SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

CARL OTTO LENZ

vom 15. Juli 1993 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

A — Einführung

1.

Das vorliegende Vorabcntscheidungsverfahren betrifft die Auslegung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ( 1 ).

2.

Herr Wagner Miret, der Kläger des Ausgangsverfahrens, war als Generaldirektor des Unternehmens CEP Catalana SA tätig. Aus den Verfahrensakten ergibt sich, daß er unter anderen ermächtigt war, das Unternehmen im Rechtsverkehr zu vertreten ( 2 ). Ende 1989 schied er aus dem Unternehmen aus. Am 9. November 1990 wurde das Unternehmen für zahlungsunfähig erklärt. Herr Wagner Miret erhob daraufhin Klage gegen den Fondo de Garantía Salarial, mit der er Beträge geltend machte, die ihm das Unternehmen noch schuldete. Es handelte sich dabei um Bezüge für den Zeitraum vom 1. Oktober 1989 bis zum 30. November 1989 sowie einen anteilmäßigen Ausgleich wegen seines Ausscheidens ( 3 ).

3.

Der Fondo de Garantía Salarial (im folgenden: Garantiefonds) wurde durch Artikel 33 des Gesetzes Nr. 8/80 vom 10. März 1980 ( 4 ), des Estatuto de los Trabajadores (im folgenden: Arbeitnehmergesetz), eingerichtet. Der Anwendungsbereich des Arbeitnehmergesetzes ergibt sich aus dessen Artikel 1. Danach rinden die Vorschriften dieses Gesetzes unter anderem keine Anwendung auf Personen, deren Tätigkeit sich auf die Ausübung des Amtes eines Mitglieds des Vorstandes oder der Verwaltungsorgane einer Gesellschaft beschränkt (Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c des Arbeitnehmergesetzes). Die Arbeitsverhältnisse des Führungspersonals („personal de alta dirección“), das nicht in die soeben genannte Kategorie fällt, werden als besondere Arbeitsverhältnisse bezeichnet (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Arbeitnehmergesetzes).

4.

Die konkrete Ausgestaltung der besonderen Arbeitsverhältnisse des Führungspersonals erfolgte erst in der Königlichen Verordnung Nr. 1382/85 ( 5 ). Diese Verordnung legt in ihrem Artikel 15 fest, daß bestimmte Vorschriften des Arbeitnehmergesetzes auf die besonderen Arbeitsverhältnisse des Führungspersonals entsprechend anwendbar sind. Der Artikel 33 des Arbeitnehmergesetzes gehört nicht zu diesen Vorschriften.

5.

Nach dem Vorlagebeschluß ist davon auszugehen, daß Herr Wagner Miret zum Führungspersonal im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Arbeitnehmergesetzes gehört.

6.

Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 80/987/EWG erlaubt es den Mitgliedstaaten, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszuschließen; diese Gruppen sind im Anhang der Richtlinie aufgezählt (Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2). Dieser Anhang wurde nach dem Beitritt Spaniens durch die Richtlinie 87/164/EWG des Rates vom 2. März 1987 ( 6 ) ergänzt. Soweit Spanien betroffen ist, sind danach lediglich „Hausangestellte, die von einer natürlichen Person beschäftigt werden“, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen.

7.

Gleichwohl sind sich die spanischen Gerichte nach den Angaben des vorlegenden Gerichtes nicht einig darüber, ob die Richtlinie auf eine Person wie Herrn Wagner Miret Anwendung findet. Die Sala de lo Social (Sozialsenat) des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña hat dem Gerichtshof daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Findet die Richtlinie 80/987/EWG Anwendung auf alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der im Anhang dieser Richtlinie (87/164/EWG vom 11. März) ausgeschlossenen?

2.

Können angesichts des Umstands, daß für Spanien die Ausnahme hinsichtlich des Führungspersonals nicht in den Anhang der Richtlinie 87/164/EWG vom 11. März zur Vervollständigung des ursprünglichen Anhangs infolge des Beitritts Spaniens zur Gemeinschaft aufgenommen worden ist, diese Personen allgemein von der Anwendung der in der Richtlinie 80/987/EWG vorgesehenen Garantien ausgeschlossen werden?

3.

