SITZUNGSBERICHT

in den verbundenen Rechtssachen C-213/88 und C-39/89 ( *1 )

I — Sachverhalt

1. Vorgeschichte des Rechtsstreits

Nach den Artikeln 77 EGKS-Vertrag, 216 EWG-Vertrag und 189 EAG-Vertrag wird der Sitz der Organe im Einvernehmen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmt.

Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten haben mit Beschluß 67/446/EWG, 67/30/Euratom vom 8. April 1965 über die vorläufige Unterbringung bestimmter Organe und Dienststellen der Gemeinschaften, ergangen aufgrund von Artikel 37 des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zur Regelung einiger besonderer Probleme des Großherzogtums Luxemburg u. a. folgendes festgelegt:

„Artikel 4

Das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments und seine Dienststellen bleiben in Luxemburg.“

Das Europäische Parlament übt seine Tätigkeit an drei vorläufigen Arbeitsorten aus: Straßburg, Luxemburg und Brüssel.

Das Parlament hat mehrfach Entschließungen angenommen, in denen es

a)

die Regierungen der Mitgliedstaaten aufforderte, ihrer vertraglichen Verpflichtung nachzukommen und einen einheitlichen Sitz für die Organe der Gemeinschaft zu bestimmen,

b)

sich um eine Verteilung des Personals auf die Arbeitsorte bemühte und

c)

die Schaffung neuer Räumlichkeiten in Brüssel beschloß.

Die Streitigkeiten, die durch diese Entschließungen hervorgerufen wurden, haben zu drei Urteilen des Gerichtshofes geführt, die am 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81 (Großherzogtum Luxemburg/Europäisches Parlament, Slg. 1983, 255), am 10. April 1984 in der Rechtssache 108/83 (Großherzogtum Luxemburg/Europäisches Parlament, Slg. 1984, 1945) und am 22. September 1988 in den verbundenen Rechtssachen 358/85 und 51/86 (Französische Republik/Europäisches Parlament, Slg. 1988, 4821) ergingen. In diesen Urteilen hat der Gerichtshof folgende Grundsätze herausgestellt:

Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965 ist dahin auszulegen, daß er gewissen Maßnahmen des Parlaments, die für sein ordnungsgemäßes Funktionieren erforderlich sind, nicht entgegensteht.

Solange das Parlament nicht einen einzigen Sitz oder auch nur Arbeitsort hat, muß es in der Lage sein, an den verschiedenen Arbeitsorten außerhalb des Ortes, an dem sein Sekretariat untergebracht ist, diejenige Infrastruktur aufrechtzuerhalten, die unerläßlich ist, um die Erfüllung der ihm durch die Verträge zugewiesenen Aufgaben an allen diesen Orten sicherzustellen.

Jedoch darf die Versetzung von Personal die aufgezeigten Grenzen nicht überschreiten, da jede Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, rechtliche oder tatsächliche Verlagerung des Generalsekretariats des Parlaments oder seiner Dienststellen einen Verstoß gegen Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965 darstellen und die Zusicherungen verletzen würde, die dieser Beschluß dem Großherzogtum Luxemburg gemäß dem erwähnten Artikel 37 des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften geben sollte.

Daher schließen es die Beschlüsse der Regierungen der Mitgliedstaaten, mit denen Straßburg als vorläufiger Sitzort für die Plenarsitzungen des Parlaments bestimmt wurde, nicht aus, daß das Parlament in Ausübung seiner Zuständigkeit für die Regelung seiner internen Organisation die Abhaltung einer Plenartagung außerhalb Straßburgs beschließt, wenn eine solche Entscheidung Ausnahmecharakter behält und aus objektiven, mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Parlaments zusammenhängenden Gründen gerechtfertigt ist.

2. Rahmen des Rechtsstreits

In der Rechtssache C-213/88 ficht das Großherzogtum Luxemburg zwei Beschlüsse des Präsidiums des Europäischen Parlaments an.

Der Beschluß des Präsidiums vom 1. und 2. Juni 1988 geht auf einen Bericht des Generalsekretärs des Parlaments zurück, der am 15. und 17. Dezember 1987 vom Präsidium geprüft wurde und der die vom Erweiterten Präsidium beantragte Ausarbeitung der erforderlichen Maßnahmen zur Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel betraf. Diese Dienste, die zur Generaldirektion „Information“ (Generaldirektion III) des Europäischen Parlaments gehören, bestanden damals aus dem zentralen Pressebüro, das zur Information der in Brüssel akkreditierten Journalisten ab 1980 schrittweise errichtet worden war, und dem Informationsbüro für Belgien, das zu dem Netz von Außenbüros des Informationsdienstes des Parlaments gehört, die in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten eingerichtet worden sind. Aufgrund des Berichts des Generalsekretärs beschloß das Präsidium, die Prüfung des Vorgangs im Rahmen einer parlamentarischen Ad-hoc-Gruppe fortzusetzen und örtliche Umsetzungen vorzunehmen, durch die sich der Personalbestand der Generaldirektion III in Brüssel von 30 auf 38 Beamte erhöhte. Dieser Beschluß und die für die Zukunft ins Auge gefaßten Lösungen sollten folgendem Rechnung tragen: der Notwendigkeit eines Umstrukturierungsverfahrens, da keine neuen Stellen vorgesehen werden konnten; der Verbesserung der Dienste; der Notwendigkeit, die Urteile des Gerichtshofes über die Unterbringung von Dienststellen des Generalsekretariats zu beachten; der Zusage, wonach Versetzungen nur auf freiwilliger Basis vorgenommen werden können; schließlich der Verfügbarkeit der Räumlichkeiten.

Mit Schreiben vom 12. Januar 1988 bat der luxemburgische Außenminister den Präsidenten des Parlaments um Erläuterungen. Dieser versicherte in seiner Antwort vom 27. Januar, daß das Parlament alle seine rechtlichen Verpflichtungen eingehalten habe und auch weiterhin seine Pflichten unter Beachtung des Rechts wahrnehmen werde.

In Erwartung der Ergebnisse der Arbeiten der parlamentarischen Ad-hoc-Gruppe nahm das Präsidium am 10. Februar 1988 zur Kenntnis, daß sich die für die Aufgabe des zentralen Pressebüros in Brüssel notwendigen Versetzungen bis spätestens zum 1. September 1988 hinziehen könnten.

Am 1. Juni 1988 prüfte das Präsidium die Ergebnisse der parlamentarischen Ad-hoc-Gruppe und billigte die Dokumente, die den streitigen Beschluß bilden:

Erstens: Unter der Überschrift „Für Information und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dienststellen in Brüssel“, Dokumentennr. PE 122.508/PRÄS.,

nimmt das Präsidium Kenntnis von dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe „Information“ vom 19. Mai 1988 über die Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel (PE 122.503/PRÄS.);

stimmt den in dem vorgelegten Dokument enthaltenen allgemeinen Leitlinien zu;

beauftragt dementsprechend den Generalsekretär, die Voraussetzungen für die Durchführung der angenommenen Vorschläge zu schaffen.

Zweitens: Der Bericht der Ad-hoc-Gruppe „Information“ mit der Überschrift „Die Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel“ enthält die Vorschläge, mit deren Ausarbeitung der Generalsekretär beauftragt wurde. Der Bericht sieht unter anderem vor, daß das zentrale Büro „von dem für Belgien zuständigen Informationsbüro in Brüssel streng getrennt bleiben“ muß; weiter heißt es dort: „Für die Erfüllung seiner Aufgaben kann sich dieser Dienst auf den Beitrag der nach Brüssel verlegten Sektoren der Abteilung Veröffentlichungen ... stützen.“ Der Bericht gibt Empfehlungen zur „Verstärkung des Dienstes“ und „zur Verbesserung des Dialogs mit der Presse“ und wendet sich dann dem „Problem der Versetzungen von Beamten nach Brüssel“ zu, insbesondere der etappenweisen Versetzung „bestimmter Sprachsektoren der Abteilung Veröffentlichungen, die derzeitig in Luxemburg untergebracht sind“. Dazu meinen die Verfasser des Berichts, daß „nach der Versetzung des englischen Sektors, die vom Präsidium am 15. Dezember 1987 beschlossen wurde, ... zur Versetzung eines weiteren Sektors innerhalb kurzer Frist (Januar 1989) übergegangen werden [kann], und zwar des portugiesischen Sektors“. Diese Erwägungen werden zusammenhängend als „Vorschläge“ wiederholt, die dem Präsidium in dem Abschnitt „Schlußfolgerungen“ des Berichts unterbreitet werden, wo die Selbständigkeit des zentralen Pressebüros bekräftigt und ergänzend darauf hingewiesen wird, daß „die Versetzung weiterer Sprachsektoren ... beabsichtigt“ ist.

Am 15. Juni 1988 nahm das Präsidium des Europäischen Parlaments laut dem Abschnitt 4.1 des Protokolls seiner Sitzung mit der Überschrift „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ Kenntnis von mehreren Vermerken des Generalsekretärs und der Generaldirektion Verwaltung zu dieser Frage. Das Präsidium hörte u. a. die Ausführungen des Präsidenten, der auf die umfangreichen Schwierigkeiten aufgrund der Überlastung des Parlaments hinwies, die Notwendigkeit unterstrich, Abhilfe zu schaffen, und daran erinnerte, daß der Generalsekretär beauftragt worden sei, „sich um zusätzliche Büro- und Sitzungsräume zu bemühen, um die Infrastruktur in Brüssel zu verbessern“. Das Präsidium hörte auch Ausführungen des Generalsekretärs zu seinem Vermerk vom 6. Juni 1988. Dieser Vermerk, der am 8. Juni vom Kollegium der Quästoren gebilligt worden war, enthielt die Empfehlung, Artikel 37 der Geschäftsordnung, wonach den Ausschüssen die Entscheidungsbefugnis übertragen werden kann, häufiger anzuwenden, sowie den Vorschlag, „die Zahl der Sitzungssäle in Brüssel zu erhöhen und einen Saal zur Verfügung zu stellen, der gleichzeitig mehrere Ausschüsse oder einen großen Ausschuß aufnehmen kann, der anstelle des Parlaments entscheidungsbefugt ist“, das jedoch „diese Beschlüsse anschließend ohne Aussprache bestätigen“ müsse. Das Präsidium billigte sodann die Leitlinien des Generalsekretärs für die Rationalisierung der Arbeiten des Parlaments und

entschied sich — in bezug auf Brüssel — einstimmig für das Projekt „Parc Leopold Investment“ (zwischen der rue du Remorqueur und der rue d'Ardennes) und mit zwölf Stimmen bei einer Enthaltung für das Projekt „Groupement COB — Société generale“ (rue Wiertz),

und beauftragte den Generalsekretär, gemäß der von ihm vorgelegten Aufzeichnung alles Erforderliche zu veranlassen, damit die neuen Räumlichkeiten des Parlaments im Laufe des Jahres 1990 zur Verfügung ständen.

Der Außenminister des Großherzogtums Luxemburg richtete am 20. Juni 1988 ein Schreiben an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, um umfassendere Auskünfte zu erhalten, und schlug vor, gemeinsam zu prüfen, ob die Beschlüsse des Präsidiums mit dem Gemeinschaftsrecht und der Rechtsprechung vereinbar seien. Der Präsident des Parlaments versicherte in seiner Antwort vom 27. Juni 1988, daß das Präsidium des Parlaments keine Entscheidungen namentlich über die Versetzungen von Luxemburg nach Brüssel getroffen habe, die im Widerspruch zu den Vertragsbestimmungen oder der Rechtsprechung des Gerichtshofes stünden. Diese Versetzungen seien aufgrund unabdingbarer Erfordernisse der Parlamentsarbeit erfolgt. Er fügte hinzu, daß der Generalsekretär des Parlaments der luxemburgischen Regierung für alle zweckdienlichen Informationen zur Verfügung stehe. Am 11. Juli 1988 fand ein Treffen statt, doch hielt der luxemburgische Außenminister mit Schreiben vom 14. Juli an den Präsidenten des Parlaments seine Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Versetzungen mit dem bestehenden Gemeinschaftsrecht aufrecht und bat um die Übermittlung der Protokolle der Präsidiumssitzungen vom 1., 2. und 15. Juni, soweit es bei den Beratungen um die Fragen der Ansiedlung und des Dienstortes von Beamten gegangen sei, damit sich die Regierung des Großherzogtums Luxemburg eine endgültige Meinung bilden könne.

