61991J0104

URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 7. MAI 1992. - COLEGIO OFICIAL DE AGENTES DE LA PROPRIEDAD INMOBILIARIA GEGEN J. L. AGUIRRE BORRELL UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: JUZGADO DE INSTRUCCION N. 20 DE MADRID - SPANIEN. - NIEDERLASSUNGSFREIHEIT - ANERKENNUNG VON DIPLOMEN - IMMOBILIENMAKLER. - RECHTSSACHE C-104/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-03003


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


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1. Freizuegigkeit - Niederlassungsfreiheit - Immobilienmakler - Zugang zum Beruf - Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu prüfen, ob die nach nationalem Recht erlangten Diplome und Fähigkeiten denjenigen entsprechen, die im Herkunftsmitgliedstaat erworben worden sind - Verpflichtung, mit Gründen versehene Entscheidungen zu erlassen, die gerichtlich überprüft werden können

(EWG-Vertrag, Artikel 52 und 57)

2. Freizuegigkeit - Niederlassungsfreiheit - Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der die vom Aufnahmemitgliedstaat aufgestellten Bedingungen nicht erfuellt - Verhängung von Strafen - Zulässigkeit - Voraussetzungen

(EWG-Vertrag, Artikel 52 und 57)

Leitsätze


1. Die Artikel 52 und 57 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen,

- daß, solange es an einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise für den Beruf des Immobilienmaklers fehlt, die Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der über ein Diplom oder einen Befähigungsnachweis zur Ausübung dieses Berufs in seinem Herkunftsstaat verfügt, einen Antrag auf Genehmigung zur Ausübung dieses Berufs stellt, zu prüfen haben, inwieweit die in den Diplomen oder Befähigungsnachweisen bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Betroffene in seinem Herkunftsstaat erworben hat, den nach den Vorschriften des Aufnahmestaats verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen;

- daß, wenn die Diplome oder Befähigungsnachweise einander nur teilweise entsprechen, die Behörden des Aufnahmestaats von dem Betroffenen den Nachweis verlangen können, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, und ihn dazu erforderlichenfalls einer Prüfung unterziehen können;

- daß die Entscheidung, mit der dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung oder die Gleichstellung des von diesem Mitgliedstaat erteilten Diploms oder Befähigungsnachweises versagt wird, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein muß, der es erlaubt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen, und daß der Betroffene von den Gründen Kenntnis erhalten können muß, auf denen die Entscheidung beruht.

2. Unter dem Vorbehalt, daß die Behörden des Aufnahmestaats mangels einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise betreffend einen reglementierten Beruf zu prüfen haben, ob ein von einem anderen Mitgliedstaat einem Gemeinschaftsbürger erteiltes Diplom oder erteilter Befähigungsnachweis einem nach dem Recht des ersten Staates verlangten Diplom oder Befähigungsnachweis gleichwertig ist, und daß das Prüfungsverfahren bestimmte Voraussetzungen insbesondere in bezug auf die Begründung einer ablehnenden Entscheidung und die gegen diese Entscheidung eröffneten Klagemöglichkeiten erfuellen muß, ist es einem Mitgliedstaat nach den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag nicht verwehrt, die Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats bestehenden Bedingungen nicht erfuellt, unter Strafe zu stellen, wenn dieser Staat die sich aus der Antwort auf die vorhergehende Frage ergebenden Voraussetzungen beachtet.

Entscheidungsgründe


1 Das Juzgado de Instrucción n 20 Madrid hat mit Beschluß vom 21. Februar 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen zu den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag und der Richtlinie 67/43/EWG des Rates vom 12. Januar 1967 über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet 1. der "Immobiliengeschäfte (ausser 6401)" (Gruppe aus 640 ISIC), 2. einiger "sonstiger Dienste für das Geschäftsleben" (Gruppe 839 ISIC) (ABl. 1967, Nr. 10, S. 140) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren, das das Colegio Oficial de Agentes de la Propiedad Inmobiliaria (Kammer der Immobilienmakler) gegen die Aguirre Newman, vertreten durch ihre beauftragten Verwaltungsratsmitglieder S. Aguirre und S. K. Newman, wegen unbefugter Ausübung des Berufs eines Immobilienmaklers eingeleitet hat.

