiten des Empfangsmitgliedstaats um eine Ausnahme von einer der für den Binnenmarkt konstituierenden Freiheiten handelt. Als solche ist sie notwendigerweise eng auszulegen. Der betroffene Mitgliedstaat muß daher — wie die Kommission zu Recht gefordert hat — jeweils im Einzelfall nachweisen, daß tatsächlich ein Rechtsmißbrauch im oben genannten Sinne gegeben ist. Die hier streitigen Vorschriften werden dem nicht gerecht, da sie die Weiterverbreitung von Werbe- oder Verkaufssendungen, die sich besonders an die Zuschauer in der Französischen Gemeinschaft richten, ganz generell einer Pflicht zur ausdrücklichen vorherigen Genehmigung unterwerfen. Sie können daher nicht durch die Abwehr solcher Mißbräuche gerechtfertigt werden.

76.

Auch auf Artikel 3 der Fernsehrichtlinie können die streitigen Regeln nicht gestützt werden. Der Gerichtshof hat zwar im Fall TV10 entschieden, daß der Empfangsmitgliedstaat im Falle eines Mißbrauchs einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalter wie einen inländischen Sender behandeln kann ( 54 ). Dies setzt jedoch voraus, daß es sich tatsächlich um einen solchen Mißbrauch handelt, was nur im Einzelfall festgestellt werden kann.

77.

Aus den bereits genannten Gründen kann die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, die streitigen Regeln seien mit Artikel 4 der Fernsehrichtlinie vereinbar ( 55 ).

78.

Die Beklagte beruft sich hilfsweise auf die zu Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets vom 17. Juli 1987 vorgetragenen Erwägungen. Diese Argumente habe ich bereits bei der Behandlung dieser Vorschrift erörtert und widerlegt.

79.

Es ist daher festzustellen, daß die in Artikel 26 Absatz 2 und 26b Absatz 1 des Dekrets vom 17. Juli 1987 enthaltene Regelung, wonach die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Zuschauer in der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung oder Verkaufssendungen enthalten, vorher ausdrücklich genehmigt werden muß, gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstößt.

2. Flämische Gemeinschaft

a) Zulässigkeit der Klage

80.

Das Königreich Belgien vertritt die Auffassung, die Klage der Kommission sei unzulässig, soweit sie die Vorschriften der Flämischen Gemeinschaft betreffe. Die Beklagte trägt hierzu drei Argumente vor, aus denen sich dies ergeben soll. Erstens habe die Kommission ihr insoweit entgegen Artikel 169 des Vertrages keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben, bevor sie ihre Klage erhoben habe. Zweitens habe die Kommission die Rechtslage, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem sie ihre mit Gründen versehene Stellungnahme abgab, nicht berücksichtigt. Schließlich beruhten die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage nicht auf denselben Gründen und Angriffsmitteln.

81.

Zu dem ersten Einwand der Beklagten ist zu bemerken, daß die Kommission ihr in dem Schreiben vom 3. November 1992 Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, bevor sie beim Gerichtshof Klage erhob. Ebenso offensichtlich ist es, daß dieses Schreiben und die darin enthaltenen Vorwürfe sich nicht auf das Dekret vom 4. Mai 1994 bezogen. Der Grund dafür bestand natürlich darin, daß dieses Dekret noch nicht erlassen worden war, als die Kommission ihr Schreiben versandte. Der Vorwurf der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, die Kommission hätte nach dem Erlaß des genannten Dekrets ein neues Verfahren einleiten müssen. Da somit gerügt wird, es habe an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren gefehlt, ist dieser Einwand sinnvollerweise zusammen mit dem dritten Einwand zu behandeln.

82.

Die Beklagte beruft sich insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der eine Vertragsverletzungsklage nicht auf andere als die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme enthaltenen Rügen gestützt werden kann ( 56 ). Da die Klage auf die durch das Dekret vom 4. Mai 1994 geschaffene Rechtslage abstelle, die nicht Gegenstand der mit Gründen versehenen Stellungnahme war, sei sie angesichts der erwähnten Rechtsprechung unzulässig.

83.

Die Kommission verweist hingegen darauf, daß der Gerichtshof für den Fall, daß die streitigen nationalen Vorschriften im Laufe des Verfahrens geändert werden, unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von dem erwähnten Grundsatz zulasse. In dem von ihr zitierten Urteil heißt es im Anschluß an die Feststellung, die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage müßten auf dieselben Rügen gestützt werden:

„Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, daß auf jeden Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen den nationalen Vorschriften, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführt werden, und den Vorschriften zu verlangen ist, die in der Klageschrift genannt werden. Ist zwischen diesen beiden Phasen des Verfahrens eine Gesetzesänderung erfolgt, so genügt es nämlich, daß die Regelung, die mit den im vorprozessualen Verfahren beanstandeten Rechtsvorschriften eingeführt wurde, durch die neuen Maßnahmen, die der Mitgliedstaat nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme erlassen hat und die mit der Klage angegriffen werden, insgesamt aufrechterhalten worden ist.“ ( 57 )

Der Gerichtshof wies in dem konkreten Fall darauf hin, daß die Kommission im Vorverfahren die vorübergehende Anwendung unterschiedlicher Steuersätze gerügt hatte. Diese Unterschiede waren nach den Feststellungen des Gerichtshofes durch das im Laufe des Verfahrens erlassene nationale Gesetz aufrechterhalten oder gar vergrößert worden ( 58 ).

