61986C0240

Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 13. Januar 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN REPUBLIK GRIECHENLAND. - BEHINDERUNG DER GETREIDEEINFUHREN. - RECHTSSACHE 240/86.

Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 01835


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

A - Sachverhalt

1 . Mit dem vorliegenden Verfahren beantragt die Kommission festzustellen, die griechische Regierung habe gegen ihre Vertragspflichten verstossen, indem sie von Februar 1984 bis April 1986 die Getreideeinfuhren behindert, zeitweilig sogar unterbunden habe . Ausserdem habe sie gegen ihre aus Artikel 5 EWG-Vertrag fließenden Mitwirkungspflichten verstossen, da sie erbetene Informationen verweigert habe .

2 . Sämtliche Einfuhren in die Republik Griechenland unterlagen und unterliegen noch immer einem System der Devisenausfuhrgenehmigungen . Diese allgemeine Regelung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens, sondern wird von der Kommission gesondert behandelt .

3 . Mit Erlaß vom 16 . Februar 1984 des Wirtschaftsministeriums an die Bank von Griechenland ( Nr . E 6/885 ) wurden sämtliche Weizeneinfuhren an die Genehmigung eines Komitees zur Regulierung der Importe bei der Bank von Griechenland ( im folgenden : das Komitee ) gebunden . Mit einem weiteren ministeriellen Erlaß vom 21 . Februar 1984 ( Nr . E 6/963 ) wurde die Anweisung gegeben, daß von den vor dem 16 . Februar 1984 erteilten Einfuhrgenehmigungen für Weizen kein Gebrauch gemacht werden dürfe, da die Waren das erforderliche Verfahren nicht durchlaufen hätten . Die Importeure seien deshalb darauf hinzuweisen, daß sie neue Anträge an das Komitee stellen müssten, um Einfuhrgenehmigungen zu erlangen . Das Genehmigungsverfahren durch das Komitee wurde erst durch ministeriellen Erlaß vom 23 . April 1986 ( Nr . E 6/4492 ) ausgesetzt .

4 . Nachdem die Klägerin von Einfuhrbehinderungen Kenntnis erlangt hatte, übersandte sie am 5 . Oktober 1984 ein Aufforderungsschreiben an die Regierung der Beklagten ( Anlage 3 der Klageschrift ) und am 25 . November 1985 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ( Anlage 7 der Klageschrift ), mit der sie eine einmonatige Frist zur Abstellung der Einfuhrbehinderungen setzte . In der vom 7 . März 1986 datierenden Antwort auf das Schreiben hielt sich die Beklagte für berechtigt, die inkriminierten Maßnahmen zu ergreifen .

5 . Zwischenzeitlich waren weitere Behinderungen in der Form eingeführt, als durch Erlaß des Handelsministeriums vom 25 . Juli 1985 ( Nr . E 6/2871 ) alle bis dahin erteilten Importgenehmigungen, von denen noch kein Gebrauch gemacht worden war, grundsätzlich widerrufen wurden . Von dem zentralisierten Genehmigungsverfahren durch das Komitee ausgenommen waren die Einfuhren, die für die Wiederausfuhr bei 30%iger Wertsteigerung bestimmt waren . Zur Sicherung des Verfahrens wurde eine Kaution erhoben . Dieses Vorgehen war Gegenstand eines Aufforderungsschreibens vom 25 . November 1985 und einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 15 . Mai 1986 .

6 . Beide Verfahren wurden in der im September 1986 eingereichten Klageschrift verbunden, mit der die Feststellung beantragt wird, die Beklagte habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30, Artikel 106 Absatz 1 und Artikel 5 EWG-Vertrag sowie aus der Verordnung ( EWG ) Nr . 2727/75 des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide verstossen, daß sie die Getreideeinfuhr von einer Devisenausfuhrgenehmigung und die Erteilung dieser Genehmigung von der Verpflichtung zur Wiederausfuhr des Erzeugnisses abhängig gemacht habe, daß sie bereits erteilte Genehmigungen widerrufen habe und daß sie der Klägerin nicht die angeforderten Auskünfte und Rechtsvorschriften übermittelt habe .

B - Stellungnahme

I - Zur Zulässigkeit

7 . Von der Regierung der Beklagten wurde die Einrede erhoben, die Klage sei gegenstandslos, da bei Klageerhebung im September 1986 sämtliche behaupteten Verstösse bereits ausgeräumt gewesen seien .

8 . Da das Vertragsverletzungsverfahren darauf abzielt, einen Mitgliedstaat, der gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verstösst, zur Herstellung eines vertragskonformen Zustandes zu veranlassen, bestehen Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage, sofern das inkriminierte Verhalten vorher abgestellt wurde . Schon aus dem Wortlaut des Artikels 169 Absatz 2 EWG-Vertrag folgt aber, daß die Anrufung des Gerichtshofes dann möglich ist, wenn der beanstandete Vertragsverstoß nicht binnen der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist abgestellt wurde .

