61990J0260

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 12. FEBRUAR 1992. - BERNARD LEPLAT GEGEN TERRITOIRE DE LA POLYNESIE FRANCAISE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DE PAIX DE PAPEETE (POLYNESIEN) - FRANKREICH. - UBERSEEISCHE LAENDER UND GEBIETE - ZOELLE UND ABGABEN GLEICHER WIRKUNG. - RECHTSSACHE C-260/90.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-00643


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


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Assoziierung der überseeischen Länder und Gebiete - Bestimmungen des EWG-Vertrags betreffend die auf Einfuhren aus den Mitgliedstaaten und den anderen Ländern und Gebieten erhobenen Zölle - Anwendung auf Abgaben gleicher Wirkung - Befugnis der Länder und Gebiete zur Erhebung von Einfuhrzöllen - Voraussetzungen - Schrittweise Herabsetzung der bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags bestehenden Zölle zur Vermeidung einer Diskriminierung je nach Herkunftsmitgliedstaat - Erreichung des Ziels - Auswirkung

(EWG-Vertrag, Artikel 133 Absätze 2, 3 und 5; Beschluß 64/349 des Rates)

Leitsätze


Die Bestimmungen des Artikels 133 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag betreffend die in den mit der Gemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten erfolgenden Einfuhren von Waren aus den Mitgliedstaaten und den anderen Ländern und Hoheitsgebieten gelten abgesehen von den darin ausdrücklich genannten Zöllen auch für Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle.

Die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete können solche Zölle und Abgaben - unabhängig davon, ob diese bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags bestanden - erheben, wenn die erhobenen Zölle oder Abgaben zum einen den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung entsprechen oder der Finanzierung ihres Haushalts dienen und wenn zum anderen die Festlegung oder Änderung solcher Zölle oder Abgaben nicht zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten führt; ausserdem ist die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 erwähnte Verpflichtung zur Herabsetzung zu beachten.

Die durch diese Bestimmung vorgesehene schrittweise Herabsetzung der bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags bestehenden Zölle und Abgaben auf den Stand der Sätze, die für die Einfuhr von Erzeugnissen aus dem Mitgliedstaat gelten, mit dem das betreffende Land oder Hoheitsgebiet besondere Beziehungen unterhält, war mit der Anwendung des Beschlusses 64/349 erreicht. Seitdem ist in bezug auf diese Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung jede Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten verboten.

Entscheidungsgründe


1 Das Tribunal de paix Papeete (Französisch-Polynesien) hat mit Urteil vom 20. August 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 133 EWG-Vertrag und der Gültigkeit des Beschlusses 86/283/EWG des Rates vom 30. Juni 1986 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 175, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Bernard Leplat und dem Hoheitsgebiet Französisch-Polynesien, in dem es um die Rückzahlung verschiedener Beträge geht, die der Kläger bei der Einfuhr eines aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Fahrzeugs in dieses Hoheitsgebiet entrichtet hat.

3 Aus den Akten ergibt sich, daß Herr Leplat am 26. Juli 1988 anläßlich der Einfuhr mehrere Beträge als Einfuhrsteuer, als Neue Solidaritätsabgabe für den sozialen Schutz, als Hafengebühr und als Statistikgebühr zu zahlen hatte.

4 Herr Leplat beantragte beim Tribunal de paix Papeete, das Hoheitsgebiet Französisch-Polynesien zur Rückzahlung dieser Beträge zuzueglich gesetzlicher Zinsen zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend, die von ihm gezahlten Abgaben und Gebühren stellten Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle dar, die von Artikel 133 EWG-Vertrag erfasst würden und nach den Umständen des vorliegenden Falles dieser Vorschrift zufolge verboten seien. Weiterhin machte er geltend, Artikel 74 des Beschlusses 86/283 habe nicht als Grundlage für die Erhebung der streitigen Abgaben und Gebühren dienen können, weil er mit dem Wortlaut von Artikel 133 des Vertrages nicht vereinbar sei.

