61991C0009

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 12. Mai 1992. - THE QUEEN GEGEN SECRETARY OF STATE FOR SOCIAL SECURITY, EX PARTE EQUAL OPPORTUNITIES COMMISSION. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT OF JUSTICE, QUEEN'S BENCH DIVISION - VEREINIGTES KOENIGREICH. - RICHTLINIE 79/7/EWG - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN - BEITRAGSZEITEN. - RECHTSSACHE C-9/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-04297


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Die Equal Opportunities Commission (EOC), eine durch den Sex Discrimination Act 1975 geschaffene Einrichtung, zu deren Aufgaben es u. a. gehört, auf die Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts hinzuarbeiten, stellte beim High Court of Justice of England and Wales, Queen' s Bench Division, einen Antrag auf "judicial review". Der Antrag ist auf die Feststellung gerichtet, daß der Secretary of State for Social Security, der im Vereinigten Königreich für Fragen der sozialen Sicherheit zuständige Minister, es unterlassen hat, einige Bestimmungen des Social Security Act 1975 und des Social Security Pensions Act 1975 an die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978(1) anzupassen. Im Zusammenhang mit diesem Antrag hat der High Court dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlaubt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG einem Mitgliedstaat, der

a) nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7/EWG für Männer und Frauen ein unterschiedliches Rentenalter (65 Jahre für Männer, 60 Jahre für Frauen) für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente beibehält, wenn

b) die Sozialversicherungsbeiträge eine Reihe von Leistungen, darunter die staatlichen Altersrenten finanzieren,

vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit gemäß Artikel 4 der Richtlinie dadurch abzuweichen, daß

i) Männer fünf Jahre länger als Frauen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen, um Anspruch auf die gleiche Grundrente zu haben, und daß

ii) Männer, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs einer Erwerbstätigkeit nachgehen, bis zu diesem Alter weiter Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen, während Frauen von über 60 Jahren unabhängig davon, ob sie nach Erreichung dieses Alters einer Erwerbstätigkeit nachgehen, keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten brauchen?

Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich kurz auf die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts eingehen.

Die Richtlinie 79/7

2. Gemäß ihrem Artikel 1 hat die Richtlinie 79/7 die schrittweise Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit zum Ziel. Die Artikel 2 und 3 der Richtlinie regeln deren persönlichen und den sachlichen Anwendungsbereich. Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich auf die Erwerbsbevölkerung sowie auf die im Ruhestand befindlichen oder arbeitsunfähigen Arbeitnehmer und Selbständigen (Artikel 2). In den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (u. a.) die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten: Krankheit, Invalidität, Alter, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a).

Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung folgendes:

"Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:

° den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,

° die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,

° die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen."

Gemäß Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten binnen sechs Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie, also bis zum 23. Dezember 1984, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beseitigen.

Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie nennt eine Reihe von Bereichen, die die Mitgliedstaaten vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausschließen können. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a können die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Gleichbehandlung demgemäß für unanwendbar erklären auf:

"a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen".

Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie überprüfen die Mitgliedstaaten in regelmässigen Abständen die aufgrund des Absatzes 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten.

Artikel 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie schließlich bestimmt, daß die Mitgliedstaaten die Kommission über die Gründe unterrichten, die eine etwaige Beibehaltung der geltenden Bestimmungen in den unter Artikel 7 Absatz 1 genannten Bereichen rechtfertigen, sowie über die Möglichkeiten einer diesbezueglichen späteren Revision.

Der Social Security Act 1975 und der Social Security Pensions Act 1975

3. Der Social Security Act 1975 (SSA) regelt die Beiträge zum staatlichen Sozialversicherungssystem im Vereinigten Königreich und dessen Leistungen. Das Gesetz unterscheidet zwischen Leistungen, die von der Entrichtung von Beiträgen abhängig sind (contributory benefits), und Leistungen, die ohne die Entrichtung von Beiträgen gewährt werden können (non-contributory benefits). Die beitragsabhängigen Leistungen, um die es hier ausschließlich geht, sind folgende: Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Leistungen für Witwen, Altersrenten (retirement pension) der Kategorie A, die einer Person aufgrund ihrer Beiträge gewährt werden, und Altersrenten der Kategorie B, die einer Frau aufgrund der von ihrem Ehemann oder einem Mann aufgrund der von seiner verstorbenen Ehefrau entrichteten Beiträge gezahlt werden.