84.

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß eine der von der Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhobenen Rügen darin bestand, daß das Dekret vom 28. Januar 1987 die Weiterverbreitung der Sendungen von Fernsehveranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten über flämische Kabelnetze von einer vorherigen Genehmigung abhängig machte, an die Bedingungen geknüpft werden konnten. Außerdem wies die Kommission dort darauf hin, daß diese Vorschrift vom Gerichtshof als Verstoß gegen die Artikel 59 und 60 betrachtet worden war. In der Klage rügt die Kommission, daß die Beklagte eine Regelung beibehalten hat, nach der die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß.

85.

Es ist richtig, daß durch das Dekret vom 4. Mai 1994 beträchtliche Änderungen gegenüber der vorher geltenden Rechtslage eingeführt worden sind. Aus diesem Grunde ist die von der Beklagten erhobene Unzulässigkeitsrüge durchaus verständlich. Die Kommission hat diesen Änderungen insoweit Rechnung getragen, als sie einige der Rügen, die sie in der mit Gründen versehenen Stellungnahme noch erhoben hatte, nicht in die Klage übernommen hat. Die Beklagte weist auch nicht ganz zu Unrecht darauf hin, daß nach dem Erlaß dieses Dekrets noch geraume Zeit verstrichen ist, bevor die Kommission ihre Klage anhängig machte.

86.

Gleichwohl bin ich der Ansicht, daß die besseren Gründe dafür sprechen, die Klage auch insoweit als zulässig zu erachten. Ich bin nämlich wie die Kommission der Ansicht, daß das Dekret vom 4. Mai 1994 keine grundsätzliche oder auch nur wesentliche Änderung gebracht hat, soweit die von der Kommission in ihrer Klage erhobene Rüge betroffen ist. Nach wie vor ist nämlich die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten über flämische Kabelnetze von einer vorherigen Genehmigung abhängig.

87.

Die Beklagte wendet dagegen ein, daß das Dekret vom 4. Mai 1994 das Genehmigungserfordernis durch eine einfache Mitteilungspflicht abgelöst habe. Diese Ausführungen haben mich nicht überzeugt. Aus dem Dekret ergibt sich ohne weiteres, daß ein Betreiber eines Kabelnetzes zur Ausübung seiner Tätigkeit einer vorherigen Genehmigung durch die flämische Regierung bedarf. Da diese Genehmigung nach Artikel 3 des Dekrets gemäß den in dem Dekret festgelegten Bedingungen erteilt wird, enthält sie auch eine Entscheidung darüber, ob die betroffenen Programme aus anderen Mitgliedstaaten den in Artikel 10 des Dekrets festgelegten Anforderungen entsprechen ( 59 ). Gleiches gilt — obwohl die nationale Regelung insoweit weniger explizit ist — für Programme, die ein Kabelnetzbetreiber zu einem späteren Zeitpunkt in sein Netz einspeisen will. Entsprechende Änderungen bedürfen nämlich der Billigung der flämischen Regierung. Würde es sich dabei tatsächlich nur um eine Mitteilungspflicht handeln, so wäre nicht verständlich, warum der Kabelnetzbetreiber das neue Programm nicht sofort weiterverbreiten dürfte. Daß er dies erst nach der Billigung durch die Regierung darf, belegt, daß es sich dabei um eine konstitutive Genehmigung handelt.

Auch die Möglichkeit des Betreibers, das Programm weiterzuverbreiten, wenn seit der Anmeldung der betreffenden Änderung vier Monate verstrichen sind, ändert nichts an dieser Einschätzung. Zunächst ist bedeutsam, daß der Betreiber die Programme nicht vor Ablauf dieser Frist weiterverbreiten darf. Sodann ist klar, daß diese Bestimmung nur zur Anwendung gelangt, wenn die Regierung ihre Billigung nicht vor Ablauf dieser Frist versagt. Diese Möglichkeit wird in dem Dekret ausdrücklich erwähnt ( 60 ). Daß es sich dabei nicht um eine rein theoretische Möglichkeit handelt, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung, wonach diese Billigung schon einmal versagt worden ist.

88.

Die von mir vertretene Auffassung entspricht auch dem Zweck der bereits erwähnten Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Anforderungen, die an das Vorverfahren nach Artikel 169 des Vertrages zu stellen sind. Der Gerichtshof hat zu dieser Frage in einem vor kurzem ergangenen Beschluß folgende Ausführungen gemacht:

„Das vorprozessuale Verfahren soll dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen (...).

Der ordnungsgemäße Ablauf des vorprozessualen Verfahrens stellt eine durch den Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie nicht nur für den Schutz der Rechte des betroffenen Staates, sondern auch dafür dar, daß sichergestellt ist, daß das eventuelle streitige Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat.“ ( 61 )

89.

