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Leitsätze

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1. Gemeinschaftsrecht ° Grundsätze ° Grundrechte ° Achtung des Privatlebens

2. Gemeinschaftsrecht ° Grundsätze ° Grundrechte ° Einschränkungen der Grundrechtsausübung, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind

3. Beamte ° Einstellung ° Ärztliche Untersuchung ° Zweck ° Folgen der Weigerung des Betroffenen, seine Zustimmung zu bestimmten Untersuchungen zu erteilen

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Artikel 12 und 13)

4. Beamte ° Einstellung ° Ärztliche Untersuchung ° Test zum Nachweis von HIV-Antikörpern ° Weigerung des Betroffenen ° Vornahme anderer Tests, mit denen die gleichen Informationen erlangt werden können ° Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Artikel 12 und 13)

Leitsätze

1. Das in Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verankerte Recht auf Achtung des Privatlebens, das sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten herleitet, stellt ein von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht dar. Es umfasst insbesondere das Recht einer Person, ihren Gesundheitszustand geheimzuhalten.

2. Die von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechte können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.

3. Die in Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten vorgesehene ärztliche Untersuchung vor der Einstellung soll dem betreffenden Organ die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Bedienstete auf Zeit die gemäß Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe d der Beschäftigungsbedingungen für die Einstellung erforderliche körperliche Eignung besitzt. Zwar dient die Einstellungsuntersuchung einem legitimen Interesse des Organs, jedoch rechtfertigt dieses Interesse nicht, daß eine ärztliche Untersuchung gegen den Willen des Betroffenen vorgenommen wird. Verweigert dieser indessen, nachdem er aufgeklärt worden ist, seine Zustimmung zu einer Untersuchung, die nach Auffassung des Vertrauensarztes des Organs erforderlich ist, um beurteilen zu können, ob der Bewerber für die Ausübung des von ihm angestrebten Amtes geeignet ist, kann das Gemeinschaftsorgan nicht verpflichtet sein, das mit seiner Einstellung verbundene Risiko einzugehen.

4. Die Tragweite des Rechts auf Achtung des Privatlebens würde verkannt, wenn die Bestimmungen über die Einstellungsuntersuchung eines Bediensteten auf Zeit dahin ausgelegt würden, daß nach ihnen die Weigerung des Betroffenen nur im Hinblick auf den speziellen Test zum Nachweis von Aids zu beachten ist, während sie alle anderen Tests, die nur den Verdacht eines Vorliegens des Aids-Virus begründen können, zulassen. Die Achtung dieses Rechts erfordert nämlich, daß die Weigerung des Betroffenen umfassend berücksichtigt wird. Hat dieser es ausdrücklich abgelehnt, sich einem Test zum Nachweis von Aids zu unterziehen, so steht dieses Recht der Vornahme jedes Tests durch das betroffene Organ entgegen, der zur Feststellung oder zum Verdacht eines Vorliegens dieser Krankheit führen kann.