Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 8. Oktober 1992. - ANNE WATSON RASK UND KIRSTEN CHRISTENSEN GEGEN ISS KANTINESERVICE AS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SOE- OG HANDELSRETTEN - DAENEMARK. - WAHRUNG VON ANSPRUECHEN DER ARBEITNEHMER BEIM UEBERGANG VON UNTERNEHMEN. - RECHTSSACHE C-209/91.
Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-05755
++++
Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1. In der vorliegenden Rechtssache werden dem Gerichtshof erneut mehrere Fragen nach dem Geltungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (im folgenden: die Richtlinie)(1) vorgelegt.
Diese vom Sö- og Handelsret, Kopenhagen, vorgelegten Fragen stellen sich in zwei bei diesem Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten zwischen Anne Watson Rask und ihrem früheren Arbeitgeber, der Firma ISS Kantineservice A/S (im folgenden: ISS) sowie zwischen ersterer und Kirsten Christensen auf der einen Seite und ISS auf der anderen Seite.
Hintergrund des Rechtsstreits
2. Die Klägerinnen waren in einer der Betriebskantinen der Firma Philips A/S beschäftigt, als diese den Betrieb ihrer Kantinen an ISS übertrug. Dies geschah aufgrund eines Vertrages, der am 2. Dezember 1988 unterzeichnet und am 1. Januar 1989 wirksam wurde. Aufgrund dieses Vertrages verpflichtete sich Philips, der ISS einen monatlichen Festbetrag zur Deckung der Lohnkosten, der Ausgaben für Versicherungen, Arbeitskleidung und Management sowie der Verwaltungskosten zu zahlen. Darüber hinaus stellte Philips der ISS die erforderlichen Räume, Ausrüstung, Elektrizität, Heizung, Telefon, Garderoben und Abfallbeseitigungseinrichtungen unentgeltlich zur Verfügung und belieferte sie zu Großhandelspreisen mit bestimmten Verbrauchsgütern (Einweggeschirr, Servietten usw.). Die ISS verpflichtete sich u. a., den in den Betriebskantinen von Philips fest angestellten Arbeitnehmern bei Inkrafttreten des Vertrages eine Beschäftigung zu denselben Lohn- und Kündigungsbedingungen anzubieten, wie sie zuvor für diese Arbeitnehmer bestanden. In diesem Zusammenhang wurde vereinbart, daß das zukünftige Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer aus dem von ISS gezahlten Grundlohn und einem Übernahmezuschlag bestehen sollte, so daß die ehemals bei Philips beschäftigten Arbeitnehmer, die von der ISS eingestellt würden, keinen Lohnverlust erleiden würden.
3. Die beiden Ausgangsverfahren können wie folgt zusammengefasst werden. Im ersten Verfahren forderte die Klägerin Rask Entschädigung aufgrund rechtswidriger Entlassung und Ersatz immateriellen Schadens. Ende Januar 1989 war ihr Arbeitsentgelt zu spät ausgezahlt worden. Auf ihre Forderung hin, ihren Lohn zu dem früher üblichen Zeitpunkt auszuzahlen, wurde ihr ein Scheck ausgestellt. Im Februar 1989 geschah dasselbe, doch weigerte sich die ISS dieses Mal, den Lohn am selben Tag wie Philips auszubezahlen. Die ISS stellte sich auf den Standpunkt, daß sie berechtigt sei, den Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitsentgelts zu ändern, insbesondere dafür den letzten Werktag im Monat anstelle des letzten Donnerstags des Monats zu wählen. Die Klägerin Rask wandte hiergegen ein, sie sei gemäß dem dänischen Gesetz über den Übergang von Unternehmen(2) zu denselben Bedingungen wie bei Philips beschäftigt. Als sie mitteilte, nicht länger bei der ISS arbeiten zu wollen, wenn ihr der Lohn nicht zum früheren Zeitpunkt ausbezahlt werde, wurde ihr vom Geschäftsführer fristlos gekündigt.