Das britische System der beitragsabhängigen Leistungen der sozialen Sicherheit ist ein generationsübergreifendes System, bei dem aus den Beiträgen, die Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Selbständige zu einem bestimmten Zeitpunkt entrichten, die zu diesem Zeitpunkt zu gewährenden Leistungen finanziert werden. Ferner werden alle Beiträge an denselben Fonds entrichtet (National Insurance Fund), aus dem die verschiedenen Leistungen der sozialen Sicherheit finanziert werden. Die britische Regierung weist insoweit darauf hin, daß die Beiträge nach Möglichkeit so festgelegt würden, daß sich ein Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen ergebe. Es sei nicht möglich, bestimmte Teile eines Arbeitnehmerbeitrags bestimmten Sozialleistungen, wie den Altersrenten, zuzuordnen.

Nachstehend möchte ich auf die beiden für den vorliegenden Rechtsstreit zentralen Regelungen des britischen Sozialversicherungssystems, (i) die Bestimmungen über die Beitragspflicht und (ii) die über die Gewährung von Altersrenten der Kategorie A, eingehen.

4. Die Beitragspflicht ist in Section 1 bis 11 SSA geregelt. Gemäß Section 1 (2) SSA sind vier Beitragsklassen zu unterscheiden:

(i) Beitragsklasse 1: einkommensbezogene Beiträge, die gemäß Section 4 SSA von Arbeitnehmern über 16 Jahre und von ihren Arbeitgebern zu entrichten sind.

(ii) Beitragsklasse 2: einheitliche Beiträge, die gemäß Section 7 SSA von Selbständigen über 16 Jahre zu entrichten sind.

(iii) Beitragsklasse 3: freiwillige Beiträge, die im vorliegenden Fall keine Rolle spielen.

(iv) Beitragsklasse 4: Beiträge, die gemäß Section 9 SSA von Selbständigen auf einkommenssteuerpflichtige Einkünfte zu zahlen sind.

Weitere Vorschriften regeln, bis zu welchem Alter die Beiträge der Klassen 1, 2 und 4 entrichtet werden müssen. Section 4 des Social Security Pensions Act 1975 (SSPA) ° für die Beitragsklassen 1 und 2 ° und Regulation 58 der Social Security (Contributions) Regulations 1979 ° für die Beitragsklasse 4 ° bestimmen, daß Arbeitnehmer (im Gegensatz zu ihren Arbeitgebern, falls die Arbeitnehmer nach Erreichung des Rentenalters weiterhin erwerbstätig sind) und Selbständige nach Erreichung des Rentenalters keine Beiträge mehr schulden.

Das "Rentenalter" (pensionable age) ist in Section 27 (1) SSA definiert: Für Männer ist das Rentenalter auf 65 Jahre und für Frauen auf 60 Jahre festgelegt.

Aufgrund der erwähnten Bestimmungen müssen Arbeitnehmer oder Selbständige im Vereinigten Königreich Sozialversicherungsbeiträge entrichten, bis sie das 60. Lebensjahr (Frauen) oder das 65. Lebensjahr (Männer) vollendet haben, auch wenn die Frau nach Vollendung des 60. oder der Mann nach Vollendung des 65. Lebensjahres weiter erwerbstätig ist.

5. Die Bestimmungen über die Gewährung der Altersrente der Kategorie A finden sich an verschiedenen Stellen des Social Security Act 1975 und des Social Security Pensions Act 1975. In Section 6 SSPA wird unterschieden zwischen der Grundrente mit einem festen wöchentlich gezahlten Betrag, der sich nach der Anzahl der Beitragsjahre richtet, und der zusätzlichen einkommensbezogenen Rente(2), deren wöchentlich gezahlter Betrag sich nach dem für die Beiträge zugrunde gelegten Einkommen richtet. Die vom vorlegenden Gericht in (i) angesprochene Diskriminierung betrifft die durch die folgenden Bestimmungen geregelte Grundrente.

Gemäß Section 28 SSA hat Anspruch auf eine Grundrente der Kategorie A, wer

° das Rentenalter gemäß Section 27 (1) SSA erreicht hat

° die in Anhang 3 SSA aufgeführten Beitragsvoraussetzungen erfuellt.

Gemäß Absatz 5 des Anhangs 3 des Gesetzes hat Anspruch auf die vollständige Grundrente der Kategorie A nur, wer während eines bestimmten Prozentsatzes (ungefähr 90 %) seines Berufslebens Beiträge entrichtet hat. Genauer gesagt muß ein Mann oder eine Frau bei einem Berufsleben von über 40 Jahren während des gesamten Berufslebens abzueglich fünf Jahre Beiträge geleistet haben. Der Kürze halber bezeichne ich diese Regel im folgenden als die "90%-Regel".

