SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

F. G. JACOBS

vom 1. Juli 1992 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

Im Rahmen verschiedener Ausschreibungen (Maßnahmen Nrn. 401/89, 759/89, 760/89 und 904/89) wurde die Cebag, die Klägerin des vorliegenden Verfahrens, von der Kommission mit der Lieferung von Rapsöl im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe nach Uganda, Mosambik und Bangladesch betraut. Für die vier Verfahren galten eine Reihe von Kommissionsverordnungen, die aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2200/87 der Kommission vom 8. Juli 1987 über allgemeine Durchführungsbestimmungen für die Bereitstellung und Lieferung von Waren im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe der Gemeinschaft (ABl. 1987, L 204, S. 1) erlassen wurden.

2. 

Die fraglichen Zuschläge wurden im Februar 1990 erteilt und die Lieferungen zwischen April und August 1990 durchgeführt. Gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2200/87 hinterlegte die Klägerin Liefergarantien. In allen Fällen wurden die Garantien freigegeben, ehe die ganze Lieferung erfolgte. Vermutlich gab die Kommission die Garantie gemäß Artikel 22 Ziffer 2 Buchstabe a letzter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2200/87 nach Stellung einer „Garantie für den Vorschuß“ frei. Aus verschiedenen Gründen kam es in jedem der Fälle bei der Lieferung zu einer Verzögerung. Bei der abschließenden Zahlung nahm die Kommission in allen vier Fällen gemäß Artikel 22 Ziffer 2 Buchstabe b dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 2200/87 Abzüge wegen verspäteter Lieferung vor. Sie betrugen insgesamt 104508,61 ECU. Die Kürzungen erfolgten für die Maßnahme Nr. 760/89 (Mosambik) am 23. Oktober 1990, für die Maßnahme Nr. 401/89 (Uganda) und 759/89 (Mosambik) am 31. Oktober 1990 und für die Maßnahme Nr. 904/89 (Bangladesch) am 21. Januar 1991.

3. 

Im Urteil vom 12. Dezember 1990 zu der Rechtssache C-172/89 (Vandemoortele/Kommission, Slg. 1990, I-4677) und im Urteil vom 21. März 1991 zu der Rechtssache C-226/89 (Haniel Spedition/Kommission, Slg. 1991, I-1599) hat der Gerichtshof festgestellt, die Kommission habe nicht das Recht, bei der abschließenden, sich auf Zuschläge im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe gemäß der Verordnung Nr. 2200/87 beziehenden Zahlung Abzüge wegen verspäteter Lieferung vorzunehmen. Unter ausdrücklicher Berufung auf das Urteil in der Rechtssache Vandemoortele forderte die Klägerin die Kommission am 4. März 1991 auf, keine Abzüge vorzunehmen. In einem Telex vom 27. März 1991 antwortete die Kommission darauf, das Urteil in der Rechtssache Vandemoortele sei nur für Zahlungen nach dem 23. Januar 1991 (dem Tag der Veröffentlichung des Urteils im Amtsblatt) maßgeblich.

4. 

Am 27. Mai 1991 hat die Cebag beim Gerichtshof Klage erhoben mit dem Antrag,

1)

die Kommission zur Zahlung von 104508,61 ECU nebst Zinsen gemäß Artikel 18 der Verordnung Nr. 2200/87 zu verurteilen;

2)

die im Fernschreiben vom 27. März 1991 enthaltene Entscheidung der Kommission ganz oder teilweise für nichtig oder zumindest für ungültig zu erklären;

3)

alle Maßnahmen zu ergreifen, die der Gerichtshof für notwendig hält;

4)

die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

5. 

In der Klagebeantwortung hat die Kommission erklärt, das Telex vom 27. März 1991 habe sich nur auf die Uganda und Mosambik betreffenden Maßnahmen bezogen. Was die Bangladesch betreffende Maßnahme angehe, so habe sie beschlossen, die wegen verspäteter Lieferung einbehaltene Summe deswegen zu zahlen, weil die Zahlung am 21. Januar 1991 erfolgt sei und der Antrag der Cebag vom 4. März 1991 daher als „eine rechtzeitig gegen die Abschlußzahlung eingelegte Beschwerde“ angesehen werden könne. Dementsprechend hat die Cebag in der Erwiderung ihren Antrag geändert; er lautet danach auf Zahlung von 65093,10 ECU nebst Zinsen.