Der zweite Ausgangsrechtsstreit bezieht sich auf die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, das die ISS aufgrund des vorstehend angeführten Vertrages zu zahlen hat. Nach der Übernahme erhielten die Klägerinnen nicht länger die Zulagen für Kleiderreinigung, Schuhe usw., die Bestandteil des von Philips gezahlten Entgelts waren. Vor dem vorlegenden Gericht machten die Klägerinnen geltend, der Vertrag bewirke den Übergang eines Teils des Unternehmens, so daß das Gesetz über den Übergang von Unternehmen und die Richtlinie anwendbar seien und die übernommenen Arbeitnehmer kein geringeres Entgelt erhalten dürften als sie nach den bei Philips geltenden Arbeitsbedingungen erhalten hätten.
4. Das vorlegende Gericht hält eine Entscheidung des Gerichtshofes gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag für erforderlich, und hat dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Ist die Richtlinie 77/187/EWG anwendbar, wenn ein Unternehmen A den Betrieb der Kantine in einem anderen Unternehmen B übernimmt und
° das Unternehmen A gegen eine feste monatliche Vergütung für "alle mit dem gewöhnlichen Betrieb verbundenen Ausgaben wie direkte und indirekte Löhne, Versicherungen, Arbeitskleidung und Management sowie für die Kontroll- und Verwaltungskosten" aufkommen soll,
° das Unternehmen B dem Unternehmen A von diesem akzeptierte Verkaufs- und Produktionsräume einschließlich verschließbarer Lagerräume, die Betriebseinrichtung, Strom, Heizung und Telefon sowie Garderoben für das Kantinenpersonal unentgeltlich zur Verfügung stellt sowie den Abfall beseitigt,
° das Unternehmen B die Kosten für die Verwendung von Einweggeschirr und -verpackungen, Servietten und Reinigungsmittel übernimmt,
° das Unternehmen A dem Kantinenpersonal des Unternehmens B eine Anstellung zum selben Entgelt wie bisher und unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit anbietet?
2) Ist es für die Beantwortung der Frage 1 von Bedeutung, daß der Kantinenbetrieb nur eine Dienstleistung für die im Unternehmen B angestellten Mitarbeiter darstellt und insofern mit der allgemeinen Produktion des Unternehmens nichts zu tun hat?
3) Verstösst eine Änderung des Zeitpunkts der Auszahlung des Arbeitsentgelts an die Mitarbeiter und/oder der Zusammensetzung ihres Arbeitsentgelts gegen Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie, wenn das Gesamtarbeitsentgelt im übrigen unverändert bleibt?
Anwendbarkeit der Richtlinie
5. Mit seiner ersten und zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die Richtlinie anwendbar ist, wenn ein Unternehmen die Bewirtschaftung seiner Betriebskantinen auf ein anderes Unternehmen unter der Bedingung überträgt, daß die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer eingestellt werden, eine Übertragung der Aktiva aber nicht stattfindet. Erneut steht also der Geltungsbereich der Richtlinie in Frage, der in ihrem Artikel 1 Absatz 1 wie folgt umschrieben wird:
"Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar."
Daß in der vorliegenden Rechtssache eine vertragliche Übertragung im Sinne der Richtlinie stattgefunden hat, wird vor allem deutlich im Hinblick auf die sehr weite Bedeutung, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung diesem Begriff gegeben hat. Danach liegt eine solche Übertragung in allen Fällen vor,
"in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt"(3).
Dabei ist, wie der Gerichtshof im Urteil Ny Mölle Kro festgestellt hat, unerheblich, daß das Eigentum am Unternehmen nicht übertragen wird: Die Arbeitnehmer eines Unternehmens, dessen Inhaber wechselt, ohne daß eine Übertragung des Eigentums stattfindet, befinden sich nämlich in einer vergleichbaren Lage wie die Arbeitnehmer eines veräusserten Unternehmens und bedürfen daher des gleichen Schutzes(4).
