VERBUNDENE SCHLUSSANTRAEGE DES GENERALANWALTS MANCINI VOM 21. APRIL 1988. - W. J. R. MOL GEGEN INSPECTEUR DER INVOERRECHTEN EN ACCIJNZEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM HOGE RAAD DER NEDERLANDEN. - RECHTSSACHE 269/86. - VERENIGING HAPPY FAMILY GEGEN INSPECTEUR DER OMZETBELASTING. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGT VOM GERECHTSHOF AMSTERDAM. - MEHRWERTSTEUER AUF DIE UNGESETZLICHE LIEFERUNG VON BETAEUBUNGSMITTELN DIE IM INLAND AUSGEFUEHRT WORDEN IST. - RECHTSSACHE 289/86.
Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 03627
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Herr Präsident,
meine Herren Richter!
1 . In den Vorabentscheidungssachen 269/86 und 289/86, zu denen ich hiermit Stellung nehme, haben Sie erneut zu prüfen, ob der unerlaubte Handel mit Betäubungsmitteln der Mehrwertsteuer unterliegt .
Fassen wir den Sachverhalt der ersten Rechtssache zusammen . Anfang 1983 wurde der niederländische Staatsangehörige Willem Mol strafrechtlich verfolgt und inhaftiert, weil er mehrere Partien Amphetamine verkauft hatte . Gleichzeitig erließ die Finanzverwaltung der Niederlande für die Zeit vom 1 . September 1982 bis zum 31 . März 1983 gegen ihn einen Bescheid über die Nacherhebung von Einkommensteuer ( richtig : Umsatzsteuer ) mit der Begründung, daß er diesen Handel als Unternehmer getätigt habe, so daß er trotz seiner Illegalität der Steuer unterliege . Gegen diesen Bescheid erhob Mol erfolglos Klage beim Gerechtshof Leeuwarden; anschließend wandte er sich an den Hoge Raad der Nederlanden . Vor diesem Gericht machte er geltend, da die von ihm ausgeuebte Tätigkeit unsozial und daher strafbar sei, könne sie keine Steuerpflicht zur Folge haben .
Der Hoge Raad kam zu der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung des Artikels 2 Nr . 1 der Sechsten Richtlinie des Rates ( 77/388 ) vom 17 . Mai 1977 zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern ( ABl . L 145, S . 1 ) unter einem Gesichtspunkt, den der Europäische Gerichtshof bisher noch nicht geprüft habe, erforderlich mache . Mit Urteil vom 29 . Oktober 1986 hat er daher gemäß Artikel 177 Absatz 3 EWG-Vertrag das Verfahren ausgesetzt und Ihnen folgende Frage vorgelegt :
"Ist Artikel 2 der Sechsten Richtlinie so auszulegen, daß Lieferungen von Amphetaminen, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt werden, nicht der Mehrwertsteuer unterworfen werden können, wenn diese Lieferungen gesetzlich verboten sind?"
Kommen wir zur Rechtssache 289/86 . Die soziokulturelle Vereinigung Happy Family aus Amsterdam betreibt ein Jugendzentrum, dessen Mitgliedern ein "Hausdealer" weiche Drogen verkauft, wobei er einen Teil der Einnahmen an die Vereinigung abführt . Man kann sagen, daß die Hausdealer eine gewissermassen institutionalisierte Tätigkeit ausüben . Nach den Richtlinien für die niederländische Staatsanwaltschaft über die Ermittlung und die Strafverfolgung von Straftaten nach der Opiumwet ( Betäubungsmittelgesetz von 1982 ) ist ein Hausdealer jemand, der Handel mit Erzeugnissen aus indischem Hanf treibt und der mit dem Vertrauen und unter dem Schutz der Leitung eines Jugendzentrums unter Ausschluß anderer Personen die Gelegenheit erhält, dort diese Erzeugnisse zu verkaufen . Hausdealer machen sich grundsätzlich strafbar; da sich die Staatsanwaltschaft jedoch andere "Prioritäten" bei der Verfolgung des Drogenhandels gesetzt hat, geht sie gegen Hausdealer nicht strafrechtlich vor, solange sie ihren Handel nicht öffentlich und anstosserregend betreiben ( Nederlandse Staatscourant vom 18 . 7 . 1980, S . 137 ).