3 Das Juzgado de Instrucción n 20 Madrid ist der Auffassung, das Verfahren werfe Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf. Es hat deshalb das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über folgende Fragen ausgesetzt:

1) Ist die gemeinschaftsrechtliche Regelung über die Niederlassungsfreiheit, die in den Artikeln 52 ff. EWG-Vertrag und der Richtlinie 67/43 enthalten ist, beim gegenwärtigen Stand der Durchführung des Artikels 57 Absatz 1 EWG-Vertrag dahin auszulegen, daß sie einem Mitgliedstaat die strafrechtliche Verurteilung eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats gestattet, der im Besitz eines Befähigungsnachweises ist, der zwar in seinem Herkunftsland rechtmässig ausgestellt worden ist, in dem Land, in dem er sich als Immobilienmakler niederlassen und seine Berufstätigkeit ausüben will, aber nicht anerkannt worden ist?

2) Ist die genannte gemeinschaftsrechtliche Regelung dahin auszulegen, daß Artikel 57 Absatz 1 EWG-Vertrag, der den Rat zum Erlaß von Richtlinien über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise in einer angemessenen Frist verpflichtet, und die 24jährige Unterlassung jedes Handelns in diesem Sinne hinsichtlich der Immobilienmakler es gestatten, in einem Mitgliedstaat das Erfordernis der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung durch Personen aufrechtzuerhalten, die diese Berufstätigkeit auszuüben wünschen und im Besitz des entsprechenden Befähigungsnachweises in ihrem Herkunftsland sind?

4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahresablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

5 Für eine sinnvolle Untersuchung ist es angebracht, zuerst die zweite Frage zu beantworten, mit der im wesentlichen geklärt werden soll, ob und unter welchen Voraussetzungen es mangels einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für den Beruf des Immobilienmaklers den Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen von einem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der im Besitz eines Diploms oder eines Befähigungsnachweises zur Ausübung dieses Berufs in seinem Herkunftsstaat ist, ein Antrag auf Genehmigung zur Ausübung dieses Berufs gestellt wird, nach den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag gestattet ist, das Erfordernis der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung aufrechtzuerhalten.

6 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Richtlinie 67/43, wie im Urteil vom 28. Januar 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-330/90 und C-331/90 (López Brea, Slg. 1992, I-323) festgestellt worden ist, nur die Beseitigung jeder unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verlangt, nicht aber die Harmonisierung der Bedingungen, die nach den nationalen Vorschriften für den Zugang zum Beruf des Immobilienmaklers und seine Ausübung gelten.

7 Sodann ist zu bemerken, daß die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Bedingungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, festlegen können, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufs notwendig sind, und daß sie die Vorlage eines Diploms verlangen können, in dem diese Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1987 in der Rechtssache 222/86, Heylens, Slg. 1987, 4097, Randnr. 10, und vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Randnr. 9).

8 Artikel 52 EWG-Vertrag erlegt jedoch, soweit er das Ende der Übergangszeit als Zeitpunkt für die Herstellung der Niederlassungsfreiheit bestimmt, eine klare Ergebnispflicht auf, deren Erfuellung durch die Verwirklichung eines Programms abgestufter Maßnahmen zwar erleichtert, nicht aber bedingt werden sollte (vgl. Urteile vom 28. Juni 1977 in der Rechtssache 11/77, Patrick, Slg. 1977, 1199, Randnr. 10, und vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 13).

9 Ausserdem ist es ständige Rechtsprechung, daß die Ziele des Vertrages und insbesondere die Niederlassungsfreiheit, soweit das Gemeinschaftsrecht selbst hierzu nichts bestimmt, durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten verwirklicht werden können, denen es nach Artikel 5 des Vertrages obliegt, "alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfuellung der Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben", zu treffen und "alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrages gefährden könnten", zu unterlassen (vgl. Urteile vom 28. April 1977 in der Rechtssache 71/76, Thieffry, Slg. 1977, 765, Randnr. 16, und vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 14).

