URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 16. DEZEMBER 1992. - GRIGORIOS KATSIKAS GEGEN ANGELOS KONSTANTINIDIS UND UWE SKREB UND GUENTER SCHROLL GEGEN PCO STAUEREIBETRIEB PAETZ & CO. NACHFOLGER GMBH. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: ARBEITSGERICHT BAMBERG UND ARBEITSGERICHT HAMBURG - DEUTSCHLAND. - WAHRUNG VON ANSPRUECHEN DER ARBEITNEHMER BEIM UEBERGANG VON UNTERNEHMEN. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN C-132/91, C-138/91 UND C-139/91.
Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-06577
Schwedische Sonderausgabe Seite I-00213
Finnische Sonderausgabe Seite I-00225
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
++++
1. Sozialpolitik ° Rechtsangleichung ° Übergang von Unternehmen ° Richtlinie 77/187 ° Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsvertrags auf den Erwerber ° Zulässigkeit ° Keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Weigerung des Arbeitnehmers, für den Erwerber zu arbeiten, die Fortführung des Vertrags mit dem Veräusserer vorzusehen
(Richtlinie 77/187 des Rates, Artikel 3 Absatz 1)
2. Sozialpolitik ° Rechtsangleichung ° Übergang von Unternehmen ° Richtlinie 77/187 ° Nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Sinne von Artikel 7 ° Begriff ° Berücksichtigung der Auslegung der Vorschriften durch die nationalen Gerichte
(Richtlinie 77/187 des Rates, Artikel 7)
1. Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen verwehrt es einem Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie beim Veräusserer beschäftigt ist, nicht, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen.
Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräusserer für den Fall vorzusehen, daß ein Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Die Richtlinie steht dem auch nicht entgegen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, was in einem solchen Fall mit dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräusserer geschieht.
2. Unter "Rechts- oder Verwaltungsvorschriften" im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen sind die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats in dem Sinne zu verstehen, in dem sie von den Gerichten dieses Staates ausgelegt werden.
1 Das Arbeitsgericht Bamberg (Kammer Coburg) hat mit Beschluß vom 7. Mai 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 3 Absatz 1 und 7 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26, im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt (Rechtssache C-132/91).
2 Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit zwei Beschlüssen vom 4. April 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Mai 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag gleichlautende Fragen nach der Auslegung des Artikels 7 der Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt (verbundene Rechtssachen C-138/91 und C-139/91).
3 Die Fragen des Arbeitsgerichts Bamberg werden in einem Rechtsstreit zwischen G. Katsikas (Kläger) und seinem früheren Arbeitgeber A. Konstantinidis (Beklagter) über die Zahlung verschiedener Bezuege für die Zeit vor seiner Entlassung am 26. Juni 1990 gestellt.
4 Aus den Akten geht hervor, daß der Kläger in einem Restaurant beschäftigt war, das vom Beklagten betrieben wurde und das dieser mit Wirkung vom 2. April an einen Dritten weiterverpachtet hatte. Im Vertrag über die Weiterverpachtung verpflichtete sich der Dritte unter anderem, den Beklagten von allen Verpflichtungen aus dem Betrieb des Restaurants, insbesondere von der Verpflichtung zur Zahlung der Löhne und der Nebenbezuege, freizustellen.
5 Der Kläger weigerte sich, für den Dritten zu arbeiten. Er wurde daraufhin am 26. Juni 1990 vom Beklagten entlassen.
6 Vor dem Arbeitsgericht Bamberg machte der Beklagte geltend, er sei seit dem 2. April 1990 nicht mehr der Arbeitgeber des Klägers, da er sein Unternehmen zu diesem Zeitpunkt auf den Dritten übertragen habe. Er sei somit nicht mehr passiv legitimiert.
7 Das Arbeitsgericht Bamberg hat daraufhin beschlossen, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1) Kann nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (Richtlinie 77/187/EWG) ein zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG beim Veräusserer beschäftigter Arbeitnehmer dem Übergang der Rechte und Pflichten des Veräusserers auf den Erwerber mit der Folge widersprechen, daß der Übergang der Rechte und Pflichten des Veräusserers auf den Erwerber nicht stattfindet?
2) Wenn Frage 1 verneint wird:
Ist ein im nationalen Recht eines Mitgliedstaates vorgesehenes Widerspruchsrecht im vorstehenden Sinne eine für die Arbeitnehmer günstigere Regelung im Sinne des Artikels 7 der Richtlinie 77/187/EWG?