Im vorliegenden Fall ist es meines Erachtens klar, daß hinsichtlich des Gegenstands des Verfahrens keine Zweifel bestehen können. Die Kommission rügt nach wie vor, daß die Flämische Gemeinschaft die Weiterverbreitung der Programme ausländischer Fernsehveranstalter über ihre Kabelnetze von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht. Der Umstand, daß die fraglichen Vorschriften nunmehr in dem Dekret vom 4. Mai 1994 enthalten sind, ist insoweit unerheblich.

Auch die Rechte der Beklagten werden nicht verletzt, wenn man die Klage für zulässig erachtet. Die Beklagte konnte nämlich nicht darüber im Zweifel sein, welchen Vorwurf die Kommission gegen sie erhob. Ebensowenig konnte es ihr verborgen bleiben, daß das Dekret vom 4. Mai 1994 nicht ausreichen würde, um den von der Kommission gerügten Verstoß zu beheben. Im übrigen hatte die Kommission bereits in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme darauf hingewiesen, daß der am 5. Juli 1991 vorgelegte Entwurf eines neuen Dekrets nicht als ausreichend angesehen werden konnte. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß durch die Vorgehensweise der Kommission die Möglichkeiten der Beklagten, sich gegen die von der Kommission erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, beeinträchtigt worden wären.

90.

Würde man in einem Fall wie dem hier vorliegenden die Klage als unzulässig betrachten, würde man im übrigen die Aufgabe der Kommission unnötig erschweren und im Ergebnis einem Mitgliedstaat, der seinen Verpflichtungen nicht rechtzeitig nachgekommen ist, eine zusätzliche Frist zur Erfüllung dieser Pflichten einräumen. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß das Dekret vom 4. Mai 1994 unstreitig erst nach dem Ablauf der Frist erlassen worden ist, die der Beklagten in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission eingeräumt wurde.

91.

Was schließlich den Einwand der Beklagten anlangt, die Kommission habe die geltende Rechtslage außer acht gelassen, als sie ihre mit Gründen versehene Stellungnahme abgab, ist darauf hinzuweisen, daß das Dekret, auf das sich die Beklagte beruft, erst am 4. Mai 1994 erlassen wurde. Da die Kommission sich an der tatsächlich geltenden Rechtslage zu orientieren hatte, brauchte sie auch nicht auf eventuelle Entwürfe für ein neues Dekret einzugehen. Im übrigen steht ohnehin fest, daß die Beklagte der Kommission erst mit Schreiben vom 4. Februar 1994 — also nachdem sie die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 10. Januar 1994 erhalten hatte — eine Kopie des Entwurfes für das neue Dekret zusandte.

92.

Aufgrund dieser Überlegungen bin ich der Ansicht, daß die von der Beklagten erhobene Rüge der Unzulässigkeit der Klage zurückzuweisen ist.

b) Begründetheit der Klage

93.

Die Kommission wirft der Beklagten vor, daß die streitigen Vorschriften der Flämischen Gemeinschaft gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstießen, da sie die Weiterverbreitung der Programme von Fernsehveranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten über ihre Kabelnetze von einer vorherigen Genehmigung abhängig machten. Die Genehmigung hänge nach Artikel 10 Absatz 2 des Dekrets davon ab, daß dem Fernsehveranstalter im Ursprungsmitgliedstaat eine Genehmigung erteilt worden sei, daß der Ursprungsmitgliedstaat die Einhaltung der Vorschriften der Fernsehrichtlinie durch diesen Fernsehveranstalter sicherstelle und daß die öffentliche Ordnung, die guten Sitten und die öffentliche Sicherheit in der Flämischen Gemeinschaft nicht gefährdet würden. Keine dieser Bedingungen sei jedoch nach der Fernsehrichtlinie zulässig.

94.

Die Beklagte macht zunächst geltend, daß die streitigen Rechtsvorschriften die Weiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten nicht von einer Genehmigung der Flämischen Regierung abhängig machten, sondern lediglich eine Mitteilungspflicht aufstellten. Diesen Einwand habe ich bereits im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage untersucht und widerlegt. Die streitigen Vorschriften stellen nach wie vor das Erfordernis auf, daß die Weiterverbreitung einer vorherigen Genehmigung durch die Flämische Regierung bedarf.

95.

Was die in Artikel 10 Absatz 2 des Dekrets vom 4. Mai 1994 aufgestellten Bedingungen anlangt, ist die Beklagte der Auffassung, daß diese rechtmäßig seien.

96.

Das Erfordernis, daß der betreffende Fernsehveranstalter im Besitz einer Genehmigung durch den Ursprungsmitgliedstaat sein müsse, sei vernünftig und widerspreche keineswegs der Fernsehrichtlinie. Die Beklagte stützt sich insoweit auch auf eine Analogie zur Zweiten Bankenrechtsrichtlinie ( 62 ).

97.

