SCHLUßANTRÄGE DES RICHTERS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

HEINRICH KIRSCHNER

vom 21. Februar 1990 ( *1 )

Inhalt

 

A — Der Sachverhalt

 

B — Die Begründetheit der Klage

 

I — Vereinbarkeit der Anwendung von Artikel 86 mit der Freistellung

 

1) Die Rechtslage

 

a) Der Vertrag und seine Auslegung durch den Gerichtshof

 

b) Einzelfreistellung und Anwendung von Artikel 86

 

c) Gruppenfreistellung und Anwendung von Artikel 86

 

2) Der Erwerb der Patentlizenz als Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung

 

a) Die Elemente des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

 

b) Die Feststellung des Verstoßes in der angefochtenen Entscheidung

 

II — Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

1) Vorhersehbarkeit der Anwendung von Artikel 86

 

a) Vorhersehbarkeit trotz Gruppenfreistellung

 

b) Zusätzliche Rechtssicherheit durch die Möglichkeit des Negativattests

 

2) Beeinträchtigung eines im guten Glauben an die Freistellung begründeten Rechtsverhältnisses

 

III — Gefährdung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts

 

C — Schlußantrag

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. 

Nach Artikel 2 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 ( 1 ) hat ein zum Generalanwalt bestelltes Mitglied des Gerichts erster Instanz die Aufgabe, in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlußanträge öffentlich zu stellen, um das Gericht bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Mir ist der ehrenvolle Auftrag übertragen worden, die ersten Schlußanträge vor unserem Gericht vorzutragen. Ich werde mich bemühen, diese Aufgabe unparteiisch und gewissenhaft auszuüben, um das Plenum des Gerichts bei seiner ersten Entscheidung zu unterstützen. Angesichts der Bedeutung des Ihnen vorliegenden Falles habe ich mich entschlossen, meine Schlußanträge nicht schriftlich zu stellen, sondern sie Ihnen in dieser Sitzung vorzutragen.

A — Der Sachverhalt

Der Sachverhalt ist Ihnen bekannt; ich werde daher nur die wichtigsten tatsächlichen Punkte wiedergeben, soweit sie das Verständnis erleichtern oder zur Entscheidung der Rechtssache beitragen können.

2.

Die Klägerin, Tetra Pak Rausing SA, koordiniert von der Schweiz aus die Aktivitäten der Tetra-Pak-Gruppe. Gemeint ist wohl ein Konzern. Tetra produziert und vertreibt Kartons und Abfüllmaschinen für die Verpackung flüssiger Lebensmittel und ist weltweit führend auf diesem Gebiet. Das gilt besonders für die keimfreie Verpackung von Flüssigkeiten, vor allem von sogenannter UHT-behandelter Milch, da Tetra als eine der ersten Gesellschaften derartige Verfahren entwickelte und die entsprechenden Anlagen und Verpackungsmaterialien lieferte.

3.

In der EG hatte Tetra 1985 für aseptische Abfüllmaschinen einen Marktanteil von 91,8 % und für die dazugehörigen Kartons einen Marktanteil von 89,1 %. Die Kommission wirft Tetra vor, durch den Erwerb der ausschließlichen Lizenz an einem Patent für ein anderes Verfahren zur Sterilisierung von Kartons den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt für Anlagen und Material für die keimfreie Verpackung von Milch behindert und damit gegen Artikel 86 EWG-Vertrag ( 2 ) verstoßen zu haben. Tetra hält diesen Vorwurf für unbegründet, weil die Patentlizenz zu den aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2349/84 ( 3 ) freigestellten Vereinbarungen gehört. Um die Bedeutung des Erwerbs dieser Lizenz durch Tetra zu verdeutlichen, ist es angebracht, sich zunächst die technischen Besonderheiten der betroffenen Märkte zu vergegenwärtigen.

4.

Bei der UHT-Behandlung wird Milch kurz auf ca. 140 oC erhitzt und dadurch keimfrei gemacht. Unmittelbar danach wird sie unter streng aseptischen Bedingungen maschinell in Kartons gefüllt, die zuvor von der gleichen Maschine sterilisiert worden sind. Die nach diesem Verfahren behandelte Milch ist mehrere Monate lang haltbar, ohne daß sich, wie bei herkömmlichen Sterilisationsverfahren, ihr Geschmack erheblich verändert. Sind die keimfreien Bedingungen bei der Verpackung aber nicht vollständig gewährleistet, so besteht die Gefahr, daß das Produkt verdirbt und gesundheitsgefährlich wird.

5.

Die technischen Schranken des Zutritts zum Markt für aseptisch arbeitende Verpakkungsmaschinen sind hoch. Zwar ist die grundlegende Sterilisierungsmethode, die Tetra verwendet, inzwischen nicht mehr durch Patente geschützt, doch braucht man für die Herstellung von Maschinen, die die erforderliche Keimfreiheit gewährleisten, ein umfangreiches Know-how und große Erfahrung. Die Herstellung des Verpackungsmaterials ist technisch weniger schwierig, doch wird der Verkauf der Kartons in der Regel mit dem der Maschinen verbunden. Der Schlüssel für den Zugang zum Markt für diese Kartons liegt daher in der Fähigkeit, auch die entsprechenden Abfüllmaschinen zu liefern.

6.

UHT-behandelte Milch wird meist in ziegelsteinförmigen Kartons vertrieben. Die im Handel erhältlichen Abfüllmaschinen sterilisieren diese Kartons mit konzentriertem Wasserstoffperoxyd. Durch Hitze werden dessen Rückstände vor dem Abfüllen getrocknet und die Keimfreiheit der Kartons aufrechterhalten.

Bei dem von Tetra entwickelten Abfüllverfahren wird das Verpackungsmaterial in Rollen angeliefert und in flachem Zustand sterilisiert. Erst wenn die Milch eingefüllt wird, werden die Kartons geformt und an allen Seiten verschlossen. Das einzige andere in der Gemeinschaft kommerziell zur Verfügung stehende Verfahren, das von der Rheinmetall-Tochtergesellschaft PKL entwickelt wurde, verwendet dagegen vorgeformte Kartons. Gegenüber dem von Tetra entwickelten Verfahren hat dies den Nachteil, daß das Wasserstoffperoxyd in vorgeformten Kartons weniger leicht trocknet als auf einer glatten Fläche, so daß die Gefahr von Rückständen des Desinfektionsmittels größer ist.

7.

Diese Schwierigkeiten verringert das im Vereinigten Königreich entwickelte Sterilisationsverfahren, um dessen Lizenz es im vorliegenden Rechtsstreit geht. Es verstärkt durch den Einsatz ultravioletten Lichts die Wirkung des Wasserstoffperoxyds, so daß eine verdünnte Lösung des Mittels zur Desinfizierung ausreicht. Patente für dieses Verfahren, die im Jahre 2000 erlöschen werden, wurden in Irland, Spanien, Belgien und einigen Drittstaaten, z. B. in den USA, Kanada und Japan, erteilt. Patentanträge wurden in Italien und aufgrund des europäischen Patentübereinkommens für das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande sowie für Österreich, die Schweiz und Schweden gestellt. Inhaber der Patente war zunächst das britische National Research and Development Council (NRDC). Es erteilte mit Wirkung vom 27. August 1981 eine Lizenz für die Patente und das mit dem Verfahren verbundene Know-how an die Novus Corporation, die der amerikanischen Unternehmensgruppe Liquipak angehörte. Es handelte sich um eine ausschließliche Lizenz, die bis zum 27. August 1988 befristet war, jedoch unter dem Vorbehalt, daß sie nicht gegen Artikel 85 verstieß, verlängert werden konnte. Die Lizenzvereinbarung wurde gemäß der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2349/84 vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 freigestellt, nachdem diese Verordnung 1985 in Kraft getreten war.

8.

Liquipak ist auf die Herstellung von Abfüllanlagen für flüssige Lebensmittel spezialisiert. Schon vor dem Erwerb der Lizenz war Liquipak als Hersteller von Abfüllanlagen für frische (pasteurisierte) Milch in Kartons erfolgreich gewesen. Diese Anlagen müssen zwar auch hohen hygienischen Anforderungen genügen, anders als die Maschinen zum Verpacken von UHT-behandelter Milch brauchen sie aber keine völlige Keimfreiheit zu gewährleisten.

9.

Frischmilch wurde nach dem damaligen Stand der Technik meist in sogenannten „Giebeldachkartons“ vertrieben, die, anders als die von Tetra verwendeten ziegelsteinförmigen Kartons, ohne Hilfsmittel leicht zu öffnen sind. Nach dem Erwerb der Lizenz begann Liquipak damit, eine Maschine für das Abfüllen solcher Kartons unter keimfreien Bedingungen zu entwickeln. Ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Verpackung frischer Milch erlaubten es Liquipak indessen nicht, sogleich eine technisch zufriedenstellende, aseptische Abfüllmaschine herzustellen. Liquipak bemühte sich mehrere Jahre lang darum, eine solche Maschine zu produzieren. Sowohl für die dabei entwikkelten Geräte als auch für die entsprechenden Kartons wurden Liquipak Patente erteilt.

10.

Liquipak arbeitete bei der Entwicklung dieser Maschinen mit der aus Norwegen stammenden Elopak-Gruppe zusammen. Diese produziert und verkauft Kartons für die Verpackung von Nahrungsmitteln und vertreibt Abfüllanlagen. Ihre Tätigkeit konzentriert sich auf die Verpackung von Frischmilch in Giebeldachkartons. Ihr Hauptkonkurrent ist Tetra, deren Marktanteil bei Abfüllanlagen und Kartons für frische Milch etwa 50 % beträgt.

Elopak war für die EWG Alleinvertreiber der Anlagen von Liquipak, nämlich der für die Abfüllung frischer Milch hergestellten Anlagen und der noch zu entwickelnden Maschinen zum sterilen Abfüllen von UHT-behandelter Milch. Elopak unterstützte Liquipak insbesondere dadurch, daß sie bei verschiedenen Molkereien versuchsweise die von Liquipak entwickelte aspetische Verpakkungsmaschine installierte und die entsprechenden Kartons umsonst oder gegen geringes Entgelt zur Verfügung stellte. Elopak behauptet, daß diese Anstrengungen im Jahre 1986 bereits eine Maschine hervorgebracht hatten, die für den kommerziellen Vertrieb geeignet war. Dies bestreitet die Klägerin.

11.

Im Jahre 1986 erwarb Tetra die Liqui-pak-Gruppe und damit die streitige ausschließliche Lizenz. Die British Technology Group als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Lizenzgebers National Research and Development Council erhob keine Einwände gegen den Übergang der Lizenz auf Tetra.

Nach der Ankündigung der Übernahme von Liquipak durch Tetra stellte Elopak ihre Unterstützung bei der Erprobung der neuentwickelten Maschine ein und beantragte bei der Kommission die Feststellung, daß Tetra gegen die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag verstoßen habe.

12.

Nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte durch die Kommission im März 1987 und der Anhörung vom 25. Juli 1987 verzichtete Tetra auf die Ausschließlichkeit der Lizenz. Obwohl die Verletzung der Wettbewerbsregeln nach Auffassung der Kommission damit abgestellt war, hielt die Kommission es vor allem zur Klarstellung der Rechtslage für erforderlich, das Verfahren durch eine Entscheidung zu beenden. Angesichts der verhältnismäßig neuartigen Fallgestaltung sah sie indessen davon ab, eine Geldbuße zu verhängen.

13.

Am 26. Juli 1988 hat die Kommission daher die angegriffene Entscheidung erlassen ( 4 ), deren Tenor in seinem entscheidenden Artikel 1 lautet:

„Der Erwerb der Ausschließlichkeit der am 27. August 1981 zwischen dem NRDC und Novus Corp. abgeschlossenen Lizenz durch Tetra Pak Rausing SA durch den Kauf des Liquipak Konzerns stellt, insoweit als dieser Erwerb Auswirkungen innerhalb der EWG hat, vom Zeitpunkt des Erwerbs bis zum Verzicht auf diese Ausschließlichkeit einen Verstoß gegen Artikel 86 dar.“

Die Kommission behielt sich ausdrücklich vor, das umfassende Geschäftsverhalten der Klägerin auf den Märkten für Milchkartons (sowohl für Frischmilchabfüllung als auch für aseptische Abfüllung) und Verpackungsmaschinen (für die genannten Abfüllarten) weiter nachzuprüfen, um festzustellen, ob die Klägerin weitere Verstöße gegen Artikel 85 oder Artikel 86 begangen hat.

Auf die tatsächlichen Feststellungen, mit denen die Kommission ihre Entscheidung begründet hat, werde ich, um Wiederholungen zu vermeiden, erst bei meiner Prüfung der Rechtslage eingehen.

14.

Am 11. November 1988 hat Tetra Pak Klage gegen die Entscheidung der Kommission vor dem Gerichtshof erhoben. Dieser hat die Rechtssache nach Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 durch Beschluß vom 15. November 1989 bindend an unser Gericht verwiesen, so daß sich, wie schon hier gesagt werden soll, Ausführungen zur Zuständigkeit des Gerichts erübrigen.

Die Klägerin stützt ihren Antrag, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären, auf eine Verletzung der Artikel 85 und 86. Sie beruft sich auf drei Argumente: Es sei logisch ausgeschlossen, daß ein aufgrund von Artikel 85 Absatz 3 erlaubtes Verhalten nach Artikel 86 verboten werden könnte. Dies verstoße ferner gegen das Prinzip der Rechtssicherheit und gefährde die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Kommission und die nationalen Gerichte. Die Kommission ist diesen Ausführungen entgegengetreten. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im schriftlichen Verfahren nehme ich auf den Sitzungsbericht Bezug, um den Übersetzungsdiensten doppelte Arbeit zu ersparen. Zu den zusätzlichen Erläuterungen der Parteien im mündlichen Verfahren werde ich im jeweiligen Zusammenhang meiner Rechtsausführungen Stellung nehmen.

B — Die Begründetheit der Klage

15.

Die Begründetheit der Klage hängt davon ab, ob die Kommission den Erwerb der ausschließlichen Lizenz durch die Klägerin zu Recht als Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 angesehen hat, obwohl die Patentlizenzvereinbarung zu den nach der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2349/84 freigestellten Vereinbarungen gehörte.

Die Klägerin rügt, daß die Anwendung von Artikel 86 auf ihr Verhalten sowohl diese Vorschrift als auch Artikel 85 verletze. Zu den drei Argumenten, auf die sie sich dabei stützt, werde ich nacheinander Stellung nehmen.

I — Vereinbarkeit der Anwendung von Artikel 86 mit der Freistellung

16.

Die Klägerin hat in der Klageschrift ausgeführt, es sei logisch ausgeschlossen, daß Artikel 86 auf ein Verhalten angewendet werden könne, welches auf der Grundlage von Artikel 85 Absatz 3 ausdrücklich erlaubt sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie dieses Argument dahin ergänzt, daß unter Berücksichtigung der Urteile in den Rechtssachen Ahmed Saeed und Hoff-mann-La Roche der Abschluß der Vereinbarung, die durch eine Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt sei, allein keinen Verstoß gegen Artikel 86 darstelle. Es müsse vielmehr als zusätzliches Element hinzukommen, daß das marktbeherrschende Unternehmen dem anderen Vertragspartner die Vereinbarung aufgezwungen habe. Diese Ergänzung eines Arguments ist bei unverändertem Klagegrund (Verletzung der Artikel 85 und 86) zulässig.

17.

Ich werde daher das Argument in zwei Abschnitten untersuchen. Zunächst erscheint es mir notwendig, die rechtlichen Ausführungen in der Klageschrift zu prüfen, ob es also logisch ausgeschlossen (und damit rechtsfehlerhaft) ist, Artikel 86 auf ein freigestelltes Verhalten anzuwenden. Hierzu werde ich in drei Stufen vorgehen.