Das "Berufsleben" ("working life") ist in Section 27 (2) SSA definiert als die Anzahl vollständiger Steuerjahre zwischen dem 17. Lebensjahr und dem Rentenalter (oder dem Tod, wenn dieser vorher eintritt). Aus der Definition des Begriffs des "Rentenalters" in Verbindung mit der vorstehenden Definition ergibt sich, daß ein vollständiges "Berufsleben" für Männer 49 Jahre, für Frauen 44 Jahre umfasst. Ein Mann muß also unter Berücksichtigung der erwähnten 90%-Regel 44 Jahre lang Beiträge entrichten, um Anspruch auf eine volle Grundrente Kategorie A zu haben, eine Frau dagegen muß für die gleiche Rente nur 39 Jahre lang Beiträge leisten.

Gemäß Section 33 SSA können Regelungen erlassen werden, nach denen ein Mann, der die 44 Beitragsjahre, oder eine Frau, die die 39 Beitragsjahre nicht erfuellt, dennoch eine, allerdings herabgesetzte, Grundrente beziehen kann. Die britische Regierung hat hierzu ausgeführt, daß ein Arbeitnehmer oder Selbständiger aufgrund der geltenden Regelung, jedenfalls wenn er während mehr als 25 % seines Berufslebens Beiträge geleistet habe, einen Grundrentenbetrag beanspruchen könne, der sich nach der Zahl seiner Beitragsjahre richte. Die EOC ihrerseits weist auf die folgende Konsequenz dieser Regelung hin: Ein Mann, der während weniger als 44 Jahren Beiträge entrichtet habe, erhalte eine geringere Grundrente als eine Frau, die während der gleichen Anzahl von Jahren beitragspflichtig gewesen sei.

Ausweislich der Antwort der britischen Regierung auf eine Frage des Gerichtshofes können Männer und Frauen, die das Rentenalter erreicht haben, die Gewährung ihrer Rente auch dann beantragen, wenn sie nach Erreichung des Rentenalters erwerbstätig bleiben. Sie können allerdings auch die Gewährung der Rente um bis zu fünf Jahre über das Rentenalter hinaus aufschieben, also Frauen bis 65 und Männer bis 70, ohne während dieses Zeitraums beitragspflichtig zu sein. Eine derartige Hinausschiebung der Gewährung der Rente führt zu einer Erhöhung des Rentenbetrags.

Bedeutung der Vorlagefrage

6. Die Parteien des Ausgangsverfahrens stimmen in einer ganzen Reihe von Punkten überein.

Erstens nehmen sie übereinstimmend an, daß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7, der dem Gleichbehandlungsgrundsatz konkrete Form gibt, hinreichend genau und unbedingt sei, um ohne Durchführungsbestimmungen ab 23. Dezember 1984 ° dem Ende der für die Umsetzung der Richtlinie festgelegten Frist ° von einem einzelnen vor einem innerstaatlichen Gericht in Anspruch genommen werden zu können, so daß dieses Gericht die mit diesem Artikel nicht vereinbaren innerstaatlichen Bestimmungen unangewendet zu lassen habe(3).

Zweitens sind die Parteien übereinstimmend der Meinung, daß Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, die sich (u. a.) auf die "Bedingungen für den Zugang" (in der englischen Fassung "acceß", in der französischen "accès") zu den Systemen der sozialen Sicherheit (erster Gedankenstrich), die "Beitragspflicht" (zweiter Gedankenstrich) und die "Berechnung der Leistungen" (dritter Gedankenstrich) beziehen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7 verboten seien, soweit die Diskriminierungen nicht unter die in Artikel 7 Absatz 1 geregelten Ausnahmen fielen.

Drittens nehmen sie übereinstimmend an, daß das Vereinigte Königreich aufgrund der Ausnahme gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a den "Zugang" zur staatlichen Alters- und Ruhestandsrente in Abweichung von Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich von der Erreichung eines für nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters abhängig machen könne.