Da eine Antwort ausblieb, erhob der Kläger Klage. Der luxemburgische Außenminister bat den Präsidenten des Europäischen Parlaments jedoch mit Schreiben vom 23. August 1988, die streitigen Maßnahmen nicht vor Erlaß des Urteils des Gerichtshofes auszuführen. Das Präsidium des Parlaments wies dieses Begehren zurück und bestätigte auf seiner Sitzung vom 14. September 1988 seine Beschlüsse vom 1. und 15. Juni 1988.

Der Präsident des Parlaments versicherte dem luxemburgischen Minister nach einem Treffen mit dessen Vertreter in einem Antwortschreiben vom 5. Oktober 1988 jedoch noch einmal, daß die beanstandeten Beschlüsse völlig im Einklang mit dem geltenden Recht und der Rechtsprechung, insbesondere dem genannten Urteil vom 10. Februar 1983, stünden. Er hoffe, daß die luxemburgische Regierung ihre Haltung angesichts dieser Erklärungen noch einmal überdenke, damit der Gerichtshof nicht über ein bloßes Mißverständnis entscheiden müsse.

Die Rechtssache C-39/89 betrifft die Entschließung des Parlaments vom 18. Januar 1989. Diese Entschließung geht auf einen Bericht des Politischen Ausschusses des Europäischen Parlaments (Berichterstatter Derek Prag) vom 1. Dezember 1988 (Serie A, Dok. A2-316/88) zurück.

Die Entschließung wurde mit 223 gegen 173 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen und später veröffentlicht (ABl. C 47 vom 28. Februar 1989, S. 88 bis 92).

Das Europäische Parlament rechtfertigt die Annahme der Entschließung in erster Linie mit folgenden Erwägungen:

Die Regierungen der Mitgliedstaaten seien trotz der vom Parlament mehrfach erhobenen Forderung ihrer Verpflichtung noch nicht nachgekommen, den Sitz der Organe der Gemeinschaft gemäß den Artikeln 77 EGKS-Vertrag, 216 EWG-Vertrag und 189 EAG-Vertrag zu bestimmen.

Es sei eine größere UmOrganisation, verbunden mit einer weniger starken Streuung seiner Arbeit und seines Personals auf drei Arbeitsorte, erforderlich, um die umfangreichen zusätzlichen Aufgaben, die dem Europäischen Parlament durch die Einheitliche Europäische Akte übertragen worden seien, sowie die sich aus früheren Verträgen ergebenden Aufgaben, insbesondere im Gesetzgebungs-, Haushalts- und Kontrollbereich, wahrnehmen zu können.

Das Großherzogtum Luxemburg beantragt, diese Entschließung insgesamt, insbesondere aber ihre Ziffern 7, 9, 10, 16 und 17 für nichtig zu erklären. Dort heißt es: Das Parlament

„7.

beschließt deshalb, in Übereinstimmung mit den ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Verpflichtungen und dem selbstverständlichen Recht eines in unmittelbaren allgemeinen Wahlen gewählten Parlaments tragfähigere Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zu schaffen;

9.

beauftragt sein Präsidium, unter Beachtung der in den Ziffern 2 und 3 aufgeführten Gesichtspunkte sobald wie möglich dafür Sorge zu tragen, daß dem Parlament alle personellen Mittel und Infrastrukturen zur Verfügung stehen, die es benötigt, um seine Aufgaben effizient und wirksam an den Orten, an denen seine Plenartagungen und die übrigen parlamentarischen Sitzungen stattfinden, zu erfüllen;

10.

ist insbesondere der Auffassung, daß es für das ordnungsgemäße Funktionieren des Parlaments unbedingt erforderlich ist, daß das Personal, das sich mit den folgenden Tätigkeiten befaßt, in Brüssel zur Verfügung steht:

Ausschüsse und Delegationen,

Information und Öffentlichkeitsarbeit,

Studien und Wissenschaft

sowie

sonstiges Personal, dessen Hauptaufgabe darin besteht, den einzelnen Mitgliedern direkt zuzuarbeiten, und

das Personal, das aufgrund seiner Auf-sichts- oder Unterstützungsfunktion am gleichen Ort wie die oben genannten Stellen sein muß;

16.

beauftragt seinen Präsidenten, seinen Generalsekretär, sein Präsidium, sein Erweitertes Präsidium und seine Quästoren, umgehend alle geeigneten Maßnahmen — einschließlich der Anhörungen des Personals — zur Verwirklichung des hier Ausgeführten zu treffen und insbesondere neue Räumlichkeiten zu mieten oder anzukaufen und die Mietverhältnisse für Gebäude, die nicht mehr benötigt werden, aufzulösen;

17.

betont die Dringlichkeit seiner Lage und die Notwendigkeit, die einzelnen in den Ziffern 9, 10 und 11 vorgesehenen Änderungen vorzunehmen, sobald entsprechende Einrichtungen zur Verfügung stehen“.

Ziffer 11 lautet folgendermaßen :

„stellt fest, daß es zur effizienten Wahrnehmung seiner erweiterten Verpflichtungen notwendig geworden ist, zusätzliche bzw. ergänzende Plenartagungen abzuhalten, die in eine oder mehrere für Ausschuß- oder Fraktionssitzungen vorgesehene Wochen fallen“.

II — Schriftliches Verfahren und Anträge der Parteien

Das Großherzogtum Luxemburg hat mit Klageschrift, die am 1. August 1988 unter dem Aktenzeichen C-213/88 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, gemäß den Artikeln 31 und 38 EGKS-Vertrag, Artikel 173 EWG-Vertrag und Artikel 146 EAG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung des unter der Überschrift „Für Information und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dienststellen in Brüssel“ ergangenen Beschlusses des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 1. und 2. Juni 1988 sowie des unter der Überschrift „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ ergangenen Beschlusses dieses Präsidiums vom 15. Juni 1988.

Mit Klageschrift, die am 16. Februar 1989 unter dem Aktenzeichen C-39/89 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden ist, hat das Großherzogtum Luxemburg gemäß den vorgenannten Bestimmungen des EGKS-, EWG- und EAG-Vertrags Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 1989 zum Sitz der Organe und zum Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments.

Das Parlament hat gegen diese zweite Klage mit Schriftsatz, der am 20. März 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung die Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Mit Entscheidung vom 6. Juli 1989 hat der Gerichtshof die Entscheidung über die von dem Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.

Mit Beschluß vom 4. Juli 1990 hat der Gerichtshof die beiden Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Er hat jedoch den Parteien schriftlich Fragen gestellt.

Der Kläger beantragt,

die Klagen für zulässig und für begründet zu erklären und

in der Rechtssache C-213/88 den am 1. und 2. Juni 1988 unter der Überschrift „Für Information und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dienststellen in Brüssel“ ergangenen Beschluß des Präsidiums des Europäischen Parlaments sowie den am 15. Juni 1988 unter der Überschrift „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ ergangenen Beschluß des Präsidiums des Parlaments für nichtig zu erklären;

in der Rechtssache C-39/89 die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 1989„zum Sitz der Organe und zum Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments“ für nichtig zu erklären; zu bestätigen, daß der Kläger sich alle weiteren Rechte und Maßnahmen vorbehält.

Das Europäische Parlament beantragt sowohl in der Rechtssache C-213/88 als auch in der Rechtssache C-39/89,

die Klagen für unzulässig,

hilfsweise, für unbegründet zu erklären,

dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

III — Vorbringen der Parteien

A — Zur Zulässigkeit

1. Rechtssache C-213/88

Das Parlament macht geltend, daß die Klage unzulässig sei, da sie sich gegen Beschlüsse richte, die ausschließlich die interne Organisation des Parlaments beträfen. Solche Rechtsakte seien gerichtlich nicht überprüfbar, da sie der Autonomie des Parlaments bei der Ausübung seiner Befugnisse bezüglich der internen Organisation entsprängen (Urteil vom 22. September 1988 in den verbundenen Rechtssachen 358/85 und 51/86, a. a. O.; Beschluß vom 4. Juni 1986 in der Rechtssache 78/85, Fraktion der Europäischen Rechten/Parlament, Slg. 1986, 1753).

Das Großherzogtum Luxemburg verweist darauf, daß der Gerichtshof diesen Einwand in den genannten Urteilen vom 10. Februar 1983 und 10. April 1984 bereits zurückgewiesen habe und die vom Beklagten angeführten Urteile in dem einen Fall die Durchführung einer aktuellen Debatte im Parlament und im anderen Fall die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betroffen hätten.

2. Rechtssache C-39/89

Die vom Parlament erhobene Einrede der Unzulässigkeit bezieht sich erstens auf den Inhalt der Klageschrift und zweitens, hilfsweise, auf die Rechtsnatur der angefochtenen Handlung.

1) Zur Einrede bezüglich des Inhalts der Klageschrift

Nach Ansicht des Parlaments genügt die Klageschrift nicht den Erfordernissen des Artikels 38 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes.

Um die Rechtmäßigkeit der Handlung eines Organs zu bestreiten, genüge es nicht, die Unzuständigkeit oder einen Verstoß gegen den Vertrag zu behaupten. Ohne ein Mindestmaß an Sachvortrag zur Begründung dieser Angriffsmittel würde man dem Parlament die Beweislast dafür aufbürden, daß sein Verhalten die Grenzen der Rechtmäßigkeit nicht überschritten habe. Zwar genössen die Mitgliedstaaten bezüglich des Rechtschutzinteresses eine priviligierte Stellung, doch seien sie deshalb nicht von der Beweislast befreit.

Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, seine Klageschrift entspreche den Erfordernissen des Artikels 38 der Verfahrensordnung und gehe sogar über diese hinaus; die Klageschrift bezeichne den Streitgegenstand, die Entschließung insgesamt, aber auch bestimmte Punkte, und enthalte eine ausführliche Begründung der Angriffsmittel, insbesondere bezüglich der Überschreitung von Befugnissen durch das Parlament und zum Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Die Einrede sei in tatsächlicher Hinsicht unbegründet und in rechtlicher Hinsicht irrig, da sie die Beweisführung betreffe. In diesem Zusammenhang trägt der Kläger vor, daß das Problem mit der Frage des Beweises überhaupt nichts zu tun habe, da es um die förmliche Ordnungsgemäßheit der Klageschrift und nicht um eine tatsächliche Frage oder um die Begründetheit der Klage gehe. Der vom Parlament angeführte Grundsatz „actori incumbit probatio“ sei zu ergänzen um den Grundsatz „reus in excipiendo fit actor“.

Das Großherzogtum Luxemburg beantragt deshalb, diese Einrede ohne mündliche Verhandlung, wie es Artikel 91 § 3 der Verfahrensordnung zulasse, zurückzuweisen.

2) Zur Einrede bezüglich der Rechtsnatur der angefochtenen Handlung

Das Parlament bezieht sich auf das Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in den verbundenen Rechtssachen 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84 (Salerno/Rat und Kommission, Slg. 1985, 2523), wonach „eine Entschließung des Parlaments keinen zwingenden Charakter“ habe. Die streitige Entschließung könne nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein, denn ihr fehle der Charakter einer Entscheidung; darüber hinaus gehöre diese Entschließung, selbst wenn man davon ausgehe, daß sie bestimmte Rechtswirkungen entfalten könne, zu der dem Parlament eingeräumten internen Organisationsgewalt, die jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen sei; schließlich beweise die Tatsache, daß die Initiative keine Zahlen festlege, daß die Entschließung derzeit keine Auswirkungen habe.

Nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg ist dieser Einwand vom Gerichtshof bereits geprüft worden; in der Rechtssache 230/81 habe er erklärt, daß „die Beurteilung der Rechtswirkung der streitigen Entschließung untrennbar mit der Prüfung ihres Inhalts und der Prüfung der Einhaltung der Zuständigkeitsregelungen zusammenhängt“. Der Kläger beantragt deshalb, die Entscheidung über die Einrede dem Endurteil vorzubehalten.