5 Da das Gericht in Papeete der Auffassung war, daß die Entscheidung des Rechtsstreits zum einen von der Auslegung des Vertrages und zum anderen von der Gültigkeit des erwähnten Beschlusses abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Gelten die Bestimmungen des Artikels 133 Absätze 2 und 3 des Vertrages vom 25. März 1957 für Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Zölle?

2) Falls diese Frage bejaht wird: Können die mit der Gemeinschaft assoziierten überseeischen Länder und Hoheitsgebiete solche Abgaben bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erheben?

3) Falls diese Frage bejaht wird: Welche Verpflichtungen ergeben sich für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete aus dem in Artikel 133 Absatz 3 des Vertrages genannten Ziel der Senkung der Zölle?

4) Für den Fall der Verneinung: Sind die Beschlüsse des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, die diese ermächtigen, Zölle auf aus der Gemeinschaft eingeführte Erzeugnisse beizubehalten oder einzuführen, insbesondere Artikel 74 des Beschlusses 86/283 vom 30. Juni 1986, im Hinblick auf die Artikel 133 und 136 des Vertrages gültig?

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes

7 Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, das vom Tribunal de paix Papeete vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil dieses Gericht kein Gericht eines Mitgliedstaats sei.

8 Hierzu ist in Erinnerung zu rufen, daß nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-100/89 und C-101/89 (Käfer und Procacci, Slg. 1990, I-4647) ein Gericht von Französisch-Polynesien als Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne von Artikel 177 EWG-Vertrag anzusehen ist.

9 Der Gerichtshof kann somit über die vom Tribunal de paix Papeete vorgelegten Fragen im Wege der Vorabentscheidung befinden.

Zur Hauptsache

10 Zur Beantwortung der gestellten Fragen ist vorweg an die Rechtsnatur der im EWG-Vertrag für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete (im folgenden: ÜLHG) vorgesehenen Assoziierung zu erinnern. Für diese Assoziierung gilt eine besondere, im Vierten Teil des Vertrages (Artikel 131 bis 136) enthaltene Regelung, und es sind daher die allgemeinen Vertragsvorschriften ohne ausdrückliche Verweisung auf die ÜLHG nicht anwendbar. Gemäß Artikel 131 ist Zweck dieser Assoziierung "die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Länder und Hoheitsgebiete und die Herstellung enger Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihnen und der gesamten Gemeinschaft". Artikel 132 umschreibt die Ziele der Assoziierung und sieht insbesondere vor, daß die "Mitgliedstaaten ... auf ihren Handelsverkehr mit den Ländern und Hoheitsgebieten das System an[wenden], das sie aufgrund dieses Vertrages untereinander anwenden", während "jedes Land oder Hoheitsgebiet ... auf seinen Handelsverkehr mit den Mitgliedstaaten und den anderen Ländern und Hoheitsgebieten das System an[wendet], das es auf den europäischen Staat anwendet, mit dem es besondere Beziehungen unterhält". Gemäß Artikel 133 Absatz 1 sind die Einfuhren aus den ÜLHG in die Mitgliedstaaten vollständig von den Zöllen befreit. Absatz 2 dieses Artikels sieht vor, daß die ÜLHG die bei der Einfuhr von Waren aus den Mitgliedstaaten erhobenen Zölle schrittweise abschaffen. Nach Absatz 3 des Artikels können die Länder und Hoheitsgebiete allerdings Zölle erheben, die den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung entsprechen oder als Finanzzölle der Finanzierung ihres Haushalts dienen.