Nach einer ersten Analyse der Vertragsbestimmungen und der Rechtsprechung des Gerichtshofes soll in einer zweiten Stufe geprüft werden, ob das abgeleitete Recht Aussagen zum Verhältnis zwischen einer Einzelfreistellung und Artikel 86 trifft. Ich halte diese Prüfung für notwendig, obwohl es in dem Ihnen zur Entscheidung vorliegenden Fall um eine Gruppenfreistellung und nicht um eine Einzelfreistellung geht. Auch die Rechtslage im Bereich der Einzelfreistellung kann Ihnen nämlich Hinweise für die Auswirkungen einer Gruppenfreistellung geben; nur bei einer Gesamtschau läßt sich das Zusammenwirken der Artikel 85 und 86 sicher erschließen. Erst auf einer dritten Stufe werde ich sodann untersuchen, ob und welche Aussagen das abgeleitete Recht für das Verhältnis zwischen einer Gruppenfreistellung und Artikel 86 enthält.

Sollte sich ergeben, daß eine Gruppenfreistellung keine Sperre für die gleichzeitige Anwendung des Artikels 86 darstellt, dann stellt sich die zweite Frage, ob Artikel 86 jedenfalls nur dann anwendbar ist, wenn ein zusätzliches Element im Sinne der Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gegeben ist.

1) Die Rechtskge

a) Der Vertrag und seine Auslegung durch den Gerichtshof

18.

Ich beginne mit der einfachen, aber trotzdem notwendigen Feststellung, daß die Möglichkeit der Freistellung ausdrücklich nur vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach Artikel 85 Absatz 1, nicht aber vom Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Artikel 86 vorgesehen ist. Dem entspricht die systematische Stellung dieser Bestimmung, die sich als Absatz 3 im Artikel 85 findet und nicht anstelle von Artikel 87 auf die beiden Verbotsnormen folgt. Gerade dies müßte man aber erwarten, wenn die Autoren des Vertrages einer Freistellung nicht nur Wirkungen auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1, sondern auch auf das Mißbrauchsverbot des Artikels 86 hätten einräumen wollen. Daß sie das nicht getan haben, erklärt sich aus der unterschiedlichen Struktur beider Tatbestände.

Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1 gilt auf allen Märkten und für alle Unternehmen. Es ist so allgemein formuliert, daß es zahlreiche Vereinbarungen erfaßt, die wirtschaftlich sinnvoll sind und gegen die wegen ihrer günstigen Auswirkungen keine Bedenken bestehen. Wegen dieses weiten Anwendungsbereichs bedarf das Verbot einer Korrektur, die von manchen Autoren mit der „rule of reason“ im Antitrustrecht der USA verglichen wird.

19.

Lassen Sie mich anläßlich dieses Stichworts eine Bemerkung zum Rückgriff auf die Konzepte und Argumente des amerikanischen Antitrustrechts einfügen. Den Diskussionen, die jenseits des Atlantiks geführt werden, und den Lösungen, die die Rechtsprechung dort findet, lassen sich vielfach wertvolle Anregungen für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts entnehmen. Indessen ist bei der Übertragung von Begriffen und Theorien aus der einen Rechtsordnung in die andere Vorsicht geboten. Zwischen den Tatbeständen des US-amerikanischen Rechts und des Gemeinschaftsrechts bestehen erhebliche Unterschiede, so daß nicht jedes Problem, dem das eine System gegenübersteht, in der anderen Rechtsordnung seine Entsprechung findet. Das gilt auch für die Frage, ob Artikel 86 auf ein nach Artikel 85 Absatz 3 freigestelltes Verfahren angewendet werden kann. Auf vergleichende Ausführungen zum US-amerikanischen Recht werde ich deshalb im Rahmen dieser Schlußanträge verzichten.

20.

Wenden wir uns wieder der Analyse von Artikel 85 zu. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1 erfährt seine notwendige Einschränkung durch Artikel 85 Absatz 3. Erst aus dem Zusammenwirken beider Vorschriften ergibt sich, welche Vereinbarungen das Gemeinschaftsrecht toleriert und welche nicht ( 5 ).

Vollständig anders ist Artikel 86 strukturiert. Er gilt nicht für alle Märkte, sondern nur für solche, auf denen eines oder mehrere Unternehmen eine beherrschende Stellung innehaben. Sein Verbot richtet sich nur an diese Marktbeherrscher, nicht aber an andere Unternehmen. Schon dies schränkt den Geltungsbereich von Artikel 86 im Vergleich zu Artikel 85 stark ein. Hinzu kommt, daß Artikel 86 nur mißbräuchliches Verhalten verbietet. Damit dürfte ausgeschlossen sein, daß das Verbot ein Verhalten erfaßt, welches die Wettbewerbsordnung der Gemeinschaften als wirtschaftlich vorteilhaft akzeptiert. Einer Einschränkung des Anwendungsbereichs von Artikel 86 im Sinne einer „rule of reason“ bedarf es deshalb nicht.

21.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten, daß — wie bei Artikel 85 — auch die Prüfung einer Anwendung des Artikels 86 in zwei Stufen zu erfolgen habe. Aus dem Urteil United Brands ( 6 ) ergebe sich, daß zunächst zu prüfen sei, ob — prima vista — ein Mißbrauch vorliege, und dann, ob dieser objektiv gerechtfertigt sei. So sei auch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung verfahren. Dieses Vorbringen der Klägerin verkennt, daß die Prüfung einer gesondert normierten Freistellungsmöglichkeit etwas anderes darstellt als die Prüfung einzelner objektiver Elemente im Rahmen des Verbotstatbestandes selbst. In Artikel 86 kann eben kein Erlaubnistatbestand hineininterpretiert werden.

22.

Artikel 86 unterscheidet sich von Artikel 85 ferner darin, daß sein Tatbestand auch durch das einseitige Verhalten eines einzelnen Unternehmens erfüllt werden kann. Artikel 85 erfaßt ein derartiges Verhalten nicht. Es darf deshalb von nicht marktbeherrschenden Unternehmen praktiziert werden, ohne daß das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft dem entgegensteht. Das zeigt, daß der Marktbeherrscher, verglichen mit anderen Unternehmen, strengere Regeln respektieren und weitergehende Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit hinnehmen muß.

Wollte man nach Artikel 85 Absatz 3 freigestellte Vereinbarungen von der Anwendung des Artikels 86 ausnehmen, so ergäbe sich die merkwürdige Situation, daß Artikel 86 dem Marktbeherrscher zwar gegebenenfalls ein Verhalten verbietet, das kleineren Unternehmen ohne jede Einschränkung durch das Wettbewerbsrecht freisteht, daß ihm aber ein Verhalten nicht verboten werden könnte, welches schon unter normalen Marktverhältnissen wegen seiner Gefährlichkeit für den Wettbewerb einer Kontrolle unterworfen und nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wird.

23.

Die dargestellten Unterschiede in der Struktur der beiden Vorschriften sind auch ökonomisch sinnvoll. Artikel 85 gilt für das Verhalten aller Unternehmen unter normalen Wettbewerbsbedingungen und verbietet ihnen, den funktionsfähigen Wettbewerb durch bestimmte Verhaltensweisen, nämlich Vereinbarungen oder abgestimmtes Verhalten, zu stören. Artikel 86 schützt dagegen den durch die Marktbeherrschung schon geschwächten Wettbewerb vor weiteren Beeinträchtigungen ( 7 ). Eine Erlaubnis für ein Verhalten, das sich als Mißbrauch darstellt und diesen Restwettbewerb noch weiter einschränkt, ist deshalb kaum vorstellbar. Vielmehr sind, um den Restwettbewerb zu erhalten, Eingriffe der Kartellbehörden angemessen, die über die in einem nicht beherrschten Markt nötigen und zulässigen Maßnahmen hinausgehen.

24.

Die Klägerin meint allerdings, die Anwendung von Artikel 86 auf ein nach Artikel 85 freigestelltes Verhalten widerspreche dem Urteil des Gerichtshofes im Fall Continental Can ( 8 ), dem zufolge die Artikel 85 und 86 nicht in einander widersprechendem Sinne ausgelegt werden dürfen, da sie der Verwirklichung desselben Zieles dienen.

Dem ist zu entgegnen, daß das gemeinsame Ziel beider Vorschriften, wie es in Artikel 3 f des Vertrages vorgegeben ist, darin besteht, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt. Beide Vorschriften sind deshalb so auszulegen, daß sie dieses Ziel erreichen. Hierfür kann es genügen, daß nur eine Vorschrift angewendet wird.

25.

Wortlaut und Zusammenhang der Wettbewerbsregeln des Vertrages sprechen deshalb dafür, daß Artikel 86 auch auf ein Verhalten anwendbar sein soll, das nach Artikel 85 Absatz 3 vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 freigestellt ist.

26.

Auch im Verhältnis zu anderen Verboten des EWG-Vertrages bestätigt sich, daß die Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 allein vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 befreit. Das gilt etwa für Vereinbarungen, die eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bewirken. Hier schließt Artikel 7 die Freistellung aus ( 9 ). Ebensowenig macht die Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 ein Verhalten zulässig, das gegen Artikel 36 Satz 2 verstößt. Ein solches Verhalten könnte daher trotz der Freistellung von den Beteiligten nicht durchgesetzt werden.

27.

Dieses aus der Untersuchung des Vertragstextes gewonnene Ergebnis werde ich nunmehr anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes überprüfen.

28.

Schon in einem Urteil vom 20. März 1957 befaßte sich der Gerichtshof mit dem Verhältnis des Kartellverbots in Artikel 65 EGKS-Vertrag mit anderen Verbotsnormen dieses Vertrages, in concreto mit dem Diskriminierungsverbot des Artikels 4 b. Die Kläger in diesem Fall hatten nach Artikel 65 § 2 EGKS-Vertrag die Genehmigung der Handelsregelung einer der Verkaufsgesellschaften des Ruhrkohlenbergbaus beantragt. Die Hohe Behörde hatte dem Antrag weitgehend stattgegeben, jedoch einige Klauseln der Regelung verworfen und sich zur Begründung darauf berufen, daß sie sowohl gegen Artikel 65 § 2 als auch gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 4 b EGKS-Vertrag verstießen. Die Kläger hielten Artikel 65 für eine Spezialregelung, die die Anwendung von Artikel 4 b auf denselben Sachverhalt nicht zuließe. Der Gerichtshof entschied dagegen, dem Antrag des Generalanwalts Roemer entsprechend, daß die Hohe Behörde die streitige Regelung zu Recht an beiden Verbotsnormen gemessen habe ( 10 ).

29.

Zum Verhältnis der Artikel 85 und 86 bestätigt die Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß es sich zwar um verschiedene Tatbestände handelt, daß aber Überschneidungen zwischen ihnen möglich sind. Die ersten Ausführungen finden wir in dem Urteil, mit dem der Gerichtshof im Jahre 1966 die Klage der italienischen Regierung auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 19/65/EWG ( 11 ) abgewiesen hat. Mit dieser Verordnung hat der Rat bekanntlich die Kommission zum Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen für Alleinvertriebs-, Alleinbezugs- und Lizenzverträge ermächtigt. Die Klägerin brachte als dritten Klagegrund vor, solche vertikalen Vereinbarungen könnten nicht an Artikel 85, sondern nur an Artikel 86 gemessen werden. Durch die Anwendung von Artikel 85 setze die Verordnung zu Unrecht voraus, daß Artikel 86 für solche Vereinbarungen nicht gelte, und verletze daher diese Bestimmung. Der Gerichtshof verwarf ausdrücklich die Auffassung, nach der den Artikeln 85 und 86 „je nach der wirtschaftlichen Funktion der beteiligten Unternehmen ein ... gesonderter Anwendungsbereich zugewiesen wäre“. Vielmehr stellte der Gerichtshof fest, und hier zitiere ich die deutlichere französische Fassung der Urteilsgründe:

„... que chacun des articles 85 et 86, répondant ainsi à des objectifs propres, est indifféremment applicable à divers types d'accords, dès lors que sont réunies les conditions spéciales de l'un ou de l'autre de ces articles“ ( 12 ).

Die gleichzeitige Anwendbarkeit der Artikel 85 und 86 hat der Gerichtshof seitdem mehrfach bestätigt. So führt er im Fall Hoffmann-La Roche aus ( 13 ), daß die Anwendung von Artikel 86 nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens unter Artikel 85 und insbesondere unter dessen Absatz 3 fällt. Zuletzt hat der Gerichtshof sich in den Urteilen Ahmed Saeed ( 14 ) und Ministère public/Tournier ( 15 ) aus dem vergangenen Jahr nochmals eindeutig dazu bekannt, daß die Artikel 85 und 86 nebeneinander angewendet werden können, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen wettbewerbsbeschränkende Verträge abschließt. Im Fall Ahmed Saeed führte der Gerichtshof als Beispiel für einen Mißbrauch an, daß das marktbeherrschende Unternehmen seinen Vertragspartnern unangemessene Luftverkehrstarife aufzwingt. Im zweiten Fall machte er keine Ausführungen zum Verhältnis zwischen den Artikeln 85 und 86, sondern ging von ihrer parallelen Anwendbarkeit als selbstverständlich aus. Auf die Vorlagefrage eines französischen Gerichts hin prüfte er die Voraussetzungen der Verletzung beider Vorschriften durch dasselbe Verhalten, nämlich durch die Tarifgestaltung der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM.

30.

Die Urteile Continental Can und Züchner besagen vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nichts anderes. Im Fall Continental Can hat der Gerichtshof nicht ausgeschlossen, daß Artikel 86 auf vertragliche Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Unternehmens angewendet wird ( 16 ), und aus seinem obiter dictum im Fall Züchner, nur Artikel 85, nicht Artikel 86 erfasse aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen ( 17 ), sollten keine grundsätzlichen Schlüsse auf die Tragweite von Artikel 86 gezogen werden.

31.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt weiterhin, daß eine mit Artikel 85 Absatz 3 vergleichbare Befreiung vom Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ausgeschlossen ist. Bereits im Urteil Continental Can hat der Gerichtshof auf den Gegensatz zwischen den Artikeln 85 und 86 hingewiesen, der darin liegt, daß das Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, anders als Artikel 85 durch seinen Absatz 3, keine Ausnahme kennt ( 18 ). Daß dies keine beliebige Entscheidung der Autoren des Vertrages ist, sondern notwendig aus dem System des Gemeinschaftsrechts folgt, hat Generalanwalt Lenz im Fall Ahmed Saeed deutlich ausgesprochen. Ich zitiere: „Mißbrauch ist nicht genehmigungsfähig, jedenfalls nicht in einem Gemeinwesen, das die Herrschaft des Rechts als obersten Grundsatz anerkennt“ ( 19 ).

Folgerichtig hat der Gerichtshof im Fall Hoffmann-La Roche der Kommission die Befugnis zuerkannt, ein Verfahren wahlweise nach Artikel 85 oder nach Artikel 86 durchzuführen ( 20 ), wenn die Voraussetzungen beider Bestimmungen vorliegen.

32.

Eine Freistellung vom Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ist schließlich auch aus Gründen der Normenhierarchie unmöglich. Der Kommission kann es nicht zustehen, „durch eine Freistellungserklärung nach Artikel 85 Absatz 3, also durch eine Maßnahme des abgeleiteten Rechts, den betreffenden Unternehmen zu erlauben, gegen Artikel 86, also gegen eine Vorschrift der Gründungsverträge, zu verstoßen“ ( 21 ).

33.

Als Ergebnis dieser Untersuchung der Rechtsprechung des Gerichtshofes läßt sich festhalten, daß sie einer Anwendung des Artikels 86 auch auf nach Artikel 85 Absatz 3 freigestellte Vereinbarungen nicht entgegensteht. Sie enthält im Gegenteil Elemente, die eine solche Auslegung des Vertrages nahelegen, wenn nicht sogar gebieten.

b) Einzelfreistellung und Anwendung von Artikel 86

34.