9 . Deshalb ist grundsätzlich davon auszugehen, worauf ich auch in den Schlussanträgen in der Rechtssache 103/84 ( 1 ) hingewiesen habe, daß auch in der Vergangenheit liegende vollständig abgeschlossene Vertragsverletzungen zum Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens gemacht werden können . Darauf kann schon deshalb nicht generell verzichtet werden, da sonst angesichts der Dauer des Vorverfahrens die gerichtliche Überprüfung kurzfristiger Vertragsverletzungen vielfach nicht möglich wäre . Da die Dauer eines vertragswidrigen Verhaltens keine Aussage über die Intensität des Verstosses macht, muß auch eine zeitlich begrenzte Vertragsverletzung zu verfolgen sein . Dies gilt um so mehr, als beispielsweise saisonal bedingte Maßnahmen von ihrer Natur her nur während eines bestimmten Zeitraumes Geltung haben und gerade daraus ihre Effektivität herleiten können .

10 . Für die Zulässigkeit einer Klage ist deshalb in erster Linie maßgeblich, daß der angesprochene Mitgliedstaat nicht innerhalb der ihm in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die von ihm geforderten Maßnahmen ergriffen hat .

11 . Hinsichtlich dieses Merkmales ist zwischen beiden in der Klage vereinigten Vorverfahren zu differenzieren . Die erste mit Gründen versehene Stellungnahme wurde, ausgestattet mit einer einmonatigen Frist zur Abhilfe, am 25 . November 1985 übersandt . Die erste Reaktion der Beklagten erfolgte im März des darauffolgenden Jahres und war inhaltlich eine Rechtfertigung der beanstandeten Maßnahmen . Erst durch einen Erlaß vom 23 . April 1986 wurden die inkriminierten Regelungen aufgehoben und dies auch, ohne die Klägerin davon in Kenntnis zu setzen . So erklärt sich dann auch der Umstand, daß die Klägerin am 15 . Mai 1986 eine zweite mit Gründen versehene Stellungnahme versandte, wobei die beanstandeten Maßnahmen am 23 . April 1986 ausgesetzt wurden und dieses Schreiben gegenstandslos wurde, auch wenn wie hier die Klägerin von der Aussetzung nicht unterrichtet wurde und darüber in Unkenntnis blieb . Dies ergibt sich meines Erachtens aus Artikel 169 Absatz 2 .

12 . Seit dem Urteil in der Rechtssache 26/69 ( 2 ) hat es der Gerichtshof für erforderlich gehalten, das Rechtsschutzinteresse einer Klage positiv festzustellen, wenn die behauptete Vertragsverletzung praktisch vor Klageerhebung beendet war . Dieses Erfordernis hat er bisher mehrfach wiederholt ( 3 ). Allerdings hat der Gerichtshof in inzwischen gefestigter Rechtsprechung ( 4 ) ausgeführt, das Rechtsschutzinteresse bestehe bereits dann, wenn das Urteil die Grundlage für eine Haftung des Mitgliedstaats gegenüber einem anderen Mitgliedstaat, der Gemeinschaft oder einem einzelnen abgeben könne, ohne je konkret die näheren Umstände eines Haftungsanspruchs beziehungsweise einen Haftungskläger genannt zu haben . In dem Urteil in der Rechtssache 103/84 ( 5 ) wird vielmehr gänzlich auf die Erwähnung des Urteils als potentielle Haftungsgrundlage verzichtet . Das Rechtsschutzinteresse wird dort schlicht mit dem Hinweis bejaht, der gerügte Mangel sei erst nach Ablauf der aufgrund des Artikels 169 Absatz 2 EWG-Vertrag gesetzten Frist behoben worden .

13 . Meines Erachtens ist daher die Feststellung weiterer Umstände entbehrlich, da ein die Vertragsverletzung feststellendes Urteil auch in dieser Sache sicherlich als eventuelle Haftungsgrundlage für Mitgliedstaaten, Gemeinschaft oder einzelne dienen kann . Selbst wenn der Gerichtshof entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung weitere Merkmale fordern sollte, so sind diese zu bejahen . Das ergibt sich aus der Natur der beanstandeten Maßnahmen als zeitweilige Be - beziehungsweise Verhinderungen der Weizeneinfuhren, die auf die Marktverhältnisse in dem betreffenden Mitgliedstaat abgestellt werden können . Durch die befristete Einführung zusätzlicher Kontroll - und Verwaltungsverfahren können zumindest Verzögerungen entstehen, die mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs und einer gemeinsamen Marktordnung, die nur durch gemeinschaftliche Instrumente reglementiert wird, unvereinbar sind . Sollte sich hinter den zusätzlichen Genehmigungserfordernissen ein protektionistisches Element verbergen, so geht damit auch eine Wiederholungsgefahr einher . Ihre Effektivität wäre dann erst bei saisonalem Einsatz optimal .