Hilfsweise widerspricht die luxemburgische Regierung zunächst dem Argument, der Entschließung fehle der Charakter einer Entscheidung. Sie stützt sich dabei auf das Urteil vom 10. April 1984 und verweist darauf, daß sie, wenn sie die streitige Entschließung nicht anfechte, später Gefahr laufe, daß ihr im Fall einer Klage gegen die individuellen Entscheidungen, die die Organe des Parlaments, in Übereinstimmung mit der Entschließung träfen, die Einrede der Unzulässigkeit entgegengehalten werde.

Sodann verweist die luxemburgische Regierung darauf, daß der Gerichtshof die vom Parlament verlangte Unterscheidung zwischen Maßnahmen bezüglich des internen Dienstbetriebs und anderen Entscheidungen niemals anerkannt habe, da diese Maßnahmen den Sitz und die Arbeitsorte dieses Organs beträfen.

Was schließlich das Vorbringen betreffe, daß die Initiative keine Zahlen festlege, so seien insbesondere unter Ziffer 10 der Entschließung die Tätigkeiten des Parlaments und damit die Auswirkung auf das Personal hinreichend genau beschrieben.

B — Zur Begründetheit

1. Rechtssache C-213/88

Das Parlament führt einleitend aus, daß der Kläger angesichts der Bestimmungen, nach denen sich die Arbeit des Parlaments richte, die Klage überstürzt erhoben habe, so daß das Mißverständnis nicht habe aufgeklärt werden könne. Auch müsse der Gegenstand der Klage genau angegeben werden, denn es sei unzulässig, die beiden Entscheidungen und ihre Anlagen insgesamt anzufechten.

Das Großherzogtum Luxemburg verweist auf die Schwierigkeiten, die es gehabt habe, um die Dokumente zu bekommen und die Klagefristen einzuhalten. Der Streitgegenstand sei hinreichend genau: Die Klage, mit der die Unzuständigkeit des Parlaments und die Verletzung der Verträge und der Durchführungsvorschriften gerügt werde, richte sich gegen die Beschlüsse über die Errichtung oder Neuorganisation des zentralen Pressebüros, über die Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel und über die Verlegung bestimmter Sprachabteilungen der Abteilung Veröffentlichungen sowie gegen die damit zusammenhängenden Entscheidungen im Immobilienbereich.

1) Errichtung oder Verstärkung des zentralen Pressebüros

Das Großherzogtum Luxemburg mahnt das Parlament, bei der Ausübung seiner internen Organisationsgewalt, wie sie vom Gerichtshof definiert worden sei, die Zuständigkeit der Regierungen der Mitgliedstaaten zu beachten, die den Sitz der Organe und die vorläufigen Arbeitsorte festlegten. Die Errichtung eines als zentrales Pressebüro bezeichneten „autonomen Dienstes“, der vom Informationsbüro getrennt und in das Generalsekretariat integriert sei, gehöre nicht zu der „Infrastruktur, die unerläßlich“ sei, um die vertraglich festgelegten Aufgaben in Brüssel durchzuführen.

Nach Ansicht des Parlaments betrifft der angefochtene Beschluß dagegen nicht die Errichtung, sondern die Verstärkung des zentralen Pressebüros, das seiner Informationsaufgabe nicht mehr gerecht werden könne, da die Tätigkeit des Parlaments sich von den Medienträgern, die die Wähler erreichten, nicht mehr trennen lasse, ohne die Beachtung und damit den Vertretungsanspruch des Parlaments zu mindern. Werde die gesamte Infrastruktur für die Presseinformation in Luxemburg aufrechterhalten, obwohl die internationale Presse und der überwiegende Teil der Tätigkeit der Fraktionen und Ausschüsse in Brüssel konzentriert seien, würde dem Parlament eine wirkliche Versorgung im Medienbereich vorenthalten. Die Aufgabe des Sprechers bei der internationalen Presse in Brüssel rechtfertige die Selbständigkeit des zentralen Pressebüros.

Das Großherzogtum Luxemburg räumt ein, daß der Kontakt zur Presse gewährleistet sein müsse, doch meint es, daß ein geschickter Einsatz der Kommunikationsmittel und die Beweglichkeit der Presse dazu genügten, zumal die zusätzliche Existenz eines Informationsbüros für Belgien mit 13 von insgesamt 74 Beamten, die neben dem zentralen Pressebüro das Netz der Informationsbüros bildeten, über die „unerläßliche Infrastruktur“ hinausgehe.

Das Parlament weist diese Argumente mit der Begründung zurück, daß sie auf einer fehlerhaften Beurteilung beruhten.

2) Die Verlegung von Spracheinheiten

Nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg verstößt die Verlegung ganzer Spracheinheiten der Abteilung'Veröffentlichungen, im vorliegenden Fall die Verlegung der portugiesischen Sprachabteilung, gegen den Grundsatz der Unterbringung der „Dienststellen“ des Generalsekretariats in Luxemburg, wie er in dem Beschluß vom 8. April 1965 festgeschrieben sei; die Verlegung sei Teil eines Gesamtplans und genüge nicht dem Kriterium der „Unerläßlichkeit“ der für das Funktionieren des Parlaments notwendigen Infrastrukturen. Sowohl der Beschluß von 1965 als auch die Rechtsprechung verböten jede vollständige oder teilweise Verlegung.

Das Parlament hält diese Darstellung für unangemessen. Entgegen den Behauptungen des Klägers beruhe die Beschäftigung der vier Beamten der portugiesischen Abteilung beim zentralen Pressebüro nicht auf der Zustimmung der Betroffenen zu dieser Versetzung, sondern auf der Verstärkung der Informationsstrukturen. Die Qualifizierung der für das ordnungsgemäße Funktionieren des Parlaments unerläßlichen Infrastruktur als Dienststelle verletze allein noch nicht die im Urteil vom 10. Februar 1983 aufgestellten Grundsätze, wonach jede Verlegung des Generalsekretariats des Parlaments oder seiner Dienststellen von Luxemburg fort verboten sei, soweit davon der gesamte Verwaltungsapparat des Parlaments, verstanden als eine Einheit, betroffen sei.

Somit habe das Parlament seine Befugnis zur internen Organisation nicht überschritten, und es stehe einem Mitgliedstaat nicht an, sich bei der Auswahl der Methoden, Wege und Mittel einzumischen, da es um die Beziehungen zwischen den Vertretern der Völker der Gemeinschaft und der öffentlichen Meinung gehe.

Während die Auslegung des Begriffs der „Dienststellen“ durch den Kläger letztlich jede Versetzung nach dem Urteil vom 10. Februar 1983 unmöglich mache, lasse sich der Begriff der „unerläßlichen Infrastruktur“ sehr gut weiter entwickeln und schließe weitere Versetzungen aufgrund unabweisbarer Bedürfnisse nicht aus.

3) Ansiedlung des Amtes für amtliche Veröffentlichungen der Gemeinschaft in Luxemburg

Das Großherzogtum Luxemburg hält die Verbindung, die zwischen dem zentralen Pressebüro und den Sektoren der Dienststelle Veröffentlichungen hergestellt worden ist, für einen Verstoß gegen die Regelung dieser Ansiedlung.

Das Parlament hält dem entgegen, daß insoweit noch kein Durchführungsbeschluß getroffen worden sei und unabhängig davon die in der streitigen Entscheidung genannte Dienststelle „Veröffentlichungen“ eine Einheit sei, die zur Generaldirektion Übersetzung und Allgemeine Dienste (Generaldirektion VII) gehöre. Ihre Aufgabe sei die Vervielfältigung und Verteilung von Dokumenten, die für die Fraktionen und Ausschüsse bestimmt oder von diesen erstellt seien. Sie genüge deshalb der Definition der für die Aufgaben des Parlaments unerläßlichen Infrastruktur.

4) Entscheidungen im Immobilienbereich

Das Großherzogtum Luxemburg trägt vor, der Beschluß vom 15. Juni 1988 sei mit der Suche nach Räumlichkeiten zur Unterbringung der Ausschüsse, aber auch eines „großen Ausschusses“ begründet worden; bei letzterem handle es sich um eine neue Arbeitsweise des Parlaments, die noch in der Zukunft liege und hypothetisch sei und deren Einführung nicht in die Zuständigkeit des Präsidiums falle. In Wirklichkeit dienten die Immobilienpläne der weiteren Verlegung der Dienststellen, entsprächen insoweit nicht den Bedürfnissen einer unerläßlichen Infrastruktur und verstießen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Das Parlament weist diese Argumentation zurück. Mit dem Ausdruck „großer Ausschuß“ sei das Verfahren des Artikels 37 der Geschäftsordnung des Parlaments gemeint, das weder von den Mitgliedstaaten noch vom Rat jemals kritisiert worden sei und dessen häufigere Anwendung es erlaubte, der zunehmenden Arbeit in den Plenarsitzungen Herr zu werden.

Das Parlament hält daran fest, daß ein Sitzungssaal von mindestens 200 bis 250 Plätzen und mehr als 200 Büros notwendig seien.

Unabhängig davon habe das Präsidium im Rahmen der internen Autonomie des Parlaments eine Entscheidung getroffen, die der Überprüfung durch den Gerichtshof entzogen sei; die beanstandeten Vergrößerungen seien nicht übermäßig.

Das Großherzogtum Luxemburg verweist schließlich unter Bezugnahme auf den Haushaltsplan des Parlaments darauf, daß von den 3405 Beamten dieses Organs etwa 800 in Brüssel arbeiteten. Dagegen führt das Parlament in der Gegenerwiderung genaue Zahlen bezüglich der Beamten des Generalsekretariats an, die in den einzelnen Arbeitsorten und Informationsbüros beschäftigt sind; danach waren am 31. Dezember 1988 von den 2756 Beamten des Generalsekretariats 2340 in Luxemburg, 323 in Brüssel und 93 in Straßburg und in den Außenbüros untergebracht.

2. Rechtssache C-39/89

Das Großherzogtum Luxemburg begründet auch diese Klage damit, daß das Parlament für den Erlaß der Maßnahmen in der Entschließung vom 18. Januar 1989 unzuständig gewesen sei und durch diese Maßnahmen gegen die Verträge und die Durchführungsbestimmungen verstoßen habe.

Das Parlament widerspricht diesem Vorbringen und hält dem Kläger die zwingenden Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Organs angesichts der Untätigkeit der Mitgliedstaaten entgegen.

1) Unzuständigkeit des Parlaments und Verletzung der Verträge und Durchführungsbestimmungen

Nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg beachtet die Entschließung nicht die Grenzen, die der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 10. Februar 1983 und 10. April 1984 gezogen habe.

Der Kläger beanstandet zunächst die Ansiedlung des gesamten für die Ausschüsse und Delegationen zuständigen Personals in Brüssel, da dort das zur Bildung der unerläßlichen Infrastruktur erforderliche Personal schon vorhanden sei. Gleiches gelte für die Bereiche Information und Öffentlichkeitsarbeit.

Außerdem wendet sich der Kläger gegen die Versetzung des für die Tätigkeiten „Studien und Wissenschaft“ zuständigen Personals nach Brüssel: Zum einen weise der Ort der Ansiedlung dieser Dienste keinen Zusammenhang mit der eigentlichen parlamentarischen Arbeit auf. Zum andern betreffe die Entschließung des Parlaments die gesamte Generaldirektion Wissenschaft, das gesamte Personal des Bereichs Forschung sowie die Handbibliothek und nicht nur den Teil des Personals, auf den das Kriterium der unerläßlichen Infrastruktur Anwendung finden könne. Außerdem gälten diese Erwägungen für den Teil der Entschließung, der das sonstige „Personal“ betreffe (Ziffer 10, die letzten Gedankenstriche). Schließlich führe die Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen, die für die Miete und den Kauf von Gebäuden und die Kündigung der Mietverhältnisse für die nicht mehr für erforderlich gehaltenen Gebäude getroffen worden seien.

Zu seiner Verteidigung beschreibt das Parlament ausführlich den historischen Hintergrund und den tatsächlichen Kontext der Entschließung und verweist insbesondere auf die erhebliche Zunahme der Arbeitsbelastung und der demokratischen Verantwortung des Parlaments.