Wenden wir uns nunmehr der Frage zu, wie das abgeleitete Gemeinschaftsrecht das Verhältnis der Freistellung vom Kartellverbot zum Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung geregelt hat. Vorausgeschickt sei, daß das abgeleitete Recht selbstverständlich nichts an der Regelung des EWG-Vertrages ändern kann, sondern stets an ihr gemessen werden muß ( 22 ). Dennoch ist die Auslegung, die der Gesetzgeber der Gemeinschaft dem Vertrag zu einer darin nicht ausdrücklich geregelten Frage gibt, ein wichtiges Indiz dafür, wie die Bestimmung zu verstehen ist. Der Vertrag selbst ermächtigt den Gesetzgeber in Artikel 87 dazu, die Vorschriften zu erlassen, die zur Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 niedergelegten Grundsätze nötig sind. Der Gesetzgeber darf deshalb den Inhalt des Vertrages hier auch konkretisieren und, soweit er Fragen offenläßt, ergänzen. An diese Ergänzungen sind die Gerichte der Gemeinschaft gebunden, soweit sie sich im Rahmen des Vertrages halten. Der Gerichtshof hat daher im Urteil Ahmed Saeed die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages ebenfalls unter Beachtung des abgeleiteten Rechts geprüft ( 23 ).

Lassen Sie uns mithin zunächst die Verordnung Nr. 17 ( 24 ) und die Verordnungen zur Anwendung der Wettbewerbsregeln im Bereich des Verkehrs darauf untersuchen, ob sie etwas zu der Anwendung von Artikel 86 auf ein durch Einzelentscheidung freigestelltes Verhalten aussagen.

35.

aa)

Die Verordnung Nr. 17 enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, wie sich die Freistellung einer Vereinbarung auf die Anwendbarkeit von Artikel 86 auf das Verhalten der beteiligten Unternehmen auswirkt. Ihr lassen sich aber einige Indizien zu dieser Frage entnehmen.

36.

In der Zuständigkeitsregelung des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung wird in Anlehnung an Artikel 85 Absatz 3 die Freistellungsentscheidung allein auf Artikel 85 Absatz 1, nicht auf Artikel 86 bezogen. Das ist ein erstes Indiz. Auf die weiteren Auswirkungen dieser Vorschrift werde ich bei der Behandlung des dritten Arguments der Klägerin eingehen.

37.

Zweites Indiz: Zum Inhalt der Freistellungsentscheidung trifft Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung eine Aussage. Die Freistellung ist für eine bestimmte Zeit abzugeben und kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Die zwingend vorgesehene Befristung und die Möglichkeit von Bedingungen zeigen, daß die Freistellungsentscheidung eine begrenzte Einschränkung des Wettbewerbs erlaubt, nämlich begrenzt durch den Zweck der Wettbewerbsbeschränkung, durch den Grad ihrer Wirkung auf den Wettbewerb und durch ihre Dauer. Während sich die Einschränkung des Wettbewerbs durch eine Vereinbarung in dieser Weise eingrenzen läßt, ist das bei der Einschränkung des Wettbewerbs durch eine marktbeherrschende Stellung nicht der Fall: Weder der Zweck noch der Grad einer derartigen Wettbewerbsbeschränkung, noch ihre Dauer sind einer Regelung zugänglich ( 25 ), solange man nicht die Marktbeherrschung als solche verbietet. Anders als Artikel 85 regelt Artikel 86 nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Wettbewerbsbeschränkung zulässig ist, sondern die Folgen einer schon bestehenden Beschränkung, indem er das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens einer Kontrolle unterwirft. Diese Unterschiede zwischen beiden Bestimmungen zeigen erneut, daß die Regelung der Freistellung vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 auf den Fall des Artikels 86 nicht paßt. Man darf einer nach Zweck, Wirkung und Dauer begrenzten Erlaubnis einer Vereinbarung nach Artikel 85 Absatz 3 nicht die Wirkung zuerkennen, die viel umfassendere Wettbewerbsbeeinträchtigung, die aus der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens folgt, etwa auf drei Jahre(!) der Kontrolle nach Artikel 86 zu entziehen.

38.

Drittes Indiz: Artikel 8 Absatz 3 d der Verordnung Nr. 17 sieht die rückwirkende Entziehung der Freistellung vor, wenn die beteiligten Unternehmen sie mißbrauchen. Den Parteien einer erlaubten wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung ist damit der Mißbrauch dieser Wettbewerbsbeschränkung ebenso verboten wie dem Marktbeherrscher der Mißbrauch seiner Stellung. Sie sehen die Parallele zwischen der Wettbewerbsbeschränkung durch eine nach Artikel 85 Absatz 3 freigestellte Vereinbarung und der Wettbewerbsbeschränkung durch das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung: Beide sind als solche zulässig, doch darf man sie nicht mißbrauchen. Artikel 8 Absatz 3 d der Verordnung zeigt damit, daß die Einzelfreistellung ein mißbräuchliches Verhalten nicht rechtfertigen kann. Zwar spricht er das nur für den Mißbrauch der Freistellung vom Kartellverbot ausdrücklich aus. Das ist aber dadurch erklärlich, daß er nur die Rechtsfolgen dieses Mißbrauchs regelt. Daraus, daß die Auswirkungen des Mißbrauchs der Freistellung auf den Fortbestand der Freistellungsentscheidung einer eigenen Regelung bedurften, läßt sich nicht folgern, daß Artikel 8 der Verordnung Nr. 17 Maßnahmen der Kommission nach den Artikeln 3 und 15 dieser Verordnung gegen den besonders gefährlichen Mißbrauch des Artikels 86 ausschließen soll.

39.

Eine indirekte Regelung der Anwendung von Artikel 86 während des Freistellungsverfahrens enthält schließlich — viertes Indiz — Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17. Ist eine Vereinbarung nach Artikel 4 der Verordnung angemeldet, so kann das angemeldete Verhalten weder wegen eines Verstoßes gegen Artikel 85 Absatz 1 noch wegen eines Verstoßes gegen Artikel 86 mit einer Geldbuße geahndet werden. Daraus folgt aber, daß Artikel 86 im übrigen während des Freistellungsverfahrens anwendbar bleibt, also in dieses Verfahren hineinwirken kann, und nur die Sanktionsbefugnis der Kommission durch eine besondere Vorschrift eingeschränkt wird.

40.

Keine Regelung der Anwendung von Artikel 86 enthält die Verordnung Nr. 17 dagegen für die Zeit nach einer Freistellungsentscheidung. Im allgemeinen kann sich das Problem der Anwendung von Artikel 86 in dieser Situation nicht mehr stellen, denn eine Vereinbarung, die die Freistellungsvoraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 erfüllt, kann nicht zugleich als mißbräuchlich im Sinne von Artikel 86 angesehen werden. Die Kommission muß vor der Erteilung einer Freistellung an ein marktbeherrschendes Unternehmen alle Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 prüfen, also insbesondere die Beteiligung der Verbraucher am Kartellgewinn, die Verhältnismäßigkeit der auferlegten Beschränkungen und die Beibehaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil „der betreffenden Waren“. Wenn die Kommission hiernach für eine bestimmte Vereinbarung zu einem positiven Ergebnis — der Freistellung — gelangt, kann sie dieselbe Vereinbarung wohl kaum im Rahmen eines zweiten Verfahrens wegen eines Verstoßes gegen Artikel 86 als mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung qualifizieren. Hier, bei der Einzelfreistellung, dürfte die These der Klägerin von der notwendigen Widerspruchsfreiheit bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts teilweise zutreffen. Es liegt nahe, einer Freistellungsentscheidung der Kommission zugunsten eines marktbeherrschenden Unternehmens in bezug auf Artikel 86 ähnliche Wirkungen beizulegen wie einem Negativattest ( 26 ), das zwar die Kommission, nicht aber nationale Gerichte bindet ( 27 ).

41.

Erwirbt eine Partei einer freigestellten Vereinbarung allerdings erst nachträglich eine marktbeherrschende Stellung oder tritt ein marktbeherrschendes Unternehmen nachträglich in die freigestellte Vereinbarung ein, so kann die Prüfung der Kommission anläßlich der Freistellung nicht die Frage umfaßt haben, ob die Vereinbarung auch unter diesen Marktverhältnissen die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 erfüllt. Artikel 8 Absatz 3 a der Verordnung Nr. 17 gibt der Kommission — auch — wegen dieser Änderung der tatsächlichen Verhältnisse die Möglichkeit, ex nunc erneut zu prüfen, ob die Ausnahme vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 noch gerechtfertigt ist ( 28 ). Da die Kommission in diesem Fall bei ihrer Prüfung nach Artikel 85 Absatz 3 der marktbeherrschenden Stellung noch nicht Rechnung tragen konnte, wird man der Freistellung hier jedoch keine Selbstbindungswirkung zuerkennen können. Ein Hindernis für die Anwendung von Artikel 86 durch eine Abstellungsentscheidung der Kommission stellt sie deshalb nicht dar.

42.

bb)

Ich komme nun zu den drei Verordnungen über die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Bereich des Verkehrs ( 29 ).

Die drei Verordnungen führen neben der Einzelfreistellung durch rechtsgestaltende Entscheidung der Kommission ein vereinfachtes Verfahren, das sogenannte Widerspruchsverfahren, ein ( 30 ). In diesem Verfahren stellen die an einer Wettbewerbsbeschränkung beteiligten Unternehmen bei der Kommission einen Antrag auf Freistellung, der im Amtsblatt veröffentlicht wird. Binnen 30 Tagen können betroffene Dritte zu diesem Antrag Stellung nehmen. Die Kommission hat nach der Veröffentlichung 90 Tage Zeit, ein förmliches Freistellungsverfahren einzuleiten, in dem sie den Antragstellern mitteilt, daß erhebliche Zweifel an der Möglichkeit zur Freistellung bestehen. Unterläßt sie dies, so tritt eine befristete Freistellung ein, die die Kommission indessen jederzeit entziehen kann, wenn sich erweist, daß ihre Voraussetzungen nicht gegeben sind.

43.

Eine ausdrückliche Regelung, die sich auf das Verhältnis zwischen dieser Einzelfreistellung und Artikel 86 bezieht, enthält nur die jüngste der drei Verordnungen, die Wettbewerbsverordnung für den Luftverkehr (EWG) Nr. 3975/87. Ihr Artikel 5 Absatz 3 bestimmt, daß die im Widerspruchsverfahren erwirkte Freistellung rückwirkend entzogen werden kann, wenn „die Beteiligten unrichtige Angaben gemacht haben, eine Freistellung von Artikel 85 Absatz 1 mißbrauchen oder gegen Artikel 86 verstoßen haben“. Demgegenüber nennen die Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68 ( 31 ) und (EWG) Nr. 4056/86 ( 32 ) nur die beiden ersten Gründe für einen rückwirkenden Widerruf.

Die Entziehung einer durch eine rechtsgestaltende Entscheidung erteilten Freistellung regeln dagegen alle drei Verordnungen gleichlautend. Während der Mißbrauch der Freistellung, wie in Artikel 8 Absatz 3 d der Verordnung Nr. 17 ( 33 ), als Grund für die rückwirkende Entziehung erscheint, wird Artikel 86 in diesem Zusammenhang nirgends erwähnt.

44.

Das wirft die Frage auf, ob Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3975/87 den Umkehrschluß zuläßt, daß die Anwendung von Artikel 86 auf ein freigestelltes Verhalten ohne eine solche ausdrückliche Bestimmung, also in allen anderen Fällen, ausgeschlossen ist. Dies könnte man annehmen, wenn diese Bestimmung den Regelungsgehalt hätte, die Anwendung von Artikel 86 anzuordnen. Das ist indessen nicht der Fall. Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3975/87 fügt vielmehr den Sanktionen, die an die Verletzung von Artikel 86 geknüpft sind, für das Widerspruchsverfahren nach dieser Verordnung eine weitere in der Gestalt der Entziehung der Freistellung hinzu. Der Verstoß gegen Artikel 86 hat damit die weitere Folge, daß auch Artikel 85 Absatz 1 rückwirkend auf die Vereinbarung anwendbar wird. Die Beteiligten verstoßen also in einem solchen Fall nicht nur gegen Artikel 86, sondern auch gegen Artikel 85 Absatz 1. Diese Rechtsfolge ergibt sich aber nicht ohne weiteres aus der Geltung von Artikel 86 und gilt deshalb nur, wenn sie — wie hier — ausdrücklich angeordnet wird.

Gegen einen Umkehrschluß spricht außerdem der Wortlaut der Bestimmung. Sie knüpft ihre Rechtsfolge an einen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag und setzt damit dessen Anwendung auf das Verhalten der Beteiligten voraus.

45.

Ich fasse zusammen: Mehrere Indizien in der Verordnung Nr. 17 und Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung Nr. 3975/87 zeigen, daß eine Einzelfreistellung keine Sperre für die Anwendung von Artikel 86 errichtet, sondern allenfalls von der Kommission im Rahmen einer eventuellen Selbstbindung zu beachten ist. Dagegen wirkt Artikel 86 in den Anwendungsbereich von Artikel 85 Absatz 3 hinein, indem er die Freistellung eines Verhaltens ausschließt, das sich als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt. Das bedeutet jedoch nicht, daß marktbeherrschende Unternehmen vom Vorteil einer Freistellungsentscheidung ausgeschlossen wären. Soweit die Freistellung nicht zu einem Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung führt, kann die Kommission sie ihnen gewähren.

c) Gruppenfreistellung und Anwendung von Artikel 86

46.

Wir haben damit die dritte Stufe unserer Untersuchung erreicht, die unter Berücksichtigung der Ergebnisse zur Einzelfreistellung dem Verhältnis der Gruppenfreistellung zu Artikel 86 gewidmet ist.

Die Verordnungen, die eine Gruppenfreistellung ermöglichen, lassen sich in drei Kategorien einteilen, die die Entwicklung dieses Instruments in der Gesetzgebung der Gemeinschaft widerspiegeln. Die Stufen dieser Entwicklung sind gekennzeichnet durch eine fortschreitende Verfeinerung der Ermächtigungsgrundlagen, auf denen die Gruppenfreistellungen beruhen.

47.

Allen Gruppenfreistellungsverordnungen ist allerdings gemeinsam, daß sie sich, wie die Einzelfreistellung durch Entscheidung, allein auf das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 beziehen. Keine Gruppenfreistellungsverordnung erklärt das Verbot des Artikels 86 für unanwendbar. Von der Einzelfreistellung unterscheiden sich die Verordnungen aber entscheidend dadurch, daß sie auf einer allgemeinen und abstrakten Bewertung eines Typs von Vereinbarungen beruhen, die der Gesetzgeber ex ante vornimmt, wobei er sich in aller Regel an den Wirkungen der Vereinbarungen unter normalen Wettbewerbsbedingungen orientiert. Es findet keine konkrete Prüfung der Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 statt, die die Umstände eines der betroffenen Märkte, die Marktstellung oder die Marktbeherrschung eines bestimmten Unternehmens einbezöge ( 34 ). Das ist ein wichtiger Unterschied, der sich bei den Rechtsfolgen einer Gruppenfreistellung — verglichen mit denen einer Einzelfreistellung — auswirkt, wie ich Ihnen darlegen werde.

48.

Inhaltlich unterscheiden sich die Gruppenfreistellungsverordnungen dadurch, daß in einigen von ihnen auf Marktstrukturen abgestellt wird, während die meisten eine solche Einschränkung nicht enthalten. Dort, wo die Gruppenfreistellung nicht von Marktstrukturen abhängt, tritt sie also ausschließlich aufgrund der abstrakten Entscheidung des Gesetzgebers ein.

Das gilt vor allem für die älteste Ermächtigungsverordnung des Rates, die Verordnung Nr. 19/65 für Alleinvertriebs- und Lizenzverträge, und für die auf ihrer Grundlage erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen, zu denen auch die in unserem Fall einschlägige Verordnung über Patentlizenzverträge gehört ( 35 ). Die Gruppenfreistellungen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 19/65 gelten, von einer Ausnahme abgesehen, ohne Rücksicht auf die Marktstruktur.

Lediglich die Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 enthält zusätzlich eine Regelung, die die Freistellung von Alleinbezugsvereinbarungen zwischen Herstellern, die miteinander im Wettbewerb stehen, kleinen und mittleren Unternehmen vorbehält ( 36 ). Der Gemeinschaftsgesetzgeber schließt damit marktbeherrschende Unternehmen von der Möglichkeit zur Freistellung solcher Vereinbarungen generell aus.

