SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NIAL FENNELLY
vom 27. Juni 1996 ( *1 )
1. |
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die mehrwertsteuerrechtliche Behandlung von Gutscheinen, die ein Unternehmen ausgibt und später für den Kauf von aus Katalogen ausgewählten Waren in seinen Geschäften verwendet werden können. Die Fragen sind vom Value Added Tax Tribunal London vorgelegt worden. |
I — Tatsächlicher und rechtlicher Rahmen
2. |
Die Argos Distributors Ltd, Klägerin des Ausgangsverfahrens (nachstehend: Argos), ist ein Einzelhandelsunternehmen, das seine Waren in einem Katalog aufführt und in über 300 Ausstellungsräumen an Kunden verkauft, die ihre Wahl anhand des Katalogs treffen. Diese Kunden können die Waren auf verschiedene Art und Weise bezahlen, u. a. durch Verwendung von Gutscheinen, die von Argos ausgegeben und entweder zum Nennwert oder mit Mengenrabatt an Dritte verkauft wurden; diese geben die Gutscheine an Einzelpersonen aus, die sie schließlich zum Kauf von Waren bei Argos verwenden. Der Rabatt beträgt bei Bestellungen mit einem Nennwert von mindestens 500 UKL 5 % des Nennwerts der Gutscheine. Zusätzlich wird nachträglich ein Rabatt von 1 % oder 2,5 % gewährt, wenn der Umfang der Gutscheinbestellungen in einem Jahr 10000 bzw. 50000 UKL übersteigt ( 1 ). |
3. |
Die Gutscheine werden in Form eines Scheins ausgegeben, auf den der Nennwert und eine Seriennummer aufgedruckt sind. Anhand dieser Nummer könnte Argos bei Vorlage eines Gutscheins mit Hilfe ihres EDV-Registrierkassensystems zurückverfolgen, zu welchem Preis der Gutschein ursprünglich verkauft worden ist. Argos verkauft die Gutscheine an Unternehmen, die sie an ihre Arbeitnehmer oder Vertreter als Prämie weitergeben, oder Finanzdienstleistungsunternehmen, die sie, wenn auch auf unterschiedliche Weise, an ihre Kunden zum vollen Gegenwert weiterverkaufen. Nur in Ausnahmefällen ist diesen Kunden die Flöhe des von Argos gewährten Rabatts bekannt. Einzelpersonen können Gutscheine auch in einem Argos-Ausstellungsraum erwerben, um sie für sich selbst oder als Geschenk zu verwenden ( 2 ). |
4. |
Das Problem, um das es im Ausgangsrechtsstreit geht, betrifft die Mehrwertsteuer, die Argos für den dem Gutschein entsprechenden Teil des unter Verwendung von Gutscheinen getätigten Umsatzes schuldet. Die Commissioners of Customs and Excise, die im Ausgangsrechtsstreit zuständige nationale Steuerbehörde (nachstehend: Commissioners), waren bei der Festsetzung der Besteuerungsgrundlage stets der Auffassung, daß die Gutscheine zu ihrem Nennwert eine tatsächliche Gegenleistung in Geld für die Lieferung der Ware darstellten, auch wenn sie ursprünglich mit Rabatt verkauft worden seien. Argos machte geltend, daß sie als Gegenleistung aufgrund der Rabattgewährung nicht den vollen Nennwert der Gutscheine erhalten habe, und stellte am 14. Mai 1993 bei den Commissioners Antrag auf Erstattung von 1363245 UKL als Teil der zwischen dem 1. April 1983 und dem 27. März 1993 gezahlten Mehrwertsteuer. Gegen die Ablehnung ihres Antrags durch die Commissioners legte Argos beim Value Added Tax Tribunal London (nachstehend: VAT-Tribunal) ( 3 ) einen Rechtsbehelf ein. |
5. |
Das VAT-Tribunal war der Auffassung, daß zur Auslegung des Begriffes „Gegenleistung“ im Sinne des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits eine Auslegung von Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (nachstehend: Sechste Richtlinie) ( 4 ) erforderlich sei, und legte das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen vor. Die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 11 Teil A lauten wie folgt: „Artikel 11 A. Im Inland (1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
... (3) In die Besteuerungsgrundlage sind nicht einzubeziehen: ...