Diesem Argument ist nicht zu folgen. Die Fernsehrichtlinie schreibt vor, daß die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, daß die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats und den Vorschriften der Fernsehrichtlinie entsprechen. Die Mitgliedstaaten haben diese Verpflichtung „mit geeigneten Mitteln“ zu erfüllen, wie es in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie heißt. Der Ursprungsmitgliedstaat ist daher nicht verpflichtet (wohl aber berechtigt), die Tätigkeit des betroffenen Fernsehveranstalters von einer Genehmigung abhängig zu machen. Er kann hierauf verzichten, wenn die Beachtung der Vorschriften des nationalen Rechts und der Fernsehrichtlinie auch auf anderem Wege sichergestellt werden kann. Dies ergibt sich auch aus der dreizehnten Begründungserwägung der Richtlinie, wonach die Regelung der Frage der „gesetzlichen oder behördlichen Zulassungen“ den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Aus dem Zusammenhang geht deutlich hervor, daß es sich dabei um den jeweiligen Ursprungsmitgliedstaat, nicht aber den Empfangsmitgliedstaat handelt. Das in Artikel 10 Absatz 2 des Dekrets vom 4. Mai 1994 enthaltene Erfordernis einer Genehmigung durch den Ursprungsmitgliedstaat ist daher mit der Fernsehrichtlinie nicht zu vereinbaren. Welche Regelung der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bankensektor getroffen hat, ist für den vorliegenden Bereich ohne Bedeutung.

Die offensichtlich hilfsweise vorgetragene Erwägung der Beklagten, der Begriff der „Billigung“ sei insoweit nicht eng zu verstehen, erscheint mir angesichts des Wortlauts der Vorschrift nicht überzeugend. Ebenso unerheblich ist das Vorbringen der Beklagten, ein Verstoß gegen die Vorschriften der Richtlinie scheide jedenfalls aus dem Grunde aus, daß die Rechtslage insoweit nicht klar gewesen sei. Sogar wenn dies entgegen der von mir vertretenen Auffassung der Fall gewesen sein sollte, würde dies an der Tatsache des Verstoßes nichts ändern. Insoweit reicht es nämlich, wenn der betroffene Mitgliedstaat seinen Pflichten objektiv nicht nachgekommen ist; auf ein Verschulden kommt es nicht an.

98.

Das in Artikel 10 Absatz 2 des Dekrets vom 4. Mai 1994 aufgestellte Erfordernis, wonach der Fernsehveranstalter im Ursprungsmitgliedstaat einer effektiven Kontrolle unterliegen muß, begründet die Beklagte mit der Erwägung, daß nur Sendungen von Veranstaltern, welche die Vorschriften der Fernsehrichtlinie einhalten, in den Genuß der Vorteile dieser Richtlinie kommen könnten. Es handelt sich insoweit also um die Frage, ob der Empfangsmitgliedstaat das Recht hat, Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einer Zweitkontrolle zu unterziehen, um nachzuprüfen, daß der Ursprungsmitgliedstaat seine Verpflichtungen aus der Fernsehrichtlinie erfüllt hat. Diese Frage wurde bereits im Zusammenhang mit den Regeln der Französischen Gemeinschaft erörtert. Wie ich dort ausgeführt habe, ist diese Frage zu verneinen ( 63 ).

99.

Hinsichtlich der Bedingung, wonach Programme ausländischer Sender über Kabelnetze in Flandern nur dann verbreitet werden dürfen, wenn sie nicht die öffentliche Ordnung, die guten Sitten und die öffentliche Sicherheit in der Flämischen Gemeinschaft gefährden, trägt die Beklagte vor, daß die Fernsehrichtlinie hinsichtlich dieser Bereiche die Vorschriften der Mitgliedstaaten in keiner Weise koordiniert habe. Aus diesem Grunde stehe eine Kontrolle durch den Empfangsmitgliedstaat, welche die Einhaltung dieser Anforderungen überprüfe, mit Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie nicht im Widerspruch.

100.

Der Beklagten ist zuzugeben, daß die erwähnten Materien in der Fernsehrichtlinie tatsächlich nicht ausdrücklich oder wenigstens nicht vollständig geregelt werden. So stellt zum Beispiel Artikel 12 der Richtlinie strenge Anforderungen auf, denen Werbesendungen genügen müssen. Diese dürfen etwa nicht die Menschenwürde oder religiöse oder politische Überzeugungen verletzen. Für sonstige Sendungen findet sich hingegen keine ausdrückliche Vorschrift, wenn man einmal von der Bestimmung in Artikel 22 Satz 3 absieht, wonach Fernsehsendungen nicht zu Haß aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufreizen dürfen ( 64 ). Man könnte daher auf den Gedanken kommen, daß es die Fernsehrichtlinie den Empfangsmitgliedstaaten überlassen wollte, gegen Sendungen ausländischer Fernsehveranstalter gegebenenfalls einzuschreiten, wenn sie dies zum Schutze der öffentlichen Ordnung, der guten Sitten oder der öffentlichen Ordnung für geboten hielten. Dafür könnte auch sprechen, daß die Fernsehrichtlinie — wie ich bereits ausgeführt habe — keine abschließende, umfassende Regelung auf dem Fernsehsektor darstellt.

101.

