61988C0026

Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven vom 16. März 1989. - BROTHER INTERNATIONAL GMBH GEGEN HAUPTZOLLAMT GIESSEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HESSISCHES FINANZGERICHT - DEUTSCHLAND. - WARENURSPRUNG - MONTAGE VON VORGEFERTIGTEN EINZELTEILEN. - RECHTSSACHE 26/88.

Sammlung der Rechtsprechung 1989 Seite 04253


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Das Hessische Finanzgericht hat gemäß Artikel 177 den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht :

"1 ) Ist Artikel 5 der Verordnung ( EWG ) Nr . 802/68 des Rates vom 27 . Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung ( ABl . L 148, S . 1 ) dahin auszulegen, daß auch die reine Montage von bereits vorgefertigten eingeführten Einzelteilen zu einem neuen Gegenstand als letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be - oder Verarbeitung ursprungsbegründend ist, oder ist neben der Montage noch eine eigene geistige Leistung erforderlich, damit die Montage ursprungsbegründend wirkt?

2 ) Falls die blosse Montage von vorgefertigten Einzelteilen ursprungsbegründend im Sinne des Artikels 5 der Verordnung ( EWG ) Nr . 802/68 wirkt, ist Artikel 6 der Verordnung ( EWG ) Nr . 802/68 dahin gehend auszulegen, daß bereits die Umleitung der Exporte unter Ausnutzung schon vorhandener Produktionsstätten die Vermutung rechtfertigt, daß die Umleitung die Umgehung von Bestimmungen ( Antidumpingzoll ) bezweckt?

Wegen der tatsächlichen und verfahrensmässigen Aspekte des Rechtsstreits vor dem vorlegenden Gericht kann ich mich auf eine Verweisung auf den Sitzungsbericht beschränken .

Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen haben eine grössere Bedeutung, als man auf den ersten Blick meinen könnte . Wie die Firma Brother in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, werden die Unternehmen des Brother-Konzerns derzeit von den nationalen Zollbehörden im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden und in Frankreich zur Zahlung eines Antidumpingzolls auf elektronische Schreibmaschinen aus Taiwan herangezogen, und zwar aufgrund der Verordnung ( EWG ) Nr . 1698/85 des Rates vom 19 . Juli 1985 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren von elektronischen Schreibmaschinen mit Ursprung in Japan ( 1 ). Die Antwort auf die vorgelegten Fragen wird somit auch für diese Behörden und nicht nur für das Hauptzollamt Gießen wichtig sein .

Um das Vorgehen der nationalen Zollbehörden gegen die Einfuhr von Schreibmaschinen aus Taiwan richtig würdigen zu können, muß man sich folgendes vor Augen halten : Im Dezember 1985 gab die Kommission bekannt, daß sie ein Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhr von elektronischen Schreibmaschinen mit Ursprung in Taiwan eingeleitet habe ( 2 ). Dieses Antidumpingverfahren wurde durch Beschluß der Kommission vom 23 . Mai 1986 ( 3 ) mit der Begründung eingestellt, daß die Waren ihren Ursprung nicht in Taiwan hätten . Die Kosten der in Taiwan vorgenommenen Bearbeitungen waren nach Auffassung der Kommission zu gering, als daß sie als letzte wesentliche Verarbeitung hätten angesehen werden können, die nach der Verordnung ( EWG ) Nr . 802/68 des Rates ( 4 ) erforderlich ist, um den betroffenen Waren den Charakter von "Ursprungswaren aus Taiwan" zu verleihen . Eine von Brother Industries Ltd, Taiwan Brother Ltd und Brother International Europe Ltd erhobene Klage auf Aufhebung dieses Beschlusses vom 23 . Mai 1986 sowie des Memorandums des Leiters der Generaldirektion I, Auswärtige Beziehungen, "betreffend die Einfuhr von elektronischen Schreibmaschinen aus Taiwan" vom 5 . Juni 1986 ist durch Beschluß des Gerichtshofes vom 30 . September 1987 ( in der Rechtssache 229/86, Slg . 1987, 3757 ) als unzulässig abgewiesen worden .

Tatsächlich wird nunmehr im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage gestellt, um die es im Antidumpingverfahren bezueglich Taiwans ging . Die Frage des vorlegenden Gerichts geht nämlich dahin, ob das Hauptzollamt Gießen zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß die fragliche Einfuhr von elektronischen Schreibmaschinen mit Ursprung in Japan und nicht mit Ursprung in Taiwan erfolgte, und sie deshalb dem vom Rat eingeführten Antidumpingzoll unterworfen hat . Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren geht es deshalb um die Anwendung derselben Ursprungsregeln, die in dem Taiwan betreffenden Antidumpingverfahren anwendbar waren, das die Kommission eingestellt hat .

2 . Die gemeinschaftsrechtlichen Ursprungsregeln sind in der Verordnung Nr . 802/68 enthalten .

Artikel 1 dieser Verordnung lautet wie folgt :

"In dieser Verordnung wird der Begriff des Warenursprungs zu folgenden Zwecken bestimmt :

a ) zur einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs, der mengenmässigen Beschränkungen und aller anderen Maßnahmen der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten für die Einfuhr von Waren;

b ) zur einheitlichen Anwendung aller Maßnahmen der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten für die Ausfuhr von Waren;

c ) zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen ."

Die Antidumpingmaßnahmen, um deren Anwendung es im Rechtsstreit vor dem vorlegenden Gericht geht, fallen eindeutig unter Buchstabe a dieses Artikels . In der allgemeinen Antidumping-Gemeinschaftsregelung wird die Anwendbarkeit der Verordnung Nr . 802/68 auf Antidumpingmaßnahmen übrigens bestätigt . Dies ist namentlich der Fall in Artikel 13 Absatz 7 der Verordnung ( EWG ) Nr . 2423/88 des Rates vom 11 . Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern ( ABl . 1988, L 209, S . 1 ), der wie folgt lautet :

"Falls bei der Festsetzung eines vorläufigen oder endgültigen Antidumping - oder Ausgleichszolls keine besonderen Bestimmungen erlassen wurden, so gelten die Regeln über die gemeinsamen Begriffsbestimmungen für den Warenursprung sowie die einschlägigen gemeinsamen Durchführungsbestimmungen ."