Die Veränderung seiner Rolle im letzten Jahrzehnt und deren Auswirkung auf den internen Arbeitsablauf hingen mit der gestiegenen Zahl von Abgeordneten und insbesondere mit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte zusammen, die insbesondere die Art der parlamentarischen Prüfung der Vorschläge von Rechtsakten geändert habe.

Außerdem verlange die Durchführung des von der Kommission in ihrem Weißbuch angeführten Programms eine besonders genaue Prüfung. Dies trage dazu bei, daß die Arbeit der Ausschüsse den Großteil der parlamentarischen Tätigkeit ausmache. Außerdem hielten sich die Mitglieder des Parlaments in der Praxis zunehmend in Brüssel auf, um in Kontakt mit der Kommission und dem Rat zu bleiben und am Fraktionsleben teilzunehmen.

Das Parlament meint, daß die streitige Entschließung rechtlich im Einklang mit den Zuständigkeitsregeln und den einschlägigen Rechtsvorschriften stehe.

Anfangs sei es tatsächlich um die Verlegung der Generaldirektionen gegangen. Man könne seine Argumente jedoch nicht auf Pläne stützen, die vorbereitenden Charakter hätten.

Das Parlament weist auch die Argumente zurück, die sich auf die Verwendung des Begriffs „sonstiges“ Personal stützen. Aus der Entschließung ergebe sich klar, daß das in Brüssel vorhandene Personal dasjenige sei, das zum ordnungsgemäßen Funktionieren der unter Ziffer 10 der Entschließung aufgezählten Dienste unerläßlich sei; jedenfalls sei es aber Sache der leitenden Organe des Parlaments, diejenigen Beamten zu bestimmen, deren Beschäftigung in Brüssel unerläßlich sei. Dagegen müsse der Kläger — und nicht umgekehrt der Beklagte — den Beweis erbringen, daß die auf diese Weise gebildete Infrastruktur nicht unerläßlich sei.

Das Personal des Bereichs „Studien und Wissenschaft“ arbeite unmittelbar mit den Abgeordneten zusammen, und es lasse sich nicht behaupten, daß es keine Verbindung zu den Plenarsitzungen und Ausschüssen gebe.

Schließlich hält das Parlament den Vorwurf bezüglich der Maßnahmen zur Miete oder zum Kauf neuer Gebäude für nicht gerechtfertigt. Dies sei außerdem nur ein Nebenaspekt der dem Gerichtshof unterbreiteten Frage.

Nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg hat sich das Verhältnis zwischen der Zahl der in Brüssel und der Zahl der in Luxemburg beschäftigten Bediensteten erheblich verändert. Die luxemburgische Regierung verweist dazu auf die vom Parlament selbst für die Jahre 1982 und 1989 vorgelegten Zahlen, wonach sich die Zahl der Beamten und sonstigen Bediensteten am Dienstort Luxemburg von 90,4 oder 86,2 % auf 74,6 % verringert habe, während die Zahl in Brüssel von 9,4 oder 10,8 auf 21,1 % gestiegen sei.

Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, daß die Zunahme des Arbeitsvolumens des Parlaments mit einer Beeinträchtigung dieses Organs durch die Aufteilung auf verschiedene Arbeitsorte korreliere. Bedauerlicherweise widme das Parlament den Möglichkeiten, die Arbeitsproduktivität durch den Einsatz moderner Mittel der Fernmeldetechnik und der Büroautomation zu steigern, kaum Aufmerksamkeit. Der Kläger schlägt vor, die Ausschüsse mehr in Luxemburg tagen zu lassen, wenn Brüssel überlastet sei.

Im übrigen hält die luxemburgische Regierung an ihrer Auslegung der Ziffer 10 der Entschließung fest, die sie für zu allgemein hält. Die Änderungen, die das Plenum an dem Text, wie er vom Ausschuß abgefaßt worden sei, vorgenommen habe, hätten dessen Tragweite ausgedehnt und damit die Absicht des Parlaments deutlich werden lassen. Der Kläger verweist insbesondere auf die Hinzufügung der Worte „und Wissenschaft“ in Ziffer 10 dritter Gedankenstrich.

Die luxemburgische Regierung beantragt, die Erklärungen des Parlaments in der Klagebeantwortung festzuhalten, daß „die Verlegung von Generaldirektionen“ nicht Ziel der Entschließung gewesen sei und die Maßnahmen, auf die Ziffer 10 der Entschließung abziele, nur Anwendung fänden, soweit es sich dabei um für das ordnungsgemäße Funktionieren der Organe unerläßliche Strukturen handele. Bedauerlicherweise seien diese Erklärungen jedoch von Ausführungen begleitet, die ihnen jeden Wert nähmen.

Zur Beweislast trägt die luxemburgische Regierung vor, daß die These, daß die Beweislast ausschließlich den Kläger treffe, weder allgemein noch absolut gelte. Der Kläger verweist dazu auf das öffentliche Recht und das vergleichende Privatrecht und fügt hinzu, daß für das Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften teilweise der Untersuchungsgrundsatz gelte. Um die Vorausschätzungen bezüglich der geplanten Versetzungen zu erfahren, beantragt der Kläger deshalb, soweit nicht das Europäische Parlament freiwillig in dieser Richtung tätig werde und soweit es nicht bestätige, daß vor der Klage des luxemburgischen Staates keine Vorausschätzungen oder Durchführungsmaßnahmen bezüglich der streitigen Entschließung getroffen worden seien, den Beklagten zur Vorlage und Übermittlung der Unterlagen zu verpflichten, die diese Vorausschätzungen bezüglich der Versetzungen enthalten.

Das Parlament trägt in seiner Gegenerwiderung vor, daß die Ausführungen des Klägers, soweit es um die Zahlen gehe, auf einer Verwechslung der Angaben bezüglich der Haushaltsposten und der Gesamtzahl der Personen beruhten, die dem Generalsekretariat zu einem bestimmten Zeitpunkt unterstellt und an diesem oder jenem Arbeitsort beschäftigt seien. Deshalb seien die Berechnungen des Personalbestands, die der Kläger vorgenommen habe, unzutreffend; im Ergebnis sei der Prozentsatz der in Luxemburg untergebrachten Beamten und sonstigen Bediensteten des Generalsekretariats vom 31. Dezember 1981 bis zum 31. Dezember 1988 von 92,21 % auf 83,99% gesunken, während er sich für Brüssel von 5,42 % auf 12,43 % erhöht habe. Von einer spürbaren Veränderung könne daher keine Rede sein. Der Kläger vermenge zur Bestätigung seiner These die Beamten und sonstigen Bediensteten des Generalsekretariats mit denen der Fraktionen. Das Parlament wünscht deshalb vom Kläger Aufschluß darüber, ob die Klageschrift sich auf die erstgenannten oder darüber hinaus auch auf die letzteren beziehe.

Schließlich weist das Parlament den Vorschlag einer Verlegung des Arbeitsorts der Ausschüsse nach Luxemburg zurück und führt dazu aus, daß objektive Gründe die Konzentration der Ausschußsitzungen in Brüssel verlangten; die Anstrengungen des Parlaments im Bereich der Fernmeldetechnik und der Büroautomation hätten die Schwierigkeiten, die sich aus der Aufteilung der Arbeitsorte ergäben, niemals beseitigen können und könnten dies auch niemals erreichen.

Bezüglich der Tragweite der Entschließung verwirft das Parlament die Argumente des Klägers und verweist dazu auf die anderen Sprachfassungen, die genauer als die französische Fassung seien. Der Vollversammlung sei kein Antrag auf Änderung der Ziffer 10 der streitigen Entschließung zugeleitet worden.

Das Parlament erklärt sich damit einverstanden, daß der Gerichtshof die vom Kläger zitierten Erklärungen festhält, verweist jedoch darauf, daß die leitenden Organe des Parlaments diejenigen Beamten bestimmen müßten, deren Beschäftigung unerläßlich und tatsächlich möglich sei.

Die Ausführungen des Klägers zur Beweislast hält das Parlament nicht für überzeugend. Vielmehr müsse der Kläger ein Mindestmaß an Sachvortrag für seine Behauptungen bieten und erklären, warum nach seiner Meinung die unerläßliche Infrastruktur jetzt schon vollständig vorhanden sei. Nach Ansicht des Parlaments bilden der Bericht über die parlamentarischen Arbeiten und die Entschließung eine ungewöhnlich umfangreiche allgemein zugängliche Dokumentation.

2) Die zwingenden Erfordernisse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Organs angesichts der Untätigkeit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verpflichtungen

Das Parlament meint unter Hinweis auf das Urteil vom 22. September 1988, daß der Begriff des „ordnungsgemäßen Funktionierens“ sich weiterentwickeln lasse. Die Zunahme der Aufgaben des Parlaments rechtfertige es, ihm die materiellen Hilfen für die Erfüllung seiner Aufgabe zu gewähren, zumal die Mitgliedstaaten nicht in der Lage gewesen seien, einen einzigen Arbeitsort zu bestimmen. Diese Untätigkeit der Mitgliedstaaten ist nach Ansicht des Parlaments im Hinblick auf Artikel 5 EWG-Vertrag zu kritisieren. Außerdem habe sich die Verantwortung der Mitgliedstaaten durch den Erlaß der Einheitlichen Akte erhöht, da sie dem Parlament bewußt mehr Gewicht eingeräumt hätten. So drückt das Parlament sein Erstaunen aus angesichts eines Schreibens des luxemburgischen Außenministers vom 8. September 1989 an jedes Mitglied des Europäischen Parlaments, in dem er erklärt habe, daß die derzeitige Situation „einen ausgeglichenen Kompromiß darstellt“.

Das Parlament meint, ohne die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in der Sitzfrage zu bestreiten, daß in dem Maße, in dem letztere untätig blieben, der Bereich der internen Organisationsgewalt des Parlaments in der Frage der Arbeitsorte zunehmend weiter auszulegen sei.

Das Großherzogtum Luxemburg trägt dazu vor, daß die angebliche Untätigkeit der Mitgliedstaaten nicht individuell allein einer Regierung angelastet werden könne und sich daraus keine größere Befugnis des Parlaments herleiten lasse. Dieses verfüge nur über eine Restzuständigkeit. Die Tragweite des vom Gerichtshof verwendeten Ausdrucks des „ordnungsgemäßen Funktionierens“ des Parlaments werde durch den Kontext des Urteils vom 22. September 1988 abgeschwächt.

Bezüglich der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausübung ihrer Zuständigkeit verweist das Großherzogtum Luxemburg darauf, daß der Gerichtshof die Bestimmung des Sitzes der Organe gemeint habe; bezüglich der Arbeitsorte habe der Gerichtshof nicht von einer Verpflichtung gesprochen, sondern festgestellt, daß die Mitgliedstaaten mehrere Beschlüsse erlassen hätten (Urteil vom 10. Februar 1983). In keiner Bestimmung sei von einem „einzigen Sitz“ die Rede. Würde man die Gleichung aufstellen „Sitz = einziger Sitz“, dann müßten irgendwann in der Zukunft alle Organe allein an einem Ort zusammengefaßt werden. Dies sei weder wahrscheinlich noch realistisch. Außerdem habe der Gerichtshof eine Forderung nach der räumlichen Einheit der Arbeitsorte weder im Auge gehabt noch bestätigt. Deshalb schließe angesichts der Art dieser Begriffe die eventuelle Bestimmung des Sitzes eines Organs nicht aus, daß an anderen Stellen als dem Ort des Sitzes mehrere Arbeitsorte beibehalten würden. Diese Erwägungen erklärten den Hinweis auf „einen ausgeglichenen Kompromiß“ im Schreiben des luxemburgischen Außenministers an die Abgeordneten.

Schließlich trägt nach Überzeugung der luxemburgischen Regierung die polyzentrische Unterbringung der Organe einem vielgestaltigen, dezentralisierten Europa Rechnung.