3) Wenn Frage 2 bejaht wird:
Ist Artikel 7 der Richtlinie 77/187/EWG dahin gehend auszulegen, daß es sich um ausdrückliche (günstigere) Rechts- oder Verwaltungsvorschriften handeln muß?
4) Wenn Frage 3 verneint wird:
Ist Artikel 7 der Richtlinie 77/187/EWG dahin gehend auszulegen, daß die Rechtsprechungsorgane der Mitgliedstaaten durch Auslegung nationaler Rechts- oder Verwaltungsvorschriften für die Arbeitnehmer günstigere "Regelungen" im Sinne des Artikels 7 der Richtlinie 77/187/EWG schaffen können?
8 Die Fragen des Arbeitsgerichts Hamburg werden in Rechtsstreitigkeiten zwischen Uwe Skreb (Rechtssache C-138/91) und Günther Schroll (Rechtssache C-139/91) (Kläger) und ihrem Arbeitgeber, der PCO Stauereibetrieb Pätz & Co. Nfl. GmbH (Beklagte) über ihre Kündigung gestellt.
9 Den Klägern wurde von der Beklagten gekündigt, nachdem sie den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Dritten abgelehnt hatten, auf den die Beklagte ihren Stauereibereich, in dem die Kläger hauptsächlich tätig waren, übertragen hatte.
10 Vor dem Arbeitsgericht Hamburg machten die beiden Kläger unter anderem geltend, daß sie nach § 613a BGB, so wie er in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt werde, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen könnten. Die Beklagte entgegnete, ein solches Widerspruchsrecht stehe im Widerspruch zur Richtlinie, die einen automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber vorsehe.
11 Das Arbeitsgericht Hamburg stellte fest, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 613a BGB "dann, wenn ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übertragen wird, der Widerspruch eines in diesem Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmers den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber ausschließt und das Arbeitsverhältnis zu dem Veräusserer bestehen bleibt".
12 Dem Arbeitsgericht Hamburg stellte sich somit die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit der Richtlinie, insbesondere mit Artikel 7, vereinbar sei, wonach die Mitgliedstaaten für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anwenden oder erlassen dürften.
13 Es hat dem Gerichtshof daher in beiden Rechtssachen folgende Frage vorgelegt:
Bildet die Einräumung eines Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers, mit dem dieser den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Falle eines Betriebsübergangs ausschließen kann, eine günstigere Rechtsvorschrift im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie 77/187/EWG?
14 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts der Ausgangsrechtsstreitigkeiten, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
15 Die Fragen des Arbeitsgerichts Hamburg und des Arbeitsgerichts Bamberg gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 3 Absatz 1 oder Artikel 7 der Richtlinie es einem nationalen Gericht erlaubt, eine Vorschrift des nationalen Rechts dahin auszulegen, daß den im Zeitpunkt des Unternehmensübergangs beim Veräusserer beschäftigten Arbeitnehmern das Recht zusteht, dem Übergang ihres Arbeitsvertrags oder ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen.
16 Dabei wird die vom Arbeitsgericht Hamburg in den beiden Rechtssachen C-138/91 und C-139/91 gestellte Frage in ihren einzelnen Aspekten in den Fragen des Arbeitsgerichts Bamberg erläutert und näher ausgeführt. Diese Fragen sind daher zusammen zu prüfen und gemeinsam zu beantworten.
17 Die Fragen werfen zwei verschiedene Probleme auf.
18 Zunächst stellt sich den vorlegenden Gerichten die Frage, ob Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie beim Veräusserer beschäftigt ist, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber nicht widersprechen kann.
19 Wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder seines Arbeitsverhältnisses nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie nicht widersprechen kann, stellt sich den nationalen Gerichten die weitere Frage, ob die gerichtliche Auslegung einer nationalen Rechtsvorschrift, wonach die Arbeitnehmer das Recht haben, dem Übergang ihres Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen, zu den in Artikel 7 der Richtlinie genannten "für die Arbeitnehmer günstigere[n] Rechts- oder Verwaltungsvorschriften" gehört.
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie
20 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:
"Die Rechte und Pflichten des Veräusserers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß der Veräusserer auch nach dem Übergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 neben dem Erwerber für Pflichten aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einzustehen hat."
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache 362/89, D' Urso und Ventadori, Slg. 1991, I-4105, Randnr. 9) soll die Richtlinie die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens gewährleisten, indem sie ihnen die Möglichkeit einräumt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräusserer vereinbart waren. Die beim Übergang eines Unternehmens oder Betriebs auf einen anderen Unternehmensinhaber anwendbaren Bestimmungen sollen somit den Bestand der Arbeitsverhältnisse, die Teil der übertragenen wirtschaftlichen Einheit sind, im Interesse der Beschäftigten soweit wie möglich wahren.