11 Schließlich sieht Artikel 136 Absatz 1 vor, daß die Einzelheiten und das Verfahren für die Assoziierung für einen Zeitabschnitt von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages in einem dem Vertrag beigefügten Durchführungsabkommen festgelegt werden. Absatz 2 dieses Artikels bestimmt, daß der Rat vor Ablauf der Geltungsdauer des in Absatz 1 genannten Abkommens aufgrund der erzielten Ergebnisse und der Grundsätze des Vertrages die Bestimmungen für einen neuen Zeitabschnitt festlegt. Aufgrund dieser Vorschrift hat der Rat eine Reihe von Beschlüssen gefasst, u. a. einen ersten Beschluß 64/349/EWG (ABl. 1964, Nr. 93, S. 1472) sowie den Beschluß 86/283, der zu der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Zeit in Kraft war.

Zur ersten Frage

12 Französisch-Polynesien, die niederländische Regierung und die französische Regierung sind der Auffassung, daß Artikel 133 nicht nur Zölle im engen Sinne erfasse, sondern auch Abgaben mit gleicher Wirkung wie solche Zölle.

13 Das Vereinigte Königreich und die Kommission vertreten dagegen den Standpunkt, Artikel 133 Absätze 2 und 3 gelte nur für Zölle im engen Sinne und nicht für Abgaben mit gleicher Wirkung. Sie führen dazu aus, wenn der Vertrag oder gegebenenfalls die Beschlüsse aufgrund von Artikel 136 des Vertrages Regelungen für Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle vorsähen, geschehe dies ausdrücklich, was jedoch in Artikel 133 nicht der Fall sei. Auch wenn dieser Artikel in Absatz 2 mehrere Vertragsbestimmungen erwähne, die sowohl Zölle als auch Abgaben gleicher Wirkung erfassten, so betreffe diese Verweisung die genannten Bestimmungen doch nur insoweit, als es um Zölle im engen Wortsinne gehe, die in Artikel 133 allein ausdrücklich erwähnt seien. Im übrigen sei die in Absatz 3 dieses Artikels enthaltene Bezugnahme auf die im Vertrag vorgesehenen Hundertsätze und die Zeitfolge der Herabsetzung nur sinnvoll, soweit es um Zölle im engen Wortsinne gehe, denn sie könne nur die in Artikel 14 des Vertrages vorgesehene Zeitfolge der Zollherabsetzungen im Auge haben, nicht dagegen die für die Abschaffung der Abgaben gleicher Wirkung geltende, die nicht im Vertrag selbst festgelegt sei, sondern in Richtlinien der Kommission gemäß Artikel 13 festgelegt werden müsse.

14 Der vom Vereinigten Königreich und von der Kommission vertretenen Ansicht kann nicht gefolgt werden.

15 Zunächst ist dem Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1973 in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73 (Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders, Slg. 1973, 1609, Randnrn. 10 und 13) zu entnehmen, daß ein Text, der sich auf Zölle bezieht, ohne ausdrücklich die Abgaben gleicher Wirkung zu erwähnen, nach seinem Zweck so verstanden werden kann, daß er auch die letzteren erfasst.

16 Weiter spricht die in Artikel 133 Absatz 2 enthaltene Verweisung auf die Artikel 12, 13, 14, 15 und 17 des Vertrages dafür, daß der Ausdruck "Zölle" in Artikel 133 Zölle und Abgaben gleicher Wirkung umfasst. In der Tat ist bemerkenswert, daß sich die genannten Artikel sowohl auf Zölle als auch auf Abgaben gleicher Wirkung beziehen, während in der Überschrift des Abschnitts, der diese Artikel enthält, nur von Zöllen die Rede ist. Der Umstand, daß die Zeitfolge für die Herabsetzung der Zölle, deren schrittweise Abschaffung in Artikel 13 vorgesehen ist, in Artikel 14 festgelegt wurde und daß die für Abgaben gleicher Wirkung maßgebende gemäß Artikel 13 in Richtlinien (und nicht in Artikel 14) festgelegt wird, ist für die Auslegung des Anwendungsbereichs von Artikel 133 ohne Bedeutung.