Auch gegen Happy Family erließ die Finanzverwaltung einen Nacherhebungsbescheid für die Zeit vom 13 . September 1984 bis zum 31 . März 1985 . Daraufhin erhob die Vereinigung Klage beim Gerechtshof Amsterdam unter Berufung darauf, daß nach Ihrem Urteil vom 28 . Februar 1984 in der Rechtssache 294/82 ( Einberger II, Slg . 1984, 1177 ) die Einnahmen aus dem Verkauf von Betäubungsmitteln nicht steuerbar seien . Mit Urteil vom 28 . Oktober 1986 hat der Gerechtshof Ihnen folgende Fragen vorgelegt :
"a ) Ist Artikel 2 Nr . 1 der Sechsten Richtlinie des Rates im Anschluß an das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 28 . Februar 1984 in der Rechtssache 294/82 dahin auszulegen, daß auch bei der Lieferung von Betäubungsmitteln innerhalb eines Mitgliedstaats keine Umsatzsteuerschuld entsteht?
b ) Falls die erste Frage bejaht wird : Betrifft diese Antwort dann die Lieferung aller Arten von Betäubungsmitteln, insbesondere auch die Lieferung von Hanferzeugnissen?
c ) Falls auch die zweite Frage bejaht wird : Kann der Umstand, daß wegen einer zurückhaltenden Strafverfolgungspolitik der zuständigen Justizbehörden unter Umständen verbotene Lieferungen von Hanferzeugnissen vorgenommen werden können, ohne daß strafrechtlich eingegriffen wird, zu einer anderen Beurteilung der Frage führen, ob bei der Lieferung derartiger Erzeugnisse eine Umsatzsteuerschuld entsteht?"
Wie man unschwer feststellen kann, stimmt die Frage, die der Hoge Raad Ihnen gestellt hat, mit der ersten Frage des Gerechtshof überein . Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß beide Rechtssachen dieselbe Materie betreffen, rechtfertigen es, sie zusammen zu behandeln . Selbstverständlich werde ich auf die Fragen b ) und c ) des Gerechtshof Amsterdam gesondert eingehen ( Nrn . 5 und 6 ).
In beiden Verfahren haben die französische Regierung, die Bundesregierung, die niederländische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften schriftliche Erklärungen eingereicht . Die niederländische Regierung und die Kommission sind, ebenso wie die Vereinigung Happy Family in der Rechtssache 289/86, in den mündlichen Verhandlungen aufgetreten, während Herr Mol in der Rechtssache 269/86 nur an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat .
2 . Zum besseren Verständnis der Probleme, mit denen Sie konfrontiert sind, möchte ich die einschlägige gemeinschaftsrechtliche Regelung in Erinnerung bringen . Diese besteht nur aus den Artikeln 2 Nr . 1 und 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie . Nach der erstgenannten Bestimmung unterliegen der Mehrwertsteuer "Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger ... im Inland gegen Entgelt ausführt ". Nach der zweiten Bestimmung gilt "als Steuerpflichtiger ..., wer eine ... (( wirtschaftliche Tätigkeit )) selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis ".