Falls die Garantien der Richtlinie 80/987/EWG auf das Führungspersonal in Spanien anwendbar sind, muß ihre konkrete Anwendung durch das für die übrigen Arbeitnehmer gewöhnlich vorgesehene Organ (Fondo de Garantía Salarial) erfolgen oder in Form einer Entschädigung, die unmittelbar zu Lasten des Staates geht?

B — Stellungnahme

Die ersten beiden Vorlagefragen

8.

Die Antwort auf die erste Vorlagefrage ergibt sich unmittelbar aus der Richtlinie 80/987 selbst. Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie gilt diese für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne der Richtlinie sind. Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 erlaubt es den Mitgliedstaaten, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern „ausnahmsweise“ vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Die Liste dieser Gruppen von Arbeitnehmern befindet sich im Anhang zu der Richtlinie (Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie). Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind also nur diejenigen Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen, die in der Liste im Anhang der Richtlinie genannt sind ( 7 ).

9.

Aus dem soeben Gesagten folgt auch die Antwort auf die zweite Vorlagefrage. Da das Führungspersonal im Anhang der Richtlinie 80/987 nicht genannt wird, kann es nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen werden. Dies setzt allerdings voraus, daß es sich bei diesen Personen um „Arbeitnehmer“ im Sinne der Richtlinie handelt. Aus Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ergibt sich, daß für die Bestimmung des Inhalts dieses Begriffes das innerstaatliche Recht maßgeblich ist. Die Entscheidung dieser Frage obliegt daher den nationalen Gerichten ( 8 ). Handelt es sich bei dem Führungspersonal um Arbeitnehmer in diesem Sinne, so kann es nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 80/987 ausgeschlossen werden, wenn und solange es nicht in deren Anhang aufgeführt ist.

Die dritte Vorlagefrage

10.

Erstreckt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie auf das Führungspersonal, so stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Personen in den Genuß des von der Richtlinie vorgesehenen Schutzes kommen können. Dies ist der Gegenstand der dritten Vorlagefrage, mit der das vorlegende Gericht zu wissen begehrt, ob die Garantien der Richtlinie durch das für die übrigen Arbeitnehmer zuständige Organ oder mittels einer unmittelbar vom Staat zu gewährenden Entschädigung zu erfüllen sind.

11.

Bei der Formulierung dieser Vorlagefrage hatte das nationale Gericht ersichtlich die Entscheidung des Gerichtshofs im Falle Francovich ( 9 ) vor Augen. In diesem Falle ging es bekanntlich um die Folgen, die sich aus der Nichtumsetzung der Richtlinie 80/987 in Italien ergaben. Der Gerichtshof entschied, daß die Bestimmungen der Richtlinie 80/987 in bezug auf die Bestimmung des Personenkreises, dem ihre Garantie zugute kommen sollte, und den Inhalt dieser Garantie „unbedingt und hinreichend genau“ sind ( 10 ). Gleichwohl kann sich der einzelne deshalb noch nicht vor den nationalen Gerichten auf diese Vorschriften berufen, da sie nicht regeln, wer Schuldner der Garantieansprüche ist und der betreffende Mitgliedstaat nicht allein deshalb als Schuldner angesehen werden kann, weil er die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt hat ( 11 ). Der Gerichtshof entschied jedoch, daß „ein Mitgliedstaat die Schäden zu ersetzen hat, die dem einzelnen dadurch entstehen, daß die Richtlinie 80/987 nicht umgesetzt worden ist“ ( 12 ).

12.

Es ließe sich allerdings erwägen, daß im vorliegenden Falle eine unmittelbare Wirkung der Bestimmungen der Richtlinie angenommen werden könnte, da der einzige Mangel, der den Gerichtshof im Falle Francovich davon abgehalten hat, die unmittelbare Wirksamkeit zu bejahen, hier nicht gegeben zu sein scheint. Wie wir bereits gesehen haben, stellt das spanische Recht einen Garantiefonds bereit. Die einzige Lücke des spanischen Systems scheint darin zu bestehen, daß die Leistungen des durch Artikel 33 des Arbeitnehmergesetzes eingerichteten Garantiefonds denjenigen Arbeitnehmern nicht gewährt werden, die zum Führungspersonal gehören. Es ließe sich also erwägen, daß sich ein einzelner dergestalt auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen könnte, daß die nationalen Gerichte die ihr entgegenstehende Bestimmung — hier also den Ausschluß des Führungspersonal vom Schutz durch den Garantiefonds — unbeachtet lassen müßten.

13.