Betrachten wir nun den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr . 802/68 . Gemäß Artikel 2 kann von dieser Verordnung abgewichen werden

"durch Übereinkommen ..., die Abweichungen von der Meistbegünstigungsklausel enthalten, insbesondere Übereinkommen über die Errichtung einer Zollunion oder einer Freihandelszone ".

Dies ist insbesondere geschehen für den Handel mit den Ländern der Europäischen Freihandelszone, für den Handel mit den Entwicklungsländern, die bestimmte Zollpräferenzen genießen, und für eine Reihe anderer Länder . Sowohl Japan als auch Taiwan gehören zu keiner dieser Kategorien, und für den Handel mit diesen beiden Ländern gelten deshalb die allgemeinen Vorschriften der Verordnung Nr . 802/68 .

Man kann bedauern, daß die Ursprungsfrage sich nunmehr in diesem Rahmen stellt und nicht im Rahmen eines wirklichen Antidumpingverfahrens, bei dem doch mehr Verfahrensgarantien für die betroffenen Unternehmen bestehen . Diese Erwägung zeigt, so akademisch sie auch sein mag, nochmals die Bedeutung dieser Rechtssache .

Die erste Frage

3 . Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68, auf den sich die erste Frage ( siehe oben, Nr . 1 ) bezieht, lautet wie folgt :

"Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt sind, hat ihren Ursprung in dem Land, in dem die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be - oder Verarbeitung stattgefunden hat, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt ."

In der dem Gerichtshof vorgelegten Frage wird als feststehend angenommen, daß die in Taiwan vorgenommenen Bearbeitungen, die darin bestehen, bestimmte in Japan hergestellte Teile ( wie Widerstände, Kondensatoren und Transistoren ) auf den ebenfalls in Japan produzierten Leiterplatten anzubringen und dann aus diesen Leiterplatten und anderen in Japan hergestellten Teilen eine Schreibmaschine zu montieren, als Montage anzusehen ist, aus der sich ein neues Erzeugnis ergibt ( 5 ). Dies bedeutet, daß der letzte Satzteil des Artikels 5 (" Be - oder Verarbeitung ..., die ... zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder ( alternativ ) eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt ") nicht Gegenstand der Beurteilung ist . Tatsächlich bezieht sich die erste Frage deshalb ausschließlich auf den ersten Satzteil des Artikels 5 und insbesondere auf die Auslegung der Worte "die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be - oder Verarbeitung ... in einem dazu eingerichteten Unternehmen ".

Die dem Gerichtshof vorgelegte erste Frage ist eigentlich noch weiter zugespitzt : Sowohl dazu, ob die Montage "wirtschaftlich gerechtfertigt" war, als auch dazu, ob die Brother-Fabrik in Taiwan ein "dazu eingerichtetes Unternehmen" war, haben die Parteien des Ausgangsverfahrens kaum Stellung genommen . Der zweite Satzteil kommt gleichwohl anläßlich der zweiten dem Gerichtshof vorgelegten Frage zur Sprache ( siehe unten, Nr . 16 ). Die vorgelegte Frage spitzt sich somit dahin zu, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Montage eine wesentliche Be - oder Verarbeitung sein kann, so daß sie imstande ist, den Ursprung des Erzeugnisses zu bestimmen .

4 . In den Erklärungen der Firma Brother, der Kommission, der Niederlande und Frankreichs wird ausführlich auf die einschlägige Rechtslehre verwiesen, und es werden auch Argumente aus den Durchführungsverordnungen hergeleitet, die die Kommission für bestimmte Erzeugnisse, nicht jedoch für das uns hier beschäftigende Produkt, erlassen hat ( 6 ). In diesen Erklärungen spielen die Urteile, die der Gerichtshof zu dieser Frage bereits erlassen hat, eine wichtige Rolle, auch wenn diese Urteile unterschiedlich ausgelegt werden . Es werden verschiedene Theorien vertreten . Ohne die Bedeutung dieser Theorien überschätzen zu wollen, möchte ich sie doch kurz wie folgt kennzeichnen : 1 ) die Theorie, die sich für einen technischen oder technologischen, auf die Eigenschaften des Erzeugnisses abstellenden Test ausspricht ( unten, Nr . 5 ff .), 2 ) die Theorie, die einen Mehrwert-Test oder, weiter formuliert, einen wirtschaftlichen Test befürwortet ( unten, Nr . 6 ), und 3 ) einige andere, weniger wichtige Theorien, von denen eine die Zugehörigkeit zu einem anderen Teil der Zolltarifierung als Kriterium verwendet ( siehe unten, Nr . 5 ). In meinen folgenden Ausführungen werde ich zuerst an die Rechtsprechung des Gerichtshofes erinnern, dann kurz auf die unterschiedlichen Schlußfolgerungen, die die Beteiligten daraus ziehen, eingehen und schließlich meine eigene Beurteilung abgeben .

Die Rechtsprechung des Gerichtshofes

5 . Im Urteil des Gerichtshofes vom 26 . Januar 1977 in der Rechtssache 49/76 ( Überseehandel, Slg . 1977, 41, Randnrn . 5 bis 7 ) wurde die Frage des Verwaltungsgerichts Hamburg beantwortet, ob in einem Drittland gewonnenes Rohkasein, das in einem Mitgliedstaat der EG zu verwendungsfähigem Kasein vermahlen worden ist, seinen Ursprung in diesem Mitgliedstaat hat . Der Gerichtshof hat ausgeführt :

"( Randnr . 5 ) Es genügt deshalb nicht, die Kriterien für die Bestimmung des Warenursprungs der tariflichen Einordnung der verarbeiteten Erzeugnisse zu entnehmen, da der Gemeinsame Zolltarif für eigene Zwecke und nicht für die Bestimmung des Warenursprungs geschaffen wurde .

Entsprechend den Zielen und Erfordernissen der Verordnung Nr . 802/68 muß die Bestimmung des Warenursprungs vielmehr auf einer objektiven und tatsächlich feststellbaren Unterscheidung zwischen dem Ausgangserzeugnis und dem aus der Verarbeitung hervorgegangenen Erzeugnis beruhen, bei der wesentlich auf die spezifischen Beschaffenheitsmerkmale eines jeden dieser Erzeugnisse abzustellen ist .

( Randnr . 6 ) Die in Artikel 5 der Verordnung erwähnte letzte Be - oder Verarbeitung ist deshalb im Sinne dieser Vorschrift nur dann 'wesentlich' , wenn das daraus hervorgegangene Erzeugnis besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die es vor dieser Be - oder Verarbeitung nicht hatte .