Was insbesondere eingeschmuggelte Betäubungsmittel anbelangt, ist ferner an vier Urteile des Gerichtshofes zu erinnern : Davon betreffen drei die Frage, inwieweit derartige Gegenstände zollpflichtig sind ( Urteile vom 5 . Februar 1981 in der Rechtssache 50/80, Horvath, Slg . 1981, 385, sowie vom 26 . Oktober 1982 in den Rechtssachen 221/81, Wolf, und 240/81, Einberger I, Slg . 1982, 3681 bzw . 3699 ), während es im letzten darum geht, ob sie der Umsatzsteuer unterliegen ( Urteil vom 28 . Februar 1984 in der Rechtssache 294/82, Einberger II, a . a . O .). Alle bekräftigen sie denselben Grundsatz : Soweit Betäubungsmittel nicht Gegenstand des streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke sind, unterliegen sie einem vollständigen Einfuhr - und Verkehrsverbot in der Gemeinschaft; deshalb kann unabhängig davon, ob sie entdeckt werden oder der Wachsamkeit der Behörden entgehen, weder eine Zoll - noch eine Steuerschuld entstehen ( ich verweise insoweit auf die Randnrn . 14 bis 16 des letztgenannten Urteils ).
3 . Anders als die von Ihnen bisher entschiedenen Fälle haben die Ihnen jetzt vorliegenden Rechtssachen nicht die unerlaubte Einfuhr von Drogen, sondern deren entgeltliche Lieferung innerhalb eines Mitgliedstaats zum Gegenstand . Kann in diesen Fällen - so lautet im wesentlichen die Frage der vorlegenden Gerichte - der von mir gerade erwähnte Grundsatz Anwendung finden?
Die Staaten, die dem Verfahren beigetreten sind, schlagen Ihnen vor, diese Frage zu verneinen . Hierfür führen sie mehrere Argumente an, die sowohl auf die Bestimmungen und die Ziele der Sechsten Richtlinie als auch auf die unbilligen oder gefährlichen Folgen einer Ausdehnung der Rechtsprechung Einberger II über ihre ursprünglichen Grenzen hinaus gestützt sind . Die ersteren beziehen sich insbesondere auf a ) Artikel 4 Absatz 1, soweit dieser ausschließe, daß der Zweck und das Ergebnis einer wirtschaftlichen Tätigkeit für deren Mehrwertbesteuerung von Bedeutung sei ( Niederlande, Frankreich ); b ) das Ziel der Besteuerung, das in einer umfassenden Belastung des Endverbrauchs im Inland bestehe, und zwar unabhängig davon, ob das Geschäft, durch das der Verbraucher sich die Ware verschaffe, unerlaubt sei oder nicht ( Deutschland ); c ) den Unterschied zwischen dem Steuertatbestand in unseren beiden Fällen ( Inlandslieferung ) und dem Steuertatbestand in dem Fall ( Einfuhr ), für den der Gerichtshof das Entstehen einer Steuerschuld verneint habe .
Mit den Argumenten der zweiten Gruppe wird hingegen geltend gemacht, daß die Rechtsprechung Einberger II bei ihrer Übertragung auf die vorliegenden Fälle d ) den illegalen Handel gegenüber dem legalen und innerhalb des erstgenannten den Handel mit Betäubungsmitteln gegenüber der Schwarzarbeit oder dem Handel mit Waffen und jugendgefährdenden Schriften steuerlich privilegieren würde ( Niederlande, Deutschland ); e ) an Rechtsordnungen anknüpfen würde, die den Drogenhandel unterschiedlich regelten, was die mit der Richtlinie bezweckte Harmonisierung der steuerbaren Umsätze in Gefahr brächte . Gerade die dritte Frage des Gerechtshof Amsterdam zeige, daß Taten, die in den einen Ländern verboten seien und streng bestraft würden, in den anderen Ländern ausdrücklich toleriert seien ( Frankreich ).
Die Kläger der beiden Ausgangsverfahren und die Kommission sind anderer Meinung . Sie tragen vor, Ihre Rechtsprechung könne in vollem Umfang auf die vorliegenden Fälle übertragen werden, mit dem Ergebnis, daß der Drogenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats nicht steuerbar sei .