Eine solche Auslegung würde jedoch die durch die Fernsehrichtlinie bezweckte Liberalisierung weitgehend zunichte machen. Wie die Beklagte selbst in der Klageerwiderung in diesem Zusammenhang zu Recht ausgeführt hat, beruht diese Richtlinie auf dem „fundamentalen Grundsatz gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten. Auch aus der schon mehrfach zitierten fünfzehnten Begründungserwägung ergibt sich, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Kontrolle durch den Ursprungsmitgliedstaat ausreichen sollte, während der Empfangsmitgliedstaat nur unter eng umschriebenen Voraussetzungen berechtigt sein sollte, gegen die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einzuschreiten.

Insbesondere die in den Artikeln 22 und 2 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie getroffene Regelung zum Schutz Minderjähriger zeigt, daß die Richtlinie auch Materien erfaßt, die dem Bereich der öffentlichen Ordnung, der guten Sitten oder der öffentlichen Sicherheit zuzurechnen sind. Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber in der von ihm geregelten Frage die Möglichkeit des Empfangsmitgliedstaats, einseitig tätig zu werden, an strenge Bedingungen knüpfte, und für andere Bereiche überhaupt keine entsprechenden Befugnisse des Empfangsmitgliedstaats vorsah, wird daraus zu schließen sein, daß davon ausgegangen wurde, die Kontrolle durch den Ursprungsmitgliedstaat reiche zum Schutz dieser Rechtsgüter aus. Es handelt sich dabei um die Verwirklichung des bereits erwähnten Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens, der sich insoweit auch durchaus bewährt zu haben scheint ( 65 ).

102.

Die schutzwürdigen Interessen der Empfangsmitgliedstaaten werden dadurch nicht ungebührlich beeinträchtigt. Neben der in Artikel 2 Satz 2 der Richtlinie vorgesehenen Befugnis zum Einschreiten bleibt ihnen die Möglichkeit, einen Ursprungsmitgliedstaat, der seine Kontrollpflichten vernachlässigt, vor dem Gerichtshof zu verklagen. Die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes erlaubt es, schnelle Abhilfe zu schaffen, wo dies erforderlich sein sollte.

103.

Zu berücksichtigen ist außerdem, daß in den Fällen, in denen Programme aus anderen Mitgliedstaaten im Empfangsmitgliedstaat unmittelbar empfangen werden können, dieser ohnehin gegen Verletzungen der Fernsehrichtlinie durch den Ursprungsmitgliedstaat kaum eine andere Handhabe hat, als Klage vor dem Gerichtshof zu erheben.

104.

Ob ein Mitgliedstaat in keinem Fall — und mag er noch so eklatant sein — das Recht hat, zum Schutze der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der guten Sitten gegen die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten einzuschreiten, braucht vom Gerichtshof im übrigen meines Erachtens gar nicht entschieden zu werden. Nicht möglich ist es jedenfalls, unter Berufung auf den Schutz dieser Rechtsgüter ein System zu rechtfertigen, das die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten über Kabelnetze generell von einer vorherigen Genehmigung des Empfangsmitgliedstaats abhängig macht, so wie dies die streitigen Regeln der Flämischen Gemeinschaft tun. Eine solche Regelung geht weit über das hinaus, was für den Schutz dieser Rechtsgüter notwendig ist.

105.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß sich die Beklagte auch im Zusammenhang mit den Vorschriften der Flämischen Gemeinschaft auf die Richtlinie 93/83 beruft. Hierzu kann ich auf die Ausführungen verweisen, die ich den auf diese Richtlinie gestützten Argumenten bei der Behandlung der Vorschriften der Französischen Gemeinschaft gewidmet habe ( 66 ).

106.

Es ist daher festzustellen, daß die in dem Dekret vom 4. Mai 1994 enthaltene Regelung, wonach die Weiterverbreitung über Kabel von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß, gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie verstößt.

3. Brüssel-Hauptstadt

107.

Auch hinsichtlich des zweisprachigen Gebiets Brüssel-Hauptstadt wirft die Kommission dem Königreich Belgien einen Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie vor, da dieser nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei.

108.

Die Beklagte hat zu diesem Vorwurf zunächst in der Klageerwiderung nur ausgeführt, daß am 30. März 1995 ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie verkündet worden sei.

109.

Die Kommission machte in ihrer Replik geltend, daß dieses Gesetz zu spät erlassen worden sei. Im übrigen lehne sich dieses Gesetz inhaltlich stark an die in dem Dekret der Flämischen Gemeinschaft vom 4. Mai 1994 getroffene Regelung an und begegne daher ähnlichen Bedenken wie diese. Die Kommission behielt sich daher das Recht vor, insoweit ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten..

110.

Die Beklagte führte daraufhin in ihrer Duplik aus, daß kein Verstoß gegen die Fernsehrichtlinie vorliege. Sie machte zum einen geltend, daß gemäß Artikel 127 § 2 der belgischen Verfassung die Dekrete der Französischen Gemeinschaft und der Flämischen Gemeinschaft jeweils auch für das Gebiet Brüssel-Hauptstadt gelten würden, so daß dieses die Richtlinie nicht selbst umzusetzen brauchte. Außerdem habe es zu der Zeit, als die Kommission ihr Gelegenheit zur Äußerung gegeben habe, im Gebiet Brüssel-Hauptstadt keine Vorschrift gegeben, durch die das Recht zur Weiterverbreitung von Sendungen aus dem Ausland eingeschränkt worden wäre. Schließlich sei die Klage der Kommission auch unzulässig, soweit sie das neue Gesetz beanstande, da es insoweit an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren fehle.