Zur Begründetheit

6.

Angesichts der Urteile zu den Rechtssachen Vandemoortele und Haniel gibt es keinen Zweifel daran, daß die Kommission nach der Verordnung Nr. 2200/87 nicht berechtigt war, von den der Klägerin letztlich geschuldeten Beträgen Abzüge zu machen. Im vorliegenden Fall ist also nur zu klären, ob die Klage zulässig ist. Wenn sie zulässig ist, muß sie für begründet erklärt werden.

Zur Zulässigkeit

7.

In der Klageschrift wird erklärt, sie stütze sich auf Artikel 181 E WG-Vertrag, Artikel 23 der Verordnung Nr. 2200/87 sowie auf die Bestimmungen der Verträge, die zwischen der Klägerin und der Kommission zustande gekommen sein sollen. In der Klagebeantwortung führt die Kommission aus, die Klage könne nicht auf Artikel 181 gestützt werden, vielmehr stelle für derartige Ansprüche Artikel 173 die angemessene Rechtsgrundlage dar. Sie erklärt aber auch, daß die Klage, wäre sie auf Artikel 173 gestützt worden, in jedem Fall verspätet erhoben worden wäre. In der Erwiderung beruft sich die Klägerin hilfsweise auf Artikel 173 als Rechtsgrundlage und macht geltend, in dem Fernschreiben vom 27. März 1991 sei ein anfechtbarer Akt zu sehen. Dazu weist die Kommission in der Gegenerwiderung darauf hin, Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung lasse nicht zu, daß sich die Klägerin zum ersten Mal in der Erwiderung auf den Artikel 173 berufe. Außerdem steht die Kommission auf dem Standpunkt, das Fernschreiben vom 27. März 1991 stelle keinen anfechtbaren Akt dar, weil darin nur früher — im Oktober 1990 — getroffene Entscheidungen, Abzüge wegen verspäteter Lieferung vorzunehmen, bestätigt würden.

8.

Ich erinnere daran, daß die Kommission in der Rechtssache Haniel die Ansicht vertreten hat, eine derartige Klage sei, soweit sie auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet sei, als auf Artikel 181 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 23 der Verordnung Nr. 2200/87 gestützt anzusehen. In Artikel 181 EWG-Vertrag heißt es:

„Der Gerichshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der Gemeinschaft oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist.“

Artikel 23 der Verordnung Nr. 2200/87 hat folgenden Wortlaut:

„Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist für Entscheidungen in allen Streitsachen über die Erfüllung, die Nichterfüllung oder die Auslegung der Bedingungen für die Lieferungen, die gemäß dieser Verordnung erfolgen, zuständig.“

Die Kommission hat also in Artikel 23 der Verordnung Nr. 2200/87 eine „Schiedsklausel“ im Sinne des Artikels 181 EWG-Vertrag gesehen.

9.

In meinen Schlußanträgen zu den Rechtssachen Vandemoortele und Haniel habe ich bezweifelt, daß eine derartige Klage auf Artikel 181 EWG-Vertrag gestützt werden könne. Da die Schlußanträge zu der Rechtssache Haniel nicht in vollem Umfang in der Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes veröffentlicht worden sind, gebe ich jetzt den Teil der Schlußanträge in vollem Umfang wieder, in dem ich dargelegt habe, welche Argumente dagegen sprechen, eine solche Klage als vertragsrechtliche Klage anzusehen (Randnr. 9 bis 12):

„Im vorliegenden Fall stützt sich die Kommission ausdrücklich auf Artikel 181, ich bin aber nicht davon überzeugt, daß die Kommission insofern recht hat. Zunächst einmal geht es in Artikel 181 um eine Zuständigkeit des Gerichtshofes, die vertraglich und nicht in einer Verordnung der Kommission begründet ist.

Ferner bezweifle ich, daß es sich bei der zwischen der Kommission und der Klägerin bestehenden Beziehung überhaupt um eine Vertragsbeziehung handelt. Es scheint sich eher um eine gesetzliche Beziehung zu handeln, denn die Rechte und Pflichten der Parteien sind einseitig in einem normativen Akt festgelegt worden, und es besteht für die Kommission und den an der Ausschreibung Beteiligten keine Möglichkeit, sie in Verhandlungen zu ändern. Zwischen einer Verordnung und einem Vertrag, auch einem Standardvertrag oder ‘contrat d'adhésion’ besteht ein grundlegender Unterschied. Hätte man es mit einer vertraglichen Beziehung zu tun, stünde es den Partnern, auch im Falle eines Standardvertrags oder eines ‘contrat d'adhésion’, frei, den Vertragsinhalt zu ändern und — beispielsweise — eine andere Streitschlichtungsklausel zu wählen. Im vorliegenden Fall waren sowohl die Klägerin als auch die Kommission an die Vorschriften der Verordnung gebunden.