4 . Erinnern wir uns : Daß die Einfuhr von Betäubungsmitteln weder einem Zoll noch der Mehrwertsteuer unterliegt, ist nach dem Urteil Einberger II auf das Einfuhr - und Verkehrsverbot zurückzuführen, dem diese Stoffe in allen Mitgliedstaaten kraft der von diesen eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen unterliegen ( Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe, New York, 30 . März 1961, und Übereinkommen über psychotrope Stoffe, Wien, 21 . Februar 1971, in United Nations Treaty Series, Bd . 520, S . 151, und Bd . 1019, S . 175 ). Dieser Aspekt scheint mir für die Lösung unseres Problems von grosser Bedeutung zu sein . Der Gerichtshof leitet aus den beiden Verboten in der Tat ab, daß Betäubungsmittel in keiner Beziehung zum legalen Wirtschaftskreislauf der verschiedenen Mitgliedstaaten stehen . Der Umstand, daß sie in diesen Staaten infolge einer inländischen Produktion anstelle einer Einfuhr tatsächlich vorhanden sind, ist daher irrelevant; in beiden Fällen kommt es - um die Formulierung in Randnummer 13 der Urteile Wolf und Einberger I zu übernehmen - entscheidend darauf an, daß sie "nicht der Wirtschaft der Gemeinschaft zugeführt werden können ".
Dies vorausgeschickt, prüfen wir nunmehr die Argumente der beteiligten Regierungen . Diejenigen, die sich auf den Wortlaut oder die Ziele der rechtlichen Regelung beziehen, erscheinen mir insgesamt ziemlich schwach . So ist es offensichtlich, daß die Richtlinie sich, soweit sie von "wirtschaftlichen Tätigkeiten" spricht oder das Ziel einer Besteuerung des "Endverbrauchs" verfolgt, auf in die Wirtschaft der Gemeinschaft integrierte Gegenstände bezieht und deshalb Produkte, bei denen dies nicht der Fall ist, von ihrem Geltungsbereich außschließt . Es stimmt auch nicht, daß es dem Gemeinschaftsgesetzgeber gleichgültig wäre, ob der Endverbraucher die Ware illegal erworben hat : Nach Artikel 5 Absatz 1 besteht die Lieferung nämlich in der "Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen"; und Eigentümer kann man nur durch einen Vorgang oder einen Rechtsakt werden, aufgrund dessen eine Person kraft Gesetzes die Herrschaft über eine Sache erlangt . Schließlich ist es zwar richtig, daß die Richtlinie zwischen dem Entstehungstatbestand der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr und dem Entstehungstatbestand der Mehrwertsteuer im Inland unterscheidet ( Artikel 2 Nrn . 1 und 2 ), es steht jedoch auch ausser Zweifel, daß die Zielsetzungen beider Steuern übereinstimmen und daß, wie die Kommission auf eine Frage des Gerichtshofes bemerkt hat, "die Einfuhr (( nur )) die erste Lieferung im Inland darstellt ".
Ebensowenig überzeugend sind die Argumente, mit denen auf die negativen Folgen hingewiesen wird, die eine Übertragung des Urteils Einberger II auf unseren Fall haben könnte . Das erste wurde auch in dem Verfahren vorgebracht, in dem dieses Urteil ergangen ist, und ich antworte darauf, wie ich es bereits damals getan habe, daß es nur auf ethisch-politischem Gebiet beurteilt werden kann : Rechtlich verfängt es nicht, weil das vom Verkäufer erworbene Vermögen - der Gegenwert der verkauften Betäubungsmittel - rein faktischer Natur ist, nicht aber auf eine "Lieferung" im Sinne des zitierten Artikels 5 Absatz 1 zurückgeht ( wegen eines entsprechenden Falles verweise ich auf Berliri, Prinicipi di diritto tributario, Mailand 1972, S . 102 ). Es lässt sich auch nicht sagen, daß der Handel mit Betäubungsmitteln, wenn er nicht besteuert wird, gegenüber dem Handel mit Waffen oder mit jugendgefährdenden Schriften begünstigt ist . Diese Waren sind nämlich, wenn auch in engen Grenzen, in einem legalen Handel erhältlich; bei Drogen ist dies nie der Fall . Sie kann man in der Tat nur als Patient, nicht aber als Verbraucher legal erwerben ( Wattel, "Belastingheffing van de onderwereld; het EG-Hof en de drugshandel", in : Weekblad voor fiscaal recht, 1987, S . 363 ).
