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1. Staatliche Beihilfen ° Begriff ° Anwendung einer Regelung auf Seeschiffahrtsunternehmen, wonach diese Seeleute, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind und im nationalen Hoheitsgebiet keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, Arbeits- und Vergütungsbedingungen unterwerfen können, die ungünstiger sind als diejenigen für Inländer ° Vergünstigung ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ° Ausschluß
(EWG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 1)
2. Sozialpolitik ° Soziale Ziele ° Programmatischer Charakter ° Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ° Keine unmittelbare Wirkung ° Wahrung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten ° Nationale sozialpolitische Maßnahmen ° Überprüfung durch den Gerichtshof ° Ausschluß
(EWG-Vertrag, Artikel 2, 5 und 117)
1. Der Umstand, daß ein Mitgliedstaat auf in seinem Internationalen Seeschiffahrtsregister eingetragene Kauffahrteischiffe eine Regelung anwendet, wonach Seeleute, die Staatsangehörige von Drittstaaten sind und in dem betreffenden Mitgliedstaat keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, Arbeits- und Vergütungsbedingungen unterworfen werden können, für die nicht das Recht dieses Mitgliedstaats gilt und die deutlich ungünstiger sind als diejenigen für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats, stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag dar.
Eine solche Regelung zielt nämlich in ihrem Zweck und ihrer allgemeinen Systematik nicht auf die Schaffung eines Vorteils ab, der mit staatlichen Mitteln finanziert wird, d. h. eine zusätzliche Belastung für den Staat oder die vom Staat benannten oder errichteten öffentlichen oder privaten Einrichtungen darstellen würde, da mit ihr lediglich zugunsten der Seeschiffahrtsunternehmen der Rahmen verändert werden soll, innerhalb dessen die vertraglichen Beziehungen zwischen diesen Unternehmen und ihren Arbeitnehmern zustande kommen. Ihre Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge und auf die Steuereinnahmen, die von Vergütungen von geringer Höhe berechnet werden, sind einer solchen Regelung immanent und stellen kein Mittel dar, um den betroffenen Unternehmen einen bestimmten Vorteil zu gewähren.
2. Der programmatische Charakter der in Artikel 117 EWG-Vertrag aufgezählten sozialen Ziele bedeutet nicht, daß diese keinerlei Rechtswirkung hätten. Sie stellen nämlich wichtige Anhaltspunkte unter anderem für die Auslegung anderer Vorschriften des Vertrages und des sekundären Gemeinschaftsrechts im Sozialbereich dar. Die Verwirklichung dieser Ziele muß jedoch das Ergebnis einer Sozialpolitik sein, deren Festlegung Sache der zuständigen Stellen ist.
Infolgedessen können weder die allgemeinen Leitlinien der von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Sozialpolitik noch in diesem Rahmen erlassene besondere Maßnahmen auf ihre Übereinstimmung mit den in Artikel 117 EWG-Vertrag aufgeführten sozialen Zielen gerichtlich überprüft werden.
Aufgrund dieses programmatischen Charakters verfügen die Mitgliedstaaten, auch wenn die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, wie sich aus der Präambel sowie aus den Artikeln 2 und 117 EWG-Vertrag ergibt, ein wesentliches Ziel des Vertrages darstellt, doch insoweit über eine Entscheidungsfreiheit, die es ausschließt, daß die in Artikel 5 EWG-Vertrag enthaltene Verpflichtung für die einzelnen Rechte begründet, die die nationalen Gerichte zu schützen hätten.