17 Schließlich bestimmt Artikel 133 im Rahmen der in Artikel 132 umschriebenen Ziele, was mit den Zöllen zu geschehen hat, indem er die vollständige Abschaffung der Zölle vorsieht, die für Einfuhren aus den ÜLHG in die Mitgliedstaaten gelten, während die ÜLHG unter bestimmten Umständen die Möglichkeit haben, Zölle auf Einfuhren aus den Mitgliedstaaten und anderen ÜLHG zu erheben.

18 Eine Auslegung des Artikels 133, die seinen Anwendungsbereich auf Zölle im engen Sinne beschränken würde, würde die in diesem Artikel enthaltene Regelung ihres Sinnes und ihrer Wirksamkeit berauben, da es dann möglich wäre, seine Anwendung durch die Einführung von Abgaben zu umgehen, die zwar keine Zölle im engen Sinne wären, die aber auf die Handelsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den ÜLHG die gleichen Auswirkungen hätten. Ausserdem stuende eine solche Auslegung nicht in Einklang mit den Zielen, die in dem Teil des Vertrages umschrieben sind, der sich auf die Assoziierung der ÜLHG bezieht.

19 Ferner ist hervorzuheben, daß nach Artikel 133 Absatz 1 die "Zölle bei der Einfuhr von Waren aus den Ländern und Hoheitsgebieten in die Mitgliedstaaten ... vollständig abgeschafft [werden]". Dies ist eine Konkretisierung des in Artikel 132 Absatz 1 umschriebenen Zieles, wonach die Mitgliedstaaten auf ihren Handelsverkehr mit den ÜLHG das System anwenden, das sie aufgrund des Vertrages untereinander anwenden. Sicher ist jedoch, daß die Mitgliedstaaten in ihrem Handelsverkehr weder Zölle noch Abgaben mit gleicher Wirkung einführen dürfen. Daraus folgt, daß die in Artikel 133 Absatz 1 enthaltene Bezugnahme auf Zölle, soll sie in Einklang mit der in Artikel 132 Absatz 1 umschriebenen Verpflichtung stehen, die Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle umfassen muß. Auch wenn die vorgelegte Frage Artikel 133 Absatz 1 nicht ausdrücklich erwähnt, so ist doch klar, daß der Ausdruck "Zölle" im Lichte des gesamten Artikels 133 definiert werden muß.

20 Auf die erste Frage ist also zu antworten, daß Artikel 133 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag auch für Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle gilt.

Zur zweiten Frage

21 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 1 von der Befugnis der ÜLHG zur Erhebung von Zöllen spricht, daß er aber nur solche erlaubt, die den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung entsprechen oder als Finanzzölle der Finanzierung ihres Haushalts dienen. Nicht genau angegeben ist in dieser Vorschrift, ob sich die Befugnis zur Erhebung dieser Zölle auf die Beibehaltung bestehender Zölle beschränkt oder ob sie auch die Einführung neuer Zölle gestattet.

22 Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 sieht vor, daß die in Unterabsatz 1 genannten Zölle schrittweise auf den Stand der Sätze gesenkt werden, die für die Einfuhr von Waren aus dem Mitgliedstaat gelten, mit dem das betreffende Land oder Hoheitsgebiet besondere Beziehungen unterhält, und zwar gemäß dem im Vertrag für die Herabsetzung vorgesehenen Hundertsatz und der dafür geltenden Zeitfolge.

23 Wie der Rat mit Recht hervorgehoben hat, betrifft Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 allein die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Zölle, was den Gedanken nahelegen könnte, daß der Anwendungsbereich von Absatz 1 entsprechend beschränkt sei.

24 Nach Artikel 133 Absatz 5 darf indessen die "Festlegung oder Änderung der Zollsätze für Waren, die in die Länder und Hoheitsgebiete eingeführt werden, ... weder rechtlich noch tatsächlich zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten führen". Damit wird die Befugnis der ÜLHG anerkannt, Zollsätze für eingeführte Waren festzulegen oder zu ändern. Diese Befugnis ist aber auf die Erhebung der Zölle beschränkt, die die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 1 erwähnten präzisen Kriterien erfuellen. Sieht man Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 133 Absatz 5, so ist also klar, daß er sich nicht nur auf die Beibehaltung bestehender Zölle bezieht, sondern auch auf die Einführung neuer Zölle.