49.

Zum Verhältnis zwischen Artikel 86 und der Gruppenfreistellung ergibt sich im übrigen folgendes: Die Ermächtigungsverordnung nimmt auf Artikel 86 nicht Bezug. Dagegen stellen zwei Gruppenfreistellungsverordnungen, nämlich die Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 über Alleinvertriebsverträge und die Verordnung Nr. 1984/83 über Alleinbezugsvereinbarungen, in ihren Begründungserwägungen ausdrücklich klar, daß sie die Anwendung von Artikel 86 nicht ausschließen ( 37 ).

50.

Die zweite „Familie“ von Gruppenfreistellungsverordnungen führt diesen Ansatz weiter. Sie umfaßt die Ermächtigungsverordnung (EWG) Nr. 2821/71 und die beiden auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen (EWG) Nr. 417/85 und (EWG) Nr. 418/85 zu Spezialisierungsvereinbarungen und Vereinbarungen für Forschung und Entwicklung ( 38 ). Die „horizontalen“ Verordnungen Nr. 417/85 und Nr. 418/85 machen die Gruppenfreistellung davon abhängig, daß der Marktanteil und der Umsatz der beteiligten Unternehmen eine bestimmte Größe nicht überschreiten ( 39 ). Marktbeherrschende Unternehmen können deshalb die Freistellung nach diesen beiden Verordnungen mindestens in der Regel nicht in Anspruch nehmen.

51.

Auch die Regelung der Entziehung der Gruppenfreistellung im Einzelfall hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 sieht sie vor, wenn das freigestellte Verhalten Wirkungen zeigt, die mit Artikel 85 Absatz 3 unvereinbar sind. Ob diese Entziehung auch rückwirkend oder nur für die Zukunft stattfinden kann, ist nicht gesagt. Die Verordnung Nr. 2821/71 stellt demgegenüber in ihrer letzten Begründungserwägung ausdrücklich klar, daß die Gruppenfreistellung nur mit Wirkung für die Zukunft entzogen werden kann. Ihr Artikel 7, der die Ermächtigung zur Entziehung der Freistellung regelt, entspricht wörtlich dem zeitlich früheren Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65. Das zeigt, daß die Entziehung auch schon in deren Anwendungsbereich nur ex nunc zulässig sein soll.

52.

Die dritte und jüngste Kategorie von Gruppenfreistellungsverordnungen findet sich im Bereich des Luftverkehrs. Ermächtigungsgrundlage ist hier die Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 des Rates ( 40 ). Sie schließt marktbeherrschende Unternehmen vom Vorteil der Freistellung nicht aus. Als neues Element tritt aber hinzu, daß schon die Ermächtigungsverordnung die Folgen eines Verstoßes gegen Artikel 86 regelt. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung kann die Gruppenfreistellung im Einzelfall entzogen werden, wenn die freigestellte Vereinbarung „Wirkungen hat, die ... nach Artikel 86 verboten sind“. Die Begründungserwägungen der drei auf der Grundlage dieser Ermächtigung erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen ( 41 ) halten ausdrücklich fest, daß diese Verordnungen der Anwendung von Artikel 86 nicht entgegenstehen. Für Vereinbarungen, deren Auswirkungen „gemäß Artikel 86 des Vertrages verboten sind“, sehen sie alle die Entziehung der Freistellung vor ( 42 ).

Zugleich stellt Artikel 7 Absatz 2 der Ermächtigungsverordnung klar, daß die Entziehung der Freistellung nicht die einzige Folge des Verstoßes gegen Artikel 86 ist. Er bestimmt nämlich, daß die Kommission zusätzlich „gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 3975/87 alle geeigneten Maßnahmen treffen kann, um diese Zuwiderhandlung abzustellen“. Diese Bestimmung erlaubt der Kommission, Zwangsgelder zu verhängen, wenn Unternehmen ihrer Anordnung, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 abzustellen, nicht nachkommen ( 43 ). Dagegen wird nicht auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 3975/87 verwiesen, der die Kommission ermächtigt, bei Verstößen gegen Artikel 86 Geldbußen zu verhängen.

53.

Im Bereich des Seeverkehrs hat der Rat der Kommission keine Ermächtigung zum Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen erteilt. In den Artikeln 3 und 6 der Verordnung Nr. 4056/86 über den Seeverkehr ( 44 ) hat der Rat selbst Gruppenfreistellungen vorgenommen, die sich aber wiederum allein auf das Kartellverbot des Artikels 85 Absatz 1 beziehen. Die Verordnung Nr. 4056/86 sieht, wie die eigentlichen Gruppenfreistellungsverordnungen, in Artikel 8 die Entziehung der Freistellung vor, wenn im Einzelfall Wirkungen eintreten, die mit Artikel 86 nicht vereinbar sind. Daneben bleibt es der Kommission unbenommen, gemäß dem allgemeinen Verfahren des Artikels 10 „alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 des Vertrages abzustellen“.

54.

Versuchen wir nun, aus dieser Normenfülle einige allgemeine Grundsätze abzuleiten. Dabei ist zu beachten, daß alle Gruppenfreistellungen trotz ihrer Unterschiede im einzelnen ein Instrument zur Ausfüllung des Artikels 85 Absatz 3 darstellen. Daher können Regelungen in einer Gruppenfreistellungsverordnung auch für die Auslegung anderer Verordnungen bedeutsam sein. Es wäre systemwidrig, durch künstliche Unterscheidungen die einheitliche Anwendung der Artikel 85 und 86 in den verschiedenen von den Gruppenfreistellungsverordnungen abgedeckten Bereichen zu zerstören. Aus diesem Grund habe ich Ihnen meine weit über die Verordnung Nr. 2349/84 hinausgehende Gesamtschau der Gruppenfreistellungsverordnungen vorgetragen.

55.

Dies vorausgeschickt, möchte ich folgende Schlußfolgerungen entwickeln: Soweit der Gesetzgeber den marktbeherrschenden Unternehmen die Wohltat der Gruppenfreistellung nicht ohnehin durch Schwellenregelungen versagt, ist Artikel 86 neben einer Gruppenfreistellung anwendbar. Dies hat der Gesetzgeber bei zwei Gruppenfreistellungsverordnungen in den Begründungserwägungen anerkannt, ohne die Anwendung des Artikels 86 in der Verordnung durch konkrete Vorschriften zu regeln ( 45 ). Während Artikel 86 aber bei der Einzelfreistellung sowohl in das Verfahren zu ihrer Erteilung als auch in das zu ihrer Entziehung hineinwirken kann, kann er bei der Gruppenfreistellung nur in das Entziehungsverfahren hineinwirken, da hier an die Stelle des individuellen Erteilungsverfahrens die abstrakte Ex-ante-Entscheidung des Gesetzgebers tritt, welchen Inhalt seine jeweilige Gruppenfreistellungsverordnung erhalten soll.

Aus dem Fehlen des individuellen Erteilungsverfahrens ergibt sich die Gefahr, daß die Gruppenfreistellung einer Vereinbarung zugute kommen kann, die die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 konkret nicht erfüllt. Da die Gruppenfreistellung eben keine vorherige Prüfung der Kommission voraussetzt, ob die Kriterien des Artikels 85 Absatz 3 im Einzelfall gegeben sind, kann sie auch nicht als „stillschweigendes Negativattest“ im Hinblick auf Artikel 86 verstanden werden und eine Selbstbindung der Kommission für die Anwendung dieser Vorschrift herbeiführen. In diesem Punkt ist die Wirkung der Gruppenfreistellung schwächer als die der Einzelfreistellung.

Wenn allerdings — wie hier — ein Marktbeherrscher erst nachträglich in den Genuß der Gruppenfreistellung gelangt, kommt eine Selbstbindung ohnehin nicht in Betracht. Wie wir gesehen haben, kann ja nicht einmal eine Einzelfreistellung eine Selbstbindung der Kommission herbeiführen, wenn der Marktbeherrscher erst nachträglich in die freigestellte Vereinbarung eintritt.

56.

Auf der anderen Seite ist die rückwirkende Entziehung der Gruppenfreistellung ausgeschlossen. Das erscheint dadurch gerechtfertigt, daß die Gruppenfreistellung unmittelbar auf einer Rechtsnorm und nicht, wie die Einzelfreistellung, auf einer Verwaltungsentscheidung beruht. Insoweit ist die Rechtswirkung einer Gruppenfreistellung also stärker als die einer Einzelfreistellung.

Der Umstand, daß eine Ermächtigungsverordnung und vier der neueren Gruppenfreistellungsregelungen den Verstoß gegen Artikel 86 unter die Gründe für eine Entziehung der Freistellung aufgenommen haben, bestätigt das Ergebnis, daß Artikel 86 auch während der Dauer einer Gruppenfreistellung anwendbar bleibt.

Aus diesen speziellen Vorschriften darf nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß Artikel 86 im Bereich der anderen Gruppenfreistellungsverordnungen bis zur Entziehung der Gruppenfreistellung nicht angewendet werden kann. Wie ich schon im Bereich der Einzelfreistellung zu dem entsprechenden Artikel 5 Absatz 3 der Wettbewerbsverordnung für den Luftverkehr ausgeführt habe, ist der Regelungsgehalt derartiger Vorschriften nur, eine zusätzliche Sanktion für die Verletzung des Artikels 86 — hier den Entzug der Gruppenfreistellung — einzuführen. Diese zusätzliche Sanktion ist auch bei einer nach nationalem Recht wegen Verstoßes gegen Artikel 86 nichtigen Vereinbarung nicht überflüssig, da der Wegfall der Freistellung im Bereich des Artikels 85 eigene Bedeutung hat. Die speziellen Vorschriften setzen daher voraus, daß Artikel 86 neben einer Gruppenfreistellung anwendbar ist ( 46 ).

57.

Die Klägerin meint allerdings, durch Gruppenfreistellungsverordnungen würden bestimmte Typen von Vereinbarungen vom Gesetzgeber gefördert. Dieser vom Gesetzgeber beabsichtigte Effekt werde durch eine Anwendung des Artikels 86 unterlaufen. Dem ist mit der Kommission entgegenzuhalten, daß der Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen nur der Verwaltungsvereinfachung dient. Es erscheint mir nicht richtig, daß die vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 freigestellten Vereinbarungen generell wettbewerbspolitisch erwünscht sind. Die Freistellung stellt nur die Vertragsfreiheit der beteiligten Unternehmen wieder her, sie hat wettbewerbspolitisch keine Lenkungsfunktion ( 47 ).

58.

Als Ergebnis der Untersuchung des ersten Arguments möchte ich daher festhalten, daß es nicht logisch ausgeschlossen oder rechtlich widersprüchlich ist, das Verhalten der Klägerin am Verbot des Artikels 86 zu messen, obwohl die von ihr erworbene ausschließliche Lizenz der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 2349/84 der Kommission unterfiel.

2) Der Erwerb der Patentlizenz als Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung

59.

Der zweite Aspekt, der im Rahmen dieses ersten Teils meiner Schlußanträge zu untersuchen ist, betrifft die Frage, ob die Kommission den bloßen Erwerb der ausschließlichen Lizenz durch die Klägerin mit Recht als Verstoß gegen Artikel 86 angesehen hat. Die Klägerin hat zwar die tatsächlichen Feststellungen der Kommission nicht gerügt. Sie hat aber in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, der festgestellte Sachverhalt ergebe keinen Verstoß gegen Artikel 86. Daher ist die angefochtene Entscheidung auch insoweit zu überprüfen.

a) Die Elemente des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

60.

Ich möchte hier zunächst einen Punkt aus der Diskussion in der mündlichen Verhandlung aufgreifen. Es ging dort um Ihre Frage, ob Artikel 86 auf zweierlei Weise anzuwenden ist und zweierlei Bedeutung hat, je nachdem, ob eine Gruppenfreistellung vorliegt oder nicht. Ich denke, die bisherige Analyse hat gezeigt, daß das Verbot des Artikels 86 in beiden Situationen gleichermaßen gilt. Was die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot betrifft, so haben wir allerdings gesehen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber sie bei einzelnen Gruppenfreistellungsverordnungen anders geregelt und insbesondere die Sanktionsbefugnis der Kommission eingeschränkt hat ( 48 ). Solche Differenzierungen, die nur die Konsequenzen betreffen, die das abgeleitete Recht an den Verstoß gegen Artikel 86 knüpft, kann der Gesetzgeber auf der Grundlage von Artikel 87 vornehmen. Tut er das nicht, wie hier im Fall der Patentlizenzverordnung Nr. 2349/84, bleibt es indessen bei der Anwendung von Artikel 86 nach den allgemeinen Bestimmungen zu seiner Ausführung, d. h. hier nach der Verordnung Nr. 17.

61.

Die Klägerin schließt allerdings aus dem Urteil des Gerichtshofes im Fall Ahmed Saeed ( 49 ), daß es inhaltlich in diesem Fall eine Besonderheit bei der Anwendung von Artikel 86 gibt. Sie meint, ein Verhalten, das allein im Abschluß einer nach der Verordnung Nr. 2349/84 freigestellten Vereinbarung besteht, reiche nicht aus, um den Vorwurf des Mißbrauchs zu begründen, es müsse vielmehr ein zusätzliches Element hinzutreten. Aus dem Urteil im Fall Ahmed Saeed will sie folgern, daß dieses Element darin bestehe, daß das marktbeherrschende Unternehmen seinem Vertragspartner die freigestellte Vereinbarung aufgezwungen habe.

Lassen Sie mich vorab feststellen, daß die Klägerin die Aussage des Urteils, auf die sie sich hierfür beruft, nur unvollständig wiedergibt: Der Gerichtshof führt nämlich aus, daß die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere dann vorliegen kann, „wenn die aufgezwungenen Tarife als den Konkurrenten oder den Fluggästen gegenüber unangemessene Beförderungsbedingungen anzusehen sind“. Das heißt, daß der Gerichtshof das Durchsetzen von Vertragsbedingungen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen mit Hilfe von dessen Macht nicht als das einzige, ja nicht einmal als ein hinreichendes Kriterium für einen Mißbrauch angesehen hat. Daneben spielt vielmehr auch die inhaltliche Angemessenheit des aufgezwungenen Vertrages eine entscheidende Rolle. Dies zeigt, daß sich hinter dem Erfordernis eines „zusätzlichen Elements“, das die Klägerin aus dem Urteil des Gerichtshofes im Fall Ahmed Saeed herzuleiten versucht, in Wahrheit ein allgemeines Problem verbirgt, nämlich die Frage nach den Voraussetzungen, unter denen das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens als mißbräuchliche Ausnutzung seiner Stellung anzusehen ist.

62.

Zu diesem grundsätzlichen Problem des Artikels 86 hat der Gerichtshof allmählich richtungweisende Leitlinien entwickelt: Er hat zunächst Artikel 86 im Lichte von Artikel 3 f ausgelegt, nach dem die Gemeinschaft die Aufgabe hat, ein System zu errichten, „das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt“ ( 50 ). Als erstes entscheidendes Element mißbräuchlichen Verhaltens hat er dabei im Urteil Continental Can herausgearbeitet, daß das Verhalten des Unternehmens dessen marktbeherrschende Stellung verstärkt und dadurch den ohnehin geschwächten Restwettbewerb wesentlich behindert. Nach diesem Urteil, auf das sich die Kommission in ihrer vorliegenden Entscheidung stützt ( 51 ), kommt es für die Feststellung des Mißbrauchs auf die wettbewerbsbeschränkende Wirkung an, die das Verhalten des Marktbeherrschers — es ging um den Erwerb einer Beteiligung von 80 % an einem Konkurrenzunternehmen — entfaltet ( 52 ).

63.