111.

Angesichts der Vorschrift des Artikels 42 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes hege ich ernste Zweifel, ob die Beklagte diese Verteidigungsmittel in der Duplik überhaupt noch zulässigerweise vortragen konnte. Da das Vorbringen der Beklagten mir jedoch ohnehin unbegründet erscheint, kommt es darauf nicht an.

112.

Die von der Beklagten erhobene Rüge der Unzulässigkeit geht ins Leere, da die Kommission das neue Gesetz zwar in ihren Äußerungen erwähnt, es jedoch nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat. Ebensowenig stichhaltig ist das auf den Artikel 127 § 2 der belgischen Verfassung gestützte Argument. Die von der Französischen Gemeinschaft und der Flämischen Gemeinschaft aufgestellten Dekrete gelten danach nur für diejenigen Personen, die einer dieser beiden Gemeinschaften zuzurechnen sind. Sie gelten somit nicht für Personen, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Erlaß des am 30. März 1995 verkündeten Gesetzes, das nach seinem Artikel 3 nur für Personen gilt, die weder der Französischen noch der Flämischen Gemeinschaft zugerechnet werden können, belegt im übrigen nachdrücklich, daß insoweit eine Lücke bestand.

113.

Was den letzten Einwand der Beklagten anlangt, ist darauf hinzuweisen, daß das Vorbringen der Beklagten insoweit widersprüchlich erscheint. Während sie zum einen behauptet, es habe im Gebiet Brüssel-Hauptstadt zur fraglichen Zeit keine einschlägigen Vorschriften gegeben und damit auch keine Vorschriften, die das aus der Fernsehrichtlinie sich ergebende Recht auf freie Weiterverbreitung ausländischer Sendungen beschränken hätten können, führt sie andererseits aus, die Vorschriften der Französischen Gemeinschaft und diejenigen der Flämischen Gemeinschaft seien anwendbar gewesen. Aus all dem kann nur der Schluß gezogen werden, daß entweder die Umsetzung der Fernsehrichtlinie für das Gebiet Brüssel-Hauptstadt zu spät erfolgte (nämlich durch das Gesetz vom 30. März 1995) oder aber, daß — wenn es tatsächlich keine beschränkenden Vorschriften gegeben haben sollte — eine objektiv unklare und unübersichtliche Rechtslage bestand, die der Klarstellung durch den Gesetzgeber bedurft hätte ( 67 ).

114.

Aus diesen Gründen erscheint mir der von der Kommission erhobene Vorwurf begründet zu sein.

4. Deutschsprachige Gemeinschaft

115.

Auch hinsichtlich der Deutschsprachigen Gemeinschaft wirft die Kommission der Beklagten einen Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 der Fernsehrichtlinie vor, da dieser nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei.

116.

Die Beklagte trägt zu ihrer Verteidigung vor, daß es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft an Vorschriften gefehlt habe, die das Recht auf freie Weiterverbreitung von Sendungen aus dem Ausland einschränken hätten können. Der Königliche Erlaß vom 24. Dezember 1966, der diesen Bereich ursprünglich geregelt habe, sei hinfällig geworden, als der Artikel 13 des Gesetzes vom 26. Januar 1960, auf dem er beruhte, durch Artikel 30 des Gesetzes vom 13. Juli 1987 aufgehoben worden sei ( 68 ).

117.

Der Vertreter der Kommission hat diese Angaben, die von der Beklagten erst im Laufe des Verfahrens vor dem Gerichtshof gemacht worden sind, in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Er hat jedoch die Auffassung vertreten, daß es angesichts dieser alles andere als übersichtlichen Rechtslage erforderlich gewesen wäre, daß der Gesetzgeber tätig geworden wäre, um klarzustellen, daß das Recht auf Weiterverbreitung tatsächlich gewährleistet war. Ich kann mich dem nur anschließen. Angesichts der geschilderten Umstände war es zur Erfüllung der aus der Fernsehrichtlinie folgenden Pflichten geboten, die Rechtslage klarzustellen. Die aus der unklaren Rechtslage sich ergebenden Unsicherheiten beeinträchtigten nämlich die volle Wirksamkeit der Rechte, die diese Richtlinie sichern möchte.

118.

Auch insoweit ist daher der von der Kommission erhobene Vorwurf begründet.

II. Verstoß gegen die Artikel 14 und 15 der Fernsehrichtlinie

119.

Die Kommission wirft der Beklagten vor, die Artikel 14 und 15 der Fernsehrichtlinie nicht vollständig umgesetzt zu haben, was die Französische Gemeinschaft anlangt. Während Artikel 14 der Richtlinie Fernsehwerbung für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen verbiete, die in dem Ursprungsmitgliedstaat nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind, verbiete die einschlägige Bestimmung des nationalen Rechts lediglich die Werbung für Arzneimittel. Die in Artikel 15 für die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke aufgestellten Anforderungen seien in der Französischen Gemeinschaft nur einem einzigen Fernsehveranstalter auferlegt worden, nicht aber den anderen. Außerdem erfaßten die betreffenden Vorschriften nur alkoholische Getränke, die mehr als 10 % Alkohol enthielten, während Artikel 15 der Richtlinie für alle alkoholischen Getränke gelte.