Eine solche Auslegung ließe sich mit dem Urteil des Gerichtshofs im Falle Suffritti ( 13 ) vereinbaren. Diese Rechtssache betraf die Auslegung der Richtlinie 80/987 in bezug auf einen Sachverhalt, der sich vor dem Ablauf der zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht abgespielt hatte. Ich hatte in meinen Schlußanträgen in dieser Rechtssache die Auffassung vertreten, daß die Vorschriften der Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar waren ( 14 ). Der Gerichtshof begnügte sich in seinem Urteil hingegen mit der allgemeinen Feststellung, daß sich einzelne erst nach ergebnislosem Ablauf der Umsetzungsfrist unter bestimmten Voraussetzungen auf Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, aus denen sie unmittelbare Rechte ableiten ( 15 ).

14.

Eine Auslegung, die dazu führen würde, den Bestimmungen der Richtlinie unmittelbare Wirkung zuzuerkennen, wäre jedoch meines Erachtens nicht angemessen. Die daraus möglicherweise resultierenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten wären zwar wohl kaum bedenklich. In einem Staat, der eine — unzulängliche — Garantieeinrichtung eingerichtet hätte, könnte der einzelne seinen Anspruch unmittelbar gegen diese verfolgen. Hat ein Staat nicht einmal eine solche Garantieeinrichtung geschaffen, so ist es der Staat selbst, der den einzelnen im Sinne der Rechtsprechung Francovich zu entschädigen hat.

Zu bedenken ist jedoch zunächst, daß es fraglich erscheint, ob der Umstand, daß das spanische Recht einen Garantiefonds vorsieht, dazu ausreicht, den Vorschriften der Richtlinie unmittelbare Wirkung zu verleihen. Die unmittelbare Wirksamkeit einer Richtlinienbestimmung muß sich aus dieser selbst und ihrem Sinnzusammenhang, nicht aber aus dem Recht eines Mitgliedstaats ergeben ( 16 ).

15.

Weiterhin ist zu beachten, daß der Gerichtshof im Falle Francovich auf diese Möglichkeit nicht eingegangen ist. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, den Sachverhalt, der dem Urteil im Falle Francovich zugrunde lag, einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Die für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Elemente finden sich bereits in dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Italien ( 17 ) aus dem Jahre 1989, in dem der Gerichtshof feststellte, daß Italien durch die Nichtumsetzung der Richtlinie in nationales Recht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hatte. Die italienische Regierung hatte in diesem Verfahren geltend gemacht, daß die bestehenden nationalen Vorschriften den Arbeitnehmern einen Schutz gewährten, der dem durch die Richtlinie angestrebten Schutz gleichwertig sei. Sie verwies dabei insbesondere auf das sogenannte System der Leistungsgarantie, das durch die „Cassa integrazione guadagni — gestione straordinaria“ (Kasse für Zusatzleistungen zu den Gehältern — Sonderverwaltung) gewährleistet würde ( 18 ).

16.

Der Gerichtshof räumte ein, daß die durch diese Kasse gewährten Leistungen geeignet waren, den Erfordernissen der Richtlinie im Hinblick auf den sachlichen Umfang der Garantie zu genügen ( 19 ). Diese Leistungen wiesen jedoch im Vergleich zu der von der Richtlinie verlangten Garantie in dreierlei Hinsicht Lücken hinsichtlich ihres persönlichen Geltungsbereichs auf: Erstens fand das italienische System nur auf bestimmte Unternehmen Anwendung. Zweitens schützte dieses System nicht alle Arbeitnehmer der erfaßten Unternehmen; ausgeschlossen waren insbesondere leitende Angestellte. Schließlich wurde der Schutz nicht automatisch gewährt, sondern hing von einer Vielzahl von Voraussetzungen ab, die von den Behörden zu würdigen waren ( 20 ). Diese Lücken erlaubten es daher nicht, diese Regelung als eine ausreichende Umsetzung des durch die Richtlinie angeordneten Schutzes anzusehen ( 21 ).

Wie in dem vorliegenden Falle hätte man auch im Falle Francovich überlegen können, ob den betroffenen Arbeitnehmern nicht ein Anspruch gegen die Kasse für Zusatzlcistungen einzuräumen gewesen wäre, und zwar in der Weise, daß man im Hinblick auf die unmittelbare Wirksamkeit der Vorschriften der Richtlinie die einem solchen Anspruch im Wege stehenden Beschränkungen des nationalen Rechtes unbeachtet gelassen hätte. Der Gerichtshof hat eine solche Lösung — meines Erachtens ganz zu Recht — nicht einmal erwogen.