6. Es geht vielmehr um die Frage, ob im vorliegenden Fall von einem "Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie gesprochen werden kann. Auch dazu existiert eine feste Rechtsprechung, die vom Gerichtshof vor kurzem im Urteil Sophie Redmond Stichting zusammengefasst wurde. Der Gerichtshof sah in dieser Hinsicht als ausschlaggebendes Kriterium an, daß der Betrieb (d. h. das Unternehmen, der Betrieb oder der Betriebsteil) seine Identität bewahrt, was sich u. a. daraus ergibt, daß der Betrieb von dem neuen Inhaber mit derselben oder einer gleichartigen Geschäftstätigkeit tatsächlich weitergeführt oder wiederaufgenommen wird(5). Für die Feststellung, ob diese Voraussetzung erfuellt ist, müssen nach fester Rechtsprechung
"sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Alle diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert beurteilt werden."(6)
Wendet man diese Beurteilungskriterien auf den vorliegenden Fall an, dann bleibt meines Erachtens wenig oder kein Raum für Zweifel: Die ISS verpflichtete sich vertraglich, die in der Kantine von Philips fest angestellten Arbeitnehmer zu übernehmen; die Kunden dieser Betriebskantinen sind nach der am 1. Januar 1989 erfolgten Übertragung dieselben wie zuvor, nämlich die Belegschaft von Philips; die ausgeführte Tätigkeit ° Bewirtung ° ist danach keine andere als zuvor (der Vertrag verbietet ausdrücklich Rationalisierungen innerhalb der ersten sechs Monate der Laufzeit des Vertrages), und die ISS hat für diese Tätigkeit die Verantwortung übernommen; den Akten zufolge ist der Betrieb nicht unterbrochen worden (die Arbeitnehmer wurden bis zum 31. Dezember 1988 von Philips, vom 1. Januar 1989 an von ISS entlohnt).
Die Erklärungen der ISS ändern meines Erachtens nichts an diesem Ergebnis. Daß die beweglichen Aktiva von Philips nicht übertragen, sondern unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind, bildet einen Teil der vertraglichen Gesamtregelung, die zwischen der ISS und Philips für die Übertragung ausgearbeitet wurde; dieser Umstand als solcher steht der Anwendbarkeit der Richtlinie keinesfalls im Wege(7). Ebensowenig scheint mir von Bedeutung zu sein, daß der übertragene Betriebsteil, mit dem eine Dienstleistung nur für die Arbeitnehmer von Philips angeboten wird, nicht auf Gewinn ausgerichtet ist: Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Richtlinie auf Unternehmen "ohne Gewinnerzielungsabsicht" ist nämlich vom Gerichtshof im Urteil Sophie Redmond anerkannt worden(8).
Letztlich ist es jedoch Sache des nationalen Gerichts, unter Beachtung der vorstehend dargelegten, vom Gerichtshof festgestellten Auslegungskriterien die tatsächliche Beurteilung vorzunehmen, die für die Feststellung erforderlich ist, ob ein Übergang im Sinne der Richtlinie vorliegt(9). Das vorlegende Gericht ist nämlich selbst am besten in der Lage, die Bedeutung der von ihm in seinem Vorlagebeschluß aufgeführten Tatsachen zu beurteilen.
7. Es bleibt die zweite Frage des vorlegenden Gerichts zu beantworten: Sind Betriebskantinen als ein Teil eines Unternehmens oder eines Betriebs im Sinne der Richtlinie anzusehen, unabhängig davon, daß sie nicht zur eigentlichen Produktionstätigkeit des fraglichen Unternehmens gehören? Wie die Kommission zu Recht vorträgt, ist die Antwort auf diese Frage im wesentlichen bereits im Urteil Botzen enthalten: Entscheidend ist nicht der "gewöhnliche" Charakter der Tätigkeit des betreffenden Betriebsteils, sondern die Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem übertragenen Teil(10). Mit anderen Worten kann sich das nationale Gericht auf die Feststellung beschränken, daß die betroffenen Arbeitnehmer beim übertragenen Unternehmensteil oder Betrieb beschäftigt waren, d. h. tatsächlich in dessen organisatorischen Zusammenhang einbezogen waren. Im übrigen bestätigte der Gerichtshof im Urteil Sophie Redmond Stichting, daß selbst dann, wenn die Tätigkeiten eines Unternehmens, die eine selbständige Aufgabe bilden ° in unserem Fall die Produktionstätigkeit von Philips °, nicht mit übertragen werden, die Bestimmungen der Richtlinie anwendbar sein können:
"Diese regeln nämlich nicht nur den Übergang von Unternehmen, sondern auch den von Betrieben oder Betriebsteilen; solchen können Tätigkeiten besonderer Art gleichgestellt werden."(11)
Auch hinsichtlich dieses Punktes kann also meines Erachtens kein Zweifel bestehen: Der übertragene Kantinenbetrieb kann problemlos als eine Tätigkeit besonderer Art angesehen werden, die eine identifizierbare organisatorische Einheit innerhalb von Philips bildete, bei der die Klägerinnen Rask und Christensen als Arbeitnehmer beschäftigt waren.