22 Wie das Arbeitsgericht Hamburg in den Gründen seiner Beschlüsse ausgeführt hat, hat der Gerichtshof im Urteil vom 5. Mai 1988 in den verbundenen Rechtssachen 144/87 und 145/87 (Berg, Slg. 1988, 2559, Randnr. 14) entschieden, daß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß der Veräusserer nach dem Zeitpunkt des Übergangs von seinen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis ° vorbehaltlich des Rechts der Mitgliedstaaten, die gesamtschuldnerische Haftung des Veräusserers und des Erwerbers ab dem Zeitpunkt des Übergangs vorzusehen ° allein aufgrund des Übergangs befreit ist, selbst wenn die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer dem nicht zustimmen oder Einwände dagegen erheben.
23 In dieser Rechtssache hatte der Hoge Raad der Nederlanden den Gerichtshof gefragt, ob die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer dazu erforderlich sei, daß der Veräusserer von seinen Verpflichtungen aus den Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen befreit wird, deren Vertragspartei bzw. Beteiligter er vor dem Übergang war, wenn diese Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse auf den neuen Unternehmensinhaber übergehen.
24 Die Vorlagefrage bezog sich daher nur auf den Fall ° der sich von dem in der vorliegenden Rechtssache von den deutschen Gerichten angesprochenen Fall unterscheidet °, daß der Arbeitnehmer, ohne dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, dem Übergang der Verpflichtungen widerspricht, die der Veräusserer ihm gegenüber vor dem Übergang aufgrund des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses übernommen hatte.
25 Wie die Kommission in ihren Erklärungen in der Rechtssache C-132/91 ergänzend vorgetragen hat, hat der Gerichtshof im Urteil vom 10. Februar 1988 in der Rechtssache 324/86 (Daddy' s Dance Hall, Slg. 1988, 739, Randnr. 15) entschieden, daß der in der Richtlinie vorgesehene Schutz der Verfügung der Parteien des Arbeitsvertrags entzogen ist.
26 In dieser Rechtssache hatte der dänische Höjesteret den Gerichtshof gefragt, ob ein Arbeitnehmer einer Änderung seines Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Unternehmensinhaber dann zustimmen kann, wenn die Nachteile, die sich für ihn aus dieser Änderung ergeben, durch Vorteile ausgeglichen werden, die solcher Art sind, daß er insgesamt gesehen nicht schlechter gestellt ist.
27 Auch dieses Urteil bezog sich also auf einen anderen als den in der vorliegenden Rechtssache von den deutschen Gerichten angesprochenen Fall, nämlich den Fall, daß der Arbeitnehmer, ohne dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, Änderungen des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Unternehmensinhaber zustimmt.
28 Auf die Frage des dänischen Höjesteret hat der Gerichtshof im Urteil Daddy' s Dance Hall (a. a. O., Randnrn. 14 und 15) festgestellt, daß die Bestimmungen der Richtlinie deshalb als zwingend in dem Sinne anzusehen seien, daß von ihnen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abgewichen werden dürfe, weil der Schutz, den die Richtlinie den Arbeitnehmern bieten solle, auf zwingendem Recht beruhe und daher der Verfügung der Parteien des Arbeitsvertrags entzogen sei. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, daß die betroffenen Arbeitnehmer nicht auf die Rechte verzichten können, die ihnen aufgrund der Richtlinie zustehen, und daß eine Verkürzung dieser Rechte selbst mit ihrer Zustimmung unzulässig ist.
29 Der Gerichtshof hat also in keinem dieser beiden Urteile entschieden, daß der Arbeitnehmer nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen könne.
30 Der Gerichtshof hat vielmehr im Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 105/84 (Mikkelsen, Slg. 1985, 2639, Randnr. 16) entschieden, daß der Schutz, den die Richtlinie bieten soll, gegenstandslos ist, wenn der Betroffene selbst, aufgrund seiner eigenen, freien Entscheidung, das Arbeitsverhältnis nach dem Übergang mit dem neuen Unternehmensinhaber nicht fortsetzt. In einem solchen Fall findet Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie keine Anwendung.
31 Zwar ermöglicht es die Richtlinie, die das fragliche Rechtsgebiet nur teilweise harmonisiert (siehe Urteil Daddy' s Dance Hall, a. a. O, Randnr. 16), dem Arbeitnehmer, sein Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräusserer vereinbart waren, sie verpflichtet den Arbeitnehmer aber nicht, sein Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortzusetzen.