Abschließend will ich nicht verkennen, daß die Rechtsprechung Einberger II insoweit, als der Drogenhandel in den verschiedenen Rechtsordnungen mehr oder weniger streng geregelt ist, die Harmonisierung der steuerbaren Umsätze beeinträchtigen kann . Es steht jedoch fest, daß dieser Einwand nicht nur die Inlandslieferungen, sondern in gleicher Weise die Einfuhren betrifft, so daß er sich weniger gegen die Erweiterung des in diesem Urteil aufgestellten Grundsatzes richtet als vielmehr gegen den Grundsatz selbst . Nun, die Kritik - auch wenn sie versteckt geuebt wird - an einem Urteil des Gerichtshofes ist zulässig; solange die Richter dadurch nicht zu einer Meinungsänderung veranlasst werden, lässt sie die Dinge jedoch, wie sie sind . Wir können mit anderen Worten zur Stunde nur feststellen : hoc iure utimur .
5 . Auf die Frage des Hoge Raad und auf die Frage a ) des Gerechtshof werden wir also antworten müssen, daß die Lieferungen von Betäubungsmitteln innerhalb eines Mitgliedstaats keine Mehrwertsteuerschuld entstehen lassen, soweit sie nicht Bestandteil des legalen Handelskreislaufs der Gemeinschaft sind . Dieses Ergebnis gibt uns Veranlassung, die zweite Frage des Gerechtshof Amsterdam zu prüfen . Unter Hinweis darauf, daß die unerlaubten Einfuhren, mit denen sich der Gerichtshof in den früheren Urteilen befasst habe, stets "harte Drogen" zum Gegenstand gehabt hätten ( Heroin, Morphin, Kokain ), möchte der Gerechtshof wissen, ob der Grundsatz der Nichtbesteuerung auch für Lieferungen von "weichen Drogen", insbesondere von Erzeugnissen aus indischem Hanf, gilt .
Nun, aus dem Vorlageurteil geht klar hervor, daß die im Hinblick auf eine Mehrwertbesteuerung streitigen Einnahmen aus dem Verkauf von Haschisch, also einem Stoff herrühren, der nach den unter Nr . 3 erwähnten völkerrechtlichen Bestimmungen ( Artikel 2 Absatz 1 und Anhang I des Übereinkommens von 1961 ) in jeder Hinsicht als Betäubungsmittel anzusehen ist . Auch Haschisch fällt deshalb unter das in den verschiedenen Mitgliedstaaten geltende vollständige Einfuhr - und Verkehrsverbot ( für die Niederlande verweise ich auf Artikel 3 der Opiumwet ), aufgrund dessen der Gerichtshof Betäubungsmittel als Waren bezeichnet hat, die nicht "der Wirtschaft der Gemeinschaft zugeführt werden können ". Dies genügt meines Erachtens für die Feststellung, daß die auf die erste Frage erteilte Antwort auch für Haschisch gilt .
6 . Die dritte Frage wirft schwierigere Probleme auf . Wie erinnerlich, möchte der Gerechtshof von uns wissen, ob Haschischlieferungen auch dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die Strafverfolgungsbehörden des betreffenden Mitgliedstaats unter bestimmten Umständen darauf verzichten, gegen die Händler strafrechtlich vorzugehen .