Wenn in Artikel 5 bestimmt wird, daß eine Be - oder Verarbeitung, um als ursprungsbegründend angesehen werden zu können, zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt haben oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellen muß, so zeigt dies, daß Vorgänge, welche die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinblick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, nicht den Ursprung dieses Erzeugnisses bestimmen könne .

( Randnr . 7 ) Das Vermahlen eines Ausgangserzeugnisses wie des Rohkaseins auf verschiedene Feinheitsgrade kann nicht als Be - oder Verarbeitung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68 angesehen werden, da hierdurch ausschließlich eine Änderung der Konsistenz dieses Erzeugnisses sowie seiner Aufmachung im Hinblick auf seine Weiterverwendung, nicht aber eine erhebliche qualitative Veränderung des Ausgangserzeugnisses bewirkt wird .

Die Qualitätskontrolle durch Sortieren und das Verpacken des vermahlenen Erzeugnisses dienen ferner lediglich den Erfordernissen seiner Vermarktung und berühren nicht seine wesentlichen Eigenschaft ."

In diesem Urteil wurde dem bis dahin bisweilen vertretenen Standpunkt, daß die Zugehörigkeit zu einer anderen Tarifnummer des Gemeinsamen Zolltarifs als Kriterium nach Artikel 5 verwendet werden kann, eine deutliche Absage erteilt . In dem Urteil wird im Gegenteil ein technisches Kriterium im Sinne eines Kriteriums, das auf die spezifischen Merkmale des Erzeugnisses verweist, verwendet : Um wesentlich zu sein, muß die Be - oder Verarbeitung zu spezifischen Eigenschaften und einer spezifischen Beschaffenheit führen, die vorher nicht vorlagen; die Änderung muß mehr betreffen als nur die äussere Erscheinungsform .

6 . Im Urteil des Gerichtshofes vom 31 . Januar 1979 in der Rechtssache 114/78 ( Yoshida, Slg . 1979, 115 ) wurde die Durchführungsverordnung Nr . 2067/77 der Kommission vom 20 . September 1977 über die Bestimmung des Ursprungs von Reißverschlüssen ( ABl . 1977, L 242, S . 5 ) für ungültig erklärt . Diese Verordnung verneinte die ursprungsbegründende Wirkung der Herstellung von Reißverschlüssen in der Gemeinschaft, bei der aus einem Drittland stammende Schieber verwendet wurden . Der Gerichtshof führte unter anderem aus :

"( Randnr . 11 ) Sieht man sich diese einzelnen Arbeitsgänge genauer an, so ergibt sich, daß als letzte wesentliche Be - oder Verarbeitung der durch die Verbindung der Arbeitsgänge c, d, e und f ( 7 ) gebildete Abschnitt angesehen werden muß, der zur Herstellung eines neuen, originären Erzeugnisses führt; dieses ist, anders als jedes einzelne der Ausgangsprodukte, ein wiederholt lösbares Verbindungselement, das dazu dient, Gegenstände, insbesondere Stoffteile, miteinander zu verbinden .

Der Schieber ist lediglich ein Einzelbestandteil des Ganzen; sein Preis kann im übrigen keinen merklichen Einfluß auf den Endpreis eines Reißverschlusses haben; wenngleich er für das Endprodukt wesensbestimmend ist, erlangt er einen Nutzen doch erst dadurch, daß er einem aus aufeinander abgestimmten Teilen bestehenden Ganzen hinzugefügt wird .

( Randnr . 12 ) Die Kommission war der Auffassung, hinter die letzte Bearbeitung bis auf den Vorgang der Herstellung des Schiebers zurückgehen und diese zu einer zwingenden Voraussetzung für die Erteilung des Ursprungszeugnisses machen zu sollen; damit hat sie auf einen Arbeitsgang abgestellt, der für die Zielsetzungen der Verordnung Nr . 802/68 nicht geeignet ist; denn diese verlangt eine objektive und sachliche Unterscheidung zwischen Ausgangserzeugnissen und Verarbeitungsprodukten, die im wesentlichen von deren spezifischen stofflichen Eigenschaften ausgeht .

Die Forderung, daß nahezu jeder Bestandteil eines Erzeugnisses, selbst wenn er von geringem Wert und als solcher, das heisst, solange er nicht einem Ganzen eingefügt ist, ohne Nutzen ist, seinen Ursprung in der Gemeinschaft haben muß, würde geradezu die Zielsetzung der Regelung über die Bestimmung des Warenursprungs verleugnen .

Dadurch hat die Kommission somit ihre Befugnisse überschritten, die ihr nach Artikel 14 Absatz 3 dieser Verordnung zustanden ."

Aus diesem Urteil können zwei Schlußfolgerungen gezogen werden . Erstens hat der Gerichtshof sich dadurch, daß er die genannte Verordnung für ungültig erklärt hat, dagegen ausgesprochen, ein besonderes Element - in jenem Fall den Schieber des Reißverschlusses - als bezeichnendsten Bestandteil herauszugreifen, der auf jeden Fall in der Gemeinschaft hergestellt werden muß, um dem Ganzen - dem Reißverschluß - einen Gemeinschaftsursprung zu verleihen . Zweitens wird in diesem Urteil erneut, wie schon in dem vorigen, auf ein technisches Kriterium abgestellt, aber nunmehr - und dies ist für die Beurteilung des heutigen Falles wichtig - im Zusammenhang mit einem Kosten - und Mehrwert-Kriterium, das als ergänzendes Kriterium verwendet wird .

Der technische Test besteht darin, zu prüfen, ob die materiellen Merkmale des Erzeugnisses nach der Be - oder Verarbeitung von denen der Grunderzeugnisse oder der Bestandteile objektiv verschieden sind . Bei Reißverschlüssen ist dies nach Auffassung des Gerichtshofes der Fall, da der Schieber, der nur als Bestandteil eines harmonischen Ganzen brauchbar ist, nunmehr zusammen mit den anderen Bestandteilen neue materielle Eigenschaften und namentlich umfassende Verwendungsmöglichkeiten besitzt . Der ergänzende Kosten - und Mehrwerttest findet sich in dem Satzteil, der durch die Worte "im übrigen" in Randnummer 11, zweiter Absatz, und in dem Satzteil, der durch das Wort "selbst" in Randnummer 12, zweiter Absatz, eingeleitet wird : Die geringen Kosten des Schiebers und sein geringer Wert für den Verbraucher, verglichen mit den Kosten und dem Wert des Reißverschlusses, sind derart, daß sie den nicht ursprungsbestimmenden Charakter des Schiebers bestätigen .