Außerdem würden sich bestimmte praktische Schwierigkeiten ergeben, wenn man den vorliegenden Fall wie eine vertragsrechtliche Streitigkeit behandeln würde, für die der Gerichtshof gemäß Artikel 181 EWG-Vertrag zuständig ist. Nach Artikel 215 Absatz 1 bestimmt sich die vertragliche Haftung der Gemeinschaft nach dem Recht, das auf den betreffenden Vertrag anzuwenden ist. Wie ich in meinen Schlußanträgen zu der Rechtssache Vandemoortele ausgeführt habe, würde man erwarten, daß eine ‘Schiedsklausel’ im Sinne des Artikels 181 mit einer Klausel verbunden ist, in der das auf den Vertrag anwendbare Recht bestimmt wird. Fehlt es an einer solchen Wahl des anwendbaren Rechts, so hätte der Gerichtshof das für den Vertrag maßgebliche Recht zu bestimmen. Es wäre aber ungewöhnlich, wenn eine Gemeinschaftsverordnung je nach dem maßgeblichen innerstaatlichen Vertragsrecht unterschiedlich ausgelegt würde oder unterschiedliche Wirkungen hätte. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht unausweichlich, weil die zwischen der Klägerin mit der Kommission bestehende Rechtsbeziehung erschöpfend gesetzlich geregelt ist. Es ist überhaupt nicht notwendig, auf den Artikel 181 zurückzugreifen. Dieser Standpunkt hat auch den Vorzug, daß es nicht zu dem von der Kommission für richtig gehaltenen Ergebnis kommt, die Klage sei zum Teil auf Artikel 173 und zum Teil auf Artikel 181 gestützt.

Ich bin daher der Meinung, daß die vorliegende Klage nicht als eine vertragsrechtliche auf Artikel 181 EWG-Vertrag gestützte Klage angeordnet werden kann. Die Klage muß vielmehr als eine auf Artikel 173 Absatz 2 gestützte Nichtigkeitsklage angesehen werden.“

10.

In den Urteilen zu den Rechtssachen Haniel und Vandemoortele hat der Gerichtshof nicht ausdrücklich dazu Stellung genommen, ob sich seine Zuständigkeit aus Artikel 173 oder aus Artikel 181 ergibt. Er hat einfach die Entscheidungen über Abzüge wegen verspäteter Lieferung für nichtig erklärt. In der Rechtssache Haniel hat er die Kommission auch dazu verurteilt, an den Kläger eine Geldsumme nebst Zinsen zu zahlen.

11.

Man könnte aber annehmen, daß der Gerichtshof in diesen Fällen stillschweigend eine Entscheidung zu der für solche Verfahren maßgeblichen Rechtsgrundlage getroffen hat. Insbesondere könnte aus dem Umstand, daß der Gerichtshof in der Rechtssache Haniel die Kommission zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt hat, geschlossen werden, daß der Gerichtshof in der Klage die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs nach Artikel 181 gesehen hat. Streng genommen scheint der Gerichtshof eine derartige Verurteilung aufgrund von Artikel 173 nicht aussprechen zu können. Andererseits hätte er genau dasselbe Ergebnis aufgrund dieses Artikels erreichen können, denn die Kommission wäre in jedem Fall gemäß Artikel 176 EWG-Vertrag verpflichtet gewesen, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

12.

Die Kommission sieht in dem Urteil Haniel keine Bestätigung des Standpunkts, den sie in diesem Verfahren vertreten hatte. Im Gegenteil, sie beruft sich auf die Urteile in den Rechtssachen Vandemoortele und Haniel, um geltend zu machen, daß es sich, anders als sie in der Rechtssache Haniel angenommen hatte, bei den aufgrund der Verordnung Nr. 2200/87 zustande gekommenen Geschäften nicht um vertragliche Abmachungen handelt und daß demgemäß in Artikel 23 dieser Verordnung keine Schiedsklausel im Sinne des Artikels 181 EWG-Vertrag gesehen werden kann.