In welchen Grenzen von der Verfolgung abgesehen wird, habe ich bereits im Zusammenhang mit den Richtlinien für die niederländische Staatsanwaltschaft dargelegt ( unter Nr . 1 ). An dieser Stelle sei ergänzend darauf hingewiesen, daß die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und noch mehr in der mündlichen Verhandlung die Situation des Haschischhandels in den Niederlanden so dargestellt hat, als seien diese Grenzen kaum wahrnehmbar, wenn nicht gar völlig inexistent : So sei die permissive Einstellung der Behörden keineswegs auf Jugendzentren beschränkt, sondern erstrecke sich auch auf Fälle öffentlichen Verkaufs und gehe sogar so weit, daß die Abbildung eines indischen Hanfblattes auf den Ladenschildern oder auf den Fensterscheiben zahlreicher "coffee shops" in den wichtigsten niederländischen Städten geduldet werde . Aus dieser Praxis schließt die Kommission, daß "der Steuerpflichtige zwar eine verbotene Ware verkauft, jedoch als zulässig angesehene Geschäfte betreibt ". Diese unterlägen daher der Mehrwertsteuer .
Ich kann selbstverständlich nichts dazu sagen, inwieweit die Angaben der Kommission zutreffen; die daraus gezogenen Schlußfolgerungen halte ich jedenfalls für falsch . Vergessen wir nicht, daß die Staatsanwaltschaft in den Niederlanden nicht verpflichtet ist, alle ihr zur Kenntnis gebrachten Straftaten zu verfolgen; dies schließt es aus, daß der Verzicht auf Strafverfolgung - selbst wenn er nicht vereinzelt, sondern im Rahmen einer bestimmten Politik erfolgt ( die gewöhnlich damit gerechtfertigt wird, daß die verfügbaren Mittel auf die Verfolgung der Schwerkriminalität konzentriert werden müssten ) - die Illegalität der geduldeten Handlungen beseitigt oder mindert . Daß der Haschischverkauf strafbar bleibt, wird im übrigen nicht nur von der niederländischen Regierung anerkannt, sondern auch von dem vorlegenden Gericht und, was noch wichtiger ist, von der zuständigen internationalen Behörde . 1983 hat nämlich eine Untersuchungskommission des International Narcotics Control Board geprüft, ob die in Rede stehende Praxis mit den Verpflichtungen der Niederlande aus dem Übereinkommen von New York vereinbar ist . Die Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, daß dies in jeder Hinsicht der Fall sei ( Tweede Kamer der Staten-Generaal 1983-1984, 17867, Nr . 7 ).
Wenn wir weiter bedenken, daß man die Lieferung eines illegalen Gegenstands nicht als legal ansehen kann, ohne Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu missachten, erscheint die These der Kommission gänzlich unbegründet . Die "zurückhaltende Strafverfolgungspolitik", um die es in der Frage des Gerechtshof geht, kann daher an meiner Antwort auf die zweite Frage nichts ändern .
7 . Nach alledem schlage ich Ihnen vor, die Fragen, die der Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 29 . Oktober 1986 in dem Rechtsstreit zwischen Willem Mol und dem Inspecteur der Invörrechten en Accijnzen Leeuwarden sowie der Gerechtshof Amsterdam mit Urteil vom 28 . Oktober 1986 in dem Rechtsstreit zwischen der Vereinigung Happy Family und dem Inspecteur der Omzetbelasting Amsterdam Ihnen vorgelegt haben, wie folgt zu beantworten :
"Artikel 2 Nr . 1 der Richtlinie 77/388 des Rates vom 17 . Mai 1977 ist dahin auszulegen, daß die innerhalb eines Mitgliedstaats gegen Entgelt ausgeführten Lieferungen von Betäubungsmitteln, die nicht Gegenstand des von den zuständigen Behörden streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke sind, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen ."
Dies gilt auch dann, wenn die gelieferten Betäubungsmittel aus indischem Hanf gewonnen wurden und wenn eine zurückhaltende Strafverfolgungspolitik der zuständigen Justizbehörden es ermöglicht, unter Umständen verbotene Lieferungen dieser Erzeugnisse vorzunehmen, ohne daß strafrechtlich eingegriffen wird .
(*) Aus dem Italienischen übersetzt .