7 . Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 23 . März 1983 in der Rechtssache 162/82 ( Cousin, Slg . 1983, 1101 ) in einer Rechtssache, in der die Gültigkeit einer anderen Durchführungsverordnung der Kommission zu beurteilen war und in der auch eine Frage nach Artikel 30 EWG-Vertrag gestellt wurde, folgendes ausgeführt :

"( Randnr . 20 ) Die Kommission hat zur Rechtfertigung einer solchen unterschiedlichen Behandlung des Färbens und anderer Vorgänge der Endbearbeitung von Geweben und Gewirken einerseits und von Baumwollgarn andererseits nichts vorgebracht, was mit den Merkmalen der erwähnten Erzeugnisse und Be - und Verarbeitungsvorgänge in Zusammenhang stuende .

( Randnr . 21 ) Unter diesen Umständen erscheint es als widersprüchlich und diskriminierend, daß die Verordnung Nr . 749/78 wesentlich strengere Kriterien für die Bestimmung des Ursprungs von Baumwollgarnen als für die des Ursprungs von Geweben und Gewirken aufstellt . Zwar verfügt die Kommission über einen Beurteilungsspielraum bei der Anwendung der allgemeinen Kriterien des Artikels 5 der Verordnung Nr . 802/68 auf besondere Be - und Verarbeitungen; sie darf jedoch ohne objektive Rechtfertigung nicht völlig verschiedene Lösungen für gleichartige Be - oder Verarbeitungsvorgänge vorsehen ."

Auch hier wird ( ausschließlich ) auf ein technisches Kriterium abgestellt .

8 . Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 23 . Februar 1984 in der Rechtssache 93/83 ( Zentrag, Slg . 1984, 1095 ) - in dem es um eine Durchführungsverordnung ging, die Fleisch betraf - entschieden :

"Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68 ... ist dahin auszulegen, daß das Entbeinen, Entsehnen, Entfetten, Zerlegen und Vakuumverpacken des von Rindervierteln stammenden Fleisches diesem nicht den Ursprung den Landes verleiht, in dem diese Arbeiten durchgeführt werden ."

Zur Begründung hat der Gerichtshof ausgeführt,

"( Randnr . 13 ) daß, wie der Gerichtshof in seinem Urteil ... ( Überseehandel ) ... entschieden hat, die in Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68 erwähnte letzte Be - oder Verarbeitung im Sinne dieser Vorschrift nur dann 'wesentlich' ist, wenn das daraus hervorgegangene Erzeugnis besondere Eigenschaften besitzt und von einer spezifischen Beschaffenheit ist, die es vor dieser Be - oder Verarbeitung nicht hatte . Vorgänge, welche die Aufmachung eines Erzeugnisses im Hinbick auf seine Verwendung betreffen, nicht aber zu einer erheblichen qualitativen Änderung seiner Eigenschaften führen, können den Ursprung dieses Erzeugnisses nicht bestimmen .

( Randnr . 14 ) Zwar ist einzuräumen, daß die in Rede stehenden Bearbeitungsvorgänge den Absatz des Fleisches erleichtern, indem sie die Möglichkeit geben, es den Verbraucher über Handelsbetriebe anzubieten, die keinen eigenen Fleischer haben . Sie führen jedoch zu keiner wesentlichen Änderung der Eigenschaften und der Beschaffenheit des Fleisches; ihr hauptsächliches Ergebnis ist vielmehr, daß die verschiedenen Teile eines Tierkörpers nach ihrer Qualität und ihren vorgegebenen Eigenschaften aufgeteilt werden und daß ihre Aufmachung zu Vertriebszwecken verändert wird . Eine gewisse Erhöhung der Haltbarkeitsdauer und eine Verlangsamung des Reifungsprozesses des Fleisches stellen keine hinreichend ausgeprägte qualitative Veränderung der Substanz dar, um den genannten Voraussetzungen zu genügen . Unterstellt man schließlich entsprechend den von der Zentrag in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Berechnungen, daß sich der Verkaufswert eines ganzen Rinderviertels, das den genannten Bearbeitungsvorgängen unterzogen worden ist, um 22 % erhöhte, so könnte auch dieser Umstand für sich allein nicht die Auffassung rechtfertigen, daß diese Bearbeitungsvorgänge zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt haben oder auch nur eine bedeutende Herstellungsstufe darstellen ."

Diesem Urteil ist zu entnehmen, daß Verrichtungen, die nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Eigenschaften und der Beschaffenheit des Fleisches führen, da sie nur in einer Aufteilung nach Qualität und einer Änderung der Aufmachung bestehen, keine Herstellung eines neuen Produkts und auch keine wesentliche Herstellungsstufe bilden ( erneut Anwendung des technischen Kriteriums ) ( 8 ). Eine erhebliche Erhöhung des Handelswerts, d . h . ein wesentlicher Mehrwert ( in jenem Fall 22 %) genügte "für sich allein", wie der Gerichtshof feststellt, nicht, um entgegen dem technischen Kriterium der Be - oder Verarbeitung doch ursprungsbegründenden Charakter zu verleihen, woraus hervorgeht, daß das Mehrwertkriterium vom Gerichtshof sehr wohl berücksichtigt wird, aber nur als ergänzendes Kriterium .

Auslegung durch die Beteiligten

9 . Welche allgemeinen Schlußfolgerungen können aus dieser Rechtsprechung gezogen werden? Zuerst und vor allem muß unterstrichen werden, daß jedes der vier zitierten Urteile eine besondere Frage betrifft, die sich von der jetzt vorliegenden Frage nach der Montage von Maschinen unterscheidet . Deshalb ist beim Anführen isolierter Stellen Vorsicht geboten, da in diesem Bereich die besonderen tatsächlichen Umstände auf die Anwendung der Rechtsvorschriften einen grossen Einfluß haben .