...“ |
6. |
Die Sechste Richtlinie wurde im Vereinigten Königreich durch den Value Added Tax Act 1983 umgesetzt, der seither mehrfach geändert wurde. Nach Section 10 (2) gilt als Lieferwert „der Betrag, der zuzüglich der angefallenen Steuer der Gegenleistung entspricht“. Section 10 (2) unterliegt jedoch nach Section 10 (1), geänderte Fassung, den Bestimmungen von Anhang 4 des Value Added Tax Act 1983. Abschnitt 6 dieses Anhangs bestimmt ( 5 ) „Wird ein Anspruch auf Waren oder Dienstleistungen in Höhe eines Betrages, der auf einem Zeichen, einer Marke oder einem Gutschein vermerkt ist, gegen eine Gegenleistung gewährt, so wird die Gegenleistung, soweit sie diesen Betrag nicht übersteigt, für die Zwecke dieses Gesetzes nicht berücksichtigt.“ Damit fällt im Vereinigten Königreich für den Verkauf von Gutscheinen keine Mehrwertsteuer an. Steuerpflichtig ist nur der Verkauf der Waren, bei dem die Funktion des Gutscheins als Gegenleistung zu berücksichtigen ist. |
7. |
Dem VAT-Tribunal zufolge besteht nach dem Urteil Boots Company ( 6 ) des Gerichtshofes der richtige Lösungsansatz darin, zunächst festzustellen, ob es unter den Ausdruck „Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird“ in Artikel 11 Teil a Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie falle, wenn Argos zur völligen oder teilweisen Begleichung des für ihre Waren zu zahlenden Preises Gutscheine annehme. In bezug auf das „scharfsinnige Argument“ von Argos, daß zwischen dem Verkauf des Gutscheins an den ursprünglichen Erwerber und den folgenden Verkäufen von Waren an Kunden in ihren Absatzstellen ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, ist das VAT-Tribunal der Ansicht, daß „es problematisch sei, zu sagen, der dem ursprünglichen Erwerber gewährte Rabatt könne dem Abnehmer als im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b ‚dcm Abnehmer ... eingeräumt‘zugerechnet werden“. |
8. |
Das VAT-Tribunal bezweifelt, ob das andere von Argos unter Berufung auf Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a vorgetragene Argument zutrifft, wonach der Teil der Gegenleistung, den der Gutschein darstelle, in dessen Verkaufspreis abzüglich des Rabatts bestehe. Es sei zwar ausdrücklich als möglich vorgesehen, daß ein Dritter die Gegenleistung erbringe, doch müsse der Wert dieser Gegenleistung derjenige sein, der ihr von den Personen, die an dem Geschäft über die Lieferung von Gegenständen beteiligt seien, nämlich Argos und dem Kunden, der den Gutschein vorlege, beigemessen werde. Es stehe fest, daß der Kunde den für den Gutschein vorher gezahlten Betrag gewöhnlich gar nicht kenne. |
9. |
Das VAT-Tribunal gelangt zu dem Ergebnis, daß „es der wirtschaftlichen Wirklichkeit entsprechen würde“, einen solchen Gutschein als Gegenleistung in Höhe seines Nennwerts anzusehen. Argos habe nach Artikel 22 Absatz 3 für Verkäufe an Steuerpflichtige Rechnungen zu erstellen. In diesen müsse der von den Beteiligten vereinbarte Preis klar ausgewiesen sein, und sie dürften aufgrund von Kenntnissen, die nur einem der Beteiligten zugänglich seien (d. h. Argos), keinen Änderungen unterliegen, schon gar nicht nachträglichen Änderungen, wenn ein Dritter später Anspruch auf einen höheren Rabatt erlange. |
10. |
Das VAT-Tribunal hält die durch den vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Auslegungsfragen zu Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie nicht durch das Urteil Boots für entschieden und hat dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
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II — Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
11. |
Schriftliche und mündliche Erklärungen haben abgegeben Argos, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die Griechische Republik und die Kommission. |
III — Prüfung der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen
A — Die dritte Frage
12. |
Ich beginne mit der dritten Frage des VAT-Tribunal. Dieses Vorgehen entspricht der Auffassung des Gerichtshofes, daß Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b nur eine Anwendung der in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a aufgestellten Regel sei ( 7 ), um die es in dieser Frage geht. Im Mittelpunkt der Frage steht, welche Rolle der Gutschein beim Erwerb der von Argos verkauften Waren als Gegenleistung hat. Ausgehend davon, daß der Gutschein etwas ist, was bei der Lieferung von Gegenständen zumindest teilweise „den Wert der Gegenleistung bildet“, wirft das VAT-Tribunal die Kernfrage des Rechtsstreits auf, ob die Gegenleistung im vollen Nennwert des Gutscheins oder nur in dem um den Rabatt verringerten Betrag besteht, den Argos für den Verkauf des Gutscheins an einen Dritten erhalten hat. |
13. |
Argos konzentriert ihr Vorbringen zu diesem Punkt, das sie mit „Beurteilung A“ überschreibt, auf ihren Gesamtumsatz. Zur Mehrwertsteuer dürfe nur ihr wirklicher Umsatz und nicht ein von ihr so genannter „höherer fiktiver Betrag“ herangezogen werden. Sie zitiert Artikel 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (nachstehend: Erste Richtlinie) ( 8 ), wonach die Mehrwertsteuer eine „auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, ... [anzuwendende] allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchssteuer“ darstelle. |
14. |