120.

Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, bestreitet die Beklagte die ihr gemachten Vorwürfe im Grunde nicht. Besonders bemerkenswert ist dabei, daß das Königreich Belgien sich insoweit darauf beschränkt, die Ausführungen der Französischen Gemeinschaft wiederzugeben, in denen diese geltend macht, daß die Umsetzung des Artikels 14 der Fernsehrichtlinie Aufgabe des Bundesstaats sei.

121.

Auch insoweit ist die Klage der Kommission daher begründet.

C — Schlußantrag

122.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, der Klage der Kommission in vollem Umfang stattzugeben und dem Königreich Belgien die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


( *1 ) Originalsprache: Deutsch.

( 1 ) ABl. L 298, S. 23.

( 2 ) So bereits das Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409, Randnr. 6).

( 3 ) Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Bond van Adverteerders, Sig. 1988, 2085, Randnrn. 14 bis 17).

( 4 ) Vgl. das Urteil vom 9. Februar 1995 in der Rechtssache C-412/93 (Leclerc-Siplcc, Slg. 1995, I-179, Randnr. 28). Siehe auch das Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 16. Juni 1995 in den verbundenen Rechtssachen E-8/94 und E-9/94 (Forbrukerombudet/Mattcl Scandinavia A/S und Lego Norge A/S, Randnr. 22).

( 5 ) Neunte bis zwölfte Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie. Ich habe der Übersichtlichkeit halber die jeweilige Nummer in eckigen Klammern hinzugefügt.

( 6 ) Dreizehnte Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie.

( 7 ) Vierzehnte und fünfzehnte Begründungserwägung der Fern-sehrichtlinie.

( 8 ) Zwanzigste Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie.

( 9 ) Vgl. die vierundzwanzigstc Begründungserwägung der Fernsehrichtlinie.

( 10 ) Dieser Begriff wird in Artikel 6 der Richtlinie definiert.

( 11 ) Moniteur belge vom 22. August 1987, S. 12505.

( 12 ) Décret modifiant la loi du 6 février 1987 relative aux réseaux de radiodistribution et de télédistribution et à la publicité commerciale à la radio et à la télévision, le décret du 12 décembre 1977 portant statut de la Radio-Télévision belge de la Communauté française (RTBF) et le décret du 17 juillet 1987 sur l'audiovisuel (Moniteur belge vom 2. Oktober 1991, S. 21671).

( 13 ) Moniteur belge vom 17. März 1989, S. 4896; geändert durch den Erlaß vom 18. Dezember 1991 (Moniteur belge vom 26. Februar 1992, S. 6532).

( 14 ) Es handelt sich dabei um Sendungen, in denen den Zuschauern unmittelbar Angebote zum Zwecke des Verkaufs, des Kaufs oder der Vermietung von Gegenständen oder zum Zwecke der Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen gemacht werden.

( 15 ) Die Kommission hat (implizit) die Auffassung vertreten, daß diese Vorschrift auch auf die Verbreitung von „Télé-achat“-Sendungen nach Artikel 26b des Dekrets Anwendung finde. Die Beklagte hat dieser Auslegung der betreffenden Vorschriften nicht widersprochen.

( 16 ) Belgisch Staatsblad vom 19. März 1987, S. 4196.

( 17 ) Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-6757.

( 18 ) Belgisch Staatshlad vom 4. Juni 1994, S. 15434.

( 19 ) Die Beklagte hat dies in der Duplik vorgetragen, ohne daß die Kommission dem in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wäre.

( 20 ) Der Text dieses Gesetzes ist von der Beklagten im Anhang zur Klageerwiderung vorgelegt worden.

( 21 ) Moniteur belge vom 24. Januar 1967, S. 604.

( 22 ) Die Kommission hat dies in ihrer Replik vorgetragen, ohne daß die Beklagte dem widersprochen hätte.

( 23 ) Moniteur belge vom 6. Februar 1960, S. 726.

( 24 ) Moniteur belge vom 12. August 1987, S. 12071.

( 25 ) Diese Angaben hat die Beklagte in der Duplik gemacht. Die Kommission hat ihnen nicht widersprochen.

( 26 ) Ich benutze im folgenden diesen Ausdruck, der zum Beispiel auch in der vierzehnten Begründungserwägung der Fcrnschrichtlinic verwendet wird. Die Frage, welcher Mitgliedstaat in einem konkreten Fall zuständig ist, wird in meinen Schlußanträgen in der Rechtssache C-222/94 ausführlicher erörtert

( 27 ) Auch insoweit lehne ich mich der Einfachheit halber an den Sprachgebrauch der Begründungserwägungen der Fernschrichtlinic (vgl. die fünfzehnte derselben) an.

( 28 ) Damit ist nach der Vorstellung der Beklagten die Situation eines Fernschveranstalters gemeint, der seine Programme unmittelbar in ein Kabelnetz einspeist.