Läßt man aber die wettbewerbsbeschränkende Wirkung allein ausreichen, um das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens als mißbräuchlich zu qualifizieren, so entsteht die Gefahr, daß Artikel 86 auf alle gewinnbringenden Aktivitäten des marktbeherrschenden Unternehmens bezogen wird. Dies käme einem vom Vertrag nicht vorgesehenen Verbot der marktbeherrschenden Stellung zumindest nahe. Artikel 86 muß daher insoweit genauer untersucht werden.

Da er das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung als solches nicht verbietet, darf auch ein marktbeherrschendes Unternehmen gewinnorientiert handeln und danach streben, seine Geschäftstätigkeit auszuweiten. Es darf seine marktbeherrschende Stellung durch Wettbewerb verstärken und weniger leistungsfähige Konkurrenten vom Markt verdrängen, selbst wenn sein Marktanteil dadurch 100% erreicht ( 53 ). Der EWG-Vertrag verlangt nicht, daß der Marktbeherrscher sich ökonomisch sinnlos und entgegen seinem legitimen Eigeninteresse verhält. Andernfalls würde das Gemeinschaftsrecht sich in Widerspruch setzen zu anderen Pflichten, die einem marktbeherrschenden Unternehmen wie jedem anderen Unternehmen obliegen. Ich denke z. B. an die im Gesellschaftsrecht verankerte Pflicht der Leitungsorgane, das Ihnen von den Anteilseignern anvertraute Kapital gewinnbringend einzusetzen, und an die Verantwortung der Unternehmen für die Sicherung von Arbeitsplätzen.

64.

Mißbrauch ist — nach dem Urteil Hof f mann-La Roche — ein objektiver Begriff ( 54 ), der nicht voraussetzt, daß das Unternehmen die durch seine beherrschende Stellung erlangte Wirtschaftskraft als Mittel für die Verwirklichung des Mißbrauchs eingesetzt hat ( 55 ). Deshalb scheiden Handlungen, die auch ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen vornehmen könnte — wie etwa der Erwerb einer Patentlizenz, die Beteiligung an einem anderen Unternehmen oder der Abschluß eines Alleinbezugsvertrags —, nicht aus dem Kreis der nach Artikel 86 zu beurteilenden Verhaltensweisen aus. Entgegen der Meinung der Klägerin setzt deshalb die Qualifikation ihres Verhaltens als Mißbrauch auch nicht voraus, daß sie ihre Marktmacht dazu eingesetzt hat, den Abschluß des Lizenzvertrages zu erzwingen ( 56 ). Auch wertneutrale Handlungen von Unternehmen können gegen Artikel 86 verstoßen, wenn sie geeignet sind, nach der Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft unerwünschte Wirkungen herbeizuführen.

65.

Artikel 86 stellt das marktbeherrschende Unternehmen damit in eine besondere Verantwortung dafür, „daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt“ ( 57 ). Um zu vermeiden, daß diese besondere Pflichtenstellung des marktbeherrschenden Unternehmens zu dem Grundsatz in Widerspruch gerät, daß die Marktbeherrschung als solche nicht verboten ist, bedarf es daher zusätzlicher Merkmale, anhand deren sich mißbräuchliches Verhalten von den Mitteln des normalen Wettbewerbs unterscheiden läßt. Wo lassen sich diese finden?

66.

Eine erste Antwort gibt die Fortentwicklung des Mißbrauchsbegriffs durch den Gerichtshof, die in der zweigliedrigen Definition des Urteils Hoffmann-La Roche zum Ausdruck kommt. Danach muß zu der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung hinzutreten, daß das marktbeherrschende Unternehmen Mittel verwendet hat, „welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen“ ( 58 ). Zu diesen wettbewerbsfremden Mitteln rechnete der Gerichtshof zum Beispiel Alleinbezugsverträge, die die Firma Hoffmann-La Roche mit einigen ihrer Abnehmer geschlossen hatte.

67.

Es fragt sich aber, ob als zusätzliches Element nur wettbewerbsfremde Mittel in Betracht kommen. Kehren wir zur Beantwortung dieser Frage noch einmal zum Inhalt des Artikels 86 zurück.

Die Vorschrift enthält vier Regelbeispiele für den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die beiden ersten Regelbeispiele beziehen sich vor allem auf den Schutz von Vertragspartnern und Verbrauehern vor der Ausbeutung ihrer Abhängigkeit vom Marktbeherrscher, während das Koppelungsverbot im Beispiel d neben dem Schutz der Vertragspartner deutlich auch den von Konkurrenten bezweckt und das Beispiel c die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch Diskriminierungen zwischen den Handelspartnern des marktbeherrschenden Unternehmens verbietet. Den drei zuerst genannten Beispielen ist gemeinsam, daß sie sich gegen Praktiken richten, die den legitimen Zweck der Gewinnerzielung mit unverhältnismäßigen Mitteln verfolgen. Aus diesen Regelbeispielen kann auf die unbenannten Mißbrauchsfälle geschlossen werden. Sie zeigen Schranken auf, die das marktbeherrschende Unternehmen auch bei Aktivitäten außerhalb der Regelbeispiele beachten muß ( 59 ), nämlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ( 60 ) und das Diskriminierungsverbot.

68.

Für den vorliegenden Fall kommt es vor allem auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an, da der Vorwurf des Erwerbs der ausschließlichen (und nur der ausschließlichen) Lizenz den Vorwurf unverhältnismäßigen Verhaltens impliziert. Auf das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens angewendet, besagt dieser Grundsatz folgendes: Der Marktbeherrscher darf gewinnorientiert handeln, danach streben, seine Marktstellung durch Leistung zu verbessern, und seine legitimen wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Er darf jedoch dabei nur solche Mittel einsetzen, die für die Verfolgung dieser legitimen Ziele erforderlich sind. Insbesondere darf er sich nicht in einer Weise verhalten, die den Wettbewerb vorhersehbar stärker beschränkt, als dazu nötig ist.

69.

In diesem Sinn hat auch der Gerichtshof das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen in einer Reihe von Entscheidungen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemessen.

So hatte der Gerichtshof im Fall BRT/SABAM ( 61 ) Bedingungen des Wahrnehmungsvertrages einer Verwertungsgesellschaft deshalb für unangemessen und damit mißbräuchlich gehalten, weil sie die Freiheit der Mitglieder, ihre Urheberrechte auszuüben, stärker beeinträchtigten, als nötig war, damit die Gesellschaft diese Rechte wirkungsvoll wahrnehmen konnte.

Ähnliche Erwägungen finden sich im Urteil Suiker Unie ( 62 ), wonach es mißbräuchlich sein kann, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen mit seinen Handelsvertretern ein Wettbewerbsverbot vereinbart und es „über das Maß hinaus ausdehnt, das dem Wesen der in Rede stehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung“ (d. h. der des Unternehmens mit seinen Handelsvertretern) „angemessen ist“.

70.

Besonders deutlich wird die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Fall United Brands. In diesem Urteil hat der Gerichtshof bekanntlich zunächst ein Weiterverkaufsverbot für grüne Bananen, das die Klägerin ihren Abnehmern auferlegt hatte, wegen eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz für mißbräuchlich erklärt. Der Gerichtshof gestand der Klägerin zu, daß sie eine zulässige Qualitätspolitik bei der Auswahl ihrer Wiederverkäufer verfolgte, dabei aber „Schranken aufrichtete, deren Wirkung über das verfolgte Ziel hinausgeht“ und die deshalb nach Artikel 86 verboten sind. Im gleichen Urteil hat der Gerichtshof dem marktbeherrschenden Unternehmen das Recht zuerkannt, auch Sanktionen gegen Vertragspartner zu ergreifen, die seinen Geschäftsinteressen zuwiderhandeln. Indessen müssen diese Sanktionen in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedrohung stehen, die das Verhalten des Vertragspartners für die Eigeninteressen des Marktbeherrschers darstellt ( 63 ). Dieses Verhältnis hatte die Firma United Brands nicht gewahrt, als sie die Lieferungen an einen Kunden einstellte, weil dieser sich an einer Werbekampagne für einen ihrer Wettbewerber beteiligt hatte.

71.

Erst vor kurzem hat der Gerichtshof entschieden, daß die Verhältnismäßigkeit der Maßstab dafür ist, ob die von der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM verlangten Entgelte deshalb mißbräuchlich sind, weil diese Nutzungsrechte stets global für ihr gesamtes Repertoire vergibt und den Werknutzern keine Möglichkeit einräumt, sich gegen ein entsprechend geringeres Entgelt auf diejenigen Kategorien von Werken zu beschränken, an denen sie Interesse haben. Der Gerichtshof führt dazu aus, daß dieses Verhalten, das dem legitimen Zweck des Schutzes der Urheberrechte dient, nur dann zu beanstanden wäre, wenn deren Schutz auch mit anderen Mitteln verwirklicht werden könnte, ohne daß sich der Ver-waltungs- und Kontrollaufwand, den SACEM leisten muß, erhöht ( 64 ).

Die gleichen Erwägungen sind nach diesem Urteil auch maßgeblich dafür, ob die mit den Werknutzern entsprechend einer solchen Praxis geschlossenen Verträge als wettbewerbsbeschränkend im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 angesehen werden können ( 65 ). Hier zeigt sich die Bedeutung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit für die Beurteilung eines Verhaltens sowohl nach Artikel 85 als auch nach Artikel 86.

72.

Diesen engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden Vorschriften bestätigt auch das Urteil Hoffmann-La Roche. Hier prüft der Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich, ob das dem marktbeherrschenden Unternehmen vorgeworfene Verhalten verhältnismäßig war, doch nimmt er, wie Vogel aufgezeigt hat ( 66 ), indirekt auf diesen Grundsatz Bezug. Bei der Prüfung der Alleinbezugsverträge des Marktbeherrschers mit seinen Abnehmern führt das Urteil aus, daß „Verträge dieser Art... allenfalls unter den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen zulässig sein“ könnten ( 67 ). Zu diesen Voraussetzungen gehört die Verhältnismäßigkeit der Vereinbarung, die nach Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe a darin besteht, daß den beteiligten Unternehmen keine „Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung der (in Artikel 85 Absatz 3 genannten) Ziele nicht unerläßlich sind“. Entgegen der Ansicht der Klägerin braucht das zusätzliche Element mithin nicht notwendig aus Umständen außerhalb der Vereinbarung hergeleitet zu werden, es kann vielmehr auch im Inhalt der Vereinbarung selbst liegen, wenn dieser ein unverhältnismäßiges Verhalten des Marktbeherrschers ergibt.

73.

Im vorliegenden Fall tritt freilich noch ein spezielles rechtliches Problem hinzu, da die Vereinbarung eine Patentlizenz zum Gegenstand hat. Man muß sich deshalb fragen, ob es mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Anwendung von Artikel 86 auf gewerbliche Schutzrechte vereinbar ist, das Verhalten der Klägerin an den soeben entwickelten Kriterien zu messen.

Erst vor kurzem hat der Gerichtshof in seinem Urteil Maxicar nämlich seine Rechtsprechung ( 68 ) bestätigt, nach der der bloße — originäre — Erwerb eines ausschließlichen Schutzrechts — es ging um den Geschmacksmusterschutz für Karosserieteile von Automobilen — nicht als ein im Sinne von Artikel 86 mißbräuchliches Verhalten angesehen werden kann ( 69 ).

Vielmehr unterscheidet der Gerichtshof auch hier ( 70 ) den Erwerb des Rechts von dessen Ausübung. Nur diese kann zu einer mißbräuchlichen Ausnutzung ausarten ( 71 ), etwa im Falle willkürlicher Lieferverweigerung, der Festsetzung unangemessener Preise oder einer Einschränkung der Produktion ( 72 ). Zum Erwerb des Schutzrechts tritt hier stets ein zusätzliches Element hinzu. Dieses kann jedoch nicht allein darin gesehen werden, daß der Wettbewerb anderer Hersteller in bezug auf das geschützte Produkt ausgeschaltet wird, denn diese Wirkung ist untrennbar mit dem Bestehen des Schutzrechts verbunden ( 73 ).

74.

Indessen meine ich, daß man diese Grundsätze, die der Gerichtshof für den originären Erwerb gewerblicher Schutzrechte entwickelt hat, auf den abgeleiteten Erwerb einer ausschließlichen Lizenz nicht ohne weiteres übertragen kann. Beim originären Erwerb eines Patents oder Geschmacksmusters schützt das Unternehmen seine eigene Entwicklungsleistung vor der Nachahmung durch Dritte. Das darf auch der Marktbeherrscher, selbst wenn er dadurch, wie im Fall Maxicar, Unternehmen vom Markt verdrängt, deren Geschäftstätigkeit bis dahin in der Imitation solcher Produkte bestand ( 74 ).

Der Erwerber einer Patentlizenz macht sich dagegen die Entwicklungsleistung Dritter zu eigen. Das ist legitim, unterscheidet seine Rechtsstellung aber von der des originären Schutzrechtsinhabers. Bei diesem gehört der ausschließliche Charakter des Rechts zu dessen Substanz und soll ihm ermöglichen, einen Ausgleich für seine Erfindertätigkeit zu erlangen ( 75 ). Für den Lizenznehmer geht es demgegenüber nicht um den Lohn für eigene Anstrengungen und Risiken bei der Entwicklung des geschützten Gutes (diesen Lohn zahlt er an den Erfinder), sondern um die möglichst gewinnbringende Nutzung einer Investition. Anders als das gewerbliche Schutzrecht selbst ist deshalb die Lizenz auch nicht notwendig ausschließlich. Diese Unterschiede rechtfertigen es, die Sonderstellung, die der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts im Rahmen von Artikel 86 genießt, nicht auf den Lizenznehmer zu erstrecken.

Daß der marktbeherrschende Erfinder Dritte von der Nutzung seiner eigenen Erfindung ausschließen darf, ohne mißbräuchlich zu handeln, bedeutet deshalb nicht, daß es dem Marktbeherrscher stets erlaubt ist, seine potentiellen Konkurrenten durch den Erwerb einer ausschließlichen Lizenz von der Nutzung der Forschungsergebnisse Dritter auszuschließen.

b) Die Feststellung des Verstoßes in der angefochtenen Entscheidung

75.

Wir haben im ersten Teil meiner Ausführungen gesehen, daß Artikel 86 auch auf eine Vereinbarung anwendbar sein kann, die von einer Gruppenfreistellung erfaßt wird. Danach habe ich dargelegt, daß Artikel 86 dann erfüllt ist, wenn ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten des Marktbeherrschers zusätzlich unverhältnismäßig ist. Dies gilt auch für den abgeleiteten Erwerb einer Patentlizenz durch den Marktbeherrscher. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nun zu untersuchen, ob die Kommission zu Recht einen Verstoß gegen Artikel 86 festgestellt hat.

Die Kommission hat der Klägerin in Nr. 60 der Entscheidung vorgeworfen, daß der Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung in dem Erwerb der ausschließlichen Lizenz lag, durch den die marktbeherrschende Stellung verstärkt wurde, der bestehende Wettbewerb weiter geschwächt und der Eintritt neuer Wettbewerber in den Markt noch mehr erschwert wurde. Die Kommission hat ihre Entscheidung damit im Ergebnis rechtlich zutreffend mit dem Vorwurf eines wettbewerbsbeschränkenden unverhältnismäßigen Verhaltens der Klägerin begründet, obwohl sie in der Entscheidung nur das Urteil in der Rechtssache Continental Can herangezogen und den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes später entwickelten Gesichtspunkt der UnVerhältnismäßigkeit nicht ausdrücklich berücksichtigt hat ( 76 ). Es fragt sich aber weiter, ob die von der Kommission in den Nrn. 18, 22 und 23 der Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen die rechtlichen Schlußfolgerungen der Entscheidung tragen.

76.

aa)

Zunächst ist zu untersuchen, ob ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der Klägerin festgestellt worden ist: Der Erwerb der ausschließlichen Lizenz hat die Marktbeherrschung durch die Klägerin gegenüber allen Mitbewerbern verstärkt, da diese nicht über die fragliche Technologie verfügten. Schon vor dem Erwerb der ausschließlichen Lizenz hatte die Klägerin einen Marktanteil von ca. 91,8 % für keimfreie Abfüllmaschinen; die ausschließliche Lizenz für das alternative Sterilisationsverfahren stand ihrem potentiellen Wettbewerber Liquipak zu, der sich bemühte, in den von der Klägerin beherrschten Markt einzudringen.