17.

Vor allem aber ist zu bedenken, daß es im Falle von Garantieeinrichtungen, die durch Beiträge finanziert werden ( 22 ), unbillig wäre, diesen Einrichtungen Risiken aufzubürden, für die sie zuvor keine Beiträge erhalten haben. Es wäre zwar denkbar, den Garantieeinrichtungen ihrerseits in solchen Fällen einen Anspruch auf Entschädigung gegen den Staat zuzuerkennen. Dieses umständlichen Verfahrens bedarf es jedoch nicht, wenn man dem einzelnen — wie im Falle Francovich — einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz gegen den betreffenden Mitgliedstaat zuspricht.

18.

Wie das nationale Gericht in seinem Vorlagebeschluß vermerkt hat, besteht unter den spanischen Gerichten offensichtlich keine Einigkeit hinsichtlich der Frage, ob eine Person wie Herr Miret Ansprüche gegen den spanischen Garantiefonds geltend machen kann ( 23 ), Die Kommission vertritt in ihrer schriftlichen Stellungnahme die Auffassung, daß es möglich ist, daß sich der spanischen Regelung im Wege der Auslegung das Ergebnis entnehmen läßt, daß das Führungspersonal in den Genuß der in Artikel 33 des Arbeitnehmergesetzes festgelegten Garantien kommt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat sie diesen Standpunkt noch einmal bekräftigt.

19.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das nationale Recht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soweit wie möglich in einer richtlinienkonformen Weise ausgelegt werden muß:

„Es ist Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden; soweit eine solche gemeinschafts-rechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, darf es entgegenstehende innerstaatliche Vorschriften nicht anwenden.“ ( 24 )

20.

Es ist zu betonen, daß die — gemeinschaftsrechtskonforme — Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften den nationalen Gerichten vorbehalten ist. Der Gerichtshof hat im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 177 EWG-Vertrag weder die Aufgabe noch die Befugnis, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auszulegen.

21.

Eine solche gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung muß jedoch nicht notwendigerweise zu dem Ergebnis führen, daß die Ansprüche von Arbeitnehmern wie Herrn Wagner Miret durch den gemäß Artikel 33 des Arbeitnehmergesetzes erachteten Garantiefonds erfüllt werden müssen. Es sind keine Bestimmungen der Richtlinie ersichtlich, die den betroffenen Mitgliedstaat daran hindern würden, die Verwirklichung der in der Richtlinie 80/987 vorgesehenen Garantie hinsichtlich bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern einer besonderen Einrichtung zu übertragen. Es wird gegebenenfalls Aufgabe des nationalen Gerichtes sein, festzustellen, ob eine solche Einrichtung in Spanien existiert.

22.

Wenn die Auslegung des nationalen Rechts hingegen ergeben sollte, daß die Vorschriften des nationalen Rechts es nicht zulassen, den Kläger in den Genuß der ihm zustehenden Garantie kommen zu lassen, so hätte der Kläger des Ausgangsverfahrens gegen den spanischen Staat einen Anspruch auf Entschädigung, so wie er im Falle Francovich entwickelt wurde.

23.

In seiner schriftlichen Stellungnahme hat Herr Wagner Miret den Gerichtshof ersucht, in seinem Urteil festzustellen, daß der ihm aufgrund der Richtlinie 80/987 zustehende Betrag nicht nur das Arbeitsentgelt („salarios“), sondern auch weitere Beträge erfaßt. Hierzu ist festzustellen, daß sich die — präzise gefaßten — Vorlagefragen auf diesen Bereich nicht erstrecken und der Gerichtshof darauf daher nicht einzugehen hat.

C — Schlußantrag

24.

Ich schlage Ihnen daher vor, die vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1)

Die Richtlinie 80/987/EWG findet Anwendung auf alle Arbeitnehmer. Dies gilt nicht für diejenigen Gruppen von Arbeitnehmern, die im Anhang der Richtlinie aufgeführt sind.

2)

Soweit die Angehörigen des Führungspersonals nach nationalem Recht als Arbeitnehmer anzusehen sind und sie nicht im Anhang der Richtlinie 80/987/EWG aufgeführt sind, können sie nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen werden.