Nach Auffassung der Firma Brother ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß ein objektiver, technischer Vergleich zwischen dem Erzeugnis ( den Erzeugnissen ) vor der Bearbeitung und dem danach angestellt werden muß . Zum Vergleich : In der Rechtssache 49/76 wurde das Erzeugnis Kasein nur noch zu verschiedenen Feinheitsgraden vermahlen, aber auch vor der Vermahlung war es bereits Kasein . In der Rechtssache 93/83, der anderen Rechtssache, in der die Verarbeitung nicht zu einer Änderung des Ursprungs geführt hat, ging es um Rinderviertel, die in verbrauchsfertige einzeln verpackte Beefsteaks u . a . umgewandelt wurden . In der vorliegenden Rechtssache geht es nach den Ausführungen der Firma Brother um etwas ganz anderes : Bestandteile werden zu einem Erzeugnis mit Gebrauchseigenschaften umgewandelt, die die Bestandteile nicht haben . Die Anzahl der Stufen und die Kosten des Produktionsprozesses, der zwischen diesen beiden Zuständen liegt, spielen nach Auffassung der Firma Brother eine untergeordnete Rolle; das Wort "wesentliche" enthalte also nicht so sehr ein Erfordernis der Dauer, der Intensität oder des Schwierigkeitsgrades der Be - oder Verarbeitung, sofern sich nur der Zustand vor der Bearbeitung "wesentlich" vom Zustand danach unterscheide . Bedeutet dies, daß eher wirtschaftliche Kriterien wie der Einsatz von Kapital keine Rolle spielen sollen? So weit will auch die Firma Brother, wie sich aus der mündlichen Verhandlung ergeben hat, nicht gehen .

Die Kommission legt ihrerseits das Schwergewicht auf das zuletzt zitierte Urteil und stellt mehr auf die darin genannten "besonderen Merkmale" des Erzeugnisses ab, wobei sie die Auffassung vertritt, daß eine Montage einem Erzeugnis niemals und ganz sicher nicht im vorliegenden Fall neue besondere Eigenschaften hinzufügt . Bedeutet dies, daß ein Ganzes nicht mehr ist als die Teile, aus denen es zusammengefügt ist? Unter Berücksichtigung des Urteils vom 31 . Januar 1979 ( oben, Nr . 6 ) kann dies kaum angenommen werden . Ein anderer Weg, der durch dasselbe Urteil abgeschnitten wird, ist die Behauptung, daß der am bezeichnendste Bestandteil für den Ursprung eines Erzeugnisses bestimmend ist . Diese Auffassung, die bezueglich der Schieber eines Reißverschlusses abgelehnt wurde, widerspricht dem Wortlaut des Artikels 5, der nicht die "wesentlichste", sondern die "letzte wesentliche" Be - oder Verarbeitung für ursprungsbegründend erklärt . Die Kommission sieht denn auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes folgende allgemeine Linie : Damit eine Montage "wesentlich" ist, muß auf zwei Kriterien geachtet werden, nämlich einerseits auf die Wertschöpfung und den Materialaufwand und andererseits auf den Mehrwert . In der Praxis fallen diese beiden Kriterien zumeist zusammen ( 9 ). Zusammen bilden sie das, was man das wirtschaftliche Kriterium nennen kann .

10 . Um zu einer eigenen Beurteilung zu kommen, möchte ich darauf hinweisen, daß sowohl die Firma Brother als auch die Kommission zu Recht das Erfordernis eines selbständigen geistigen Charakters der Zusammensetzungsarbeit ablehnen; dieses Erfordernis wurde vom vorlegenden Gericht stark betont, und zwar - nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Firma Brother - aufgrund der vor Erlaß der Gemeinschaftsverordnung geltenden deutschen Rechtsvorschriften ( 10 ). Das Hinzufügen eines Erfordernisses von geistigem Tiefgang oder Kreativität, um einer Zusammensetzungstätigkeit ursprungsbegründende Wirkung zu verleihen, findet weder im Wortlaut von Artikel 5 noch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Stütze und würde dazu führen, eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Präferenz für bestimmte handwerkliche Produktionsweisen auszudrücken . Ausserdem ist es ein sehr schwer anzuwendendes Kriterium, da das Vorliegen oder Nichtvorliegen von geistigem Tiefgang oder Kreativität nicht leicht zu beurteilen ist .

Einfache gegenüber wesentlicher Montage

11 . Die Frage des vorlegenden Gerichts läuft, wie bereits gesagt ( oben, Nr . 3 ), darauf hinaus, ob und unter welchen Umständen eine Montage eine wesentliche Be - oder Verarbeitung ist, so daß sie ( ebenso wie die letzte wirtschaftlich gerechtfertigte Be - oder Verarbeitung ) ursprungsbegründend im Sinne des Artikels 5 der Verordnung Nr . 802/68 ist .

Eine Verdeutlichung findet sich in dem unter der Schirmherrschaft des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zustande gekommenen Internationalen Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren; zu dem Vertrag von Kyoto vom 18 . Mai 1973 ( 11 ) gibt es eine Anlage D.1 über Ursprungsregeln, die mit einigen Vorbehalten - die die vorliegende Rechtssache nicht berühren - von der Gemeinschaft angenommen wurde ( 12 ). Sind an der Herstellung einer Ware zwei oder mehr Länder beteiligt, so wird der Ursprung dieser Ware nach dem Kriterium der wesentlichen Verarbeitung bestimmt ( Norm Nr . 3 ). In diesem Zusammenhang bestimmt die Norm Nr . 6, die durch die EWG angenommen wurde :

"Nicht als wesentliche Be - oder Verarbeitung gelten Arbeitsvorgänge, die nicht oder nur wenig zu den wesentlichen Merkmalen oder Eigenschaften der Waren beitragen, insbesondere solche, die ausschließlich aus einem oder mehreren der folgenden Vorgänge bestehen :

a ) Behandlungen, die zur Erhaltung der Ware während ihres Transports oder ihrer Lagerung erforderlich sind;

b ) Behandlungen, die der Verbesserung der Aufmachung oder Handelsgüte der Waren oder ihrer Vorbereitung für den Transport dienen, wie das Teilen oder Zusammenstellen von Packstücken, das Zusammenstellen und Einordnen von Waren sowie das Umpacken;

c ) einfachen Zusammensetzungsarbeiten;

d ) Mischen von Waren verschiedenen Ursprungs, sofern die Merkmale der hergestellten Waren sich nicht wesentlich von den Merkmalen der vermischten Waren unterscheiden ."