Schließlich besteht zwischen den Parteien Übereinstimmung darüber, daß die angeführten Bestimmungen des staatlichen Sozialversicherungssystems im Vereinigten Königreich zu zwei Diskriminierungen führten, die das vorlegende Gericht im Vorlagebeschluß wie folgt beschreibt:

(i) Ein Mann müsse 44, eine Frau nur 39 Jahre lang Beiträge entrichten, um Anspruch auf eine volle Altersgrundrente zu haben;

(ii) ein berufstätiger Mann im Alter von 60 bis 64 Jahren müsse Beiträge entrichten, nicht aber eine berufstätige Frau im gleichen Alter.

7. Nach Auffassung der EOC stehen die vorstehend unter (i) und (ii) genannten Regelungen im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie eine Diskriminierung hinsichtlich der in Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie genannten "Beitragspflicht" enthielten. Die Regelung unter (i) enthalte eine weitere Diskriminierung im Hinblick auf die in Artikel 4 Absatz 1 dritter Gedankenstrich aufgeführte "Berechnung der Leistungen", weil, wie erwähnt, ein Mann mit weniger als 44 Beitragsjahren eine niedrigere Rente erhalte als eine Frau mit der gleichen Zahl von Beitragsjahren.

Die Kommission ihrerseits weist darauf hin, daß diese Diskriminierungen sämtlich die Folge davon seien, daß Arbeitnehmer und Selbständige bis zu einem nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalter beitragspflichtig seien. Ich halte dies für zutreffend. Nach meinem Verständnis besagt die Regelung nicht nur, daß ein berufstätiger Mann im Alter von 60 bis 64 Jahren beitragspflichtig ist, während dies für eine Frau gleichen Alters nicht gilt, sondern sie führt auch zu der Diskrimierung hinsichtlich der Berechnung der Grundrenten. Nach der britischen Rentenregelung gilt nämlich für alle Arbeitnehmer und Selbständigen, unabhängig vom Geschlecht, die bereits erläuterte 90%-Regel, nach der eine volle Grundrente nur erhält, wer während ungefähr 90 % seines "Berufslebens" (des Zeitraums von der Vollendung des 16. Lebensjahrs bis zur Erreichung des nach Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters) Beiträge geleistet hat. Daß ein Mann für den Anspruch auf die gleiche Rente länger Beiträge entrichten muß als eine Frau, folgt demnach nicht aus der für beide Geschlechter gleichermassen geltenden 90%-Regel als solcher, sondern vielmehr daraus, daß die Beitragspflicht bis zu einem nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen Rentenalter besteht, das bei der Berechnung des "Berufslebens" berücksichtigt wird.

8. Nach alledem geht die Vorlagefrage meines Erachtens im Kern dahin, ob Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 es zulässt, daß ein Mitgliedstaat von dem in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung dadurch abweicht, daß er vorschreibt, daß Männer und Frauen bis zur Erreichung des Rentenalters Beiträge zur Finanzierung der staatlichen Sozialleistungen, darunter Alters- und Ruhestandsrenten, entrichten, mit den sich daraus für die Berechnung der Renten ergebenden Folgen, wenn in diesem Mitgliedstaat aufgrund der erwähnten Bestimmung ein nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedliches Rentenalter festgelegt worden ist.

Bei Prüfung dieser Frage gehe ich davon aus, daß die erwähnte Ausnahmebestimmung der Richtlinie 79/7 gültig ist, obwohl sie es zulässt, daß die Mitgliedstaaten Vorschriften beibehalten, die im Widerspruch zu dem vom Gerichtshof als fundamental(4) angesehenen Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen stehen. Weder das vorlegende Gericht noch die Parteien oder die Kommission haben übrigens die Frage der Gültigkeit dieser Vorschrift aufgeworfen. Ferner hat der Gerichtshof bereits wiederholt zu dieser Bestimmung Stellung genommen, ohne deren Gültigkeit in Frage zu stellen(5) (6).

Beantwortung der Vorlagefrage

9. Gemäß ihrem Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a steht die Richtlinie 79/7 nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, von ihrem Anwendungsbereich "die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen" auszuschließen.

Für die Beantwortung der Vorlagefrage ist zu untersuchen, welche Formen der Diskriminierung Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 zulässt: lediglich Diskriminierungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Gewährung der fraglichen Sozialleistungen, wie die EOC meint, oder auch Diskriminierungen bezueglich des Umfangs der Beitragspflicht für die Leistungen und der Berechnung der Leistungen, wie die britische Regierung annimmt.