13.

Meines Erachtens besteht kein Zweifel daran, daß ein Unternehmen in der Lage der Cebag grundsätzlich auf Artikel 173 Absatz 2 zurückgreifen kann, um eine Entscheidung der Kommission anzufechten, in der mitgeteilt wird, daß im Zusammenhang mit der Durchführung eines Nahrungsmittelhilfeprogramms fällige Beträge gekürzt werden müssen. Dies ist ein typisches Beispiel für die Anrufung des Gerichtshofes durch eine natürliche oder juristische Person zu dem Zweck, eine von der Kommission an diese Person gerichtete Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen; es wird nach dem Wortlaut des Artikels 173 Absatz 2 von dieser Vorschrift ohne weiteres erfaßt. Deshalb werde ich zuerst der Frage nachgehen, ob die vorliegende Klage nach dieser Vorschrift zulässig ist.

14.

Dazu hat die Kommission zwei Einwendungen. Zum einen ist sie der Ansicht, Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung lasse nicht zu, daß die Cebag in der Erwiderung die Rechtsgrundlage ihrer Klage — von Artikel 181 zu Artikel 173 übergehend — ändere. Zum anderen macht sie geltend, eine Klage nach Artikel 173 sei in jedem Fall verspätet erhoben worden.

15.

Artikel 42 § 2 Absatz 1 lautet:

„Im übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des schriftlichen Verfahrens zutage getreten sind.“

16.

Würde Artikel 42 § 2 in strengem Sinne angewandt, so wäre höchst fraglich, ob ein Kläger in der Erwiderung von einer auf Artikel 181 EWG-Vertrag gestützten vertragsrechtlichen Klage zu einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 übergehen könnte. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist anzunehmen, daß die Rechtsgrundlage einer Klage im Laufe des Verfahrens nicht geändert werden kann: vgl. Rechtssache 17/57 (Steenkolenmijnen/Hohe Behörde, Slg. 1959, 9) sowie Rechtssache 125/78 (Gema/Kommission, Slg. 1979, 3173, 3191, Randnr. 26).

17.

Ich denke aber, daß es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht billig wäre, Artikel 42 § 2 streng anzuwenden. Die Unklarheit über die angemessene Rechtsgrundlage für eine Klage wie die im vorliegenden Fall zu beurteilende geht weithin auf den Wortlaut des Artikels 23 der Verordnung Nr. 2200/87 zurück, und sie wurde durch die Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen Vandemoortele und Haniel nicht beseitigt. Hätte der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Vandemoortele, das die vorliegende Klage unmittelbar ausgelöst hat, klargestellt, woraus sich seine Zuständigkeit ergibt, so hätte es für die Cebag keinen Zweifel gegeben, wie eine ordnungsgemäße Anrufung des Gerichtshofes auszusehen hat. Außerdem haben die Kläger in den Rechtssachen Vandemoortele und Haniel nicht genau angegeben, aus welcher Vertragsvorschrift sich die Zuständigkeit des Gerichtshofes ergibt; dennoch hat sich der Gerichtshof in der Lage gesehen, den auf Nichtigerklärung und Verurteilung gerichteten Anträgen stattzugeben. Es wäre aber befremdlich, wenn ein Kläger, der eine — wenn auch unrichtige — Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit des Gerichtshofes angegeben hat, schlechter behandelt würde als ein Kläger, der überhaupt keine Rechtsgrundlage benannt hat. Jedenfalls hat die Cebag nach meiner Ansicht den wesentlichen Inhalt ihrer Klage nicht geändert. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 27. März 1991 war in dem von der Cebag in ihrer Klage geltend gemachten Anliegen enthalten. Die Kommission kann sich auch nicht darauf berufen, sie sei an der Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung gehindert worden, weil die Cebag die Rechtsgrundlage für dieses Anliegen — durch Übergang von Artikel 181 zu Artikel 173 — geändert hat. Natürlich kann ein Kläger die Klage nicht derart ändern, daß die Bestimmungen über die Einhaltung von Fristen umgangen werden. Wenn beispielsweise eine Klage nach Artikel 173 wegen Fristablaufs nicht mehr zulässig wäre, wäre es natürlich nicht möglich, die Klage zunächst auf Artikel 181 zu stützen und sie dann in eine Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 umzuwandeln. Unter den folgenden Randnummern werde ich untersuchen, ob die auf Artikel 173 gestützte Klage verspätet erhoben worden ist.