25 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, für die der Vierte Teil des EWG-Vertrags gilt, auf Einfuhren aus den Mitgliedstaaten der EWG Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erheben können, wenn die erhobenen Zölle oder Abgaben zum einen den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung entsprechen oder der Finanzierung ihres Haushalts dienen und wenn zum anderen die Festlegung oder Änderung solcher Zölle oder Abgaben nicht zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten führt; ausserdem ist die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 erwähnte Verpflichtung zur Herabsetzung zu beachten.

Zur dritten Frage

26 Die dritte Frage bezieht sich auf die den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Vertrages auferlegte Verpflichtung zur Herabsetzung der Zölle.

27 Diesem Unterabsatz 2 zufolge, der sich auf die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Zollsätze bezieht, ging es darum, die Zölle schrittweise auf den Stand der Sätze zu senken, die für die Einfuhr von Erzeugnissen aus dem Mitgliedstaat gelten, mit dem das betreffende Land oder Hoheitsgebiet besondere Beziehungen unterhält.

28 Nach Artikel 2 Absatz 3 des Ratsbeschlusses 64/349, der gemäß Artikel 136 des Vertrages ergangen ist, dürfen die "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung wie diese Zölle, die in den Ländern und Gebieten nach Unterabsatz 2 erhoben werden, ... weder rechtlich noch tatsächlich unmittelbar oder mittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung der Mitgliedstaaten und der anderen Länder und Gebiete führen". Bei den in Unterabsatz 2 genannten Abgaben handelt es sich um "in jedem Land oder Gebiet ... beibehalten[e] oder eingeführt[e]" Abgaben.

29 Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften dürfen demnach die beibehaltenen Abgaben, d. h. die vor Inkrafttreten des Vertrages eingeführten Abgaben, von der Anwendung des Beschlusses 64/349 des Rates an nicht mehr zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung führen.

30 Daraus folgt, daß das in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 erwähnte Ziel der Herabsetzung mit der Anwendung des Beschlusses 64/349 erreicht war und daß folglich die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Zölle zu keinerlei Diskriminierung mehr führen dürfen.

31 Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, daß sich die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 festgelegte Verpflichtung zur Herabsetzung auf die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Zölle bezieht und daß von der Anwendung des Beschlusses 64/349 des Rates an in bezug auf diese Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung jede Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten verboten ist.

Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts

32 Da die vierte Frage nur für den Fall einer Verneinung der ersten Frage gestellt worden ist, braucht auf sie nicht eingegangen zu werden.

Kostenentscheidung


Kosten

33 Die Auslagen der Französischen Republik, des Königreichs der Niederlande, des Vereinigten Königreichs, des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Tribunal de paix Papeete (Französisch-Polynesien) mit Urteil vom 20. August 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 133 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag gilt auch für Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle.

2) Die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, für die der Vierte Teil des EWG-Vertrags gilt, können auf Einfuhren aus den Mitgliedstaaten der EWG Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erheben, wenn die erhobenen Zölle oder Abgaben zum einen den Erfordernissen ihrer Entwicklung und Industrialisierung entsprechen oder der Finanzierung ihres Haushalts dienen und wenn zum anderen die Festlegung oder Änderung solcher Zölle oder Abgaben nicht zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten führt; ausserdem ist die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 erwähnte Verpflichtung zur Herabsetzung zu beachten.

3) Die in Artikel 133 Absatz 3 Unterabsatz 2 festgelegte Verpflichtung zur Herabsetzung bezieht sich auf die bei Inkrafttreten des Vertrages bestehenden Zölle, und von der Anwendung des Beschlusses 64/349/EWG des Rates über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an ist in bezug auf diese Zölle oder Abgaben gleicher Wirkung jede Diskriminierung zwischen den Einfuhren aus den einzelnen Mitgliedstaaten verboten.