Für die Beantwortung dieser Frage liefert der Wortlaut von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a nur wenige Anhaltspunkte. Genauer gesagt finde ich darin keine Stütze für die Auffassung der EOC, daß die Worte "für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente" in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a gleichbedeutend mit dem in Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich verwendeten Begriff der "Bedingungen für den Zugang" seien und daraus geschlossen werden könne, daß sich Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a ausschließlich auf Ungleichbehandlung hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungsgewährung beziehe. Wenn mit beiden Ausdrücken das gleiche gemeint ist, warum unterscheiden sie sich dann hinsichtlich der Formulierung? Im übrigen ergibt sich aus dem zweiten Satzteil von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a, daß die darin enthaltene Ausnahme Auswirkungen umfasst, die sich aus der Festsetzung eines unterschiedlichen Rentenalters für andere Leistungen ergeben können(7). In den Urteilen Roberts (a. a. O., Randnr. 36), Marshall (a. a. O., Randnr. 37) und Beets-Proper (a. a. O., Randnr. 39) hat der Gerichtshof im Hinblick auf diese Bestimmung allgemein festgestellt, daß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a (ausschließlich) "die Auswirkungen betrifft, die sich aus der Altersgrenze für Leistungen der sozialen Sicherheit ergeben". Diese Formulierung bezieht sich meines Erachtens auch auf die Auswirkungen, einschließlich der finanziellen Auswirkungen, die sich aus einer derartigen Festsetzung für die Alters- oder Ruhestandsrente selbst ergeben. Soweit aus dem Wortlaut von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a überhaupt etwas für die hier zu untersuchende Frage geschlossen werden kann, spricht dieser somit eher für die von der britischen Regierung vertretene Auffassung.

10. Wie dem auch sei, die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß ausschließlich Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Festsetzung eines nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen Rentenalters in Betracht kommen. Unterschiedlicher Meinung sind sie nur in der Frage, wie eng dieser Zusammenhang tatsächlich sein muß.

Angesichts des Ausnahmecharakters von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a und der Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der Bestimmungen, die eine Ausnahme von dem wesentlichen Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen darstellen, eng auszulegen sind(8), sind die EOC und die Kommission der Auffassung, daß die genannte Bestimmung ausschließlich Formen der Diskriminierung zulasse, die notwendig seien, um die Gewährung von Sozialleistungen ab einem nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen Lebensalter beizubehalten. Nach Auffassung der Kommission ist es nicht unmöglich, Männern und Frauen für die gleiche Anzahl von Jahren die gleiche Beitragspflicht aufzuerlegen und die Ungleichbehandlung ausschließlich auf den Zeitpunkt zu beschränken, ab dem die Rente gewährt werde (z. B. fünf Jahre später für Männer als für Frauen). Übrigens sieht das britische Sozialversicherungssystem für Frauen oder Männer, die nach Vollendung des 60. bzw. 65. Lebensjahrs weiter berufstätig sind, bereits vor, daß der Zeitpunkt, zu dem die Beitragspflicht endet, und der Zeitpunkt, ab dem die Rente gewährt wird, auseinanderfallen (vgl. Ziffer 4). Die Kommission ist daher auch, allerdings vorbehaltlich einer Bestätigung durch das nationale Gericht, der Auffassung, daß zwischen den hier fraglichen Formen der Diskriminierung und der Festsetzung des gesetzlichen Rentenalters kein notwendiger Zusammenhang bestehe.

Dagegen ist die britische Regierung der Ansicht, daß der Zusammenhang zwischen der Festsetzung eines nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen Rentenalters und den dadurch hervorgerufenen erlaubten Formen der Diskriminierung im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit beurteilt werden müsse. Die Ausnahmebestimmung des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a erfasse folglich auch diskriminierende Auswirkungen, die zur Erreichung des mit der Bestimmung verfolgten Ziels angemessen und erforderlich seien. Das Ziel bestehe u. a. in der Sicherung des finanziellen Gleichgewichts des Sozialversicherungssystems von Mitgliedstaaten mit einem nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen gesetzlichen Rentenalter. Nach Auffassung der britischen Regierung ist also die (vorübergehende) Beibehaltung der Beitragspflicht bis zu dem nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedlichen Rentenalter zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts des britischen Systems notwendig.

11. Zweifellos muß angesichts des unklaren Wortlauts der Geltungsbereich von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a unter Berücksichtigung des Ziels dieser Bestimmung festgestellt werden. Ferner hat der Gerichtshof in seinem Urteil Johnston(9) im Zusammenhang mit dem in der Richtlinie 76/207/EWG(10) verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung festgestellt:

"Bei der Bestimmung des Geltungsbereichs von Ausnahmen von einem Individualrecht, wie dem in der Richtlinie verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, ist ferner der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten, der zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, auf denen die Rechtsordnung der Gemeinschaft beruht. Nach diesem Grundsatz dürfen Ausnahmen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen."