Sie verweist z. B. auf die Rechtssache Glawe ( 9 ), um zu belegen, daß mehrwertsteuerpflichtig nur der tatsächliche Umsatz — in diesem Fall eines Dienstleistungsunternehmens — sei. Die Dienstleistung bestand in der Aufstellung und im Betrieb von Geldspielautomaten, und die Steuer durfte nur auf den Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze erhoben werden, den der Eigentümer der Automaten behielt und der auf ungefähr 40 % festgesetzt war; die Automaten waren mechanisch so eingestellt, daß mindestens 60 % der Einsätze an die Spieler ausgezahlt wurden. |
15. |
Argos macht geltend, daß ihr tatsächlicher Umsatz die Summe der Beträge sei, die sie aus dem Verkauf der Gutscheine und für die ganz oder teilweise mit diesen erworbenen Waren erhalte. Sie nimmt auf diese Weise das Recht für sich in Anspruch, die bei Verkauf der Gutscheine gewährten Rabatte von ihrem steuerbaren Gesamtumsatz abzusetzen, während im Vereinigten Königreich auf die Verkäufe der Gutscheine keine Steuer erhoben wird. Der einzige steuerbare Umsatz besteht im Verkauf von Waren, die das Vereinigte Königreich zu ihrem vollen Nennwert besteuert. Indem sie den angenommenen wirklichen Umsatz in den Vordergrund stellt, übergeht Argos stillschweigend den Vorteil, der sich aus dem früheren Verkauf der Gutscheine für ihren Cashflow sowie aus dem geringen Prozentsatz der nicht eingelösten Gutscheine ergibt. |
16. |
Ob das Argument von Argos richtig ist, hängt von der Auslegung von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ab ( 10 ). Der Gutschein spielt bei zwei Umsätzen eine Rolle. Erstens ist er Gegenstand eines früheren selbständigen Verkaufs von Argos an einen Dritten. Zweitens wird er dazu verwendet, ganz oder teilweise den Kaufpreis von Waren zu begleichen. Um nur auf den um den Rabatt verringerten Wert der Gutscheine besteuert zu werden, müßte Argos meines Erachtens folgerichtig geltend machen, daß der Verkaufspreis des Gutscheins eine „Gegenleistung bildet, die der Lieferer ... für diese Umsätze ... von einem Dritten erhält“. Argos vermeidet diesen Ansatz. Sie räumt für die Zwecke ihres Vorbringens zur dritten Frage ein, daß der Gutschein selbst die Gegenleistung für den Verkauf der Waren bildet, wenn er zur völligen oder teilweisen Bezahlung des Preises der Waren verwendet wird. Sie beschränkt sich auf die Aussage, daß der durch den Gutschein gebildete Wert der Betrag sei, den Argos dafür im Zeitpunkt des früheren Verkaufs erhalten habe. |
17. |
Natürlich möchte Argos vermeiden, sich auf eine von einem Dritten erhaltene Gegenleistung zu beziehen. Der Ausdruck „für diese Umsätze“ würde sie daran hindern. „Diese Umsätze“ sind in diesem Zusammenhang die Warenlieferungen von Argos an ihre Käufer. Die Gegenleistung für solche Lieferungen kann grundsätzlich von einem Dritten erbracht werden und wird in einem solchen Fall besteuert. Sie muß aber als Gegenleistung „für diese Umsätze“ gezahlt werden. Der Preis des Gutscheins wird jedoch nicht als Gegenleistung für die Lieferung von Waren, sondern für den Gutschein gezahlt. Gewiß könnte man vertragsrechtlich argumentieren, daß er auch als Gegenleistung für das Einverständnis von Argos gezahlt werde, noch nicht bestimmte Waren aus ihrem Katalog an einen noch nicht bestimmten Inhaber des Gutscheins zu liefern. Argos verpflichtet sich, Waren im Umfang des Nennwerts des Gutscheins an jeden Inhaber zu liefern. Doch bildet der Gutschein und nicht der frühere Verkaufspreis des Gutscheins die Gegenleistung für die Warenlieferungen. Das Vereinigte Königreich und Griechenland heben hervor, daß der Gutschein die Gegenleistung für die Warenlieferung bilde, und Argos widerspricht dem nicht. In den Händen eines möglichen Käufers stellt der Gutschein einen Anspruch darauf dar, daß Argos ihn zu seinem Nennwert als Gegenleistung für den Katalogpreis der angebotenen Waren annimmt. Er hat also einen Wert. |
18. |
Die Tatsache, daß Argos beim Verkauf des Gutscheins verspricht, ihn zu seinem Nennwert anzuerkennen, wenn er später zum Zweck des Kaufs von Waren vorgelegt wird, mag dieses Versprechen zu einem Teil der Gegenleistung für den Preis machen, den der Erwerber des Gutscheins zahlt; die Frage, was die Gegenleistung für diesen späteren Verkauf von Waren ist, ist damit aber nicht beantwortet. Diese Antwort gibt Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a in seiner Auslegung durch den Gerichtshof. Erstens stellt diese Bestimmung die Regel auf, „daß die Besteuerungsgrundlagc die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist“ ( 11 ). Der Gerichtshof hat diesen Punkt in der Rechtssache Holländische Kartoffeln ausführlicher behandelt, indem er in bezug auf eine Dienstleistung festgestellt hat, daß sie steuerpflichtig sei, wenn „sie gegen Entgelt ausgeführt wird, wobei die Besteuerungsgrundlage für eine solche Leistung alles ist, was als Gegenleistung für die Dienstleistung erhalten wird. Es muß daher ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert bestehen ...