Obwohl die Anlage D.1 als internationales Übereinkommen eher für einen schmalen Bereich bestimmt gewesen zu sein scheint ( 13 ), halte ich sie doch für nützlich, um die zu erteilende Antwort zu stützen .

Aus diesem internationalen Übereinkommen geht deutlich hervor, daß nach der Gemeinschaftsverordnung Nr . 802/68 einfache Zusammensetzungsarbeiten nicht als wesentlich und somit ursprungsbegründend angesehen werden können, da sie "nicht oder nur wenig zu den wesentlichen Merkmalen oder Eigenschaften der Waren beitragen ". Es scheint mir, daß die Verweisung auf die wesentlichen Merkmale der Waren eine Verweisung auf ein technisches Kriterium ist, während die Worte "nur wenig" auf ein wirtschaftliches Kriterium verweisen ( siehe unten ).

12 . Es ist noch erforderlich, zu definieren, welche Montagen keine einfachen Zusammensetzungsarbeiten, sondern wesentliche Verarbeitungen sind . Um diese Frage zu beantworten, ist es angezeigt, auf den Wortlaut des Artikels 5 der Verordnung Nr . 802/68 in den verschiedenen Fassungen zurückzugreifen . Eine "ingrijpende" Be - oder Verarbeitung wird im Französischen als "substantiel", im Deutschen als "wesentlich", im Italienischen als "sostanziale" und im Englischen als "substantial" bezeichnet .

Ich bin der Auffassung, daß das Wort "wesentlich" zwei einander ergänzende Bedeutungen hat und daß somit in Artikel 5 zwei einander ergänzende Kriterien gefunden werden können .

Erstens hat "wesentlich" eine technische Bedeutung, die der Gerichtshof bis jetzt zumeist angewandt hat . Eine Be - oder Verarbeitung ist in diesem Sinne wesentlich, wenn sie zu einer Änderung der Substanz führt, womit die besonderen Eigenschaften oder die Beschaffenheit des Erzeugnisses, das be - oder verarbeitet wird, gemeint sind . Das Erzeugnis, das nach einer letzten Be - oder Verarbeitung in seinem vollendeten Zustand als ein gebrauchsfertiger Gegenstand in Erscheinung tritt, unterscheidet sich wesentlich von dem Erzeugnis oder seinen Bestandteilen, die vor der Be - oder Verarbeitung noch nicht gebrauchsfertig waren . Die letzte Bearbeitung ist dann wegen des nunmehr vollendeten und gebrauchsfertigen Zustands des Erzeugnisses wesentlich gewesen : Sie hat das Erzeugnis wesentlich verändert . In dem vorliegenden Fall eines Gebrauchsgegenstandes bedeutet "gebrauchsfertig ": fertig für den Gebrauch, ohne eine "professionelle" Intervention, das heisst ohne eine andere Intervention als die, zu der ein normaler Benutzer mit einfachen Werkzeugen imstande ist . Im vorliegenden Fall könnte das vorlegende Gericht meines Erachtens leicht zu dem Schluß kommen, daß die untersuchte Montage die wesentlichen Gebrauchseigenschaften der Schreibmaschine zustande gebracht hat und daß sie deshalb aufgrund des technischen Kriteriums wesentlich gewesen ist .

Aus dem Vorangegangenen ergibt sich, daß das "technische" Kriterium nicht notwendigerweise als ein naturwissenschaftliches oder chemisches Kriterium zu verstehen ist, das sich auf eine innere Veränderung der be - oder verarbeiteten Erzeugnisse bezieht : Es geht eher um die Gebrauchsmerkmale und -eigenschaften, die der Erwerber, im Falle eines Konsumguts der Verbraucher, beim Kauf des gebrauchsfertigen Erzeugnisses im Auge hat und die, vom Standpunkt eines normalen Benutzers aus gesehen, im unbearbeiteten Erzeugnis oder in den Bestandteilen noch nicht vorhanden oder jedenfalls nicht einfach an ihnen zu erkennen waren . So wird man zum Beispiel das Zusammensetzen eines einfach ineinanderzusteckenden Bücherschranks - von der Sorte, die oft auch als zusammensetzbare Bestandteile an Verbraucher, die selbst die wenigen dafür benötigten Werkzeuge besitzen, verkauft wird - nicht als technisch wesentlich ansehen können, da die Gebrauchsmerkmale des Enderzeugnisses in den Augen des Verbrauchers schon im "Do-it-yourself"-Paket in einer für ihn leicht zugänglichen Form vorhanden sind .

Kann man mit diesem technischen Kriterium auskommen? Ich glaube dies nicht . In Ergänzung des technischen Kriteriums hat der Gerichtshof immer, wo dies nötig war, ein wirtschaftliches Kriterium als subsidiäres Kriterium angewandt ( 14 ). Das Wort "wesentlich" und vor allem das gleichwertige Wort "substantiell" hat nämlich auch die nicht technische und mehr allgemeine wirtschaftliche Bedeutung von "erheblich" oder "finanziell bedeutend ". Das wirtschaftliche Kriterium muß daher meines Erachtens auch berücksichtigt werden, nicht als das wichtigste, das einzige oder auch nur das erste Kriterium, sondern als eine Ergänzung und, sofern erforderlich, eine Korrektur des vorgenannten technischen Kriteriums . Unter dem wirtschaftlichen Kriterium muß dann, wie ich vorhin bereits angedeutet habe ( Nr . 9 und Fußnote ), sowohl ein auf die Kosten gerichteter Ansatz als auch ein auf den Markt gerichteter "Mehrwert"-Ansatz verstanden werden . Zusammen verweisen sie auf die Bedeutung des "Einsatzes von Produktionsmitteln ".

13 . Konkret führt die kombinierte Anwendung eines technischen Hauptkriteriums und eines subsidiären wirtschaftlichen Kriteriums zu folgender Vorgehensweise : Wenn eine technisch wesentliche Be - oder Verarbeitung, wie söben ausgeführt, nur einen geringen Prozentsatz an Wert hinzufügt und/oder nur relativ unbedeutende Kosten mit sich bringt, ist sie gleichwohl keine wesentliche Be - oder Verarbeitung im Sinne des Artikels 5 . Sollte sich das Vorbringen der Kommission im vorliegenden Fall, daß die Zusammensetzungsarbeiten in Taiwan zu weit weniger als 10 % ( 15 ) zum Mehrwert des Erzeugnisses beitrügen, vor dem vorlegenden Gericht als zutreffend erweisen, dann ist meines Erachtens die Schlußfolgerung unabweislich, daß derartige Zusammensetzungsarbeiten nicht "wesentlich" sind, auch wenn aus der Zusammensetzungstätigkeit technisch gesehen ein neues gebrauchsfertiges Erzeugnis entsteht .