In den Begründungserwägungen zu der Richtlinie 79/7 finden sich gleichfalls keine Hinweise auf das mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a verfolgte Ziel. Allein die dritte Begründungserwägung bezieht sich auf eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz. In ihr heisst es im Zusammenhang mit Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie, daß die Richtlinie Bestimmungen, die sich auf den Schutz der Frau wegen Mutterschaft beziehen, nicht entgegensteht, und daß die Mitgliedstaaten in diesem Rahmen zugunsten der Frau besondere Bestimmungen erlassen können, um die tatsächlich bestehenden Ungleichheiten zu beseitigen. Zu Artikel 7 Absatz 1 enthält die Begründungserwägung jedoch keine Erläuterungen. Aus der Art der darin geregelten Fragen lässt sich jedoch schließen, daß sie grösstenteils die Feststellung der Leistungen, speziell bei Alter, zugunsten der oder im Hinblick auf die Ehefrau betreffen, die, genauer gesagt wegen der Erziehung der Kinder, einen bestimmten Teil ihres Lebens im Haushalt zugebracht hat. Ferner ergibt sich aus den Artikeln 7 Absatz 2 und 8 Absatz 2, daß die Ausnahmen des Artikels 7 Absatz 1 dazu bestimmt sind, nach einiger Zeit "unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung" zu verschwinden, und daß es Sache des von den Ausnahmebestimmungen Gebrauch machenden Mitgliedstaats ist, unter Aufsicht der Kommission die Notwendigkeit der Beibehaltung der auf die Ausnahmebestimmungen gestützten nationalen Bestimmungen zu rechtfertigen und die Möglichkeit ihrer Revision zu überprüfen.

12. Aus diesen wenn auch spärlichen Anhaltspunkten kann dennoch geschlossen werden, daß die in Artikel 7 Absatz 1 vorgesehene Möglichkeit von Ausnahmen im Interesse der Mitgliedstaaten eingefügt wurde, die im Zusammenhang mit bestimmten Sozialleistungen und/oder den dafür zu leistenden Beiträgen dem ° beim Inkrafttreten der Richtlinie noch weiter als heute verbreiteten ° Phänomen Rechnung tragen, daß Frauen nicht oder nur für kürzere Zeit als Männer berufstätig gewesen sind. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie dürfen diese Mitgliedstaaten die damit für die betroffenen Frauen hinsichtlich der Beitragspflicht und/oder der Leistungen verbundenen Vorteile und die entsprechenden Nachteile für die berufstätigen Männer vorübergehend beibehalten. Wie lang diese Ungleichheit fortbestehen kann, ist jedoch nicht geregelt. Allerdings sind diese Mitgliedstaaten verpflichtet, die Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Situation ständig zu überprüfen und zu rechtfertigen sowie die darauf beruhende Ungleichheit so schnell wie möglich zu beseitigen.

Für den den betreffenden Mitgliedstaaten derart gewährten Aufschub wird keine Begründung gegeben. Dennoch lässt sich durchaus annehmen, daß der Grund hierfür darin liegt, daß bei einer vollständigen Gleichstellung von Männern und Frauen hinsichtlich aller in Artikel 7 Absatz 1 genannten Bereiche eine zusammenhängende und finanziell ausgewogene Revision des gesamten Sozialversicherungssystems ° einschließlich einer Neuordnung des Beitrags- und Leistungssystems ° erforderlich wäre. Was speziell die in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a vorgesehene Möglichkeit von Ausnahmen angeht, erfordert die Angleichung des gesetzlichen Rentenalters für Männer und Frauen eine Neuberechnung von Beiträgen und Leistungen ° für die Zukunft, aber unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit ohne Rücksicht auf den Gleichheitssatz erworbenen Leistungsansprüche ° und eine Revision der Rechtsvorschriften in anderen Bereichen der sozialen Sicherheit, soweit darin auf das Rentenalter verwiesen wird.

13. Für die Beantwortung der Vorlagefrage lassen sich demnach zwei Schlußfolgerungen ziehen, von denen die erste den Geltungsbereich von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie und die zweite die Anwendung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes betrifft, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Nr. 11 dieser Schlussanträge) den Geltungsbereich der Ausnahme vom Gleichheitssatz einschränkt.