“ ( 12 ). Diese Regel ist sowohl auf die Lieferung von Gegenständen als auch auf Dienstleistungen ständig angewendet worden. Die Rechtssache Naturally Yours ist insoweit aufschlußreich ( 13 ). Der Steuerpflichtige, ein Großhändler für Kosmetik-Produkte, der zum Vertrieb Kosmetik-Beraterinnen einschaltete, ließ private Gastgeberinnen zum Verkauf seiner Produkte Parties veranstalten. Er lieferte den Kosmetik-Beraterinnen als Einladungsgeschenke Crèmetiegel zu einem herabgesetzten Preis, damit sie die Gastgeberinnen belohnen konnten. Konnte die Party aus irgendeinem Grund nicht stattfinden, mußte das Geschenk an Naturally Yours zurückgegeben oder der normale Großhandelspreis dafür gezahlt werden. Der Gerichtshof prüfte die Frage, „ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstandes zu einem niedrigeren als dem normalen Preis und dem Wert der Dienstleistung besteht, die von der Kosmetik-Beraterin zu erbringen ist“ ( 14 ). Er kam zu dem Ergebnis, daß ein solcher Zusammenhang vorgelegen habe und daß die Produkte zum vollen Preis zu besteuern seien. In der vorliegenden Rechtssache fehlt es an diesem unmittelbaren Zusammenhang. Die Verkäufe von Gutscheinen und von Waren finden unabhängig voneinander statt. |
19. |
Der frühere Rabatt wirkt sich auf den Vorgang des Verkaufs der Ware in keiner Weise aus und spielt dabei auch keine Rolle. Die Preise sind in Katalogen aufgeführt, aus denen die Kunden Waren auswählen können. Jeder Kunde füllt einen „Kundenbestellschein“ aus, in den er die Referenznummer der Ware und die gewünschte Menge einträgt. Je nach der Geschäftsstelle vervollständigt ein Verkäufer den Schein oder gibt die Einzelheiten unmittelbar in das Verkaufsregister ein. Es ist zwar grundsätzlich möglich, den bei dem ursprünglichen Verkauf des Gutscheins gewährten Rabatt zu ermitteln, doch geschieht dies in der Praxis nicht. Das VAT-Tribunal hat festgestellt, daß der Käufer nur selten etwas von diesem Rabatt weiß. Er hätte davon offensichtlich keinen Nutzen. Der Wert des Gutscheins bemißt sich nach seinem vollen Nennwert. Wird er zur Zahlung der gekauften Waren verwendet, hat er denselben Wert wie Geld. Ist somit klar, daß die Gutscheine die vom Käufer der Waren und nicht eine von einem Dritten erhaltene Gegenleistung bilden, kann meines Erachtens ihr Wert nur ihrem Nennwert und nicht ihrem Preis abzüglich des beim Verkauf an einen Dritten gewährten Rabatts entsprechen. |
20. |
Nunmehr kann ich aufzeigen, inwiefern sich Argos zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes beruft. In der Rechtssache Holländische Kartoffeln hat der Gerichtshof entschieden, daß der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ein „subjektiver“ und kein nach objektiven Maßstäben geschätzter Wert ist ( 15 ). Argos macht unter Hinweis auf die Schlußanträge des Generalanwalts Cruz Vilaça in der Rechtssache Naturally Yours geltend, daß der Wert der Gegenleistung von den in den geschlossenen Verträgen tatsächlich getroffenen Vereinbarungen und nicht davon abhänge, was der Kunde glaube ( 16 ). |
21. |
In den in dieser Rechtssache eingereichten Schriftsätzen wird anerkannt, daß das Wort „subjektiv“ in diesem Zusammenhang nicht in seinem gewöhnlichen Sinn verwendet wird, sondern daß damit der Wert beschrieben werden soll, den die Beteiligten den wesentlichen Bestandteilen eines Rechtsgeschäfts beimessen; diese Bedeutung kann auch als „objektiv“ bezeichnet werden. Die Wirkung dieser Rechtssachen besteht darin, daß zur Bewertung der Gegenleistung bei einem Verkauf jegliche angenommene selbständige Bewertung, die von der der Beteiligten abweicht, unterschieden und ausgeschlossen wird ( 17 ). Auch dieser Punkt ist in der Rechtssache Naturally Yours eindeutig entschieden worden. „Vorliegend haben die Vertragsparteien den Großhandelspreis des Cremetiegels ... um einen bestimmten Betrag gesenkt. Unter diesen Umständen kann der Geldwert, den beide Vertragsparteien dieser Dienstleistung beigemessen haben, ermittelt werden“ ( 18 ). Dieser Gedankengang läßt sich auch auf die Bewertung des Gutscheins in der vorliegenden Rechtssache übertragen. Der Gutschein bildet in Höhe seines vollen Nennwerts den Gegenwert für den vereinbarten „subjektiven“ Preis der Waren. In dem so verstandenen Sinn stimme ich dem Vereinigten Königreich zu, daß es mit Entscheidungen wie der in der Rechtssache Naturally Yours im Einklang stehe, den Gutscheinen ihren Nennwert beizumessen. |
22. |
Dasselbe Ergebnis wurde auf etwas andere Weise in der Rechtssache Bally ( 19 ) erreicht, in der es darum ging, ob ein Steuerpflichtiger verlangen kann, der Besteuerung einen verringerten Umsatz zugrundezulegen, soweit die Kunden die Waren mit Hilfe einer Kreditkarte bezahlt hatten. In diesem Fall erhielt der Lieferant den Preis abzüglich der von den Kreditkartenunternehmen verlangten Provision von 5 %. Der Gerichtshof wies darauf hin, daß der vom Verbraucher geforderte Endpreis die diesem tatsächlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer enthalten habe. Die Besteuerungsgrundlage könne sich nicht ändern, wenn der Verkäufer seinen Umsatz den Steuerbehörden melde. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Die Kunden von Argos zahlen denselben Preis, gleich ob sie für den Kauf Gutscheine verwenden oder nicht. |
23. |
Ebenso klar ist meines Erachtens, daß Argos sich auch nicht auf das Urteil Glawe stützen kann. Diese Rechtssache betraf im wesentlichen Vorgänge, die auf einer einzigen Besteuerungsstufe zwischen den Beteiligten, den Eigentümern bzw. Betreibern der Spielautomaten und den Spielern, stattfanden. Es war nicht erforderlich, die Gegenleistung anhand früherer Vorgänge zu bewerten. Indem Argos auf ihren Gesamtumsatz und die tatsächlich erhaltenen Beträge verweist, wird sie der Frage der Gegenleistung und der dafür gelieferten Waren, und zwar auf der Einzelhandclsstufe zwischen ihr und ihren Kunden, nicht gerecht. |