Ich möchte dabei hervorheben, daß eine derartige Schlußfolgerung des vorlegenden Gerichts meines Erachtens nicht auf den angeblich wenig geistigen Charakter der in Taiwan ausgeführten Tätigkeiten gestützt werden kann, wobei übrigens nicht einmal erwogen worden ist, ob die Produktion der nach Taiwan verbrachten Leiterplatten in Japan nicht eine ebenso wenig geistige, roboterhafte Massenproduktion darstellt . Wichtig, um zu einer derartigen Schlußfolgerung zu gelangen, ist dagegen, daß der Produktionsprozeß in Taiwan als Teil der Gesamtproduktion von elektronischen Schreibmaschinen einen unbedeutenden Teil der Gesamtkosten und/oder des Mehrwerts darstellt . Der Umstand, daß der Personal - und Kapitaleinsatz in Japan für das Entwerfen und Produzieren von Leiterplatten und der darauf anzubringenden Komponenten vielfach grösser ist als der Personal - und Kapitaleinsatz in Taiwan für das Bestücken dieser Platten mit einzelnen Komponenten und der ganzen Schreibmaschine, kann somit meines Erachtens sehr wohl beim Endergebnis überwiegen .

14 . Das zuvor entwickelte Kriterium scheint mir das einzig realistische zu sein, und zwar wegen der grossen Verschiedenheit der Erzeugnisse, für die Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68 zu berücksichtigen ist .

Es steht auch im Einklang mit dem Wortlaut dieses Artikels, soweit dieser von der "letzten" wesentlichen Be - oder Verarbeitung und nicht von der "wesentlichsten" Be - oder Verarbeitung spricht; in vielen tatsächlichen Situationen, die sich von der des vorliegenden Falles unterscheiden, ist es möglich, daß von drei oder vier aufeinanderfolgenden Bearbeitungen, in drei oder vier verschiedenen Ländern jede für sich einen nicht zu vernachlässigenden wirtschaftlichen Beitrag leistet . Doch ist es allein die letzte - die wirtschaftlich gesehen nicht die wichtigste der drei oder vier zu sein braucht -, die den Ursprung verleiht . Dieser Standpunkt steht nicht nur im Einklang mit dem Wortlaut von Artikel 5, sondern der Gerichtshof hat ihn auch bereits wiederholt indirekt bestätigt ( 16 ).

Will man in derartigen Situationen feststellen, ob die letzte Be - oder Verarbeitung wesentlich ist, muß man meines Erachtens notwendigerweise ergänzend auf ein wirtschaftliches Kriterium zurückgreifen, da dieses es ermöglicht, die aufeinanderfolgenden Herstellungsphasen mit ein und demselben Maßstab zu messen .

Antwort auf die erste Frage

15 . Aufgrund der vorangehenden Erwägungen schlage ich vor, dem vorlegenden Gericht folgende Antwort zu geben :

"Die reine Montage von bereits vorgefertigten eingeführten Einzelteilen zu einem neuen Gegenstand kann nicht als wesentliche Be - oder Verarbeitung ursprungsbegründend im Sinne von Artikel 5 der Verordnung ( EWG ) Nr . 802/68 des Rates vom 27 . Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung ( ABl . L 148, S . 1 ) sein, wenn diese Montage nur einen relativ unwesentlichen Anteil an den Herstellungskosten oder am Mehrwert des neuen Erzeugnisses ausmacht ."

Die zweite Frage

16 . Artikel 6 der Verordnung Nr . 802/68, auf den sich die zweite Frage ( siehe oben, Nr . 1 ) bezieht, lautet wie folgt :

"Im Falle der Be - oder Verarbeitung, bei der festgestellt worden ist oder bei der die festgestellten Tatsachen die Vermutung rechtfertigen, daß sie nur die Umgehung von Bestimmungen bezweckt, die in der Gemeinschaft oder in den Mitgliedstaaten für Waren bestimmter Länder gelten, kann den so gewonnenen Waren nicht im Sinne von Artikel 5 die Eigenschaft von Ursprungserzeugnissen des Be - oder Verarbeitungslandes zuerkannt werden ."

Nur die Firma Brother, Frankreich und das vorlegende Gericht haben Artikel 6 einige Betrachtungen gewidmet . Frankreich hat Statistiken vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß die Montage von elektronischen Schreibmaschinen in Taiwan in einer Weise zu - und abgenommen hat, die die Hypothese stützt, daß damit auf Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane reagiert wurde . Derartige Statistiken können aber mit Sicherheit angesichts der zutreffenden Ausführungen im Vorlagebeschluß und in den Erklärungen der Firma Brother zum Rechtsstaatsprinzip nicht beweisen, daß die Voraussetzung des Artikels 6, "daß die Be - oder Verarbeitung nur die Umgehung ... bezweckt", erfuellt ist . In einer freien und entwickelten Marktwirtschaft, die durch eine weitgehende Arbeitsteilung gekennzeichnet ist, muß die Achtung vor betriebswirtschaftlich begründeten Unternehmerentscheidungen die Regel sein . Diese Achtung würde beseitigt, wenn die Behörden jede Entscheidung, die teilweise als eine Reaktion auf hoheitliche Maßnahmen ausgelegt werden kann, durch ein Mißbrauchsprinzip erfassen könnten . Vor diesem Hintergrund gesehen kann der Beweis einer Gesetzesumgehung nicht als mit Hilfe von Statistiken geführt betrachtet werden, die auf eine Verlagerung des Handelsverkehrs als Reaktion auf die hoheitliche Entscheidung oder aber auf den Umstand hinweisen, daß die Fabrik in Taiwan zuvor zur Herstellung von Nähmaschinen diente . Es muß darüber hinaus dargetan werden, daß die Verlegung eines Teils der Fertigung nach Taiwan keinen anderen rationalen wirtschaftlichen Grund hatte als den, hoheitliche Maßnahmen zu umgehen .