3)

Die Anwendung der in der Richtlinie 80/987/EWG vorgesehenen Garantie auf das Führungspersonal kann durch das für die übrigen Arbeitnehmer zuständige Organ oder durch eine besondere Einrichtung erfolgen. Soweit das nationale Recht dies auch bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nicht zulassen sollte, hat der betreffende Mitgliedstaat die Schäden zu ersetzen, die dem einzelnen dadurch entstanden sind, daß die Richtlinie 80/987/EWG nicht umgesetzt worden ist.


( *1 ) Originalsprache: Deutsch.

( 1 ) ADI. L 283, S. 23.

( 2 ) Aus diesen Unterlagen erhellt außerdem, daß Herr Wagner Miret zu den Gründern der Gesellschaft gehörte und an dieser beteiligt war, wobei diese Beteiligung allerdings nicht sehr bedeutend war (gut 3 % des Kapitals).

( 3 ) Es scheint, daß der zuletzt genannte Posten der Abgeltung des von Herrn Wagner Miret gehaltenen Anteils am Kapital der Gesellschaft dienen sollte.

( 4 ) Boletin Oficial del Estado (Amtsblatt des spanischen Staates) Nr. 64 vom 14. März 1980; abgedruckt in Aranzadi (Hrsg.), Repertorio cronologico de legislacion 1980, Pamplona 1980, Nr. 607.

( 5 ) Boletín Oficial del Estado Nr. 192 vom 12. August 1985; abgedruckt in Aranzadi (Hrsg.), Repertorio cronologico de legislacion 1985, Band II, Pamplona 1935, Nr. 2010.

( 6 ) ABI. L 66, s. 11.

( 7 ) Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 22/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, 143, Randnr. 18). Vgl. auch das Urteil vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-53/88 (Kommission/Griechenland, Slg. 1990, I-3917, Randnr. 14).

( 8 ) Den Angaben des vorlegenden Gerichts ist zu entnehmen, daß nach spanischem Recht die Angehörigen des Führungspcrsonals als Arbeitnehmer angesehen werden.

( 9 ) Urteil vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Slg. 1991, I-5357). Der Vorlagebeschluß des Sozialsenats des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña wurde am 31. Juli 1992 erlassen.

( 10 ) A. a. O. (Fußnote 9), Randnr. 22. Vgl. im einzelnen Randnrn. 13 bis 14 (Personenkreis) und 15 bis 21 (Inhalt der Garantie).

( 11 ) A. a. O. (Fußnote 9), Randnr. 26.

( 12 ) A. a. O. (Fußnote 9), Randnr. 46.

( 13 ) Urteil vom 3. Dezember 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-140/91, C-141/91, C-278/91 und C-279/91 (Slg. 1992, I-6337).

( 14 ) Schlußanträge vom 29. Oktober 1992, Ziffer 2 (Slg. 1992, I-6348).

( 15 ) A. a. O. (Fußnote 13), Randnr. 13.

( 16 ) Vgl. hierzu das Urteil vom 15. April 1986 in der Rechtssache 237/84 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1247, Randnr. 17).

( 17 ) A. a. O. (Fußnote 7).

( 18 ) Die italienische Regierung berief sich auch auf den Umstand, daß nach italienischem Recht dem Arbeitnehmer die Zahlung eines Entgelts bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährleistet wurde. Der Gerichtshof stellte fest, daß dies nichts mit der durch die Richtlinie bezweckten Garantie des Arbeitsentgelts, das im Laufe des Arbeitsverhältnisses nicht gezahlt worden war, zu tun hatte (a. a. O., Randnr. 11).

( 19 ) A. a. O. (Fußnote 7), Randnr. 12.

( 20 ) A. a. O. (Fußnote 7), Randnrn. 13 bis 23.

( 21 ) Vgl. hierzu meine Schlußanträge in der Rechtssache 22/87 (Slg. 1989, 152, Nrn. 20 ff).

( 22 ) Nach Artikel 33 Absatz 6 des Arbeitnchmergesetzes wird der spanische Garantiefonds durch vom Staat festgelegte Beiträge der Arbeitgeber finanziert.

( 23 ) Vgl. oben, Nr. 7.

( 24 ) Urteil vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 157/86 (Murphy/An Bord Telecom Eireann, Slg. 1988, 673, Randnr. 11).