Die Richtlinie und die Änderung der Zahlungsmodalitäten durch den Arbeitgeber
8. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es der Richtlinie zuwiderläuft, wenn der neue Unternehmer die Modalitäten der Lohnzahlung ändert, indem er insbesondere einen anderen Zeitpunkt für die Auszahlung festlegt und die Zusammensetzung ° nicht aber den endgültig zu zahlenden Gesamtbetrag ° des Arbeitsentgelts ändert. Obwohl in der Frage nur Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie erwähnt ist, halte ich es für angebracht, sie auch auf Absatz 1 dieser Bestimmung zu beziehen. Aus den Akten ergibt sich nämlich nicht, ob die von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens angeführten Vergünstigungen ihre Grundlage in einem kollektiven Arbeitsvertrag oder in Gesetzes- bzw. Verwaltungsvorschriften finden. Dazu möchte ich die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 3 der Richtlinie zitieren:
"(1) Die Rechte und Pflichten des Veräusserers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über.
...
(2) Nach dem Übergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Masse aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräusserer vorgesehen waren ..."
9. Bevor man diese Frage beantwortet, ist es sinnvoll, das Ziel dieser Bestimmungen im Rahmen der Richtlinie in Erinnerung zu rufen. Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat,
"soll die Richtlinie soweit wie möglich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses mit dem Erwerber in unveränderter Form sicherstellen, um eine Verschlechterung der Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs zu verhindern".(12)
Die Absätze 1 und 2 des Artikels 3 müssen in diesem Licht gesehen werden: Sie sollen sicherstellen, daß der Erwerber die gesetzlichen oder verwaltungsmässigen Verpflichtungen des Veräusserers bzw. die in einem Kollektivvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen aufrechterhält, wie sie zum Zeitpunkt des Übergangs gelten(13).
Andererseits nimmt die Richtlinie nur eine teilweise Harmonisierung des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen vor. Wie der Gerichtshof insbesondere in den Urteilen Danmols und Daddy' s Dance Hall ausgeführt hat, will die Richtlinie im wesentlichen
"den den Arbeitnehmern durch die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten selbst bereits gewährten Schutz auch auf den Fall des Unternehmensübergangs ... [ausdehnen]. Sie will kein für die gesamte Gemeinschaft aufgrund gemeinsamer Kriterien einheitliches Schutzniveau schaffen. Die Richtlinie kann daher nur in Anspruch genommen werden, um sicherzustellen, daß der betroffene Arbeitnehmer in seinen Rechtsbeziehungen zum Erwerber in gleicher Weise geschützt ist, wie er es nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zum Veräusserer war."(14)
10. Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Gerichtshof mit seiner Antwort auf die dritte Frage lediglich auf das nationale Recht des vorlegenden Gerichts zurückverweisen kann: Es ist Sache dieses Gerichts, das soziale Schutzsystem zu Rate zu ziehen, wie es sich aus den nationalen Bestimmungen ° wie sie in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, aber auch in kollektiven Arbeitsverträgen oder anderen allgemeinverbindlichen Bestimmungen enthalten sind ° ergibt. Gestattet das nationale Recht dem Arbeitnehmer in anderen Fällen als dem des Betriebsübergangs einseitig den Zeitpunkt der Auszahlung und/oder die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts zu ändern, dessen Gesamtbetrag im übrigen unverändert bleibt, dann sind solche Änderungen nach dem Gemeinschaftsrecht nicht ohne weiteres nur deshalb ausgeschlossen, weil das betreffende Unternehmen oder ein Teil davon inzwischen übertragen wurde. Mit anderen Worte kann nach der Richtlinie das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Erwerber in demselben Umfang geändert werden, wie dies gegenüber dem Veräusserer möglich war, sofern der Unternehmensübergang als solcher nicht der Grund für eine solche Änderung ist(15).