17 . Ich schlage deshalb vor, dem vorlegenden Gericht folgende Antwort zu geben :

"Falls die reine Montage von vorgefertigten eingeführten Einzelteilen ursprungsbegründend im Sinne des Artikels 5 der Verordnung Nr . 802/68 wirkt, ist Artikel 6 dieser Verordnung nicht dahin auszulegen, daß allein die Umleitung der Exporte unter Ausnutzung schon vorhandener Produktionsstätten die Vermutung rechtfertigt, daß diese Umleitung die Umgehung von Bestimmungen ( im vorliegenden Fall über Antidumpingzölle ) bezweckt ."

(*) Originalsprache : Niederländisch .

( 1 ) ABl . 1985, L 163, S . 1 .

( 2 ) ABl . 1985, C 338, S . 7 .

( 3 ) ABl . 1986, L 140, S . 52 .

( 4 ) ABl . 1968, L 148, S . 1 .

( 5 ) Es steht fest, daß die erste Bearbeitung, das Anbringen von Widerständen usw . auf den Leiterplatten, nur bei drei Modellen der fraglichen elektronischen Schreibmaschinen in Taiwan stattfand . Für die anderen Modelle geschah auch dies in Japan .

( 6 ) Da, wie sich im folgenden herausstellen wird, die Lösung der vorliegenden Rechtsfrage sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 5 ergibt, brauchen diese Durchführungsverordnungen nicht weiter erörtert zu werden .

( 7 ) Siehe Randnr . 10 : c ) das Anbringen der Metallzähne bzw . der Nylonspiralen auf den Bändern und das anschließende Zusammenfügen der Bänder; d ) das Anbringen der oberen und unteren Begrenzungsteile; e ) das Aufziehen der Schieber und gegebenenfalls deren Färben; f ) das Trocknen und Reinigen der Reißverschlüsse, die abschließend auf Länge geschnitten werden .

( 8 ) Dieses Kriterium wird hier also angewandt, um zu prüfen, ob die untersuchten Verrichtungen zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses führen oder eine wesentliche Herstellungsstufe bilden und deshalb eine wesentliche Bearbeitung sind . Daraus mag sich ergeben, daß die Auslegung der verschiedenen Satzteile des Artikels 5 ineinanderfließt und grösstenteils anhand derselben Kriterien vorgenommen werden muß . Dies ist hier nur deshalb anders ( siehe oben, Nr . 3 ), weil das vorlegende Gericht zu Recht davon ausgeht, daß die Montage von Bestandteilen in diesem Fall zu einem neuen Erzeugnis geführt hat, und er seine Fragestellung deshalb auf den wesentlichen Charakter dieser Montage zugespitzt hat .

( 9 ) Das Kriterium "Wertschöpfung und Materialaufwand" ist ein buchhaltungstechnischer, auf die Kosten abstellender Ansatzpunkt . Der Mehrwert, d . h . der durch die Produktionsfaktoren des Unternehmens hinzugefügte Wert, verweist auf den Unterschied zwischen dem Verkaufspreis der Fertigware und dem Einkaufspreis der Grundstoffe, der Energie sowie eventuell der Miete usw . Theoretisch unterscheidet sich dieses letzte Kriterium vom ersten in zwei Punkten : Es umfasst neben der Vergütung der Arbeit auch die Vergütung des Kapitals sowie des im Eigentum des Unternehmens stehenden Landes, zwei Produktionsfaktoren, die bei einer Addition von "Wertschöpfung und Materialaufwand" fehlen, und es geht aus von einem durch die Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage zustande gekommenen Marktpreis . In der Praxis sind diese Unterschiede unwesentlich : Der erste Unterschied ist klein und voraussagbar ( und kann durch einen Pauschalbetrag wiedergegeben werden ), sicher wegen der relativen Bedeutung dieser Produktionsfaktoren als Anteil an den Gesamtkosten oder am Mehrwert des Endprodukts . Der zweite Unterschied ist in vielen Fällen und mit Sicherheit im vorliegenden Fall rein theoretisch, da für die verschiedenen ( Brother-)Bestandteile für elektronische Schreibmaschinen kein hinreichend grosser und transparenter Markt besteht . Bei Fehlen eines solchen Marktes wird notgedrungen auf den Kostenansatz zurückgegriffen .

( 10 ) Siehe z . B . Bail/Schädel/Hutter : Kommentar zum Zollrecht, F IV, Anmerkung 8 zu Artikel 5 der Verordnung Nr . 802/68 .

( 11 ) Beschluß des Rates vom 18 . März 1975 ( 75/199/EWG ) über den Abschluß eines internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren und die Annahme des dazugehörigen Anhangs betreffend die Zollager ( ABl . 1975, L 100, S . 1 ) mit dem Text des Übereinkommens im Anhang .

( 12 ) Beschluß des Rates vom 3 . Juni 1977 ( 77/415/EWG ) über die Annahme - im Namen der Gemeinschaft - von mehreren Anlagen zum Internationalen Übereinkommen zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren ( ABl . 1977, L 166, S . 1 ).

( 13 ) Siehe den letzen Absatz der Einleitung : "Diese Anlage behandelt lediglich Zollgesichtspunkte der Ursprungsregeln . Sie erstreckt sich beispielsweise nicht auf Maßnahmen des gewerblichen Rechtsschutzes oder Maßnahmen, die der Beachtung von Ursprungsangaben und anderen üblichen Beschreibungen von Waren dienen ."

( 14 ) Siehe schon die Schlussanträge des Generalanwalts Warner zum Urteil vom 26 . Januar 1977 ( zitiert in Nr . 5 ), auf S . 61, zweite Spalte; vgl . auch die oben in Nr . 6 zitierten Randnrn . 11 und 12 des Urteils vom 31 . Januar 1979 und - für die Ablehnung der Auffassung, daß das wirtschaftliche Kriterium das Hauptkriterium sei - den letzten Satz der oben in Nr . 8 zitierten Randnr . 14 des Urteils vom 23 . Februar 1984 .

( 15 ) Dies sind weit weniger als die 22 %, die in Randnr . 14 des Urteils vom 23 . Februar 1984 ( oben, Nnr . 8 ) erwähnt wurden .

( 16 ) Siehe das Urteil vom 31 . Januar 1979, a . a . O . ( Randnr . 6 ), die letzten zwei Sätze der Randnr . 12 und die Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn zum Urteil vom 23 . März 1983, a . a . O . ( Randnr . 7 ), 1128 f .