Nach dem Erwerb stand der Klägerin die ausschließliche Lizenz zu; die von dem Patent geschützte alternative Technologie war damit allen potentiellen Konkurrenten Tetras entzogen. Daß die Klägerin die Lizenz im Rahmen der Übernahme von Liquipak erwarb, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, ist für dieses Ergebnis ohne Belang. Auch allein der Erwerb der Lizenz hätte alle potentiellen Wettbewerber der Klägerin daran gehindert, das alternative Sterilisationsverfahren zu nutzen, um den Zugang zum Markt zu erreichen.

77.

Ferner hat die Kommission in Nr. 18 (und Nr. 27) der Entscheidung festgestellt, daß durch den Erwerb der ausschließlichen Lizenz der Wettbewerber Elopak zumindest zeitweise aus dem Markt gedrängt wurde.

Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, hierin liege der Mißbrauch der Klägerin.

Gegen die Feststellungen der Entscheidung über die Lage und das Verhalten von Elopak hat die Klägerin demgegenüber in der mündlichen Verhandlung eingewendet, sie seien nicht eindeutig und trügen nicht den Vorwurf einer Verletzung des Artikels 86. Ob es, nachdem kein Begründungsmangel als Angriffsmittel vorgebracht worden ist, gemäß Artikel 42 der nach Artikel 11 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 ( 77 ) zur Zeit anwendbaren Verfahrensordnung des Gerichtshofes zulässig ist, diesen Teil der Entscheidung erst in der mündlichen Verhandlung anzugreifen, erscheint mir zweifelhaft, wie sich auch aus meiner Frage in der mündlichen Verhandlung ergibt. Selbst wenn Sie aber dieses Vorbringen als zusätzliches Argument zum Klagegrund der Verletzung von Artikel 86 zulassen sollten, wäre folgendes zu beachten.

Die Feststellungen der Kommission, die Klägerin habe ihre marktbeherrschende Stellung gegenüber — allen — Wettbewerbern gestärkt und Elopaks Marktzutritt zumindest erheblich verzögert, ergeben eindeutig ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der Klägerin. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, und hierauf möchte ich hilfsweise hinweisen, wenn Sie den Angriffen der Klägerin gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Elopaks Verhalten stattgeben sollten. Selbst wenn Sie diesen zum Teil umstrittenen und im Verfahren nicht voll aufgeklärten Komplex aus Ihrer Betrachtung herausnehmen, bleibt die Feststellung bestehen, daß die Klägerin durch den Lizenzerwerb ihre Marktmacht gegenüber allen Wettbewerbern weiter gestärkt hat. Diese wettbewerbsbeschränkende Wirkung allein genügt bereits für Artikel 86, ohne daß zusätzlich konkrete Auswirkungen auf das Verhalten eines bestimmten Wettbewerbers festgestellt zu werden brauchen. Es genügt, daß die Klägerin die alternative Technologie exklusiv an sich gebracht und damit alle potentiellen Wettbewerber von deren Nutzung ausgeschlossen hat. Sie hat schon damit die Marktzugangsschranken erhöht und das Entstehen potentiellen Wettbewerbs erschwert.

78.

bb)

Mit dem Erwerb der ausschließlichen Lizenz hat sich die Klägerin ferner eines unverhältnismäßigen Mittels bedient. Zwar gehört die Nutzung des technischen Fortschritts durch den Erwerb von Patentlizenzen zum Leistungswettbewerb, an dem die Klägerin als marktbeherrschendes Unternehmen teilnehmen darf. Für das legitime Ziel der Klägerin, zur Verbesserung ihrer Leistungen Zugang zu technologischen Neuerungen zu erhalten, war es aber nicht erforderlich, ein so eindeutig und unmittelbar wettbewerbshinderndes Mittel einzusetzen. Vielmehr ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, daß eine nicht ausschließliche Lizenz es der Klägerin ebenfalls ermöglicht hätte, das patentgeschützte Verfahren zur Verbesserung ihrer eigenen Produkte einzusetzen, ohne zugleich den Zugang neuer Wettbewerber zu dem von ihr beherrschten Markt zu behindern.

Schon der Inhalt der Vereinbarung ergibt mithin die UnVerhältnismäßigkeit des Verhaltens der Klägerin, die als marktbeherrschendes Unternehmen in eine Vereinbarung dieses Inhalts nicht eintreten durfte. Hier zeigt sich auch konkret, daß entgegen der Ansicht der Klägerin als „zusätzliches Element“ nicht nur ein Umstand außerhalb der Vereinbarung in Betracht kommt.

79.

Der Umstand, daß die ausschließliche Patentlizenzvereinbarung einer Gruppenfreistellungsverordnung unterfiel, ändert nichts an der Qualifizierung des Verhaltens der Klägerin als unverhältnismäßig: Betrachtet man die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 2349/84, so bestätigt sich, daß die abstrakte Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gesetzgebers Situationen, wie die hier vorliegende, nicht berücksichtigt hat. Unter normalen Marktverhältnissen dienen ausschließliche Lizenzen der Verbreitung neuer Erzeugnisse oder Herstellungsverfahren. Ihr ausschließlicher Charakter läßt sich damit rechtfertigen, daß angesichts der Risiken, die mit der Einführung neuer Produkte oder Herstellungsverfahren regelmäßig verbunden sind, die Investition in solche Neuerungen eines besonderen Anreizes bedarf. Der Schutz, den der ausschließliche Charakter der Lizenz gewährt, erleichtert dem Lizenznehmer den Zugang zum Markt. Damit trägt er zur Verbesserung des Angebots und zur Erhöhung der Zahl der Produktionsstätten bei und fördert die Verbreitung des technischen Fortschritts ( 78 ).

Diese Erwägungen sind nicht geeignet, im vorliegenden Fall den Erwerb der ausschließlichen Lizenz durch die Klägerin zu rechtfertigen. Ihr Verhalten hat vielmehr Auswirkungen, die den Zielen der Verordnung Nr. 2349/84 widersprechen, indem es anderen Unternehmen den Zugang zum Markt erschwert und die Erhöhung der Zahl der Produktionsstätten behindert.

80.

An der Bewertung des Verhaltens der Klägerin als unverhältnismäßig ändert sich endlich nichts dadurch, daß der Lizenzgeber BTG mit dem Übergang der ausschließlichen Lizenz einverstanden war. Die besondere Verantwortung, die Tetra als marktbeherrschendes Unternehmen trägt, verbietet ihr Verhaltensweisen, die den Wettbewerb unverhältnismäßig einschränken, und zwar auch dann, wenn sie dem Interesse ihrer Vertragspartner entsprechen ( 79 ).

81.

Als Ergebnis zum ersten Argument der Klägerin läßt sich damit festhalten, daß der Erwerb einer ausschließlichen Lizenz durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, für sich genommen, den Mißbrauchstatbestand des Artikels 86 nicht erfüllt. Kommt aber, wie hier, hinzu, daß durch dieses Verhalten der Wettbewerb auf dem beherrschten Markt weiter beeinträchtigt wird und daß das Verhalten zu den legitimen Zielen des marktbeherrschenden Unternehmens außer Verhältnis steht, so sind die Voraussetzungen des Artikels 86 erfüllt.

II — Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

82.

Als zweites Argument bringt die Klägerin vor, es verstoße gegen das Prinzip der Rechtssicherheit, wenn Artikel 86 auf ein von einer Gruppenfreistellungsverordnung erfaßtes Verhalten angewendet werde. Ebenso wie eine Entziehung der Freistellung nur für die Zukunft zulässig sei, dürfe auch Artikel 86 nur ex nunc auf ihr Verhalten angewendet werden. Andernfalls könne eine Gruppenfreistellung, deren wesentlicher Vorteil darin bestehe, daß die Parteien sich auf die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Vereinbarung des freigestellten Inhalts verlassen können, marktbeherrschenden Unternehmen und ihren Vertragspartnern niemals zugute kommen.

83.

Die Rechtssicherheit gehört, ebenso wie der mit ihr verwandte Schutz berechtigten Vertrauens, zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkennt ( 80 ). Beide Grundsätze gebieten die Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall ( 81 ). Die Rechtssicherheit spielt hauptsächlich bei der Auslegung des geltenden Rechts eine Rolle und kann seine überraschende Anwendung begrenzen, um zu vermeiden, daß Rechtsverhältnisse, die in gutem Glauben begründet worden sind, nachträglich in Frage gestellt werden ( 82 ). Die Bedeutung dieses Prinzips für die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages zeigte sich schon im Jahre 1962, als der Gerichtshof im Fall Bosch die Lehre von der vorläufigen Wirksamkeit von Altkartellen auf den Grundsatz der Rechtssicherheit stützte und damit die unmittelbare Anwendbarkeit von Artikel 85 Absätze 1 und 2 erheblich einschränkte ( 83 ). Noch vor kurzem griff der Gerichtshof im Bereich des Luftverkehrs auf die damals entwickelten Regeln zurück ( 84 ).

84.

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes bezieht sich vor allem auf Änderungen der Rechtslage oder einer bestehenden Rechtsanwendungspraxis durch die Gemeinschaftsorgane und ist besonders dann von Bedeutung, wenn Marktteilnehmer im Vertrauen auf den bisherigen Zustand Dispositionen getroffen haben, aus denen ihnen durch die eingetretene Änderung Nachteile erwachsen ( 85 ). Für beide Grundsätze gilt, daß eine Abwägung zwischen den Vertrauensinteressen einerseits und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ( 86 ) bzw. dem Handlungsspielraum der Gemeinschaftsorgane andererseits erforderlich ist. Nur besondere, unzumutbare Härten können es ausnahmsweise rechtfertigen, daß der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers hinter den Erfordernissen der Rechtssicherheit zurücktreten müssen.

85.

Die Berechtigung des zweiten Arguments der Klägerin hängt also davon ab, ob marktbeherrschende Unternehmen einer unzumutbaren Unsicherheit ausgesetzt werden, wenn Artikel 86 auf ihr Verhalten angewendet wird, obwohl dieses von einer Gruppenfreistellung abgedeckt wird und bevor diese Freistellung mit Wirkung für die Zukunft entzogen worden ist. Wie ich Ihnen in zwei Schritten näher erläutern werde, scheint mir der Grundsatz der Rechtssicherheit hier nicht verletzt zu sein. Die Anwendung von Artikel 86 ist nämlich erstens in einem Fall wie dem der Klägerin generell vorhersehbar. Daneben fehlt es aber zweitens im Fall der Klägerin auch an der Beeinträchtigung eines Rechtsverhältnisses, das im guten Glauben an die Nichtanwendbarkeit von Artikel 86 begründet wurde.

1) Vorhersehbarkeit der Anwendung von Artikel 86

a) Vorhersehbarkeit trotz Gruppenfreistellung

86.

Die Anwendung von Artikel 86 war für die Klägerin generell vorhersehbar, wie aus drei Überlegungen folgt.

Wir haben gesehen, daß der Gesetzgeber bei der Gruppenfreistellung eine generellabstrakte Regelung trifft, die die Verhältnisse auf dem konkreten Markt nicht einbezieht und nicht einbeziehen kann. Ein Unternehmen kann sich deshalb nicht darauf verlassen, daß die Abwägung des Gesetzgebers für den von ihm beherrschten Markt gültig ist. Handelt es sich — wie hier — um eine Patentlizenzvereinbarung, so muß der Vertrag an der Verordnung Nr. 2349/84 einschließlich ihrer Begründungserwägung Nr. 27 gemessen werden, die lautet:

„Vereinbarungen, die die Voraussetzungen der Artikel 1 und 2 dieser Verordnung erfüllen und keine weiteren Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken oder bewirken, brauchen nicht mehr angemeldet zu werden; doch bleibt das Recht der Unternehmen unberührt, im Einzelfall ein Negativattest nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates oder eine Freistellung der Kommission nach Artikel 85 Absatz 3 zu verlangen.“

Die Vertragsparteien werden also deutlich darauf hingewiesen, daß ihre Vereinbarung auch wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben kann, die von der Gruppenfreistellung nicht gedeckt sind, und daß sie prüfen müssen, ob es angebracht ist, im Hinblick auf solche Wirkungen eine Einzelfreistellung oder ein Negativattest zu beantragen. Je nach ihrer Marktstellung haben sie auch Anlaß, die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Artikel 86 in ihre Überlegungen einzubeziehen. Das Ergebnis der Prüfung, die die beteiligten Unternehmen beim Vertragsabschluß vornehmen, wird von ihrer Größe und Marktstellung beeinflußt. Geht die Lizenz später auf ein anderes Unternehmen über, so kann sich dieses deshalb nicht darauf verlassen, daß die Vereinbarung nach wie vor unbedenklich bleibt. Es ist damit in der gleichen Position wie ein Unternehmen, das eine solche Vereinbarung erstmals abschließt, und wie dieses gehalten, ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit zu prüfen.

87.

Zweites Argument: Auch der Umstand, daß die Entziehung der Gruppenfreistellung nur mit Wirkung für die Zukunft möglich ist, darf von den betroffenen Unternehmen nicht so verstanden werden, als brauchten sie bis dahin mit der Anwendung von Artikel 86 auf ihr Verhalten nicht zu rechnen.

Die Klägerin verweist freilich darauf, daß der Sinn der Gruppenfreistellung darin bestehe, ohne aufwendige Einzelfallprüfung den zivilrechtlich wirksamen Abschluß von Vereinbarungen zu ermöglichen, die bei generellabstrakter Beurteilung den Anforderungen von Artikel 85 Absatz 3 entsprechen ( 87 ). Die Parteien einer solchen Vereinbarung, meint die Klägerin, müßten bis zu einer eventuellen Entziehung der Freistellung auf die Wirksamkeit ihres Vertrages vertrauen können. Zwar ordne Artikel 86 nicht ausdrücklich an, daß Verträge, die ihn verletzen, nichtig seien, doch könne sich diese Folge aus dem nationalen Recht ergeben. Dies treffe nicht nur den an der Vereinbarung beteiligten Marktbeherrscher unbillig hart, sondern auch dessen Vertragspartner, dem oft kein Verstoß gegen Artikel 86 zur Last fällt.

Wir haben gesehen, daß das marktbeherrschende Unternehmen die Möglichkeit einer Anwendung des Artikels 86 schon vor einer Entziehung der Freistellung vorhersehen kann. Es kann daher auch nicht davon ausgehen, die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Artikel 86 durch ein freigestelltes Verhalten seien durch die Möglichkeit zur Entziehung der Freistellung abschließend geregelt. Außerdem erfüllt die Verletzung von Artikel 86 durch eine freigestellte Vereinbarung zwar regelmäßig zugleich die Voraussetzungen für eine Entziehung der Freistellung ( 88 ). Andererseits gehen die Gründe für die Entziehung weit über den Fall des Mißbrauchs nach Artikel 86 hinaus und schließen auch weniger schwere Wettbewerbsbeeinträchtigungen ein. Aus dieser Regelung auf der Ebene verschiedenartiger „leichterer Fälle“ läßt sich daher nicht folgern, daß eine Verletzung von Artikel 86 keine weitergehenden Rechtsfolgen haben kann. Das Unternehmen kann daher nicht darauf vertrauen, daß Artikel 86 „gesperrt“ ist ( 89 ).

88.

Drittes Argument: Die Klägerin meint, daß angesichts der Unklarheiten bei der Abgrenzung des relevanten Marktes und bei der Definition der marktbeherrschenden Stellung kein Unternehmen sicher sein könne, ob sein Verhalten mißbräuchlich ist oder nicht, wenn es eine freigestellte Vereinbarung abschließt. Indessen sehen marktbeherrschende Unternehmen sich diesen Abgrenzungsproblemen, unabhängig von der Existenz einer Gruppenfreistellung, stets gegenüber; dennoch verpflichtet sie der Vertrag, ihr Verhalten an Artikel 86 auszurichten. In diesem Zusammenhang ist an die besondere Verantwortung der marktbeherrschenden Unternehmen zu erinnern, auf die Erfordernisse des Wettbewerbs Rücksicht zu nehmen, die der Gerichtshof im Urteil Michelin anerkannt hat ( 90 ). An dieser Sonderstellung des Marktbeherrschers, die seinen Handlungsspielraum im Vergleich zu weniger mächtigen Unternehmen einschränkt, ändert eine Gruppenfreistellung nichts.