Das Parlament führt aus, es könne sich — in Analogie zu der Rechtsprechung zur Kontinuität des öffentlichen Dienstes und zu den Erhaltungsmaßnahmen — auf die Säumnis der Mitgliedstaaten berufen, um die Maßnahmen zu erlassen, mit denen es der anhaltenden Untätigkeit der Mitgliedstaaten begegnen könne. Das Parlament lehnt die Vorstellung einer Zuständigkeitshierarchie zwischen den Mitgliedstaaten, die den Sitz der Organe nach Artikel 216 EWG-Vertrag festlegten, und dem Parlament ab, das in Ausübung seiner Befugnis zur Selbstverwaltung die zu seinem ordnungsgemäßen Funktionieren unerläßlichen Strukturen in Brüssel beibehalten könne.

Das Parlament kommt daher zu dem Ergebnis, daß es seine Sache sei, die rechtlichen Konsequenzen aus der Untätigkeit der Mitgliedstaaten zu ziehen, während dem Kläger obliege, die UnVerhältnismäßigkeit der angefochtenen Entschließung nachzuweisen und insbesondere darzutun, daß die unerläßliche Infrastruktur an den verschiedenen Arbeitsorten bereits jetzt vollständig vorhanden sei, so daß eine effiziente Parlamentsarbeit gewährleistet sei. Das Ermessen des Parlaments in der Frage, wie es seine Arbeit organisiere, entziehe sich außer im Fall eines offenkundigen Irrtums oder eines Ermessensmißbrauchs der Kontrolle.

Die vom Kläger angeführte Notwendigkeit der Dezentralisierung der Gemeinschaft hält das Parlament für völlig sachfremd und lehnt eine Auseinandersetzung darüber ab.

IV — Antworten auf die Fragen des Gerichtshofes

A — Frage an das Großherzogtum Luxemburg

„Bezieht sich die Klage in der Rechtssache C-39/89 allein auf die Beamten und sonstigen Bediensteten des Generalsekretariats oder auch auf die der Fraktionen?“

Antwort

Die Klage in der Rechtssache C-39/89 beziehe sich auch auf die Bediensteten der Fraktionen — die trotz ihrer besonderen dienstlichen Stellung „Bedienstete des Generalsekretariats seien“ —, soweit sie durch die angefochtene Entscheidung betroffen seien, und auch, soweit sie zu dem sonstigen Personal gehörten, „dessen Hauptaufgabe darin besteht, den einzelnen Mitgliedern direkt zuzuarbeiten“, oder das aufgrund seiner Aufsichts- oder Unterstützungsfunktion am selben Ort wie die oben genannten Stellen sein müsse.

B — Fragen an das Europäische Parlament

„1)

Das Parlament wird gebeten, anzugeben, warum die englische und die portugiesische Abteilung der Abteilung Veröffentlichungen nach Brüssel verlegt worden sind.

Ist die vollständige oder teilweise Verlegung der anderen Sprachabteilungen geplant?

2)

Das Europäische Parlament wird gebeten, die Vorausschätzungen bezüglich der Versetzung von Personal unter Beifügung aller zweckdienlichen Unterlagen vorzulegen.

3)

Welche praktischen Folgen haben die Entscheidungen und die Entschließung, um die es geht, gehabt?

4)

a)

Über wie viele Beamte und Bedienstete auf Zeit verfügten das Generalsekretariat und die Fraktionen insgesamt (das heißt einschließlich derjenigen, die an anderen Orten als den Arbeitsorten des Parlaments arbeiten) und

b)

wie viele von ihnen arbeiteten jeweils in den drei Arbeitsorten des Parlaments (unter Angabe der Zahl der in jeder dieser Städte Beschäftigten)

in folgenden Jahren :

1958, 1965, 1972, 1977, 1981 bis heute?“

Antwort auf die Frage 1

Nach dem Hinweis auf die Grundsätze, nach denen sich die Versetzung von Beamten richte und wie sie sich aus dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe „Information“ ergäben, der dem angefochtenen Beschluß vom 1. Juni 1988 zugrunde liege, hat das Europäische Parlament ausgeführt, daß sich die Bildung einer englischsprachigen Gruppe wegen der großen Zahl englischsprechender Journalisten, die bei den Gemeinschaften in Brüssel akkreditiert seien, als außerordentlich nützlich erwiesen habe, doch gebe es unter den derzeitigen Verhältnissen in der neuen Einheit keine Sprachabteilungen mehr. Jeder Beamte der Einheit werde unabhängig von seiner Sprache bei der Informationsverarbeitung eingesetzt. Die Mehrarbeit habe die Verstärkung der Brüsseler Einheit notwendig gemacht. Aus diesem Grund und nicht aus besonderen sprachlichen Gründen seien die portugiesischsprachigen Beamten Brüssel zugewiesen worden, da sie, nach dem Beitritt Portugals zu den Gemeinschaften neu eingestellt, als einzige freiwillig einer Verwendung in Brüssel im Sinne des betreffenden Beschlusses zugestimmt hätten.

Im Augenblick plane das Präsidium des Parlaments keine Versetzung anderer Beamter, doch ergebe sich aus dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe, daß diese Möglichkeit nicht auszuschließen sei.

Antwort auf die Frage 2

Im Augenblick gebe es keine konkrete Vorausschätzung bezüglich der Versetzung von Beamten und noch weniger bezüglich der Verlegung funktionaler Einheiten. Ohnehin könne faktisch keine Versetzung erfolgen, da in Brüssel keine Räumlichkeiten vorhanden seien.

Zu den langfristigen Perspektiven bei den Bauvorhaben führt das Parlament aus, daß in dem kommenden Jahrzehnt 200 bis 300 Beamte des Parlaments von einer Versetzung betroffen sein könnten. Außerdem könne man nicht davon ausgehen, daß das Vorhandensein von Räumlichkeiten in Brüssel automatisch zu einer Versetzung von Personal führe.

Die Versetzungen entsprächen objektiven, zwingenden Erfordernissen des ordnungsgemäßen Funktionierens des Organs und könnten nur punktuell und unter Berücksichtigung der angeführten Kriterien erfolgen.

Antwort auf die Frage 3

Was die Beschlüsse angehe, die Gegenstand der Klage in der Rechtssache C-213/88 seien, sei aufgrund des Beschlusses des Präsidiums vom 1. Juli 1988 die Verwaltungsentscheidung ergangen, die vier betroffenen Beamten Brüssel zuzuweisen.

Ebenso sei mit der Ausführung des Beschlusses des Präsidiums vom 15. Juni 1988 begonnen worden: Die beiden Gebäude mit der Bezeichnung B3-B4 und Dl seien im Bau.

Das Parlament verweist weiter darauf, daß das Präsidium nach seinen Sitzungen vom 10. und 24. Mai 1989 beschlossen habe, das zentrale Pressebüro, um das es in der angefochtenen Entscheidung vom 1. Juni 1988 gehe, zu verstärken und neu zu organisieren.

Im September 1989 sei aufgrund einer internen Neugliederung der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit (Generaldirektion III) eine zentrale Presseabteilung gebildet worden, die aus der Zusammenlegung des zentralen Pressebüros und der Abteilung Veröffentlichungen hervorgegangen sei. Diese Neugliederung habe nicht zu einer örtlichen Versetzung von Personal geführt.

Was die Entschließung vom 18. Januar 1989 betreffe, die Gegenstand der Klage C-39/89 sei, so habe das Präsidium des Parlaments das Kollegium der Quästoren um Vorschläge zur Immobilienpolitik des Organs an den drei Arbeitsorten gebeten. Aufgrund dieser Vorschläge habe das Präsidium des Parlaments am 14. März 1990 einen Beschluß gefaßt, den es der Vollversammlung im April vorgelegt habe (ABl. C 113 vom 7. Mai 1990, S. 20, 21).

Der Beschluß vom 14. März sei durch eine Entschließung des Parlaments vom 5. April 1990 gebilligt worden.

Das Parlament habe gleichzeitig beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Immobilienpolitik des Organs einzusetzen, die ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen habe.

Antwort auf die Frage 4

Das Parlament hat die verlangten Zahlen in Form von Tabellen vorgelegt, aus denen sich die Gesamtzahl der Beamten, Bediensteten auf Zeit und der Bediensteten der Fraktionen ergibt, die am 31. Dezember jeden Jahres in Luxemburg, Brüssel und Straßburg und in den Außenbüros beschäftigt gewesen sind.

C — Gemeinsame Frage an beide Parteien

„Können sich die Parteien über die Zahlen bezüglich des Personals des Parlaments an den drei Arbeitsorten einigen?“

Die Vertreter der beiden Parteien haben sich am 17. September 1990 getroffen, um die Möglichkeiten einer Antwort auf diese Frage zu prüfen. Der Meinungsaustausch hat dazu geführt, daß die Zahlen, die in der Gegenerwiderung des Parlaments in der Rechtssache C-39/89 vorgetragen worden sind, vom Großherzogtum Luxemburg nicht beanstandet werden.

Die Uneinigkeit betrifft nicht die Zahlen, sondern ihre Darstellung und die Berechnungsgrundlagen.

Zur Unterscheidung von im Haushalt ausgewiesenen Planstellen und besetzten Stellen: Nach Ansicht der luxemburgischen Regierung können nur die tatsächlich besetzten Stellen berücksichtigt werden. Die Zahlen nach im Haushalt ausgewiesenen Planstellen müßten außer Betracht bleiben, ebenso wie die Zahl von 2537 Beamten für Luxemburg (am 1. September 1988), die das Parlament in der Klagebeantwortung vom 3. November 1988 in der Rechtssache C-213/88 genannt habe, da diese Zahl von der von 2398 Beamten (am 31. Dezember 1988) abweiche, die das Parlament in der Rechtssache C-39/89 angegeben habe und auf die sich die Parteien am 17. September 1990 geeinigt hätten.

Zur Einbeziehung der Bediensteten der Fraktionen in die Berechnungen: Nach Ansicht des Parlaments ergeben sich die Unterschiede daraus, daß der Kläger nicht zwischen den Beamten und sonstigen Bediensteten, die dem Generalsekretär unterstellt seien, und den Bediensteten der Fraktionen, die den Fraktionsvorsitzenden unterstellt seien, unterscheide. Es bestünden grundlegende Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen von Bediensteten; die Beschlüsse und die Entschließung, um die es gehe, beträfen nur das Generalsekretariat und in keinem Falle die Bediensteten der Fraktionen. Das Parlament bekräftigt deshalb die von ihm in den verschiedenen Schriftsätzen mitgeteilten Zahlen und Prozentsätze.

Nach Meinung der luxemburgischen Regierung müssen für einen Vergleich der Mindestinfrastruktur zwischen 1982 und 1989 bei der Berechnung des Personalbestands die Bediensteten der Fraktionen einbezogen werden. Der Personalbestand in Brüssel sei mit oder ohne Einbeziehung der Bediensteten der Fraktionen in die Berechnungen in spektakulärer Weise gestiegen: In beiden Fällen habe es zwischen 1981 und 1988 eine Verdoppelung gegeben.

Gordon Slynn

Berichterstatter


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.


URTEIL DES GERICHTSHOFES

28. November 1991 ( *1 )

In den verbundenen Rechtssachen C-213/88 und C-39/89

Großherzogtum Luxemburg, zunächst vertreten durch Ronald Mayer, sodann durch Alphonse Berns, Directeurs des relations économiques internationales im Außenministerium, als Bevollmächtigte, Beistand und Zustellungsbevollmächtigter: Rechtsanwalt André Elvinger, 15, Côte d'Eich, Luxemburg,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch die Rechtsberater Francesco Pasetti Bombardella und Jorge Campinos als Bevollmächtigte, Beistände: Christian Pennera, Juristischer Dienst, und Rechtsanwalt Michel Waelbroeck, Brüssel, Zustellungsanschrift: Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des unter der Bezeichnung „Für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dienststellen in Brüssel“ ergangenen Beschlusses des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 1. und 2. Juni 1988, des unter der Bezeichnung „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ ergangenen Beschlusses des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 15. Juni 1988 und der Entschließung des Europäischen Parlaments zum Sitz der Organe und zum Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 1989 (ABl. C 47, S. 88)

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten Sir Gordon Slynn, R. Joliét, F. A. Schockweiler und P. J. G. Kapteyn, der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, G. C. Rodríguez Iglesias und M. Diez de Velasco,

Generalanwalt: C. O. Lenz

Kanzler: D. Louterman, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 31. Januar 1991,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. April 1991,

folgendes

Urteil

1

Das Großherzogtum Luxemburg hat mit zwei Klageschriften, die am 1. August 1988 und am 16. Februar 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß den Artikeln 31 und 38 EGKS-Vertrag, Artikel 173 EWG-Vertrag und Artikel 146 EAG-Vertrag Klage erhoben zum einen auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 1. und 2. Juni 1988 über die für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Dienststellen in Brüssel und des Beschlusses des Präsidiums vom 15. Juni 1988 mit der Bezeichnung „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ (Rechtssache C-213/88) und zum anderen auf Nichtigerklärung der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 1989 zum Sitz der Organe und zum Hauptarbeitsort des Europäischen Parlaments (ABl. C 47, S. 88) (Rechtssache C-39/89).