24. |
Die Kommission führt aus, daß der Verkauf der Gutscheine für die Zwecke der Mehrwertsteuer als gesonderter Vorgang behandelt werden müsse. Sie unterstützt aber die Forderung von Argos, den Gutschein zu seinem vollen Wert als Rabatt zu behandeln (dies ist Gegenstand der zweiten Frage), nicht jedoch ihren Lösungsansatz zur dritten Frage. Meines Erachtens ist es wichtig, nur die gestellte Frage zu behandeln. Ich stimme mit der Kommission darin überein, daß wir es hier mit zwei getrennten Vorgängen zu tun haben ( 20 ). Die Frage, ob das Vereinigte Königreich richtig handelt, wenn es den Verkauf der Gutscheine von der Mehrwertsteuer befreit, wird durch die vorgelegten Fragen nicht aufgeworfen und braucht daher nicht behandelt zu werden. Fest steht, daß der Verkauf der Gutscheine, ob nun steuerbar oder nicht, ein gesonderter Vorgang ist; dies ist nicht der Vorgang, um den es hier geht, nämlich der Verkauf von Waren. Ich neige der Lösung zu, die Generalanwalt Gulmann in der Rechtssache Bally vorgeschlagen hat. Er wies zwar darauf hin, daß der Vorgang zwischen Bally und dem Kreditkarteninstitut von der Mehrwertsteuer befreit gewesen sei, hielt es aber nicht für erforderlich, Probleme zu lösen, die Verhältnisse beträfen, mit denen der Gerichtshof nicht befaßt worden sei ( 21 ). Läge in dem Verkauf der Gutscheine tatsächlich ein vorgelagerter steuerbarer Vorgang, so würde dies nichts an der Stcuerbarkeit des Verkaufs der Waren ändern ( 22 ). |
25. |
Damit ist meines Erachtens klar, daß unter den beschriebenen Umständen die durch den Gutschein gebildete Gegenleistung sein Nennwert ist. Dies ist der Wert, dem ihm die an dem Umsatz Beteiligten beimessen. Möchte ein Kunde eine Ware kaufen, so muß er dafür entweder in Form eines Gutscheins oder durch ein sonstiges Zahlungsmittel die Gegenleistung in Höhe des Katalogpreises erbringen. Die Ware wird nicht übergeben, wenn diese Gegenleistung nicht erbracht wird. Daher ist, wenn ein Gutschein verwendet wird, die Gegenleistung, die der Gutschein bei diesem Umsatz bildet, sein voller Nennwert. |
B — Die zweite Frage
26. |
Ich komme nun zur zweiten Frage, die im wesentlichen dahin geht, ob der dem ursprünglichen Erwerber des Gutscheins von Argos gewährte Rabatt unter den Ausdruck „Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird“, im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie fällt. |
27. |
Argos hat sich vor dem VAT-Tribunal für diese Lösung ausgesprochen. Sie ist in ihren schriftlichen Erklärungen mit „Beurteilung B“ überschrieben und war Hauptgegenstand ihrer mündlichen Ausführungen. Sie beruht insbesondere auf dem Urteil Boots. Argos wird in ihrem Vorbringen von der Kommission unterstützt. |
28. |
In der Beurteilung B führt Argos aus, daß der Gutschein, wenn er nicht die um den Rabatt auf seinen Verkaufspreis verringerte Gegenleistung für den Verkauf der Waren bilde, als Rabatt vom Preis anzusehen sei. |
29. |
So einfach formuliert, stellt dieses Argument Argos vor ein ziemliches Dilemma. Ich lasse zunächst beiseite, ob es erforderlich ist, den Rabatt bei der Lieferung der Waren zu berücksichtigen. Wie hoch aber ist in diesem Fall der Rabatt? Argos sagt zunächst, der Rabatt sei der Unterschied zwischen dem für den Gutschein bezahlten Betrag und dessen Nennwert; mit anderen Worten, der beim Verkauf des Gutscheins gewährte Rabatt. Dann sagt sie jedoch hilfsweise, es könne der volle Nennwert des Gutscheins sein,_und meint, diese Beurteilung könnte im Lichte des Urteils Boots den Vorzug verdienen. Damit weicht Argos meines Erachtens von dem Argument des tatsächlichen Umsatzes, auf dem ihr Lösungsansatz für die dritte Frage beruht, grundlegend ab. |
30. |
Sie führt auch aus, daß der bei Erwerb des Gutscheins dafür gezahlte Betrag keine Gegenleistung für eine Warenlieferung sei: der Erwerber der Waren zahle an Argos in Höhe des Nennwerts des Gutscheins keine Gegenleistung. Meines Erachtens ist diese Beurteilung ohne weiteres zurückzuweisen. Bis zu seiner Einlösung stellt der Gutschein im Umfang seines Nennwerts einen möglichen Anspruch gegen Argos auf die Lieferung von Waren dar. Die Gegenleistung ist seine Rückgabe zum Zeitpunkt des Verkaufs. |
31. |
Ebensowenig halte ich eine der beiden in Nummer 29 genannten Lösungen zum Rabatt für vertretbar. Der auf den früheren Verkauf der Gutscheine gewährte Rabatt spielt beim Verkauf von Waren keine Rolle. Der im Katalog genannte Preis wird in voller Höhe entweder in Geld oder durch Gutscheine zum Nennwert entrichtet. Die EDV-Aufzeichnungen von Argos sind für den Preis, der für die Waren verlangt wird, oder für den Wert, der den Gutscheinen als Gegenleistung beigemessen wird, ohne Belang, und ohnehin kennt der Käufer diesen Rabatt nicht. Deshalb erhält der Abnehmer diesen Rabatt auch nicht „zu dem Zeitpunkt ..., zu dem der Umsatz bewirkt wird“. |
32. |