10 Insofern ist festzustellen, daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen, auch wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, die Wirkung haben können, daß Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten in der Ausübung des ihnen durch Artikel 52 EWG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigt werden. Dies kann der Fall sein, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen (vgl. Urteil vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 15).

11 Ein Mitgliedstaat, bei dem die Genehmigung zur Ausübung eines Berufs beantragt wird, dessen Aufnahme nach den nationalen Rechtsvorschriften vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation abhängt, hat daher die Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die der Betroffene für die Ausübung des gleichen Berufs in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, in der Weise zu berücksichtigen, daß er die in diesen Diplomen bescheinigten Kompetenzen mit den nach den nationalen Vorschriften verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten vergleicht (vgl. Urteil vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 16).

12 Dieses Prüfungsverfahren muß es den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen, sich objektiv zu vergewissern, daß das ausländische Diplom seinem Inhaber, wenn nicht gleiche, so doch zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das nationale Diplom bescheinigt. Diese Beurteilung der Gleichwertigkeit des ausländischen Befähigungsnachweises darf ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieser Befähigungsnachweis unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der damit im Zusammenhang stehenden praktischen Ausbildung bei seinem Inhaber vermuten lässt (vgl. Urteil vom 15. Oktober 1987, Heylens, a. a. O., Randnr. 13).

13 Im Rahmen dieser Prüfung kann ein Mitgliedstaat jedoch objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sowohl hinsichtlich des im Herkunftsmitgliedstaat für den fraglichen Beruf geltenden rechtlichen Rahmens als auch hinsichtlich des mit diesem Beruf verbundenen Tätigkeitsbereichs bestehen. Im Fall des Immobilienmaklerberufs kann ein Mitgliedstaat also eine vergleichende Prüfung der Befähigungsnachweise unter Berücksichtigung der zwischen den betreffenden nationalen Rechtsordnungen bestehenden Unterschiede vornehmen (vgl. Urteil vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 18).

14 Führt diese vergleichende Prüfung der Befähigungsnachweise zu der Feststellung, daß die in dem ausländischen Befähigungsnachweis bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den nationalen Vorschriften verlangten entsprechen, so hat der Mitgliedstaat anzuerkennen, daß der Befähigungsnachweis die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfuellt. Ergibt der Vergleich hingegen nur eine teilweise Entsprechung zwischen diesen Kenntnissen und Fähigkeiten, so kann der Aufnahmemitgliedstaat von dem Betroffenen den Nachweis verlangen, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat (vgl. Urteil vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 19).

15 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Frage, ob die in dem ausländischen Befähigungsnachweis bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangten entsprechen, von den nationalen Behörden in einem Verfahren geprüft werden muß, das den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts in bezug auf den effektiven Schutz der den Gemeinschaftsbürgern vom Vertrag verliehenen Grundrechte genügt. Daraus folgt, daß jede Entscheidung, die die nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung treffen, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein muß, der es erlaubt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen, und daß der Betroffene von den Gründen der ihm gegenüber ergangenen Entscheidung Kenntnis erhalten können muß (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1987, Heylens, a. a. O., Randnr. 17, und vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, a. a. O., Randnr. 22).

16 Auf die umformulierte zweite Frage des Juzgado de Instrucción n 20 Madrid ist somit zu antworten, daß die Artikel 52 und 57 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind,

- daß, solange es an einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise für den Beruf des Immobilienmaklers fehlt, die Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der über ein Diplom oder einen Befähigungsnachweis zur Ausübung dieses Berufs in seinem Herkunftsstaat verfügt, einen Antrag auf Genehmigung zur Ausübung dieses Berufs stellt, zu prüfen haben, inwieweit die in den Diplomen oder Befähigungsnachweisen bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Betroffene in seinem Herkunftsstaat erworben hat, den nach den Vorschriften des Aufnahmestaats verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen;