89.

Der Begriff des Mißbrauchs ist ebenfalls bestimmt genug, um den marktbeherrschenden Unternehmen als Richtschnur beim Abschluß von freigestellten Vereinbarungen zu dienen. Das wäre zwar möglicherweise nicht immer gewährleistet, wenn man allein die wettbewerbsschädlichen Wirkungen eines Verhaltens zum Maßstab des Mißbrauchs wählte ( 91 ).

Charakterisiert man aber den Mißbrauch zusätzlich dadurch, daß das verbotene Verhalten des Marktbeherrschers ein unverhältnismäßiges Mittel zur Verfolgung seiner legitimen wirtschaftlichen Interessen ist, wie dies in der von mir analysierten Rechtsprechung des Gerichtshofes und in der Entscheidungspraxis der Kommission ( 92 ) zum Ausdruck kommt, so verfügen marktbeherrschende Unternehmen über ein Kriterium, das ihnen erlaubt, mißbräuchliche Vereinbarungen von solchen zu unterscheiden, an denen sie sich ohne Wettbewerbsverstoß beteiligen können.

90.

Vor diesem Hintergrund konnte sich die Klägerin vernünftigerweise nicht darauf verlassen, daß Artikel 86 auf die Übernahme der freigestellten Patentlizenzvereinbarung keine Anwendung finden würde.

Dabei ist davon auszugehen, daß die Klägerin die Feststellungen der Kommission zur Abgrenzung des relevanten Marktes und zu ihrer beherrschenden Stellung im vorliegenden Verfahren nicht angegriffen hat und auch nicht geltend macht, ihr seien die wesentlichen Umstände unbekannt gewesen, auf die die Kommission sich insoweit stützt. Die Klägerin mußte danach damit rechnen, daß ihr gesamtes Geschäftsverhalten am Maßstab des Artikels 86 gemessen werden konnte.

91.

Die Klägerin mußte auch damit rechnen, daß ihr Erwerb der ausschließlichen Patentlizenz als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen werden konnte. Ihr konnten die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen, die dieser Vorgang unmittelbar zur Folge hatte, nicht verborgen bleiben. Sie ergaben sich — ohne eine inhaltliche Änderung des Vertrages — dadurch, daß die Klägerin als marktbeherrschendes Unternehmen in den Vertrag eintrat. In dieser Situation hätte ihr die Begründungserwägung Nr. 27 der Freistellungsverordnung nahelegen müssen zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Freistellung wirklich gegeben waren.

Schließlich war auch offenkundig, daß der Erwerb der ausschließlichen Lizenz für die Wahrung der legitimen Interessen der Klägerin nicht erforderlich war. Soweit es ihr nur darum ging, das von BTG entwickelte Sterilisierungsverfahren bei der Herstellung ihrer Maschinen zu nutzen, ließ sich eindeutig erkennen, daß auch eine einfache Lizenz dazu ausreichend war.

b) Zusätzliche Rechtssicherheit durch die Möglichkeit des Negativattests

92.

Auch wenn die Anwendung von Artikel 86 hinreichend vorhersehbar ist, lassen sich bei der notwendig allgemeinen Fassung der Vorschrift Zweifelsfälle nicht vermeiden. In diesem Zusammenhang ist deshalb das Argument der Kommission zu würdigen, daß marktbeherrschende Unternehmen sich durch den Antrag auf ein Negativattest die nötige Rechtsklarheit verschaffen können ( 93 ).

93.

Dazu meint die Klägerin, daß der damit verbundene Aufwand der Gruppenfreistellung jeden Nutzen entziehe. Das Verfahren auf Erteilung eines Negativattests dauere zu lange und führe die nötige Rechtssicherheit nicht herbei, das Negativattest binde weder die nationalen Gerichte noch schütze es die Beteiligten vor einer Geldbuße. Mit der Anwendung von Artikel 86 auf ein freigestelltes Verhalten höhle die Kommission das System der Gruppenfreistellung aus, dessen Sinn es sei, Einzelfallprüfungen überflüssig zu machen.

94.

Der Klägerin ist zuzugeben, daß das Verfahren auf Erteilung eines Negativattests zu dem mit der Gruppenfreistellung verfolgten Zweck der Verwaltungsvereinfachung in einem gewissen Widerspruch steht. Andererseits hat das System der Gruppenfreistellungen, wie wir soeben gesehen haben, nicht den Zweck, Vereinbarungen gegen eine Anwendung von Artikel 86 zu immunisieren und den Beteiligten auch insoweit Rechtssicherheit zu gewähren. Auch ist die Erteilung von Negativattesten diesem System keineswegs fremd, wie sich insbesondere daran zeigt, daß die Begründungserwägung Nr. 27 der Patentlizenzverordnung den beteiligten Unternehmen diese Möglichkeit ausdrücklich vorbehält.

95.

Schwerer wiegt der Einwand der Verfahrensdauer. Es kann für die Parteien eine Härte bedeuten, daß sie über längere Zeit nicht sicher wissen, ob die Kommission eine zwischen ihnen bestehende Vereinbarung für mißbräuchlich hält oder nicht. Eine längere Rechtsunsicherheit während des Verfahrens auf Erteilung eines Negativattests muß indessen jeder Antragsteller hinnehmen. Dies gilt auch für Marktbeherrscher.

96.

Die Parteien sind der Ansicht, daß die Klägerin durch einen derartigen Antrag nicht vor der Verhängung einer Geldbuße geschützt worden wäre. Die Frage ist in der Literatur bestritten. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, daß die Kommission im vorliegenden Fall — meines Erachtens zu Recht — davon abgesehen hat, eine Geldbuße zu verhängen. Die Unternehmen können daher wohl darauf vertrauen, daß die Kommission in den hier in Rede stehenden Fällen von der Verhängung von Geldbußen einen vorsichtigen Gebrauch machen wird, wobei allerdings zu beachten ist, daß Ihre Entscheidung in diesem Verfahren bisher bestehende Unklarheiten über die Rechtslage beseitigen dürfte. Im übrigen unterliegen Geldbußen in diesem Bereich aber auch der vollen Nachprüfung durch unser Gericht.

Der letzte Einwand der Klägerin in diesem Zusammenhang, daß ein Negativattest die Rechtssicherheit nicht gewährleiste, weil es nationale Gerichte nicht binde, wird im Rahmen ihres dritten Arguments zu untersuchen sein.

2) Beeinträchtigung eines im guten (glauben an die Freistellung begründeten Rechtsverhältnisses

97.

Die weitere Frage, ob hier unter Verstoß gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ein im guten Glauben an die Freistellung begründetes Rechtsverhältnis beeinträchtigt worden ist, wurde mit den bisherigen Ausführungen bereits weitgehend beantwortet. Ich beschränke mich daher auf zwei ergänzende Bemerkungen : Die ursprüngliche Lizenzvereinbarung zwischen dem National Research and Development Council und der Firma Novus, in die die Klägerin eingetreten ist, wurde bereits im Jahre 1981 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2349/84 abgeschlossen. Die Freistellung ist der Vereinbarung demzufolge nachträglich und ohne das Zutun der Vertragsparteien zugute gekommen — von einer Begründung des Rechtsverhältnisses im guten Glauben an die Freistellung kann deshalb keine Rede sein.

98.

Als die Klägerin mit BTG verhandelte und die Lizenz im Jahre 1986 erwarb, galt allerdings bereits die Gruppenfreistellungsverordnung, aber nur neben Artikel 86. Der Mißbrauchsvorwurf, den die Kommission erhebt, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Lizenzgeber nur zu einem Teil, nämlich im Hinblick auf den ausschließlichen Charakter der erteilten Lizenz. Insoweit war für die Klägerin erkennbar, daß Artikel 86 eingreifen könnte, so daß bei ihr von einem guten Glauben keine Rede sein kann.

99.

Einzuräumen ist, daß Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens die Marktbeherrschung und damit die Möglichkeit einer Anwendung des Artikels 86 nicht zu kennen brauchen. Insoweit hat die Klägerin auf einen beachtlichen Gesichtspunkt hingewiesen, der aber nicht dazu führt, daß Artikel 86 (bei einem gutgläubigen Vertragspartner) partiell unanwendbar wird. Anikei 86 stellt nur auf das Verhalten des Marktbeherrschers ab. Die Lösung dieser Fallgestaltung muß daher dem im Einzelfall anwendbaren nationalen Recht vorbehalten bleiben, nachdem in Artikel 86 auf eine Regelung der zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes verzichtet worden ist.

III — Gefährdung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts

100.

Mit ihrem dritten Argument macht die Klägerin geltend, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sei gefährdet, wenn Artikel 86 trotz einer Gruppenfreistellung angewendet werden könne. Da Artikel 86 unmittelbar anwendbar sei, könnten nationale Gerichte einem marktbeherrschenden Unternehmen das freigestellte Verhalten verbieten und damit die Entscheidung der Kommission für eine Zulassung dieses Verhaltens, die in der Gruppenfreistellungsverordnung zum Ausdruck komme, unterlaufen. Daß dies unzulässig sei, will die Klägerin aus dem Urteil des Gerichtshofes im Fall Walt Wilhelm herleiten.

101.

In diesem Urteil hat der Gerichtshof anerkannt, daß ein bei der Kommission anhängiges Verfahren nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft die nationalen Behörden nicht daran hindert, denselben Sachverhalt gleichzeitig im Hinblick auf ihr nationales Kartellrecht zu prüfen. Zugleich hat er diese Befugnis dadurch eingeschränkt, daß die „Anwendung des nationalen Rechts ... die uneingeschränkte und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und die Wirksamkeit der zu seinem Vollzug ergangenen oder zu treffenden Maßnahmen nicht beeinträchtigen“ darf ( 94 ). Damit hat der Gerichtshof dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft im Konfliktfall den Vorrang vor den entsprechenden Bestimmungen der Mitgliedstaaten zuerkannt. Indessen betrifft dieses Urteil allein das Verhältnis, das zwischen der Anwendung nationalen Wettbewerbsrechts durch nationale Behörden auf der einen Seite und der Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Kommission auf der anderen Seite besteht. Dagegen besagt das Urteil nichts über die Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch nationale Behörden und Gerichte, um die es bei dem Argument der Klägerin geht. Auch in seinem späteren Urteil vom 10. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, in dem es um die Anwendung französischen Wettbewerbsrechts nach einer bloßen Verfahrenseinstellung durch die Kommission ging, hat der Gerichtshof hierzu keine Stellung zu nehmen brauchen ( 95 ).

102.

Die Kompetenz der nationalen Behörden zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft ist vielmehr, jedenfalls teilweise, in Artikel 9 der Verordnung Nr. 17 geregelt.

Die rechtsgestaltende Freistellungsentscheidung nach Artikel 85 Absatz 3 ist hiernach allein der Kommission vorbehalten. Daneben besteht eine konkurrierende Zuständigkeit der nationalen Behörden für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 und Artikel 86, solange die Kommission noch kein Verfahren nach Artikel 2, 3 oder 6 der Verordnung Nr. 17 eingeleitet hat ( 96 ). Sobald die Kommission tätig wird, ist sie jedoch auch hier ausschließlich zuständig. Das gilt indessen nur gegenüber nationalen Kartellbehörden und solchen nationalen Gerichten, denen die Anwendung des Kartellrechts oder die Überwachung der Kartellbehörden obliegt. Dagegen bleiben andere nationale Gerichte und Behörden dafür zuständig, die Artikel 85 Absatz 1 und 86 zum Beispiel in zivilrechtlichen Streitigkeiten anzuwenden, auch wenn die Kommission bereits ein Verfahren eingeleitet hat. Die Verbote der Artikel 85 Absatz 1 und 86 erzeugen nämlich in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbar Rechte und Pflichten, die von den nationalen Gerichten durchzusetzen sind. Die Durchsetzung dieser Rechte, die den einzelnen direkt aufgrund des Vertrages zustehen, kann durch das abgeleitete Recht nicht beschnitten werden ( 97 ). Dem Bedürfnis nach widerspruchsfreier Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft kann das innerstaatliche Gericht dadurch Rechnung tragen, daß es sein Verfahren aussetzt, bis die Kommission entschieden hat ( 98 ).

103.

Die nationalen Gerichte bleiben zur Gewährung von Rechtsschutz im Einzelfall auch verpflichtet, nachdem die Kommission ihr Verfahren beendet hat. Für die Einstellung des Verfahrens durch ein Verwaltungsschreiben hat der Gerichtshof dies in einer Reihe von Fällen entschieden. Unterrichtet die Kommission mit einem solchen Schreiben ein Unternehmen davon, daß sie keinen Anlaß sieht, gegen eine bestimmte Vereinbarung einzuschreiten, so bindet dies die nationalen Gerichte nicht; sie können, entgegen der Auffassung der Kommission, feststellen, daß die Vereinbarung gegen Artikel 85 verstößt und nichtig ist ( 99 ). Auch an ein Negativattest der Kommission sind die nationalen Gerichte nicht gebunden ( 100 ). Das wird zwar von manchen angezweifelt, ist aber dadurch geboten, daß die nationalen Gerichte auch hier die Rechte einzelner wahren müssen, die diesen der EWG-Vertrag verliehen hat.

Weder ein Verwaltungsschreiben noch ein Negativattest der Kommission hindern die nationalen Gerichte mithin daran, ein Verhalten an denselben Rechtsnormen zu messen, die die Kommission angewendet hat, und dabei eine abweichende Beurteilung vorzunehmen. Die Ansicht der Kommission, die in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck kommt, ist lediglich ein tatsächlicher Umstand, den die Gerichte bei ihrer Entscheidung berücksichtigen können ( 101 ).

104.

Dies ist in den Fällen der Freistellung allerdings anders. Die Freistellungsentscheidung der Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 bewirkt, daß Artikel 85 Absatz 1 für die freigestellte Vereinbarung nicht mehr gilt. Hieran sind alle nationalen Gerichte und Behörden gebunden, sie dürfen die Erga-omnes-Wirkung dieser Entscheidung nicht unterlaufen. Erst wenn die Kommission ihre Entscheidung nach Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 widerrufen sollte, entfällt die Bindung.

Auch eine Gruppenfreistellungsverordnung bindet als Rechtsnorm die nationalen Gerichte und Behörden, denen jedoch bei ihrer Anwendung die Möglichkeit der Auslegung verbleibt. So können sie feststellen, daß eine Vereinbarung der Gruppenfreistellungsverordnung nicht entspricht, und daher dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 unterfällt. Der Gefahr von Wertungswidersprüchen läßt sich durch Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 177 begegnen, wie die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur früheren Verordnung Nr. 67/67/EWG illustriert ( 102 ).

105.

All dies gilt aber nur für das Verbot des Artikels 85 Absatz 1, nicht für Artikel 86. Meine Ausführungen zu der Befugnis der Kommission, die angefochtene Entscheidung nach Artikel 86 zu erlassen, gelten in vollem Umfang für die entsprechenden Befugnisse der nationalen Gerichte und Behörden, Artikel 86 anzuwenden. Eine Gruppenfreistellung hindert nicht die Befugnis der nationalen Gerichte und Behörden, den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung an Artikel 86 zu messen. Der Gerichtshof hat dementsprechend in seinem Urteil vom 11. April 1989 in der Sache Ahmed Saeed „je nach Fallgestaltung“ auch die Zuständigkeit der nationalen Behörden zur Anwendung des Artikels 86 anerkannt ( 103 ).

106.