Die andere Möglichkeit ist, die Gutscheine als Rabatt in Höhe ihres Nennwerts anzusehen. Dabei stellt sich ein anderes Problem. Jedoch ist zumindest klar, daß der Rabatt zu dem Zeitpunkt erhalten wird, zu dem der Umsatz bewirkt wird. Die Folge wäre, daß Argos auf der Grundlage des Preises der Waren abzüglich des Nennwerts der Gutscheine besteuert würde. Würden die Gutscheine zur Zahlung des vollen Preises verwendet, so läge keine Gegenleistung vor, bzw. es gäbe einen Rabatt in voller Höhe des Wertes der Waren und folglich keine Mehrwertsteuer ( 23 ). Das Vorbringen von Argos kann nicht bloß deshalb zurückgewiesen werden, weil ein solches Ergebnis unannehmbar wäre. Ob die Steuer zu zahlen ist oder nicht, hängt von der richtigen Auslegung der Sechsten Richtlinie ab und erfordert insoweit eine sorgfältige Prüfung der Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache Boots. |
33. |
Boots ist eine sehr bekannte Kette von Ladengeschäften im Vereinigten Königreich, in denen hauptsächlich Medikamente und Körperpflegeartikel verkauft werden. Um den Verkauf zu fördern, gab Boots Gutscheine aus, die zu Preisnachlässen berechtigten. Ihre Ausgabe erfolgte auf verschiedene Art und Weise, teils zum Ausschneiden in Werbeanzeigen in der Presse, teils in kostenlos verteilten Prospekten und teils als Aufdruck auf der Verpackung von in Boots-Geschäften verkauften Waren oder als Beilage dazu. In jedem Fall konnte ein Kunde in einem Ladengeschäft von Boots gegen Vorlage eines Gutscheins einen Preisnachlaß in Höhe des auf dem Gutschein aufgedruckten Betrages verlangen ( 24 ). Die Commissioners (die auch in der Rechtssache Boots die zuständige Steuerbehörde waren) akzeptierten es, daß die kostenlos verteilten Gutscheine zu einem Rabatt führten und die Mehrwertsteuer nur auf den entsprechend verringerten Preis gezahlt wurde. Der Rechtsstreit betraf die Verwendung der Gutscheine, die beim früheren Kauf von Waren in Boots-Geschäften erlangt worden waren. Nach Auffassung der Commissioners war der bei einem solchen früheren Kauf erlangte Gutschein als gegen Entgelt erworben anzusehen und zu seinem Nennwert in die Gegenleistung für die damit gekauften Waren einzuschließen. |
34. |
Die Rechtssache Boots betraf somit die Anwendung von Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b, um den es in der zweiten Frage der vorliegenden Rechtssache geht. Generalanwalt Van Gerven führte aus, daß diese Bestimmung „zwei Voraussetzungen aufstellt], die beide erfüllt sein müssen: Erstens muß es sich um einen Rabatt oder eine Rückvergütung auf den Preis handeln, die dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden; zweitens müssen diese den Rabatt oder die Rückvergütung zu dem Zeitpunkt erhalten, zu dem der Erwerb ... stattfindet“ ( 25 ). Seiner Auffassung nach stellte die zweite Voraussetzung im Fall Boots kein Problem dar. Wie erwähnt ist dies auch im vorliegenden Fall nur dann so, wenn wir es mit einem Rabatt in Höhe des Nennwerts der Gutscheine zu tun haben. Handelt es sich dagegen um einen Rabatt im Sinne des verringerten Preises der Gutscheine, so ist klar, daß dieser nicht zu dem Zeitpunkt erlangt wird, zu dem die Waren verkauft werden. Ist der geltend gemachte Rabatt der volle Nennwert, so ist zu prüfen, ob ein echter Rabatt vorliegt. |
35. |
In der Rechtssache Boots führte ebenso wie in der vorliegenden Rechtssache ein früherer Umsatz zur Ausgabe des Gutscheins. Doch war der Gutschein in der Rechtssache Boots ein Nebenergebnis dieses Umsatzes. Generalanwalt Van Gerven stellte dies dem Fall des mit einem Prospekt gratis verteilten Gutscheins gleich ( 26 ). Weil dieser für den Verkäufer eine Verpflichtung und keinen Vorteil bedeute, nahm der Generalanwalt an, er bilde keine Gegenleistung für das später damit gekaufte Produkt. Er schlug vor, daß dies ein Fall eines Rabatts sei; dem ist der Gerichtshof gefolgt. Von Bedeutung ist die Auslegung durch den Gerichtshof: „Aus den ... Merkmalen des Gutscheins ergibt sich ..., daß der Gutschein, obwohl auf ihm ein‚Nennwert‘ angegeben ist, vom Kunden nicht gegen Entgelt erworben wird und daß er nichts anderes darstellt als eine Urkunde, die die Verpflichtung der Firma Boots verkörpert, dem Inhaber des Gutscheins im Austausch gegen diesen beim Kauf von ... [Waren] einen Preisnachlaß zu gewähren. Der ‚Nennwert‘ drückt deshalb nur den Betrag des versprochenen Nachlasses aus.“ Diese Ausführungen machen deutlich — und die Parteien in der Rechtssache Boots räumten dies auch ein —, daß die Bedeutung, die dem Begriff „Gegenleistung“ im Gemeinschaftsrecht zukommt, nicht von seiner konkreten Funktion abhängt, die er im Vertragsrecht eines oder mehrerer Mitgliedstaaten hat ( 27 ). Der Gerichtshof hat also bei der Auslegung der Sechsten Richtlinie die wirtschaftliche und rechtliche Natur des Gutscheins berücksichtigt, um die einheitliche und neutrale Wirkung der Steuer sicherzustellen ( 28 ). |
36. |