Im Hinblick auf den ersten Punkt weist meines Erachtens die Festlegung einer zeitlich nicht beschränkten Übergangsperiode für die Beseitigung der in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a zugelassenen Ausnahme vom Gleichheitssatz darauf hin, daß die von der EOC und der Kommission vertretene enge Auslegung dieser Bestimmung nicht richtig ist. Würde nämlich die darin geregelte Ausnahmebefugnis, wie die EOC und die Kommission annehmen, den Mitgliedstaaten nur erlauben, Männer und Frauen hinsichtlich des Zeitpunkts ungleich zu behandeln, ab dem die Rente gezahlt wird, und andere auf dem unterschiedlichen gesetzlichen Rentenalter beruhende finanzielle und gesetzliche Auswirkungen nicht umfassen, dann hätten Diskriminierungen im Zusammenhang mit diesen Auswirkungen bereits bei Ablauf der in der Richtlinie 79/7 festgelegten (und an sich auch recht langen) Umsetzungsfrist beseitigt worden sein müssen und die (noch längere) Übergangsperiode des Artikels 7 Absatz 2 würde hierfür nicht gelten. Wäre diese Auslegung richtig, so wäre unverständlich, warum für die Überprüfung (und die Revision) der auf einen derart eng ausgelegten Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a gestützten nationalen Maßnahmen eine längere als die normale Umsetzungsfrist vorgesehen werden musste.

Zu dem zweiten Punkt ist meines Erachtens zu sagen, daß dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in einem Zusammenhang wie dem vorliegenden eine geringerere Bedeutung als im Regelfall zukommt. Dieser Grundsatz läuft nämlich darauf hinaus, daß dem Richter die Verpflichtung auferlegt wird, das mit der fraglichen Regelung (im vorliegenden Fall mit der Ausnahmebestimmung des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe a und den darauf gestützten nationalen Regelungen) verfolgte Interesse gegen das durch diese Regelung beeinträchtigte Interesse (im vorliegenden Fall den Gleichbehandlungsgrundsatz) abzuwägen: Die Beeinträchtigung des letztgenannten Interesses darf nicht weiter gehen, als es zur Erreichung des erstgenannten Interesses angemessen und erforderlich ist. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die fragliche Regelung ° Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie ° selbst ein Abwägungsverfahren regelt, ist es meines Erachtens regelmässig nicht Sache des Richters, selbst eine Interessenabwägung vorzunehmen. Meines Erachtens kann er dies in einem derartigen Fall nur ganz ausnahmsweise tun, nämlich dann, wenn sich herausstellt, daß das in der Regelung vorgesehene Verfahren von dem betreffenden Staat nicht wirklich eingehalten wird ° dies wird von der Kommission im vorliegenden Fall nicht vorgebracht(11) ° oder daß die festgestellten Diskriminierungen ohne grossen gesetzgeberischen oder finanziellen Aufwand beseitigt werden könnten, wenn also im vorliegenden Fall Männer im Hinblick auf die vom vorlegenden Gericht genannten Diskriminierungen ebenso wie Frauen behandelt werden könnten(12), ohne das Gesamtgefüge und/oder das finanzielle Gleichgewicht des fraglichen nationalen Systems der sozialen Sicherheit (aus diesen Gründen ist den Mitgliedstaaten die Frist eingeräumt worden: vgl. Nr. 12 dieser Schlussanträge) erheblich zu gefährden(13). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen.

Ergebnis

14. Deshalb schlage ich vor, auf das Ersuchen um Vorabentscheidung wie folgt zu antworten:

Legt ein Mitgliedstaat ein nach Maßgabe des Geschlechts unterschiedliches gesetzliches Rentenalter für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente (65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen) fest, so darf dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 weiterhin von dem in Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, indem er vorschreibt, daß

(i) Männer fünf Jahre länger als Frauen Sozialversicherungsbeiträge entrichten, um Anspruch auf die gleiche Grundrente zu haben, und daß

(ii) Männer, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres einer Erwerbstätigkeit nachgehen, bis zu diesem Alter weiter Beiträge entrichten, während Frauen von über 60 Jahren unabhängig davon, ob sie nach Erreichung dieses Alters einer Erwerbstätigkeit nachgehen, keine Beiträge zu entrichten brauchen,

es sei denn, diese Ungleichbehandlung von Männern kann durch das Gericht beseitigt werden, ohne daß das Gesamtgefüge und/oder das finanzielle Gleichgewicht des fraglichen nationalen Systems der sozialen Sicherheit erheblich gefährdet wird.