Rechtssache C-2 13/88

2

Der Beschluß des Präsidiums des Parlaments vom 1. und 2. Juni 1988 wurde gefaßt aufgrund eines Berichts des Generalsekretärs des Parlaments, der am 15. und 17. Dezember 1987 geprüft worden war und — auf Ersuchen des Erweiterten Präsidiums — zum Ziel hatte, die notwendigen Maßnahmen zur Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel einzuleiten. Er setzt sich aus mehreren Schriftstücken zusammen.

3

Einem Protokollauszug über die Sitzung des Präsidiums des Parlaments vom 1. Juni 1988 mit der Überschrift „Für Information und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dienststellen in Brüssel“ (Schriftstück PE 122.508/PRÄS.) ist zu entnehmen, daß das Präsidium Kenntnis genommen hat von dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe „Information“ vom 19. Mai 1988 mit der Überschrift „Die Verstärkung der Informationsdienste in Brüssel“ (PE 122.503/PRÄS.), daß es den allgemeinen in diesem Schriftstück enthaltenen Leitlinien zugestimmt hat und daß es dem Generalsekretär den Auftrag erteilt hat, die Voraussetzungen für die Durchführung der angenommenen Vorschläge zu schaffen.

4

Aus diesem Bericht ergibt sich, daß „das zentrale Pressebüro vom Informationsbüro in Brüssel streng getrennt bleiben muß“ und daß „sich dieser Dienst“ (d. h. das zentrale Pressebüro) „für die Erfüllung seiner Aufgaben ... auf den Beitrag der nach Brüssel verlegten Sektoren der Abteilung Veröffentlichungen stützen“ kann. Die Ad-hoc-Gruppe ist zu der Schlußfolgerung gekommen, „daß eine kohärente Verstärkung der Informationstätigkeit in Brüssel innerhalb kurzer Frist die Versetzung einer gewissen Zahl von Beamten in Erwartung der späteren Entwicklungen erfordert“. Insbesondere ist die Ad-hoc-Gruppe der Ansicht, „es müßten, und sei es unter Umständen nur vorübergehend, in Etappen bestimmte Sprachsektoren der Abteilung Veröffentlichungen, die derzeit in Luxemburg untergebracht sind, versetzt werden, und zwar unter Wahrung der geographischen Einheit der Teams und ohne Schwächung der normalen Tätigkeit“. Nach der vom Präsidium am 15. Dezember 1987 beschlossenen und ab 1. September 1988 vollzogenen Versetzung des englischen Sektors dieser Abteilung sollte diesem Plan zufolge zum 1. Januar 1989 der portugiesische Sektor, dessen vier Mitarbeiter ihre Zustimmung bekundet hätten, versetzt werden. Die Versetzung anderer sprachlicher Sektoren ist gleichfalls ins Auge gefaßt.

5

In dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe heißt es:

„Die Versetzung von Beamten nach Brüssel unterliegt vier grundsätzlichen Zwängen:

a)

die juristische Situation, die durch das Urteil des Gerichtshofs, das die Versetzung ganzer Dienststellen verbietet, geschaffen wurde;

b)

das Kriterium der Freiwilligkeit, das die Zustimmung der betreffenden Beamten erfordert;

c)

die technischen Voraussetzungen in Brüssel (Verfügbarkeit von Räumen, technische Ausstattung) ;

d)

funktionelle Aspekte (Effizienz der Maßnahmen, Aufrechterhaltung der wichtigen Tätigkeiten der zu versetzenden Dienststellen usw.).“

6

Der Beschluß vom 15. Juni 1988 ist in Punkt 4.1 des Protokolls der Sitzung des Präsidiums des Parlaments mit der Überschrift „Vermerk über die mittelfristige Vorausschau für die Tätigkeiten des Europäischen Parlaments an den drei üblichen Arbeitsorten“ enthalten.

7

In diesem Text hat das Präsidium zunächst Kenntnis genommen von mehreren Vermerken des Generalsekretärs und der Generaldirektion Verwaltung über die mittelfristige Vorausschätzung für die Tätigkeiten des Parlaments an den drei Arbeitsorten, über den Stand der Verwirklichung von Bauvorhaben in Brüssel und in Straßburg sowie über den Stand der Bauarbeiten bei den Gebäuden des Parlaments und seiner Organe an den üblichen Arbeitsorten. Das Präsidium hat auch Kenntnis genommen von dem Protokollauszug über die Sitzung des Präsidiums, in dem der Generalsekretär beauftragt wurde, „sich weiterhin mit der Suche nach zusätzlichen Büros und Sitzungssälen in Brüssel zu befassen“, sowie von dem Brief des Präsidenten über ein Treffen der Ausschußvorsitzenden betreffend den Raumbedarf der Ausschüsse in Brüssel.

8

In diesem Beschluß hat das Präsidium auch den Vermerk des Generalsekretärs vom 6. Juni 1988 gebilligt, der empfiehlt, „Artikel 37 der Geschäftsordnung des Parlaments häufiger anzuwenden, durch den Ausschüssen die Entscheidungsbefugnis übertragen werden kann“ und der vorschlägt, „die Zahl der Sitzungssäle in Brüssel zu erhöhen und einen Saal zur Verfügung zu stellen, der gleichzeitig mehrere Ausschüsse oder einen großen Ausschuß aufnehmen kann, der anstelle des Parlaments entscheidungsbefugt ist, das jedoch diese Beschlüsse anschließend ohne Aussprache bestätigen müßte“.

9

Schließlich hat das Präsidium nach Anhörung verschiedener Beiträge in diesem Beschluß insbesondere

sich für bestimmte Grundstücksprojekte in Brüssel ausgesprochen;

den Generalsekretär beauftragt, gemäß der von ihm vorgelegten Aufzeichnung alles Erforderliche zu veranlassen, damit die neuen Räumlichkeiten des Parlaments im Verlauf des Jahres 1990 zur Verfügung stehen;

die Leitlinien des Generalsekretärs für die Rationalisierung der Arbeiten des Parlaments gebilligt.

Rechtssache C-39/89

10

In der bereits erwähnten Entschließung vom 18. Januar 1989 stellt das Parlament fest, daß die Regierungen der Mitgliedstaaten ihrer in den Artikeln 77 EGKS-Vertrag, 216 EWG-Vertrag und 189 EAG-Vertrag verankerten Verpflichtung, den Sitz der Organe der Gemeinschaft zu bestimmen, noch nicht nachgekommen seien. Es äußert die Ansicht, in Ermangelung einer solchen Entscheidung verlange die Erfüllung der beträchtlichen zusätzlichen, aus der Einheitlichen Europäischen Akte sich ergebenden Aufgaben und die gleichzeitige Wahrnehmung der Aufgaben im Gesetzgebungs-, Haushalts- und Kontrollbereich gemäß den früheren Verträgen eine größere Änderung der Organisation und eine Verringerung der gegenwärtigen Aufteilung seiner Arbeiten und seines Personals auf drei Arbeitsorte. Das Parlament, so heißt es dort weiter:

„...

7.

beschließt deshalb in Übereinstimmung mit den ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Verpflichtungen und dem selbstverständlichen Recht eines in unmittelbaren allgemeinen Wahlen gewählten Parlaments tragfähigere Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zu schaffen;

...

9.

beauftragt sein Präsidium, unter Beachtung der in den Ziffern 2 und 3 aufgeführten Gesichtspunkte sobald wie möglich dafür Sorge zu tragen, daß dem Parlament alle personellen Mittel und Infrastrukturen zur Verfügung stehen, die es benötigt, um seine Aufgaben effizient und wirksam an den Orten, an denen seine Plenartagungen und die übrigen parlamentarischen Sitzungen stattfinden, zu erfüllen;

10.

ist insbesondere der Auffassung, daß es für das ordnungsgemäße Funktionieren des Parlaments unbedingt erforderlich ist, daß das Personal, das sich mit den folgenden Tätigkeiten befaßt, in Brüssel zur Verfügung steht:

Ausschüsse und Delegationen,

Informations- und Öffentlichkeitsarbeit,

Studien und Wissenschaft,

sowie

sonstiges Personal, dessen Hauptaufgabe darin besteht, den einzelnen Mitgliedern direkt zuzuarbeiten, und

das Personal, das aufgrund seiner Aufsichts- oder Unterstützungsfunktion am gleichen Ort wie die oben genannten Stellen sein muß;

11.

stellt fest, daß es zur effizienten Wahrnehmung seiner erweiterten Verpflichtungen notwendig geworden ist, zusätzliche beziehungsweise ergänzende Plenartagungen abzuhalten, die in eine oder mehrere für Ausschuß- oder Fraktionssitzungen vorgesehene Wochen fallen;

...

16.

beauftragt seinen Präsidenten, seinen Generalsekretär, sein Präsidium, sein erweitertes Präsidium und seine Quästoren, umgehend alle geeigneten Maßnahmen — einschließlich der Anhörungen des Personals — zur Verwirklichung des hier Ausgeführten zu treffen und insbesondere neue Räumlichkeiten zu mieten oder anzukaufen und die Mietverhältnisse für Gebäude, die nicht mehr benötigt werden, aufzulösen;

17.

betont die Dringlichkeit seiner Lage und die Notwendigkeit, die einzelnen in den Ziffern 9, 10 und 11 vorgesehenen Änderungen vorzunehmen, sobald entsprechende Einrichtungen zur Verfügung stehen.“

11

Das Großherzogtum Luxemburg beantragt die Nichtigerklärung dieser Entschließung in vollem Umfang, namentlich aber ihrer Ziffern 7, 9, 10, 16 und 17.

12

Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zulässigkeit

Zulässigkeit der Klage C-213/88

13

Das Parlament bestreitet die Zulässigkeit dieser Klage mit der Begründung, die beiden mit der Klage angefochtenen Beschlüsse des Präsidiums stellten Akte der internen Organisation dar und könnten somit einer ständigen Rechtsprechung zufolge nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein. Es verweist dazu insbesondere auf den Beschluß vom 4. Juni 1986 in der Rechtssache 78/85 (Fraktion der Europäischen Rechten/Parlament, Slg. 1986, 1753) sowie auf das Urteil vom 22. September 1988 in den Rechtssachen 358/85 und 51/86 (Frankreich/Parlament, Slg. 1988,4821).

14

Das Großherzogtum macht geltend, der Gerichtshof habe diesen Standpunkt schon in den sich auf Entschließungen des Parlaments zum Sitz und zum Arbeitsort beziehenden Urteilen vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81 (Luxemburg/Parlament, Slg. 1983, 255) und vom 10. April 1984 in der Rechtssache 108/83 (Luxemburg/Parlament, Slg. 1984, 1945) verworfen. Die vom Parlament erwähnten Urteile bezögen sich zum einen auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und zum anderen auf die Ansetzung einer Debatte über aktuelle Fragen; daher könne in ihnen keine Änderung der Rechtsprechung erblickt werden.

15

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Handlung Gegenstand einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag sein kann, ist zunächst daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsnatur der betreffenden Handlung und nicht ihre Form zu prüfen ist und daß untersucht werden muß, ob sie dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen zu erzeugen (Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 114/86, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1988, 5289, Randnr. 12).