18.

Der von der Cebag angegriffene Akt ist das Fernschreiben vom 27. März 1991, in dem es die Kommission abgelehnt hat, die im Oktober 1990 gemachten und die Lieferungen nach Mosambik und Uganda betreffenden Abzüge im Lichte des Urteils zu der Rechtssache Vandemoortele zu überprüfen. Die Kommission ist der Ansicht, diese Entscheidung sei kein anfechtbarer Akt, weil mit ihr lediglich Entscheidungen bestätigt worden seien, die nach Ablauf der in Artikel 173 vorgesehenen Zweimonatsfrist nicht mehr angefochten werden könnten. Die Cebag steht auf dem Standpunkt, bei der Entscheidung vom 27. März 1991 handele es sich nicht um einen rein bestätigenden Akt, denn er enthalte das Ergebnis der Interessenabwägung, zu der die Kommission nach dem Urteil in der Rechtssache Vandemoortele verpflichtet gewesen sei.

19.

Meines Erachtens kann der von Cebag vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden. Zwar war die Kommission sicher verpflichtet, die im Urteil zu der Rechtssache Vandemoortele vom 12. Dezember 1990 aufgeführten Grundsätze bei allen nach Erlaß des Urteils getroffenen Entscheidungen (also nicht nur — wie die Kommission meint — bei Entscheidungen, die nach Veröffendichung des Urteils im Amtsblatt getroffen würden) zu berücksichtigen. Sie konnte also bei der abschließenden, die Maßnahme für Bangladesch betreffenden Regelung im Januar 1991 keinen Abzug wegen verspäteter Lieferung vornehmen. Dies hat die Kommission im wesentlichen auch anerkannt. Sie war dagegen nicht verpflichtet, rechtliche Beziehungen erneut zu prüfen, die vor Erlaß des Urteils in der Rechtssache Vandemoortele abschließend geregelt worden waren. Die Cebag hätte die im Oktober 1990 erlassenen Entscheidungen vor Ablauf der in Artikel 173 festgelegten Zweimonatsfrist anfechten können. Nach Ablauf dieser Frist konnten die Entscheidungen nach Artikel 173 nicht mehr angefochten werden. An dieser Lage hat sich durch das Urteil vom 12. Dezember 1990 nichts geändert. Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes kann ein Urteil des Gerichtshofes in einem von einer anderen Partei eingeleiteten Verfahren nicht die Wirkung haben, daß eine neue Klagefrist zu laufen beginnt: Rechtssache 43/64 (Muller/Rat, Slg. 1965, 519); Rechtssache 55/64 (Lens/Gerichtshof, Slg. 1965, 1097); und Rechtssache 125/87 (Brown/Gerichtshof, Slg. 1988, 1619). Zwar sind alle diese Urteile zu Personalstreitigkeiten ergangen, derselbe Grundsatz muß aber auch für Nichtigkeitsklagen nach Artikel 173 gelten. Eine andere Lösung wäre mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar; hätte ein Urteil des Gerichtshofes die Wirkung, daß Klagefristen für Personen neu zu laufen begännen, die sie beschwerende Entscheidungen nicht rechtzeitig angefochten haben, so wären die Organe unter Umständen gezwungen, vor Jahren erlassene Entscheidungen erneut zu überprüfen. Ich bin daher der Ansicht, daß die Klage der Cebag, soweit sie auf Artikel 173 gestützt ist, verspätet erhoben worden ist.

20.

Die Tatsache, daß die Klage nach Artikel 173 nicht zulässig ist, bedeutet nicht, daß sie nicht aufgrund einer anderen Vertragsbestimmung für zulässig gehalten werden kann. Meines Erachtens ist klar, daß es grundsätzlich möglich sein muß, einen Anspruch wie den vorliegenden nach einer anderen Vertragsvorschrift als Artikel 173 geltend zu machen. Im Verfahren ist viel über die Frage gesprochen worden, ob der Cebag nach Artikel 181 eine auf Vertrag gestützte Klage zusteht; niemand scheint aber an die Möglichkeit einer außervertraglichen Klage nach Artikel 178 EWG-Vertrag gedacht zu haben. Dabei wäre es doch logisch anzunehmen, daß der Anspruch der Cebag, wenn er nicht vertraglicher Natur ist, fast notwendig außervertraglicher Natur sein muß.