Im vorliegenden Fall liegen die Dinge jedenfalls ganz anders. Erstens erbringt der ursprüngliche Erwerber für den Gutschein eindeutig eine Gegenleistung. Die Übergabe des Gutscheins ist die einzige Gegenleistung, die Argos bei diesem früheren Umsatz für den Empfang des Geldbetrags erbringt. Sie ist nicht nur ein Nebenaspekt eines früheren Umsatzes wie in der Rechtssache Boots. Die vorliegende Rechtssache betrifft zwar mit Rabatt verkaufte Gutscheine, doch verkauft Argos sie auch zum Nennwert ( 29 ). Das VAT-Tribunal erläutert im Vorlagebeschluß die Funktionsweise des Rabatts. Danach „werden oder wurden“ die Gutscheine in allen Fällen des Ausgangsrechtsstreits „bei Großbestellungen mit einem Rabatt gegenüber ihrem Nennwert verkauft“; insbesondere gebe es einen „Standardrabatt von 5 % für Bestellungen ab 500 UKL“ und nachträgliche Zusatzrabatte bei sehr großen Bestellungen. Die Vorteile für Argos lägen nicht nur in der Förderung des Absatzes wie in der Rechtssache Boots. Sie habe einen besseren Cashflow. Überdies wird ein geringer, auf 2 % geschätzter Teil der Gutscheine nie eingelöst. Schließlich wird der Rabatt nicht „dem Abnehmer ... eingeräumt“ im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b, sondern vielmehr dem Erwerber des Gutscheins ( 30 ). |
37. |
Ist ein Gutschein einmal ausgegeben, ist er Argos zufolge unbeschränkt und frei übertragbar ( 31 ). Er hat also die Merkmale eines umlauffähigen Wertpapiers. Bei Verwendung in einem Geschäft von Argos hat er denselben Wert wie Geld. Außerdem können Gutscheine dazu verwendet werden, Waren von Argos teilweise oder vollständig zu bezahlen. Wie das Vereinigte Königreich in seinen schriftlichen Erklärungen, wo es zwischen einem Zahlungsmittel und einem Anspruch auf einen Preisnachlaß unterscheidet, ausführt, läßt sich der Gutschein sehr gut mit einem Gutschein für ein Buch („book token“) vergleichen, der ebenfalls häufig zur vollständigen Zahlung beim Kauf von Büchern verwendet wird. Wie oben erwähnt, verfügt Argos über sein eigenes System von Geschenkgutscheinen ( 32 ). Das Vereinigte Königreich geht so weit, die Vorstellung als Unsinn zu bezeichnen, daß ein Rabatt von 100 % des Preises vorliege, wenn eine Ware vollständig mit Gutscheinen von Argos bezahlt werde. |
38. |
Ich glaube nicht, daß die Gutscheine von Argos einen Rabatt auf den Preis der mit ihnen gekauften Waren darstellen. Es ist nicht notwendig, feinsinnige Unterscheidungen zur Rechtssache Boots zu ziehen. Diese Rechtssache ist aufgrund des Wesens der Gutscheine völlig anders gelagert. Da sie in voller Höhe mit Geld bezahlt werden, und zwar unter Umständen, unter denen der Rabatt nur einen Nachlaß für die Abnahme großer Mengen darstellt, werden sie zu Wertzeichen mit einer völlig anderen Funktion als ein Rabatt. Sie werden nämlich zu einem Zahlungsmittel. |
39. |
Die Rechtssache Bally bietet, wie in Nummer 22 erörtert, einen aufschlußreichen Lösungsansatz, der die Rechtssache Boots in einem weiteren Punkt von der vorliegenden Rechtssache unterscheidet. In dieser Rechtssache war der Gerichtshof nicht bereit, zuzulassen, daß von Kunden ein im Preis der Waren enthaltener Mehrwertsteuerbetrag verlangt wurde, während der Lieferant an die Steuerbehörden einen geringeren Betrag abführte, weil er selbst vom Kreditkarten-Unternehmen einen geringeren Betrag erhalten hatte. Dasselbe könnte hier gelten. Für die Flöhe des Umsatzes von Argos konnte es, wie oben ausgeführt, keine Rolle spielen, ob ihre Kunden bar, mit Scheck, Kredit- bzw. Geldkarte oder mit Gutscheinen bezahlten. Hier wäre nämlich der Unterschied noch größer. Der durch den Gutschein dargestellte Betrag wäre nicht unbedingt auf die 5 % Provision des Kreditkartenunternehmens in der Rechtssache Bally beschränkt. In der Rechtssache Boots waren dagegen nur zwei Parteien an den Umsätzen beteiligt. Der dem Käufer gewährte Rabatt verringerte seine im Preis enthaltene Mehrwertsteuer und Boots war berechtigt, die abzuführende Steuer auf derselben Grundlage zu berechnen. |
40. |
Folglich schlage ich vor, die zweite Frage zu verneinen. Nach alledem stellt sich die erste Frage nicht. |
IV — Ergebnis
Ich schlage daher vor, die vom Value Added Tax Tribunal London vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
1. |
Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist in einem Fall, in dem ein Warenlieferant an einen Erwerber einen Gutschein unter Gewährung eines Rabatts verkauft hat und dieser Gutschein später durch einen Kunden, der nicht der Erwerber des Gutscheins war und normalerweise den für den Gutschein gezahlten Betrag nicht kennt, dahin auszulegen, daß die durch den Gutschein gebildete Gegenleistung dessen Nennwert entspricht. |
2. |
Die Verwendung eines Gutscheins stellt unter den genannten Umständen keine Gewährung eines Rabatts oder einer Rückvergütung im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie des Rates dar. |
( *1 ) Originalsprachig Englisch.
( 1 ) Wie dem Gerichtshof mitgeteilt wurde, kann bei besonders großen Aufträgen ein höherer Rabatt ausgehandelt werden.
( 2 ) Es versteht sich von selbst, daß bei solchen Käufen kein Rabatt gewährt wird, es sei denn, die Einzelperson verpflichtete sich zur Abnahme von Gutscheinen im Wert von mindestens 500 UKL.
( 3 ) Das Vereinigte Königreich weist in seinen schriftlichen Erklärungen darauf hin, daß das Tribunal nach dem Vorabentscheidungsersuchen in VAT and Duties Tribunal umbenannt wurde.
( 4 ) ABl. L 145, S. 1.
( 5 ) Das Vereinigte Königreich weist in seinen schriftlichen Erklärungen darauf hin, daß dieser Abschnitt nunmehr in Abschnitt 5 des Anhangs 6 des Value Added Tax Act 1994 neu erlassen wurde.
( 6 ) Urteil vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-126/88 (Slg. 1990, I-1235, nachstehend: Urteil Boots).
( 7 ) Vgl. z. B. Urteil Boots, Randnr. 19.
( 8 ) ABL 1967, 71, S. 1301.
( 9 ) Urteil vom 5. Mai 1994 in der Rechtssache C-38/93 (Slg. 1994, I-1679).