(*) Originalsprache: Niederländisch.

(1) - Richtlinie zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24).

(2) - Die Arbeitnehmer können vertraglich auf den einkommensbezogenen Teil der staatlichen Rente zugunsten eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen ( contracted-out ) betrieblichen Systems verzichten.

(3) - Vgl. u. a. die Urteile vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 71/85 (Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging, Slg. 1986, 3855), vom 24. Juni 1987 in der Rechtssache 384/85 (Borrie Clarke, Slg. 1987, 2865) und vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-31/90 (Johnson, Slg. 1991, I-3723, Randnr. 34).

(4) - Urteil vom 15. Juni 1978 in der Rechtssache 149/77 (Defrenne, Slg. 1978, 1365, Randnr. 27). Vgl. auch das Urteil vom 20. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 75/82 und 117/82 (Razzouk und Beydoun, Slg. 1984, 1509, Randnr. 16).

(5) - Vgl. das Urteil vom 16. Februar 1982 in der Rechtssache 19/81 (Burton, Slg. 1984, 554), die drei Urteile vom 26. Februar 1986 in den Rechtssachen 151/84 (Roberts, Slg. 1986, 703), 152/84 (Marshall, Slg. 1986, 723) und 262/84 (Beets-Proper, Slg. 1986, 773) und das Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889).

(6) - Die deutsche Regierung weist zu Recht darauf hin, daß der gemeinschaftsrechtliche Rahmen, in dem diese Vorlagefrage zu beantworten sei, sich wesentlich vom Rahmen der erwähnten Rechtssache Barber unterscheide. Die vorliegende Frage betrifft nämlich ein aufgrund des Geschlechts diskriminierendes Rentenalter für die Gewährung von staatlichen Sozialleistungen (darunter Renten), die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. das Urteil vom 25. Mai 1971 in der Rechtssache 80/70, Defrenne, Slg. 1971, 455, und das Urteil Barber, a. a. O., Randnrn. 22 und 23) nicht unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag fallen, während sich die Fragen in der Rechtssache Barber auf ein aufgrund des Geschlechts diskriminierendes Rentenalter für die Gewährung einer an die Stelle der staatlichen Rente getretenen ( contracted-out ) privaten Betriebsrente bezogen, die aufgrund des Urteils des Gerichtshofes in dieser Rechtssache als Entgelt im Sinne von Artikel 119 EWG-Vertrag anzusehen ist.

(7) - Auch diese Bestimmung ist auslegungsfähig. So fragt das House of Lords in der Rechtssache C-328/91, Thomas, in der das schriftliche Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, ob Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Satzteil der Richtlinie 79/7 auf Diskriminierungen bezueglich der Gewährung von Sozialleistungen wie der severe disablement allowance und der invalid care allowance ab einem unterschiedlichen Lebensalter anwendbar ist.

(8) - Vgl. die Urteile Roberts (a. a. O., Randnr. 35), Marshall (a. a. O., Randnr. 36) und Beets-Proper (a. a. O., Randnr. 38).

(9) - Urteil vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84 (Slg. 1986, 1651, Randnr. 38).

(10) - Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40).

(11) - Daß das Revisionsverfahren im Vereinigten Königreich in vollem Gange ist, ergibt sich etwa aus der Untersuchung Options for Equality in State Pension Age , die im Dezember 1991 dem britischen Parlament vorgelegt wurde.

(12) - Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, daß, wenn eine verbotene Diskriminierung festgestellt wird, die diskriminierte Gruppe, im vorliegenden Fall Männer, bis zum Erlaß einer gesetzlichen Regelung, Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung hat wie Angehörige der anderen Gruppe, im vorliegenden Fall Frauen, die sich in der gleichen Lage befinden: vgl. u. a. die Urteile vom 4. Dezember 1986, FNV, a. a. O., Randnr. 22, und vom 13. März 1991 (Cotter und McDermott, Slg. 1991, I-1155, Randnr. 18).

(13) - Daß bei Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit das wirksame und kohärente Funktionieren des in dem Mitgliedstaat bestehenden Systems zu berücksichtigen ist, hat der Gerichtshof kürzlich in den Urteilen vom 28. Januar 1992 in den Rechtssachen C-204/90 (Bachman, Slg. 1992, I-249) und C-300/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-305) für ein nationales Steuersystem bestätigt.