Durch dieses Ergebnis wird die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gefährdet. Im Gegenteil: Nur wenn — neben der Kommission — auch die nationalen Gerichte und Behörden bei Sachverhalten, wie dem hier zugrundeliegenden, Artikel 86 anwenden dürfen, ist dessen einheitliche Anwendung in der Gemeinschaft gewährleistet.

C — Schlußantrag

107.

Ich habe Ihnen die Gründe dargelegt, aus denen ich zu der Überzeugung gekommen bin, daß die angegriffene Entscheidung der Kommission nicht gegen die Artikel 85 und 86 verstößt. Ich schlage Ihnen folgende Entscheidung vor:

„1)

Die Klage wird abgewiesen.

2)

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.“


( *1 ) Originalsprachc: Deutsch.

( 1 ) ABI. 1988, L 319, S. 1; berichtigte Fassung im ABI. 1989, C 215, S. 1.

( 2 ) Artikel, die nachfolgend ohne Angabe des Vertrages zitiert werden, sind solche des EWG-Vertrages.

( 3 ) ABI. 1984, L 219, S. 15.

( 4 ) Entscheidung 88/501/EWG (ABl. L 272, S. 27).

( 5 ) Vergleiche Urteile vom 6. April 1962 in der Rechtssache 13/61, Bosch, Slg. 1962, 97, 113, und vom 30. April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209/84 bis 213/84, Asjes, Slg. 1986, 1425, 1469.

( 6 ) Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, Slg. 1978, 207, 298.

( 7 ) Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 541.

( 8 ) Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Slg. 1973,215,246, Randnr. 25.

( 9 ) Die Frage ist in der Literatur umstritten, vergleiche z. B. Deringer: EWG-Wettbewerbsrecht, Kommentar, Randnr. 8 zu Artikel 85 Absatz 3; anders Koch, in Grabitz: Kommentar zum EWG-Vertrag, Randnr. 66 vor Artikel 85.

( 10 ) Until vom 20. März 1957 in der Rechtssache 2/56, Geit-linger/Hohe Behörde, Slg. 1957, 9, 44 f.

( 11 ) ABI. 1965, Nr. 36, S. 533.

( 12 ) Urteil vom 13. Juli 1966 in der Rechtssache 32/65, Italien/ Rat und Kommission, Slg. 1966, 563, 592 der französischen Fassung (457, 485 der deutschen Fassung).

( 13 ) Rechtssache 85/76, a. a. O., 550, Randnr. 116; ähnlich die Schlußanträge des Generalanwalts Reischl in der Rechtssache 7/82, GVL, Slg. 1983, 483, 525.

( 14 ) Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Slg. 1989, 803, 849, Randnrn. 37 ff.

( 15 ) Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 395/87, Slg. 1989,2521.

( 16 ) Rechtssache 6/72, a. a. O., 245, Randnr. 25.

( 17 ) Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Slg. 1981, 2021, 2030 f., Randnr. 10.

( 18 ) Rechtssache 6/72, a. a. O., 246, Randnr. 25, ebenso die Schlußanträge des Generalanwalts Roemer, a. a. O-, 257.

( 19 ) Schlußanträge in der Rechtssache 66/86 vom 28. April 1988, Nr. 41.

( 20 ) Rechtssache 85/76, a. a. O., 550, Randnr. 116.

( 21 ) Rechtssache 66/86, zweite Schlußantrage des Generalanwalts Lenz vom 17. Januar 1989, Nr. 18.

( 22 ) Vergleiche auch die Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache 66/86 vom 28. April 1988, Nr. 41: Auch eine Verordnung des Rates, die gewisse Verhaltensweisen als mit Artikel 86 vereinbar bezeichnete, müßte sich am Maßstab dieses Artikels messen lassen.

( 23 ) Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Slg. 1989, 803, 849, Randnr. 37.

( 24 ) ABI. 1962, Nr. 13, S. 204.

( 25 ) Mestmäcker: Europäisches Wettbewerbsrecbt, 1974, S. 357.

( 26 ) Vergleiche Hönn: Die Anwendbarkeit des Artikels 86 EWG-Vertrag bei Kartellen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen, Diss. Frankfurt, 1969, S. 67, der allerdings zu einem anderen Ergebnis gelangt.

( 27 ) Die Wirkungen des Negativattests vor nationalen Gerichten sind umstritten. Wie hier z. B. Waelbroeck, M.: „Judicial review of Commission action in competition matters“, Annual Proceedings of the Fordham Corporate Law Institute, 1983, S. 179, 203 f., mit weiteren Nachweisen.

( 28 ) Die Kommission muß den Anstieg des Konzentrationsgrades auf einem Markt auch bei der Erneuerung einer abgelaufenen Einzelfreistellung berücksichtigen. Urteil vom 9. Juli 1987 in der Rechtssache 43/85, Ancides/Kommission, Sig. 1987, 3131, 3154, Randnr. 13.

( 29 ) Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 (ABI. L 175, S. 1), Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 (ABl. L 378, S. 4) und Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 (ABI. L 374, S. 1).

( 30 ) Artikel 12 der Verordnung Nr. 1017/68 (unter Ausschluß der Krisenkartelle nach Artikel 6 der Verordnung), Artikel 12 der Verordnung Nr. 4056/86 und Artikel 5 der Verordnung Nr. 3975/87.

( 31 ) Anikei 12 Absatz 3.

( 32 ) Ebendon.

( 33 ) Artikel 13 der Verordnung Nr. 1017/68, Artikel 6 der Verordnung Nr. 3975/87 und Artikel 13 der Verordnung Nr. 4056/86.

( 34 ) Wertheimer: „Het adagium van artikel 86, EEG: ‚ Quod licet bovi non licet jovi‘“, in Europees Kartelrecht Anno 1980, S. 143, 212.

( 35 ) Verordnung Nr. 67/67/EWG (ABI. 1967, Nr. 57, S. 849), inzwischen ersetzt durch die Verordnungen (EWG) Nr. 1983/83 (ABI. L 173, S. 1) und (EWG) Nr. 1984/83 (ABI. L 173, S. 5); Verordnungen (EWG) Nr. 2349/84 (ABl. L 219, S. 15), (EWG) Nr. 123/85 (ABl. L 15, S. 16), (EWG) Nr. 4087/88 (ABl. L 359, S. 46) und (EWG) Nr. 556/89 (ABI. L 61, S. 1).

( 36 ) Begründungserwägung Nr. 10, Artikel 3 b und 5.

( 37 ) Begründungserwägungen Nr. 15 der Verordnung Nr. 1983/83 und Nr. 23 der Verordnung Nr. 1984/83.

( 38 ) Verordnung (EWG) Nr. 2821/71 (ABI. L 285, S. 46), Verordnung (EWG) Nr. 417/85 (ABI. L 53, S. 1), Verordnung (EWG) Nr. 418/85 (ABI. L 53, S. 5).

( 39 ) Artikel 3 der Verordnung Nr. 417/85, Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 418/85 (nur in bezug auf den Marktanteil).

( 40 ) ABI. 1987, L 374, S. 9.

( 41 ) Verordnungen (EWG) Nr. 2671/88, (EWG) Nr. 2672/88 und (EWG) Nr. 2673/88 (ABI. L 239, S. 9, 13 und 17).

( 42 ) Artikel 7 der Verordnung Nr. 2671/88, Artikel 11 der Verordnung Nr. 2672/88 und Artikel 4 der Verordnung Nr. 2673/88.

( 43 ) Eine solche Anordnung kann nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 3975/87 ergehen.

( 44 ) ABl. 1986, L 378, S. 4.

( 45 ) Verordnungen Nr. 1983/83 und Nr. 1984/83.

( 46 ) In anderer Meinung siehe Wiedemann: Kommentar zu den Gruppenfreistellungsverordnungen dei EWG-Kartellrechts, Bd. I, 1989, Allgemeiner Teil, S. 120 ff., Randnrn. 371, 373, zu der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidung der Kommission.

( 47 ) Koch, in Grabitz: Kommentar zum EWG-Vertrag, Randnrn. 192, 156 zu Anikei 85 EWG-Vertrag.

( 48 ) Vergleiche Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87.

( 49 ) Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, a. a. O., 849, 850, Randnrn. 37 und 42.

( 50 ) Z. B. Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, a. a. O., 244 ff.; Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73, Commercial Solvents, Sig. 1974, 223, 252, Randnr. 25; Urteil vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, INNO/ATAB, Slg. 1977, 2115, 2145, Randnrn. 28 f.; Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, a. a. O., 286, Randnrn. 63 f.; Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., 552, 554, Randnrn. 125 und 132.

( 51 ) Nr. 46der angefochtenen Entscheidung.

( 52 ) A. a. O-, 246, Randnr. 26. Die Entscheidung der Kommission wurde jedoch wegen der fehlerhaften Abgrenzung des relevanten Marktes autgehoben.

( 53 ) Lang Temple: Monopolisation and the definition of „abuse“ of a dominant position under Article 86 EEC Treaty, CMLR 1979, S. 345, 351.

( 54 ) Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssacht 85/76, a. a. O., 541, Randnr. 91.

( 55 ) Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O-, anders allerdings ein Teil der Lehre, z. B. Koch, in Grabitz: Kommentar zum EWG-Vertrag, Randnrn. 45 f. zu Artikel 86.

( 56 ) Vergleiche auch Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., 551, Randnr. 120.

( 57 ) Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin, Slg. 1983, 3461, 3511, Randnr. 57.

( 58 ) Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., 541, Randnr. 91; ebenso Urteil vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, ĽOréal, Slg. 1980, 3775, 3794, Randnr. 27; Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., 3514, Randnr. 70.

( 59 ) Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, a. a. O., 246, Randnr. 26.

( 60 ) Grundlegend hierzu Vogel: Droit de la concurrence et concentration économique, París, 1988, S. 154 ff.

( 61 ) Urteil vom 27. März 1974 in der Rechtssache 127/73, Sie. 1974, 313, 316 f., allerdings im Rahmen des Regelbeispieis von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe a.

( 62 ) Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, 2017, Randnr. 486.

( 63 ) Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, a. a. O., 298.

( 64 ) Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 395/87, a. a. O., 2579, Randnr. 45, im Rahmen des Regelbeispiels von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe a.

( 65 ) A. a. O., 2575, Randnr. 31.

( 66 ) Droit de la concurrence et concentration économique, S. 155, Fußnote 1.

( 67 ) Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O, 551, Randnr. 120.

( 68 ) Z. B. Urteil vom 29. Februar 1968 in der Rechtssache 24/67, Parke, Davis/Probel, Slg. 1968, 86, 112 f. (Patent); Urteil vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77, Hoff-mann-U Roche/Centrafarm, Slg. 1978, 1139, 1168 (Warenzeichen).

( 69 ) Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 53/87, Slg. 1988, 6039, 6072, Randnr. 15.

( 70 ) Ahnlich die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Unterschied zwischen Besund und Ausübung gewerblicher Schutzrechte bei der Anwendung von Artikel 36, z. B. Urteil vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 15/74, Centrafarm/Sterling Drug, Slg. 1974, 1147.

( 71 ) Urteil vom 29. Februar 1968 in der Rechtssache 24/67, a. a. O., 112.

( 72 ) Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 53/87, a. a. O-, 6073, Randnr. 16; ebenso Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache.

( 73 ) Schlußanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache 53/87, Maxicar, a. a. O., Nr. 60.

( 74 ) Ebenso im Fall Volvo/Veng, Rechtssache 238/87, a. a. O.

( 75 ) Urteil vom 9. Juli 1985 in der Rechtssache 19/84, Pharmon/Hocchst, Slg. 1985, 2281, 2298, Randnr. 26.

( 76 ) Vergleiche Nrn. 46 und 47 der Entscheidung.

( 77 ) ABI. 1988, L 319, S. 1; berichtigte Fassung im ABl. 1989, C 215, S. 1.

( 78 ) Verordnung Nr. 2349/84, Begründungserwägungen Nr. 11 und Nr. 12.

( 79 ) Vergleiche Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. C, 549, Randnr. 115.

( 80 ) Ausführlich zur Anwendung beider Grundsäue im Bereich des Wettbewerbsrechis D. Edward: „Constitutional rules of Community law in EEC competition cases“, zur Veröffentlichung vorgesehen in Annual Proceedings of the Fordham Corporale Law Institute, 1989, S. 28 ff. des Manuskripts.

( 81 ) Z. B. Urteil vom 12. November 1981 in den verbundenen Rechtssachen 212/80 bis 217/80, Salumi, Sig. 1981, 2735, 2751, Randnr. 10; Urteil vom 28. April 1988 in der Rechtssache 120/86, Mulder, Slg. 1988, 2321, 2352 f., Randnrn. 24 ff.; D. Edward, a. a. O.

( 82 ) 2. B. Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86, Blaizot, Slg. 1988, 379, 405 ff., Randnrn. 25 ff.; grundlegend Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75, Dcfrenne, Slg. 1976, 455, 480, Randnrn. 69 ff.

( 83 ) Urteil vom 6. April 1962 in der Rechtssache 13/61, a. a. O., 113.

( 84 ) Urteil vom 30. April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209/84 bis 213/84, a. a. O., 1425, 1466 ff.; Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, a. a. O., 845, Randnrn. 20 ff.

( 85 ) Z. B. Sharpston: „Legitimate expectations and economic reality“, zur Veröffentlichung vorgesehen in European Law Review, 1990, S. 76 des Manuskripts; Urteil vom 28. April 1988 in der Rechtssache 120/86, a. a. O.

( 86 ) Urteil vom 22. März 1961 in den verbundenen Rechtssachen 42/59 und 49/59, Snupat, Slg. 1961, 107, 172.

( 87 ) In diesem Sinne auch Wiedemann: Kommentar zw den Gruppenjreiítellungsverordnungen des EWG-Kartellrechts, Bd. 1, 1989, Allgemeiner Teil, S. 122, Randnr. 373.

( 88 ) Vergleiche z. B. Anikei 7 der Verordnung Nr. 19/65.

( 89 ) Anderer Ansicht Wiedemann, a. a. O-, S. 123, Randnr. 373.

( 90 ) Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., 3511, Randnr. 57.

( 91 ) Vogel, a. a. O., S. 143; vergleiche auch die Schlußanträge des Generalanwalts Roemer in der Rechtssache 6/72, a. a. O., 256.

( 92 ) Eine ausführliche Analyse findet sich bei Gyselen: „Abuse of monopoly power within the meaning of Article 86 of the EEC Treaty: Recent developments“, zur Veröffentlichung vorgesehen in Annual Proceeding! of the Fordham Corporate Law Imtitute, 1989, S. 27 ff. des Manuskripts.

( 93 ) Ebenso Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., 554, Randnr. 130.

( 94 ) Urteil vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Slg. 1969, 1, 14 f., Randnr. 9.

( 95 ) Urteil vom 10. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, Giry und Guerlain, Slg. 1980, 2327, 2374 ff., Randnrn. 15 ff.

( 96 ) Artikel 9 Absatz 3.

( 97 ) Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, a. a. O., 51, 62 f. zu Artikel 86; Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 37/79, Marty/Lauder, Slg. 1980, 2481, 2500 zu Artikel 85 Absatz 1.

( 98 ) Urteil vom 6. Februar 1973 in der Rechtssache 48/72, Haechi II, Slg. 1973, 77, 87, Randnrn. 10 ff.; Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 37/79, a. a. O., 2500, Randnr. 14.

( 99 ) Z. B. Urteil vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 37/79, a. a. O., 2499, Randnr. 10.

( 100 ) Schlußanträge des Generalanwalts Reischl in Rechtssache 37/79, a.a.O., S. 2507.

( 101 ) Urteil vom 10. Juli 1980, Rechtssache 37/79, a.a.O., S. 2499.

( 102 ) Vgl. z.B. die Urteile vom 25. November 1971, Rechtssache 22/71, Bcguelin, Sig. 1971, S. 949, 961 Randnrn. 19-22; vom 3. Februar 1976, Rechtssache 63/75, Fonderies Roubaix, Slg. 1976, S. 111, 118, Randnr. 10 ff. und zuletet vom 28. Januar 1986, Rechtssache 161/84, Pronuptia, Slg. 1986, S. 353, 387, Randnr. 32.

( 103 ) Urteil vom 11. April 1989, Rechtssache 66/86, Randnr. 32.