( 29 ) Siehe oben, Nr. 4.

( 30 ) ABl. L 248, S. 15.

( 31 ) Die Beklagte trägt vor, daß danach statt dem in der französischen Fassung der Richtlinie verwendeten Begriff der „retransmission“ jener der „réémission“ zu erwarten gewesen wäre.

( 32 ) Artikel 1 Absatz 3 der genannten Richtlinie (a. a. O., Fußnote 30).

( 33 ) Der Wortlaut dieser Stellen ist oben bei Ziffer 3 wiedergegeben.

( 34 ) Siche die zehnte Begründungserwägung (Hervorhebung von mir).

( 35 ) ABl. 1994, L 1, S. 1. Der Text des Abkommens ist dort auf den S. 3 ff. abgedruckt.

( 36 ) Siehe Anhang X des Abkommens (a. a. O., Fußnote 35, S.417).

( 37 ) Die französische und die englische Fassung dieses Übereinkommens sowie eine deutsche Übersetzung sind abgedruckt im BGBl. II 1994, S. 639.

( 38 ) Siehe oben Ziffer 2 und das dort zitierte Urteil Bond van Adverteerders.

( 39 ) Vgl. hierzu meine Schlußanträge in der Rechtssache C-222/94.

( 40 ) UNTS Bd. 213, S. 221.

( 41 ) Vgl. die achte bis zehnte sowie die siebenundzwanzigste Begründungserwägung der Richtlinie.

( 42 ) Zwölfte Begründungserwägung der Richtlinie.

( 43 ) Achtundzwanzigstc Begründungserwägung der Richtlinie

( 44 ) Vgl. dazu die Einschätzung des Rates in der zwölften Begründungserwägung der Richtlinie 93/83.

( 45 ) Intcrcssantcrweise hat die Beklagte dort weiter ausgeführt, daß die Sendungen dieses Fernsehveranstalters gleichwohl über das Kabclnctz weiterverbreitet wurden. Man wird hierin ein Indiz dafür sehen dürfen, daß die streitige Regelung der Französischen Gemeinschaft nicht die Bedeutung hat, die ihr die Beklagte zuschreibt.

( 46 ) Siehe etwa das Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-23/93 (TV10, Slg. 1994, I-4795, Randnr. 18 bis 19).

( 47 ) Vgl. etwa das Urteil vom 18. März 1980 in der Rechtssache 52/79 (Debauve, Slg. 1980, 833, Randnr. 15).

( 48 ) Siehe oben, Nr. 41.

( 49 ) Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74 (Slg. 1974, 1299, Randnr. 13).

( 50 ) Siehe Fußnote 46 (Randnr. 20).

( 51 ) Siehe Fußnote 50 (Randnr. 21).

( 52 ) Siehe Fußnote 17 (Randnr. 12).

( 53 ) Hervorhebung von mir.

( 54 ) Siche Fußnote 50 (Randnr. 21).

( 55 ) Siche oben, Nr. 65.

( 56 ) Vgl. aus neuerer Zeit etwa das Urteil vom 12. Januar 1994 in der Rechtssache C-296/92 (Kommission/Italien, Slg. 1994, I-1, Randnr. 11).

( 57 ) Urteil vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-105/91 (Kommission/Griechenland, Slg. 1992, I-5871, Randnr. 13).

( 58 ) Siehe Fußnote 57 (Randnr. 14).

( 59 ) Siehe oben, Nr. 20.

( 60 ) Siehe Artikel 5 Absatz 2 des Dekrets vom 4. Mai 1994.

( 61 ) Beschluß vom 11. Juli 1995 in der Rechtssache C-266/94 (Kommission/Spanien, Slg. 1995, I-1975, Randnrn. 16 und 17).

( 62 ) Zweite Richtlinie Nr. 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Vcrwaltungsvorschriftcn über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie Nr. 77/780/EWG (ABl. L 386, S. 14).

( 63 ) Siehe oben, Nrn. 42 ff.

( 64 ) Die Bestimmung steht in dem Kapitel V, das den Titel „Schutz von Minderjährigen“ trägt. Gleichwohl darf angenommen werden, daß es sich dabei um eine für alle Sendungen geltende Vorschrift handelt.

( 65 ) Die Kontroversen und Streitigkeiten, die im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens zur Sprache gekommen sind, betreffen die Artikel 4 und 5 der Richtlinie, die man schwerlich dem Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder der guten Sitten zurechnen kann.

( 66 ) Siehe oben, Nrn. 55 ff.

( 67 ) Ob es tatsächlich während des fraglichen Zeitraums im Raum Brüssel-Hauptstadt keine Vorschriften für den betroffenen Bereich gegeben hat, erscheint mir schon deshalb fraglich, weil das Gesetz vom 30. März 1995 in seinem Artikel 42 bestimmt, daß die Artikel 2 und 3 des Gesetzes vom 6. Februar 1987 betreffend Rundfunk- und Kabelfernsehnetze und die kommerzielle Werbung im Hörfunk und im Fernsehen (vgl. auch oben, Fußnote 12) aufgehoben werden.

( 68 ) Siehe oben, Nr. 24.