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1. Nichtigkeitsklage ° Natürliche oder juristische Personen ° Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen ° Entscheidung der Kommission, mit der die Zahlung einer staatlichen Beihilfe an ein Unternehmen genehmigt wird, das auf einem Markt tätig ist, der durch eine geringe Zahl von Erzeugern und Überkapazitäten gekennzeichnet ist ° Konkurrenzunternehmen ° Klagerecht
(EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 und 173 Absatz 4)
2. Kommission ° Kollegialprinzip ° Bedeutung
(EG-Vertrag, Artikel 163; Fusionsvertrag, Artikel 17)
3. Staatliche Beihilfen ° Von der Kommission genehmigte allgemeine Beihilferegelung ° Individülle Beihilfe, die als in den Rahmen der Genehmigung fallend dargestellt wird ° Prüfung durch die Kommission ° Beurteilung in erster Linie im Hinblick auf die Genehmigungsentscheidung
(EG-Vertrag, Artikel 92 und 93)
4. Staatliche Beihilfen ° Entscheidung der Kommission, mit der die Zahlung einer individuellen Beihilfe genehmigt wird, die durch eine zuvor genehmigte allgemeine Beihilferegelung gedeckt ist ° Entscheidung, die die Prüfung komplexer Probleme erfordert ° Erlaß im Wege der Ermächtigung ° Unzulässigkeit
5. Staatliche Beihilfen ° Entscheidung der Kommission über die Zulässigkeit einer staatlichen Beihilfe ° Dem Kollegium obliegender Erlaß ° Änderung nach Erlaß ° Rechtswidrigkeit
(EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2; Fusionsvertrag, Artikel 17)
6. Handlungen der Organe ° Inexistenter Rechtsakt ° Begriff ° Rechtsakt der Kommission, der in die Zuständigkeit des Kollegiums fällt und zu Unrecht im Wege der Ermächtigung erlassen wurde ° Ausschluß
1. Eine Entscheidung der Kommission, mit der eine nationale Beihilfe für ein Unternehmen genehmigt wird, kann zwar die Interessen eines Konkurrenten erst ab dem Zeitpunkt beeinträchtigen, zu dem die nationalen Maßnahmen ergehen, die Gegenstand der Genehmigung waren; es ist jedoch davon auszugehen, daß ein Konkurrent von einer solchen Entscheidung im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag unmittelbar betroffen ist, wenn die Absicht der nationalen Behörden, ihr Beihilfevorhaben zu verwirklichen, ausser Zweifel steht.
Er ist auch ° ebenfalls im Sinne dieser Bestimmung ° als individuell betroffen anzusehen, selbst wenn er sich nicht auf seine Teilnahme an dem dem Erlaß der genannten Entscheidung vorangegangenen Verfahren berufen kann, sofern er sich aufgrund besonderer Umstände, die damit zusammenhängen, daß es auf dem betreffenden Markt nur eine beschränkte Zahl von Unternehmen gibt und daß die Investitionen, für die die Beihilfe gewährt werden soll, zu einer erheblichen Steigerung der schon jetzt überhöhten Produktionskapazitäten führen, im Hinblick auf die fragliche Entscheidung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt.
2. Die Tätigkeit der Kommission unterliegt dem Kollegialprinzip, das auf Artikel 17 des Fusionsvertrages zurückgeht, der durch Artikel 163 EG-Vertrag ersetzt wurde. Dieses Prinzip beruht auf der Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Teilnahme an der Entscheidungsfindung und bedeutet insbesondere, daß die Entscheidungen gemeinsam beraten werden und daß alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche erlassenen Entscheidungen politisch gemeinsam verantwortlich sind.
Es ist mit diesem Prinzip vereinbar, wenn für den Erlaß von Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung auf das Ermächtigungsverfahren zurückgegriffen wird. Eine solche Ermächtigungsregelung, die auf bestimmte Arten von laufenden Angelegenheiten beschränkt ist, was von vornherein Grundsatzentscheidungen ausschließt, ist nämlich angesichts der beträchtlichen Zunahme der von der Kommission zu treffenden Entscheidungen notwendig, da diese andernfalls ihre Aufgabe nicht erfuellen könnte.