21.

Tatsächlich kann nach den Umständen des vorliegenden Falles offen bleiben, ob wir es mit einer vertraglichen oder außervertraglichen Klage zu tun haben. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Haftung sind wohl nicht verschieden: In jedem Fall haftet die Kommission wegen eines rechtswidrigen Aktes, der darin besteht, daß die an die Cebag zu zahlenden Beträge gekürzt worden sind, obwohl es dafür in der geltenden Regelung keine Rechtsgrundlage gibt. An der Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens kann nach dem Urteil in der Rechtssache Vandemoortele kein Zweifel bestehen; ebensowenig kann daran gezweifelt werden, daß die Cebag auf diese Weise einen Schaden erlitten hat. Klar ist auch, daß auf den von der Cebag beanspruchten Betrag Zinsen nach Artikel 18 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2200/87, wo von der „bei der Kommission üblichen Höhe“ die Rede ist, zu zahlen sind, und daß sie in dieser Höhe unabhängig davon fällig sind, ob es sich um einen vertraglichen oder außervertraglichen Anspruch handelt, eben weil sie in diesem Umfang von der Klägerin verlangt werden: vgl. verbundene Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder u. a., Urteil vom 19. Mai 1992, Slg. 1992, I-3061, Randnr. 36).

22.

Was die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen angeht, so könnte bei den beiden Klagen ein erheblicher Unterschied allenfalls insoweit bestehen, als unterschiedliche Verjährungsfristen in Betracht kommen könnten. Ansprüche aus außervertraglicher Haftung nach Artikel 178 EWG-Vertrag verjähren gemäß Artikel 43 der EWG-Satzung des Gerichtshofes in fünf Jahren. Für einen vertraglichen, gemäß Artikel 181 geltend zu machenden Anspruch gilt wohl die Verjährungsfrist, die in dem „auf den betreffenden Vertrag anzuwendenden“ Recht (vgl. Artikel 215 Absatz 1 EWG-Vertrag) vorgesehen ist. Bei Fehlen einer Rechtswahl wäre es nicht einfach, das anwendbare Recht zu bestimmen, und es wäre auch — wie ich in meinen Schlußanträgen zu der Rechtssache Haniel ausgeführt habe — kaum wünschenswert, daß auf Maßnahmen im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe verschiedene innerstaatliche Rechte — vielleicht je nach dem Sitz des Zuschlagsempfängers — zur Anwendung kämen. Möglich wäre es natürlich, unter dem „auf den Vertrag anzuwendenden Recht“ schlicht die in der Verordnung Nr. 2200/87 enthaltenen Bestimmungen zu verstehen, die erforderlichenfalls durch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergänzt werden. Da in der Verordnung von einer Verjährungsfrist nicht gesprochen wird, könnte eine Lösung darin bestehen, Artikel 43 der Satzung analog anzuwenden und anzunehmen, daß innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt des haftungsbegründenden Ereignisses geklagt werden muß. Bei dieser Lösung macht es keinen Unterschied, ob die vorliegende Klage als eine vertragliche oder eine außervertragliche Klage angesehen wird. Eine andere Lösung könnte in der Annahme bestehen, daß die vertragliche Klage — weil es an einer ausdrücklichen Vorschrift über die Verjährung fehlt — nur als verjährt gilt, wenn der Kläger so lange mit der Klageerhebung gewartet hat, daß darin ein Klageverzicht zu sehen ist: vgl. Rechtssache 25/60 (De Bruyn/Parlament, Slg. 1962, 43, 61). Von keinem dieser Standpunkte aus könnte die vorliegende Klage als verspätet erhoben angesehen werden.

23.

Zu prüfen bleibt schließlich noch, ob eine vertragliche oder eine außervertragliche Klage erhoben werden kann, wenn sie den gleichen Gegenstand hat wie eine Nichtigkeitsklage, die, z. B. wegen Versäumung der Klagefrist, unzulässig ist. Der Gerichtshof hat einmal festgestellt, ein nicht für nichtig erklärter Verwaltungsakt könne als solcher keinen Amtsfehler der Verwaltung darstellen, aus dem sich Schadensersatzansprüche herleiten ließen: Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62 (Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 240).

24.