16

Die Frage, ob die Beschlüsse vom 1. und 2. Juni und vom 15. Juni 1988 ausschließlich die interne Organisation der Dienststellen und der Arbeiten des Parlaments betreffen und ob sie Rechtswirkungen Dritten gegenüber haben, ist jedoch untrennbar mit der Prüfung ihres Inhalts verbunden, also mit der Untersuchung der Begründetheit der Klage. Daher ist zur Prüfung der Begründetheit der Klage C-213/88 überzugehen.

Zulässigkeit der Klage C-39/89

17

Das Parlament hält diese Klage für unzulässig einmal wegen fehlender Genauigkeit und zum anderen wegen der Rechtsnatur der angefochtenen Handlung, einer Entschließung, die keine zwingenden Folgen habe.

Ungenauigkeit der Klage

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Das Parlament ist der Ansicht, die Klage genüge nicht den Erfordernissen des Artikels 38 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes. Zur Anfechtung einer Handlung eines Organs sei es nicht ausreichend, nur auf die Unzuständigkeit des Organs oder auf eine Verletzung der Vertragsbestimmungen hinzuweisen. Würde eine solche Klage als zulässig angesehen, so liefe dies auf eine Umkehr der Beweislast hinaus und es hätte die beklagte Partei zu beweisen, daß die fragliche Handlung nicht fehlerhaft zustande gekommen sei.

19

Nach Auffassung der luxemburgischen Regierung erfüllt die Klage bei weitem die in Artikel 38 § 1 festgelegten formellen Anforderungen, denn sie bezeichne den Streitgegenstand, den die Entschließung in ihrer Gesamtheit, vor allem aber bestimmte Einzelpunkte bildeten, und sie begründe eingehend die geltend gemachten Klagegründe, nämlich die Überschreitung der Befugnisse des Parlaments und die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Außerdem gehe das Parlament von einem irrigen Rechtsstandpunkt aus, denn es beziehe sich auf den Nachweis des in der Klage enthaltenen Vorbringens, was indessen nichts mit der Beachtung der Klageformalien zu tun habe.

20

Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß sich aus der Klageschrift eindeutig ergibt, daß die in Artikel 38 § 1 der Verfahrensordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, denn die Klage enthält Name und Wohnsitz des Klägers, die Bezeichnung des Beklagten, den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe, wie auch die Anträge des Klägers.

21

Des weiteren ist festzustellen, daß die angefochtene Entschließung, wie in Artikel 38 § 4 der Verfahrensordnung vorgesehen, der Klage beigefügt ist, und daß der Kläger keine Beweisanträge zu formulieren hatte, weil es in diesem Stadium des Verfahrens an einem konkreten Bestreiten fehlte. Demgemäß ist die vom Parlament aufgeworfene Frage der Beweislast nicht zu prüfen, denn es geht hier, wie die luxemburgische Regierung unterstreicht, nur darum, ob die Klage formal ordnungsgemäß ist, nicht aber um ihre Begründetheit.

22

Diese Zulässigkeitsrüge ist somit zurückzuweisen.

Rechtsnatur der angefochtenen Handlung

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Das Parlament weist darauf hin, daß der Gerichtshof in Randnummer 59 des Urteils vom 11. Juli 1985 in den Rechtssachen 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84 (Salerno/Rat und Kommission, Slg. 1985, 2523) festgestellt habe, daß einer Entschließung keinerlei zwingender Charakter zukomme. Die streitige Entschließung könne nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein, weil sie keinen Entscheidungscharakter habe. Gehe man davon aus, daß die Entschließung gewisse Rechtswirkungen habe, so sei zu bedenken, daß sie in den Rahmen der internen Organisationsgewalt des Parlaments falle und damit nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die angefochtene Entschließung könne schließlich auch deshalb keine Rechtswirkungen haben, weil es ihr hinsichtlich der genauen Zahl der darin formulierten Vorschläge an Genauigkeit fehle.

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Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Würdigung der Rechtswirkungen der streitigen Entschließung untrennbar mit der Prüfung ihres Inhalts verbunden ist (Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, Slg. 1983, 255, Randnr. 30).

25

Insoweit genügt die Feststellung, daß die in der Rechtssache Salerno (a. a. O.) angefochtene Entschließung die Ansicht des Parlaments zu einem Verordnungsvorschlag der Kommission enthielt und daß sie lediglich eine Stufe des Verfahrens zum Erlaß von Gemeinschaftsregeln darstellte, während die im vorliegenden Fall angefochtene Entschließung die Maßnahmen nennt, die als unerläßlich angesehen werden für eine größere Umorganisation und eine Verminderung der gegenwärtigen Streuung der Arbeit des Parlaments und seines Personals auf drei Arbeitsorte.

26

Insbesondere bezeichnet die Entschließung in ihrer Ziffer 10 das mit bestimmten Tätigkeiten betraute Personal, dessen Anwesenheit in Brüssel das Parlament für unerläßlich hält, und sie beauftragt in Ziffer 16 den Präsidenten, den Generalsekretär, das Präsidium und die Quästoren, umgehend alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Entschließung, insbesondere was die Räumlichkeiten angeht, durchzuführen.

27

Demnach ist festzustellen, daß die angegriffene Entschließung Entscheidungscharakter hat und daß ihre Wirkungen gegebenenfalls die Zusicherungen beeinträchtigen könnten, die sich für das Großherzogtum Luxemburg aus den Bestimmungen über den Sitz und die Arbeitsorte des Parlaments, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt worden sind, ergeben.

28

Daher ist auch diese Zulässigkeitsrüge und somit die Einrede der Unzulässigkeit der Klage insgesamt zurückzuweisen.

Begründetheit der Klagen

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Vorab ist darauf hinzuweisen, daß das Parlament gemäß der ihm in den Artikeln 25 EGKS-Vertrag, 142 EWG-Vertrag und 112 EAG-Vertrag zugestandenen internen Organisationsgewalt geeignete Maßnahmen ergreifen kann, um sein ordnungsgemäßes Funktionieren und die Durchführung seiner Verfahren sicherzustellen. Nach dem sich namentlich aus Artikel 5 EWG-Vertrag ergebenden Grundsatz, daß den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen gegenseitige Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit obliegen, müssen die Beschlüsse des Parlaments jedoch die Zuständigkeit der Regierungen der Mitgliedstaaten für die Festlegung des Sitzes der Organe und die insoweit zwischenzeitlich getroffenen vorläufigen Entscheidungen beachten (Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, Randnr. 38).

30

Des weiteren ist daran zu erinnern, daß Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965 über die vorläufige Unterbringung bestimmter Organe und Dienststellen der Gemeinschaften (ABl. 1967, L 152, S. 18) bestimmt: „Das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments und seine Dienststellen bleiben in Luxemburg“. Zudem hat der Gerichtshof im vorgenannten Urteil klargestellt, daß das Parlament in der Lage sein muß, an den verschiedenen Arbeitsorten außerhalb des Ortes, an dem sein Sekretariat untergebracht ist, diejenige Infrastruktur aufrechtzuerhalten, die unerläßlich ist, um die Erfüllung der ihm in den Verträgen zugewiesenen Aufgaben an allen diesen Orten sicherzustellen. Innerhalb dieser Grenzen kann daher die Einrichtung einer solchen Infrastruktur außerhalb des Ortes, an dem sein Sekretariat untergebracht ist, mit den angeführten Grundsätzen, die für die jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und des Parlaments in diesem Bereich gelten, im Einklang stehen (Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, Randnr. 54). Wie der Gerichtshof freilich hinzugefügt hat, würde jede Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, rechtliche oder tatsächliche Verlagerung des Generalsekretariats des Parlaments oder seiner Dienststellen einen Verstoß gegen Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965 darstellen und die Zusicherungen verletzen, die dieser Beschluß dem Großherzogtum Luxemburg geben sollte (Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, Randnr. 55).

31

Im Lichte dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die streitigen Beschlüsse und die streitige Entschließung die Grenzen einhalten, die der internen Organisationsgewalt des Parlaments gesetzt sind.

Der Beschluß vom 1. und 2. Juni 1988

32

Die luxemburgische Regierung bringt vor, die Einrichtung einer selbständigen, zentrales Pressebüro genannten Dienststelle in Brüssel stelle keine Infrastruktur dar, die unerläßlich sei zur Sicherung der dem Parlament vom Vertrag anvertrauten Aufgaben am Arbeitsort Brüssel. Auch die Verlegung des portugiesischen Sprachsektors der Abteilung Veröffentlichungen sei eine gegen den Beschluß vom 8. April 1965 verstoßende Verlagerung einer Verwaltungseinheit, denn sie sei Teil eines Gesamtplans und stelle keine für die Arbeit des Parlaments unerläßliche Infrastrukturmaßnahme dar. Außerdem stelle die zwischen dem zentralen Pressebüro und den Sektoren des Dienstes Veröffentlichungen hergestellte Beziehung eine Mißachtung des Umstands dar, daß — wie Artikel 8 des Beschlusses vom 8. April 1965 bestätigt habe — das Amt für Veröffentlichungen seinen Sitz in Luxemburg habe.

33

Das Parlament macht geltend, daß das zentrale Pressebüro — auch wenn insoweit der Beschluß vom 1. und 2. Juni 1988 vielleicht nicht ganz klar sei — seit 1980 in Brüssel unabhängig von dem gleichfalls dort angesiedelten Informationsbüro arbeite. Somit sei Gegenstand des Beschlusses nicht die Einrichtung, sondern die Verstärkung dieses Büros, das andernfalls in Anbetracht des Umfangs der Parlamentszuständigkeiten und der Entwicklung seiner Tätigkeiten in dieser Stadt seine Informationsaufgabe nicht mehr erfüllen könnte.

34

Hierzu ist festzustellen, daß es Sache jedes Organs ist, unter Beachtung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen die Methoden, Wege und Mittel seiner Informationspolitik zu bestimmen. Die Notwendigkeit, die öffentliche Meinung über die Tätigkeiten eines Organs zu unterrichten, ist jedoch besonders groß für ein allgemein und unmittelbar gewähltes Parlament, das im Namen seiner Wähler am Rechtsetzungsverfahren beteiligt ist.

35

Die Aufgaben des zentralen Pressebüros, wie sie in dem Bericht der Ad-hoc-Gruppe umschrieben sind, stehen zudem offensichtlich in engem Zusammenhang mit den politischen Tätigkeiten des Parlaments in Brüssel. Es geht um folgende Aufgaben :

Wahrung der Kontakte zu der in Brüssel akkreditierten europäischen Presse;

Abfassung und Verbreitung der täglichen Informationen über die Arbeit der parlamentarischen Ausschüsse und Delegationen;

Verwaltung des „aktuellen Dienstes“ und des künftigen Informatiknetzes Epistel, dessen Fertigstellung zu beschleunigen ist;

Zusammenarbeit mit den Informationsdiensten der Fraktionen;

Organisation der Arbeitsbedingungen und der Aufnahmevorkehrungen für die an den verschiedenen Arbeitsorten der Institution akkreditierten Journalisten und Verwaltung des Pressesaals in Brüssel.

36

Demzufolge und in Anbetracht der Tatsache, daß ein wichtiger Teil der parlamentarischen Arbeit in Brüssel erledigt wird, wo eine große Zahl von Journalisten akkreditiert ist, überschreitet eine Verstärkung des Pressedienstes in dieser Stadt, die zur Erfüllung der Informationsaufgabe unerläßlich ist, nicht den Beurteilungsspielräum, der dem Parlament bei der Ausübung seiner internen Organisationsgewalt zusteht.

37

Folglich entspricht die Zuweisung von vier Beamten des portugiesischen Sektors der Abteilung Veröffentlichungen an das zentrale Pressebüro der Notwendigkeit, dieses Büro zu verstärken.

38

Außerdem ist das von der luxemburgischen Regierung gegen die Versetzung von Mitgliedern der Abteilung Veröffentlichungen vorgebrachte Argument zurückzuweisen, daß in Luxemburg das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften angesiedelt sei. Das Sekretariat des Parlaments muß nämlich über einen Teil der Vervielfältigungsdienste und der Dienste zur Verteilung von Schriftstücken, die für die Ausschüsse und Fraktionen bestimmt sind oder von ihnen verfaßt werden, verfügen können, um insoweit einen unerläßlichen Dienst an dem Ort zu gewährleisten, an dem die Sitzungen der Ausschüsse und Fraktionen stattfinden.