( 10 ) Dieser Artikel ist als Vorschrift des Gcmcinschaftsrechts, die unabhängig vom Recht der Mitgliedstaatcn gilt, gcmcinschaftsrcchtlich auszulegen. Seine Auslegung hängt deshalb nicht vom Vertragsrecht eines einzelnen Mitglied-Staats ab. Vgl. z. B. das Urteil vom 5. Februar 1981 in der Rechtssache 154/80 (Coöperatieve Aardappclcnbcwaarplaats, Slg. 1981, 445, Randnr. 9; nachstehend: Rechtssache Holländische Kartoffeln). Die Rechtssache Holländische Kartoffeln betraf zwar den Begriff „Gegenleistung“ im Sinne des Artikels 8 Buchstabe a der Zweiten Richtlinie (67/228/EWG) des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitglicdstaatcn über die Umsatzsteuern-Struktur und Anwendungsmodalitätcn des Gemeinsamen Mchrwcrtstcuersystems (ABl. 1967, 71, S. 1303), doch hat der Gerichtshof später „hervorgehoben ..., daß im Hinblick auf die ‚gemeinsame gesetzgeberische Zielsetzung‘der beiden Richtlinien bei der Auslegung der Sechsten Richtlinie die Rechtsprechung zur Zweiten Richtlinie zu berücksichtigen ist...“; vgl. Schlußanträge des Gcncralanwalts Cruz Vilaça in der Rechtssache 230/87 (Naturally Yours Cosmetics, Urteil vom 23. November 1988, Slg. 1988, 6365; nachstehend: Rechtssache Naturally Yours), wo er sich auf Randnr. 10 des Urteils vom 8. März 1988 in der Rechtssache C-102/86 (Apple and Pear Development Council, Slg. 1988, 1443) bezieht.
( 11 ) Vgl. Urteil Boots, Randnr. 19.
( 12 ) Vgl. Urteil in der Rechtssache Holländische Kartoffeln (Randnr. 12) und in bezug auf die Lieferung von Gegenständen Rechtssache Naturally Yours.
( 13 ) In seinem Urteil in der Rechtssache Naturally Yours hat der Gerichtshof festgestellt: „Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang muß auch zwischen der Lieferung eines Gegenstandes und der erhaltenen Gegenleistung im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bestehen“ (Randnr. 12).
( 14 ) Urteil Naturally Yours (Randnr. 13).
( 15 ) Urteil in der Rechtssache Holländische Kartoffeln, Randnr. 13.
( 16 ) Vgl. Schlußanträge in der Rechtssache Naturally Yours, Nr. 26.
( 17 ) Zum Beispiel die Sonderbestimmung über den „Normal-wert“ in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe d in bezug auf Dienstleistungen im Sinne des Artikel 6 Absatz 3.
( 18 ) Randnr. 17 des Urteils.
( 19 ) Urteil vom 25. Mai 1993 in der Rechtssache C-18/92 (Slg. 1993, I-2871, Randnr. 14).
( 20 ) So beurteilte der Gerichtshof den Sachverhalt in der Rechtssache Bally; vgl. Randnr. 9. Dort betraf der eine Vorgang den Verkauf der Ware, der andere die Erbringung von Dienstleistungen durch das Kreditkartcnuntcmchmcn an den Lieferanten.
( 21 ) Vgl. Nrn. 10 und 11 der Schlußanträge.
( 22 ) Die Kommission wirft für den Fall, daß sowohl der Gutschein als auch der Verkauf der Waren der Steuer unterlägen, die Frage der Doppelbesteuerung auf, nennt aber keine einschlägige Bestimmung der Sechsten Richtlinie. Hier stellt sich diese Frage nicht, weil der Verkauf der Gutscheine nicht besteuert wird, und sie stellt sich gar nicht, wenn das Vereinigte Königreich berechtigt war, diesen Vorgang von der Steuer zu befreien.
( 23 ) Dies wäre natürlich nicht der Fall, wenn der Geschäftsvorgang des Guttcheinverkaufs der Steuer unterläge.
( 24 ) Die Höhe des möglichen Rabatts war unklar. Nach den Ausführungen des Generalanwalts Van Gerven in Nr, 3 seiner Schlußanträge konnte er 5 % bis 31 % des Preises betragen. Wie das Vereinigte Königreich in der vorliegenden Rechtssache ausgeführt hat, durfte pro Geschäftsvorgang nur ein Gutschein verwendet werden, „um einen bestimmten Nachlaß auf den zu zahlenden Geldbetrag zu erreichen“.
( 25 ) Vgl. Nr. 9 der Schlußanträge.
( 26 ) Vgl. Nr. 15 der Schlußanträge.
( 27 ) Die Notwendigkeit einer gcmcinschaftsrechtlichen Auslegung wurde vom Gerichtshof stets hervorgehoben; siehe oben, Fußnote 10.
( 28 ) Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auf die Bedeutung dieses Zieles hingewiesen; vgl. z. B. Urteil vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache 281/91 (Muys' en De Winter's Bouw- en Aannemingsbedrijf, Slg. 1993, I-5405, Randnr. 14) und Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, der auf das „Grundprinzip der Neutralität“ verweist (Nr. 11).
( 29 ) Vgl. Nr. 3 und die dazugehörige Fußnote 2.
( 30 ) Dieser wird kaum ein gewöhnlicher Einzclhandclskundc sein, außer er häuft Gutscheine im Wert von mindestens 500 UKL, um mit ihnen dann in einem Argos-Geschäft einzukaufen.
( 31 ) Die Scricnnumnicm gestohlener Gutscheine können Argos mitgeteilt werden, die dann neue Gutscheine ausgibt, die gestohlenen aber nicht mehr annimmt.
( 32 ) Vgl. oben, Nr. 3.