Dieses Urteil ist jedoch scharf kritisiert worden (vgl. die Autoren, die Generalanwalt Roemer in seinen Schlußanträgen zu der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975, 991 angeführt hat), und in jüngeren Urteilen hat der Gerichtshof betont, eine Schadensersatzklage sei ein selbständiger Rechtsbehelf und von Voraussetzungen abhängig gemacht worden, die ihrem besonderen Zweck angepaßt sind: vgl. z. B. verbundene Rechtssachen 197/80 bis 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80 (Ludwigshafener Walzmühle/Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211). Die Annahme, es handele sich um einen selbständigen Rechtsbehelf, muß in noch stärkerem Maße auf eine vertragliche Klage nach Artikel 181 zutreffen.

25.

Gewiß, in der Rechtssache 175/84 (Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753, Randnr. 33) scheint der Gerichtshof die Rechtsprechung Plaumann für den Ausnahmefall aufrecht erhalten zu haben, daß mit einer Schadensersatzklage die Zahlung eines Betrags beantragt wird, der dem vom Kläger gemäß einer Einzelentscheidung zu entrichtenden Betrag entspricht (was tatsächlich auf die Aufhebung der Einzelentscheidung hinausläuft). Auch hat der Gerichtshof in einigen Personalstreitigkeiten festgestellt, zwar sei eine Partei, die Schadensersatzansprüche geltend machen will, nicht gezwungen, die Aufhebung der rechtswidrigen Maßnahme zu betreiben, die den Schaden verursacht hat; sie könne aber auf diesem Wege nicht die Unzulässigkeit einer dieselbe rechtswidrige Maßnahme betreffenden und auf die gleichen finanziellen Folgen abzielenden Klage umgehen: vgl. z. B. Rechtssache 543/79 (Birke/Kommission und Rat, Slg. 1981, 2669, Randnr. 28). Diese und andere entsprechende Urteile lassen sich jedoch damit erklären, daß ein Bediensteter der Gemeinschaft einen Anspruch aus dem zwischen ihm und seinem Organ bestehenden Dienstverhältnis keinesfalls mit einer Klage gemäß Artikel 178 geltend machen kann: vgl. z. B. Rechtssache 9/75 (Meyer-Burckhardt/Kommission, Slg. 1975, 1171, 1181, Randnr. 7).

26.

Was den in der Rechtssache Krohn unternommenen Versuch des Gerichtshofes angeht, zwischen einem Fall, in der die Schadensersatzklage völlig eigenständig ist, und dem anderen Fall zu unterscheiden, in der die Schadensersatzklage nicht zulässig ist, weil sie auf dasselbe Ergebnis abzielt wie eine — unzulässige — Nichtigkeitsklage, so habe ich große Zweifel, ob eine solche Unterscheidung vertretbar ist. Hierzu hat Generalanwalt Mancini in seinen Schlußanträgen zu der Rechtssache Krohn (S. 762) ausgeführt:

„... Die Schadensersatzklage ist selbständig, oder sie ist es nicht; und ist sie es, so ist nicht ersichtlich, warum die Wahl dieses Instruments, mit seinen eingeschränkteren Wirkungen, abstrakt betrachtet, so angesehen werden sollte, daß mit ihr die Nichtigkeitsklage umgangen wird.“

Es muß außerdem berücksichtigt werden, daß die nach Artikel 173 Absatz 2 geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen, sowohl was das Klagerecht als auch was die Klagefrist angeht, außerordentlich streng sind. Würden sie über ihren natürlichen Anwendungsbereich hinaus auf andere Klageformen ausgedehnt, so wäre das Rechtsschutzsystem des Vertrages ernsthaft geschwächt.

27.

Nach alledem komme ich zu dem Ergebnis, daß der Gerichtshof durch den Umstand, daß die Klage, wäre sie auf Artikel 173 gestützt, als verspätet erhoben anzusehen wäre, nicht daran gehindert ist, der Cebag Schadensersatz wegen vertraglicher oder außervertraglicher Haftung der Kommission zuzusprechen.

Antrag

28.

Ich schlage daher vor,

1)

die Kommission zu verurteilen, an die Klägerin 65093,10 ECU nebst Zinsen in der bei der Kommission üblichen Höhe ab 23. Oktober 1990 (hinsichtlich der Maßnahme Nr. 760/89) und ab 31. Oktober 1990 (hinsichtlich der Maßnahmen Nrn. 401/89 und 759/89) zu zahlen;

2)

die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


( *1 ) Originalsprache: Englisch.