3. Wenn die Kommission mit einer individuellen Beihilfe konfrontiert ist, von der geltend gemacht wird, daß sie sich in den Rahmen einer zuvor genehmigten allgemeinen Regelung einfüge, darf sie zunächst ° bevor sie ein Verfahren einleitet ° nur prüfen, ob die Beihilfe durch die allgemeine Regelung gedeckt ist und die in der Genehmigungsentscheidung aufgestellten Bedingungen erfuellt. Nach der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages wäre die Einhaltung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht gewährleistet, wenn die Kommission ihre Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung rückgängig machen könnte. Daher muß die Kommission, wenn der betroffene Mitgliedstaat Änderungen eines solchen zur Prüfung gemäß Artikel 93 Absatz 2 unterbreiteten Beihilfevorhabens vorschlägt, zunächst untersuchen, ob das Vorhaben infolge dieser Änderungen in seiner neuen Form durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung gedeckt ist. Ist dies der Fall, so darf die Kommission nicht die Vereinbarkeit des geänderten Vorhabens mit Artikel 92 des Vertrages prüfen, da eine solche Prüfung bereits im Rahmen des durch die Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung beendeten Verfahrens vorgenommen wurde.
4. Eine Entscheidung, mit der eine Beihilfe genehmigt wird, die sich in den Rahmen einer von der Kommission bereits genehmigten allgemeinen Beihilferegelung einfügt, und die zu Recht auf der Grundlage einer Prüfung erlassen wurde, die lediglich die Einhaltung der in der Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung festgelegten Bedingungen zum Gegenstand hatte, kann deswegen aber nicht schon im Hinblick auf die Vorschriften über die Arbeitsweise des Kommissionskollegiums als Maßnahme der Geschäftsführung und der Verwaltung eingestuft werden, wenn eine dieser Bedingungen eine eingehende Prüfung komplexer Sach- und Rechtsfragen erfordert. Sie kann daher nicht im Wege der Ermächtigung erlassen werden.
5. Die Beachtung des Kollegialprinzips und insbesondere das Erfordernis, daß die Entscheidungen von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden, ist für die von den Rechtswirkungen dieser Entscheidungen betroffenen Rechtssubjekte zwangsläufig insoweit von Interesse, als sie die Gewähr dafür haben müssen, daß die Entscheidungen tatsächlich vom Kollegium getroffen worden sind und dessen Willen genau entsprechen.
Dies ist bei Entscheidungen der Fall, die am Ende eines gemäß Artikel 93 Absatz 2 eingeleiteten Verfahrens erlassen werden, die das endgültige Urteil der Kommission über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Vertrag oder mit einer zuvor genehmigten allgemeinen Beihilferegelung zum Ausdruck bringen und die sich nicht nur auf den Mitgliedstaat auswirken, an den die Entscheidung gerichtet ist, sondern auch auf den Empfänger der geplanten Beihilfe und dessen Konkurrenten.
An einer solchen Entscheidung dürfen nach ihrer Annahme durch das Kollegium nur rein orthographische oder grammatikalische Anpassungen vorgenommen werden. Selbst wenn man annimmt, daß das Kollegium eines seiner Mitglieder mit der Aufgabe betrauen kann, die Entscheidung abschließend zu erlassen, beschränkt sich dessen Tätigwerden nicht auf einen abschließenden Erlaß, sondern bedarf einer echten Ermächtigung, die ° wie im vorliegenden Fall ° unzulässig ist, wenn die dem Adressaten mitgeteilte Entscheidung derartige Änderungen gegenüber dem dem Kollegium vorgelegten Entwurf enthält, daß die Entscheidung mit all ihren tatsächlichen und rechtlichen Bestandteilen nicht als vom Kollegium erlassen angesehen werden kann.
6. Der Formmangel, der einer Entscheidung der Kommission anhaftet, die nach dem ausdrücklichen Willen des Kollegiums zu Unrecht im Wege der Ermächtigung erlassen wurde, ist nicht derart schwerwiegend, daß die genannte Entscheidung als inexistent angesehen werden müsste.