Ergebnis
11. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu antworten:
"1) Die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 ist, wenn ein Unternehmen mit einem anderen über den Betrieb seiner Kantinen einen Vertrag schließt, aufgrund dessen das in diesem Unternehmensteil fest angestellte Personal übernommen wird, anwendbar, sofern der übertragene Teil des Unternehmens seine Identität bewahrt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände, die den fraglichen Vorgang kennzeichnen, zu prüfen, ob diese Identität erhalten geblieben ist.
2) Für die Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187/EWG ist nicht erforderlich, daß der übertragene Teil des Unternehmens zur Produktionstätigkeit des Unternehmens gehört. Es genügt, daß es sich um einen Unternehmensteil handelt, der als organisatorische Einheit qualifiziert werden kann, und Tätigkeiten, wenn auch besonderer Art, verrichtet, in deren Rahmen die betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind.
3) Es ist mit der Richtlinie 77/187/EWG nicht unvereinbar, wenn die neue Unternehmensleitung den Zeitpunkt der Auszahlung und/oder die Zusammensetzung des Arbeitentgelts einseitig ändert, wenn der Gesamtbetrag des Arbeitsentgelts gleichbleibt, sofern die einzelstaatlichen Vorschriften dem Arbeitgeber solche Änderungen unabhängig vom Übergang eines Unternehmens erlauben."
(*) Originalsprache: Niederländisch.
(1) ° ABl. L 61, S. 26.
(2) ° Gesetz Nr. 111 vom 21. März 1979 über die Rechtsstellung von Arbeitnehmern beim Übergang von Unternehmen. Mit diesem Gesetz setzte Dänemark die Richtlinie um.
(3) ° Urteil vom 15. Juni 1988 in der Rechtssache 101/87 (Bork, Slg. 1988, 3057, Randnr. 13); Urteil vom 19. Mai 1992 in der Rechtssache C-29/91 (Dr. Sophie Redmond Stichting, Slg. 1992, I-3189, Randnr. 11).
(4) ° Urteil vom 17. Dezember 1987 in der Rechtssache 287/86 (Slg. 1987, 5465, Randnr. 12).
(5) ° Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 24/85 (Spijkers, Slg. 1986, 1119, Randnr. 12) und Urteil Sophie Redmond, Randnr. 23.
(6) ° Urteil Sophie Redmond, Randnr. 24; Urteil Spijkers, Randnr. 13; vgl. auch Urteil Bork, Randnr. 15.
(7) ° Dieselbe Begründung wird vom Gerichtshof im übrigen im Urteil Sophie Redmond, Randnr. 29, angeführt.
(8) ° Vgl. auch meine Schlussanträge in dieser Rechtssache, insbesondere die Nrn. 6 bis 12.
(9) ° Urteil Spijkers, Randnr. 14; Urteil Sophie Redmond, Randnr. 29.
(10) ° Urteil vom 7. Februar 1985 in der Rechtssache 186/83 (Slg. 1985, 519, Randnr. 15).
(11) ° Urteil Sophie Redmond, Randnr. 30.
(12) ° Urteil Ny Mölle Kro, Randnr. 25; vgl. Urteil vom 7. Februar 1985 in der Rechtssache 19/83 (Wendelbö, Slg. 1985, 457, Randnr. 15); Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 105/84 (Danmols, Slg. 1985, 2639, Randnrn. 15 und 26).
(13) ° Vgl. zu Artikel 3 Absatz 2 Urteil Ny Mölle Kro, Randnr. 26.
(14) ° Urteil vom 10. Februar 1988 in der Rechtssache 324/86 (Daddy' s Dance Hall, Slg. 1988, 739, Randnr. 16); Urteil Danmols, Randnr. 26.
(15) ° Vgl. Urteil Daddy' s Dance Hall, Randnr. 17.