32 Eine solche Verpflichtung verstieße gegen Grundrechte des Arbeitnehmers, der bei der Wahl seines Arbeitgebers frei sein muß und nicht verpflichtet werden kann, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat.
33 Daraus folgt, daß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie es einem Arbeitnehmer nicht verwehrt, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses zu widersprechen und damit auf den Schutz zu verzichten, den ihm die Richtlinie gewährt.
34 Wie der Gerichtshof entschieden hat (Urteil vom 5. Mai 1988, Berg, a. a. O., Randnr. 12), bezweckt die Richtlinie nicht die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder -verhältnisses mit dem Veräusserer für den Fall, daß die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nicht für den Erwerber fortsetzen wollen.
35 Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten folglich nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräusserer für den Fall vorzusehen, daß der Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, was in einem solchen Fall mit dem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis geschieht.
36 Die Mitgliedstaaten können insbesondere vorsehen, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis in diesem Fall als entweder vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber gekündigt gilt. Sie können auch vorsehen, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis mit dem Veräusserer bestehen bleibt.
37 Auf den Teil der Fragen des Arbeitsgerichts Bamberg und des Arbeitsgerichts Hamburg, der Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie betrifft, ist daher zu antworten, daß diese Bestimmung es einem Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie beim Veräusserer beschäftigt ist, nicht verwehrt, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräusserer für den Fall vorzusehen, daß ein Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Die Richtlinie steht dem auch nicht entgegen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, was in einem solchen Fall mit dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräusserer geschieht.
Artikel 7 der Richtlinie
38 Die Fragen des Arbeitsgerichts Bamberg und des Arbeitsgerichts Hamburg gehen zum einen dahin, ob mit dem Ausdruck "Rechts- oder Verwaltungsvorschriften" in Artikel 7 der Richtlinie auch die Auslegung gemeint ist, die nationale Gerichte nationalen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geben, zum anderen dahin, ob eine Auslegung, mit der einem Arbeitnehmer ein Recht auf Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses zuerkannt wird, eine "für die Arbeitnehmer günstigere" Vorschrift im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie darstellt.
39 Was den ersten Punkt angeht, so ist die Bedeutung von nationalen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe Urteil vom 16. April 1991 in der Rechtssache C-347/89, Eurim-Pharm, Slg. 1991, I-1747, Randnr. 15) unter Berücksichtigung der Auslegung zu beurteilen, die die nationalen Gerichte diesen Vorschriften geben.
40 Unter "Rechts- oder Verwaltungsvorschriften" im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie sind folglich die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats in dem Sinne zu verstehen, in dem sie von den Gerichten dieses Staates ausgelegt werden.
41 Was den zweiten Punkt betrifft, so hat das Arbeitsgericht Bamberg eine Frage hierzu ausdrücklich nur für den Fall gestellt, daß der Gerichtshof antworten sollte, Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie verwehre es dem Arbeitnehmer, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen; aus den Gründen der Beschlüsse des Arbeitsgerichts Hamburg geht hervor, daß dieses Gericht den Gerichtshof hierzu nur befragt hat, weil es der Auffassung war, Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie stehe einem Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers entgegen.
42 Da der Gerichtshof in Randnummer 37 dieses Urteils geantwortet hat, daß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie es einem beim Veräusserer beschäftigten Arbeitnehmer nicht verwehrt, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen, brauchen die Fragen nach der Bedeutung des Ausdrucks "für die Arbeitnehmer günstigere ... Vorschriften" in Artikel 7 der Richtlinie nicht beantwortet zu werden.
Kosten
43 Die Auslagen der deutschen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom Arbeitsgericht Bamberg mit Beschluß vom 7. Mai 1991 und vom Arbeitsgericht Hamburg mit zwei Beschlüssen vom 4. April 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1) Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen verwehrt es einem Arbeitnehmer, der im Zeitpunkt des Übergangs im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie beim Veräusserer beschäftigt ist, nicht, dem Übergang seines Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräusserer für den Fall vorzusehen, daß ein Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen. Die Richtlinie steht dem auch nicht entgegen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu bestimmen, was in einem solchen Fall mit dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräusserer geschieht.
2) Unter "Rechts- oder Verwaltungsvorschriften" im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie sind die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats in dem Sinne zu verstehen, in dem sie von den Gerichten dieses Staates ausgelegt werden.