39

Somit sind die auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 1. und 2. Juni 1988 gerichteten Klageanträge zurückzuweisen.

Der Beschluß vom 15. Juni 1988

40

In diesem Beschluß sprach sich das Präsidium des Parlaments für zwei Grundstücksprojekte in Brüssel aus und billigte einen Vermerk des Generalsekretariats vom 6. Juni 1988, in dem es heißt, daß in Brüssel ungefähr 300 bis 350 zusätzliche Büros, zwei oder drei Sitzungssäle mit wenigstens 200 bis 250 Plätzen, wo Sitzungen der großen Fraktionen und gegebenenfalls Beratungen mehrerer Ausschüsse in gemeinsamer Sitzung möglich seien, sowie notwendige Räumlichkeiten für die Vervielfältigungs- und Verteilungsdienste gesucht werden sollten. Diesen Anforderungen sollten die vom Präsidium in diesem Beschluß gutgeheißenen Grundstücksprojekte genügen.

41

Die luxemburgische Regierung ist der Auffassung, daß die vom Präsidium gutgeheißenen Grundstücksprojekte, auch wenn sie mit der Notwendigkeit der Unterbringung eines „großen Ausschusses“ gerechtfertigt würden, in Wahrheit nur die Fortführung der Beschlüsse über die Verlegung von Dienststellen seien; als solche entsprächen sie nicht zwingenden Infrastrukturbedürfnissen und verletzten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Über die Einsetzung eines „großen Ausschusses“ sei nämlich nicht vom Präsidium zu beschließen, sondern vom Parlament selbst, und sie stelle somit lediglich eine künftige Möglichkeit dar.

42

Aus dem Vermerk des Generalsekretärs und dem Beschluß des Präsidiums ergibt sich, daß das Parlament das Ziel verfolgt, den Abgeordneten, den Fraktionen und dem Generalsekretariat eine ausreichende Zahl von Büros und Sitzungssälen zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel kann vom Parlament im Rahmen seiner internen Organisationsgewalt verfolgt werden.

43

Wie das Parlament im übrigen mit Recht bemerkt, fällt der vom Präsidium in dem angefochtenen Beschluß und vom Generalsekretär verwendete Begriff „großer Ausschuß“ in den Anwendungsbereich des in Artikel 37 der Geschäftsordnung des Parlaments geregelten Verfahrens, das nie die geringste Kritik von Seiten der Mitgliedstaaten oder des Rates ausgelöst hat. Tatsächlich kann das Parlament gemäß dieser Vorschrift in Plenarsitzung ein Ersuchen um Stellungnahme oder eine Konsultation an den zuständigen Ausschuß zur Entscheidung überweisen.

44

Hervorzuheben ist, daß die Sitzung, in der der Ausschuß entscheidet, öffentlich ist. Deshalb muß eine ausreichende Zahl von Plätzen für das Publikum und gegebenenfalls die Vertreter der Presse zur Verfügung stehen. Auch für eine gemeinsame Sitzung mehrerer Ausschüsse ist ein großer Saal erforderlich. Sich solcher Verfahren zu bedienen, gehört aber offensichtlich zum Bereich der internen Organisationsgewalt des Parlaments und kann daher nicht Gegenstand gerichtlicher Kontrolle sein (Urteil vom 22. September 1988, Frankreich/Parlament, a. a. O., Randnr. 17).

45

Die auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 15. Juni 1988 gerichteten Klageanträge sind demnach zurückzuweisen, so daß die Klage in der Rechtssache C-213/88 insgesamt abzuweisen ist.

Die Entschließung des Parlaments vom 18. Januar 1989

46

Die luxemburgische Regierung ist der Ansicht, daß das Parlament mit der Annahme der streitigen Entschließung die Grenzen seiner Befugnisse, wie sie der Gerichtshof in den Urteilen vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81 und vom 10. April 1984 in der Rechtssache 108/83 (a. a. O.) gezogen habe, überschritten und die Zuständigkeit der Regierungen der Mitgliedstaaten für die Festlegung des Sitzes und der vorläufigen Arbeitsorte der Organe mißachtet habe. Damit habe das Parlament die Vorschriften der Verträge und die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnormen, insbesondere Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965, verletzt. Gleichzeitig habe es gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

47

Die luxemburgische Regierung führt dazu aus, es entspreche nicht dem vom Gerichtshof festgelegten Kriterium der „unerläßlichen Infrastruktur“, das gesamte mit Ausschüssen und Delegationen sowie mit Information und Öffentlichkeitsarbeit befaßte Personal in Brüssel zusammenzufassen und das mit Studien und Wissenschaft beauftragte Personal nach Brüssel zu verlegen. Dies gelte auch für das sonstige, nach den letzten Gedankenstrichen der Ziffer 10 der Entschließung erwähnte Personal. Im übrigen ziehe die Unvereinbarkeit der Beschlüsse über die Personalverlegung mit den Verträgen diejenige der Maßnahmen nach sich, die für die Miete oder den Ankauf neuer Gebäude und die Auflösung der Mietverhältnisse für Gebäude, die nicht mehr benötigt würden, getroffen würden.

48

Das Parlament rechtfertigt die beanstandeten Maßnahmen unter Hinweis auf die Zunahme seiner Arbeitsbelastung und seiner demokratischen Verantwortung vor allem seit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte. Die Mitglieder des Parlaments hielten sich mehr und mehr in Brüssel auf, um dort Kontakte mit der Kommission und dem Rat zu pflegen; deshalb sei das in Brüssel vorhandene oder dorthin verlegte Personal für das gute Funktionieren der in Ziffer 10 der Entschließung erwähnten Dienststellen unerläßlich. Es sei Sache des Parlaments, die Beamten zu bestimmen, deren Anwesenheit in Brüssel unerläßlich ist, und dem Kläger obliege der Nachweis, daß die so geschaffene Infrastruktur nicht unerläßlich sei.

49

Nach Ansicht des Parlaments ist der Begriff des ordnungsgemäßen Funktionierens einer Entwicklung unterworfen. Zwar stehe die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung des Sitzes nicht in Frage, doch müsse in dem Maße, wie diese in hartnäckiger Untätigkeit verharrten, die nach Artikel 5 EWG-Vertrag gerügt werden könne, die interne Organisationsgewalt des Parlamentes, namentlich was seine Arbeitsorte angehe, in einem immer weiteren Sinne verstanden werden.

50

Die luxemburgische Regierung entgegnet darauf, das von den Verträgen geschaffene Rechtssystem sehe keine Klage gegen diese angebliche Untätigkeit der Mitgliedstaaten vor, die überdies nicht einer Regierung allein vorgeworfen werden könne. Auch könne die unvollständige Wahrnehmung der den Mitgliedstaaten in den Verträgen bezüglich des Sitzes der Organe eingeräumten Zuständigkeiten keinesfalls zu einer Erweiterung der Zuständigkeiten des Parlaments führen.

51

Zu dem auf die Untätigkeit der Mitgliedstaaten gestützten Vorbringen des Parlaments ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81 (a. a. O.) festgestellt hat, daß die Regierungen der Mitgliedstaaten mehrmals Beschlüsse zur Festlegung der vorläufigen Arbeitsorte der Organe auf der Grundlage der Artikel 77 EGKS-Vertrag, 216 EWG-Vertrag und 189 EAG-Vertrag gefaßt haben.

52

Zweifellos haben die Regierungen der Mitgliedstaaten noch nicht die in den erwähnten Vertragsbestimmungen verankerte Pflicht zur endgültigen Festlegung des Sitzes der Organe erfüllt. Dieser Umstand hat indessen, wie aus dem angeführten Urteil hervorgeht, keineswegs eine Erweiterung des dem Parlament bei der Ausübung seiner internen Organisationsgewalt zustehenden Beurteilungsspielraums zur Folge. Das Parlament ist daher gehalten, die Zuständigkeit der Regierungen der Mitgliedstaaten für die Festlegung des Sitzes der Organe wie auch die insoweit zwischenzeitlich getroffenen vorläufigen Entscheidungen zu beachten.

53

Es ist hervorzuheben, daß die streitige Entschließung der Einlassung des Parlaments zufolge nicht die Verlegung von Generaldirektionen vorsieht und daß die mit ihr ins Auge gefaßten Maßnahmen nur durchzuführen sind, soweit es sich um für das ordnungsgemäße Funktionieren des Organs unerläßliche Strukturen handelt.

54

Was das mit den Ausschüssen und Delegationen befaßte Personal angeht, ist — wie der Gerichtshof in seinen früheren Urteilen festgestellt hat — die Praxis des Parlaments, Sitzungen seiner Ausschüsse und seiner Fraktionen in Brüssel abzuhalten, zu keiner Zeit von irgendeinem Mitgliedstaat in Frage gestellt worden (Urteil vom 10. Februar 1983 in der Rechtssache 230/81, a. a. O., Randnr. 48). Zu Recht hält es das Parlament also für unerläßlich, in Brüssel über das für diese Sitzungen notwendige Personal zu verfügen.

55

Hinsichtlich des mit Informations- und Öffentlichkeitsarbeit betrauten Personals folgt aus den vorstehenden Erwägungen über das zentrale Pressebüro, daß es gerechtfertigt ist, den mit den Beziehungen zur Presse und ganz allgemein mit der Information betrauten Einheiten das notwendige Personal zur Verfügung zu stellen.

56

Zu dem mit dem Bereich Studien und Wissenschaft betrauten Personal führt das Parlament aus, die fraglichen Dienststellen arbeiteten unmittelbar mit den Abgeordneten zusammen und es sei wichtig, daß letztere jederzeit über das erforderliche wissenschaftliche Personal verfügen könnten und Zugang zur Bibliothek hätten. Hierzu ist festzustellen, daß es Sache des Parlaments ist, im Rahmen seiner internen Organisationsgewalt zu beurteilen, ob es notwendig ist, das entsprechende Personal für die Erfüllung der Aufgaben dieses Dienstes nach Brüssel zu verlegen.

57

Was das sonstige in Ziffer 10 der Entschließung erwähnte Personal angeht, so genügt der Hinweis, daß es sich zunächst einmal um Personen handelt, deren Hauptaufgabe darin besteht, einzelnen Abgeordneten direkt zuzuarbeiten. Des weiteren handelt es sich um Personen, die aufgrund ihrer Aufsichts- oder Unterstützungsfunktion am gleichen Ort arbeiten müssen, wie die anderen in Ziffer 10 der Entschließung erwähnten Dienststellen. In beiden Fällen handelt es sich also lediglich um einen Teil dieser Personalgruppe des Parlaments.

58

Demnach ist festzustellen, daß die sich aus der streitigen Entschließung ergebende Personalverlegung im Rahmen des Beurteilungsspielraums bleibt, den das Parlament bei der Wahrnehmung seiner internen Organisationsgewalt hat. Es ist also nicht nachgewiesen worden, daß diese Verlegungen einen solchen Umfang erreichen, daß sie die Beschlüsse der Regierungen der Mitgliedstaaten und insbesondere Artikel 4 des Beschlusses vom 8. April 1965 verletzen.

59

Die Entscheidungen über Grundstücksfragen, die gegebenenfalls mit dem Vollzug der Entschließung verbunden sind, stellen — wie die luxemburgische Regierung ausdrücklich eingeräumt hat — nur einen untergeordneten Aspekt des Rechtsstreits dar; sie können daher die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entschließung nicht beeinträchtigen.

60

Der auf Unzuständigkeit des Parlaments gestützte Klagegrund ist also nicht begründet und daher zurückzuweisen.

61

Demgemäß ist auch die Klage in der Rechtssache C-39/89 abzuweisen.

Kosten

62

Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

 

1)

Die Klagen werden abgewiesen.

 

2)

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Due

Slynn

Joliét

Schockweiler

Kapteyn

Mancini

Moitinho de Almeida

Rodríguez Iglesias

Diez de Velasco

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. November 1991.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident

O. Due


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.