- daß, wenn die Diplome oder Befähigungsnachweise einander nur teilweise entsprechen, die Behörden des Aufnahmestaats von dem Betroffenen den Nachweis verlangen können, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, und ihn dazu erforderlichenfalls einer Prüfung unterziehen können;

- daß die Entscheidung, mit der dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung oder die Gleichstellung des von diesem Mitgliedstaat erteilten Diploms oder Befähigungsnachweises versagt wird, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein muß, der es erlaubt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen, und daß der Betroffene von den Gründen Kenntnis erhalten können muß, auf denen die Entscheidung beruht.

17 Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen es einem Mitgliedstaat nach den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag verwehrt ist, die Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats bestehenden Bedingungen nicht erfuellt, unter Strafe zu stellen.

18 Aus der Antwort auf die zweite Frage geht hervor, daß die Behörden des Aufnahmestaats zu prüfen haben, ob ein von einem anderen Mitgliedstaat einem Gemeinschaftsbürger erteiltes Diplom oder erteilter Befähigungsnachweis einem nach dem Recht des ersten Staates verlangten Diplom oder Befähigungsnachweis gleichwertig ist, und daß das Prüfungsverfahren bestimmte Voraussetzungen insbesondere in bezug auf die Begründung einer ablehnenden Entscheidung und die gegen diese Entscheidung eröffneten Klagemöglichkeiten erfuellen muß.

19 Sind diese Voraussetzungen erfuellt, so stehen die Vertragsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit dem Recht der Mitgliedstaaten nicht entgegen, die rechtswidrige Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats unter Strafe zu stellen, vor allem wenn der Gemeinschaftsbürger es versäumt hat, prüfen zu lassen, ob das Diplom oder der Befähigungsnachweis, die in seinem Herkunftsstaat erteilt worden sind, dem im Aufnahmestaat verlangten Diplom oder Befähigungsnachweis gleichwertig ist, oder wenn diese Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen worden ist.

20 Auf die umformulierte erste Frage ist daher zu antworten, daß es einem Mitgliedstaat nach den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag nicht verwehrt ist, die Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats bestehenden Bedingungen nicht erfuellt, unter Strafe zu stellen, wenn dieser Staat die sich aus der Antwort auf die vorhergehende Frage ergebenden Voraussetzungen beachtet.

Kostenentscheidung


Kosten

21 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm vom Juzgado de Instrucción n 20 Madrid mit Beschluß vom 21. Februar 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Artikel 52 und 57 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen,

- daß, solange es an einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise für den Beruf des Immobilienmaklers fehlt, die Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der über ein Diplom oder einen Befähigungsnachweis zur Ausübung dieses Berufs in seinem Herkunftsstaat verfügt, einen Antrag auf Genehmigung zur Ausübung dieses Berufs stellt, zu prüfen haben, inwieweit die in den Diplomen oder Befähigungsnachweisen bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Betroffene in seinem Herkunftsstaat erworben hat, den nach den Vorschriften des Aufnahmestaats verlangten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen;

- daß, wenn die Diplome oder Befähigungsnachweise einander nur teilweise entsprechen, die Behörden des Aufnahmestaats von dem Betroffenen den Nachweis verlangen können, daß er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, und ihn dazu erforderlichenfalls einer Prüfung unterziehen können;

- daß die Entscheidung, mit der dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung oder die Gleichstellung des von diesem Mitgliedstaat erteilten Diploms oder Befähigungsnachweises versagt wird, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein muß, der es erlaubt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen, und daß der Betroffene von den Gründen Kenntnis erhalten können muß, auf denen die Entscheidung beruht.

2) Einem Mitgliedstaat ist es nach den Artikeln 52 und 57 EWG-Vertrag nicht verwehrt, die Ausübung eines reglementierten Berufs durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats bestehenden Bedingungen nicht erfuellt, unter Strafe zu stellen, wenn dieser Staat die sich aus der Antwort auf die vorhergehende Frage ergebenden Voraussetzungen beachtet.