14 . Die Klage ist somit hinsichtlich des durch die erste mit Gründen versehene Stellungnahme umrissenen Streitstoffes zulässig . Bezueglich des durch die zweite mit Gründen versehene Stellungnahme eingeführten Streitgegenstandes ist die Klage jedoch unzulässig, da sie schon bei ihrer Abgabe gegenstandslos war .

II - Zur Begründetheit

15 . Der Streitgegenstand wird durch die erste mit Gründen versehene Stellungnahme vom 25 . November 1985 abgegrenzt . Demnach gelangen folgende Beanstandungen in die materielle Prüfung :

1 ) Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs ( Artikel 30 EWG-Vertrag; Verordnung ( EWG ) Nr . 2727/75 des Rates; Artikel 65 Absatz 1 der griechischen Beitrittsakte )

16 . Zunächst hat die Klägerin die Erschwerung des Devisenausfuhrgenehmigungsverfahrens gerügt, die dadurch eingetreten ist, daß die Zustimmung der Bank von Griechenland für jede auf dem Getreidesektor erteilte Genehmigung eingeholt werden musste . Dadurch sei eine doppelte Kontrolle eingeführt worden, die die Weizeneinfuhren verzögert, teilweise sogar verhindert hätte, da die Bank von Griechenland ihre Zustimmung verspätet gegeben oder eine solche gänzlich verweigert habe . Da der Weizenhandel inzwischen vollständig liberalisiert sei, stelle dieses Verhalten einen Verstoß gegen Artikel 30, Artikel 106 Absatz 1 EWG-Vertrag in Verbindung mit der Verordnung Nr . 2727/75 und Artikel 65 der griechischen Beitrittsakte dar .

17 . Zunächst ist davon auszugehen, daß zur Sicherung des freien Warenverkehrs alle Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen nach Artikel 30 EWG-Vertrag verboten sind . Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung ist eine Maßnahme gleicher Wirkung "jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern" ( 6 ).

18 . Was den innergemeinschaftlichen Handel mit Getreide betrifft, so wurde mit der Verordnung Nr . 2727/75 des Rates vom 29 . Oktober 1975 ( 7 ) eine gemeinsame Marktorganisation errichtet . Der Regelung in Artikel 21 der Verordnung, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die unter die Marktorganisation fallenden Waren nicht am freien Verkehr teilnehmen, ist im Wege eines Umkehrschlusses zu entnehmen, daß im übrigen alle unter die Marktorganisation fallenden Waren in der Gemeinschaft frei zirkulieren können . Einschränkend können hier nur die gemeinschaftlichen Regeln der Marktorganisation selbst wirken .

19 . Der Gerichtshof hat inzwischen mehrfach entschieden, sobald die Gemeinschaft gemäß Artikel 40 EWG-Vertrag eine Regelung über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für einen bestimmten Sektor erlassen habe, seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die von dieser Regelung abweichen oder sie verletzen könnten ( 8 ). Nach dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß die gemeinsamen Marktorganisationen auf dem Grundsatz eines offenen Marktes beruhen, zu dem jeder Erzeuger freien Zutritt hat und auf dessen Funktionieren ausschließlich mit dem in der Marktorganisation vorgesehenen Instrumentarium eingewirkt werden darf ( 9 ).

20 . Diese Rechtslage findet auch in vollem Umfang auf die Verhältnisse der Beklagten während des Zeitraums von Februar 1984 bis April 1986 Anwendung, da laut Artikel 65 Absatz 1 der griechischen Beitrittsakte die gemeinschaftlichen Regelungen unter anderem für mengenmässige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung seit dem 1 . Januar 1981 auf alle Erzeugnisse Anwendung finden, die zum Zeitpunkt des Beitritts unter eine gemeinsame Marktorganisation fallen . Die gemeinsame Marktorganisation für Getreide bestand unstreitig zu diesem Zeitpunkt, so daß für etwaige Ausnahmeregelungen kein Raum ist .

21 . Die Beklagte hat also dann gegen ihre gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verstossen, wenn die Einführung des zentralen Genehmigungsverfahrens für Getreideimporte eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen darstellt . Dabei ist zunächst festzuhalten, daß die Einschaltung eines Kontrollmechanismus in Form eines Verwaltungsverfahrens für die Einfuhr von Waren als solche schon geeignet ist, den Handel potentiell zu behindern . Das Erfordernis, Anträge einzureichen und etwaige Wartefristen in Kauf zu nehmen, bevor eine Importgenehmigung erteilt wird, ist bereits eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs .

22 . Zu beachten ist, daß es auch tatsächlich zu Behinderungen gekommen ist, da die Klägerin durch Beschwerden Betroffener auf das Verfahren aufmerksam wurde und auch nach einer ersten Kontaktaufnahme mit der Beklagten von weiteren Beeinträchtigungen in Kenntnis gesetzt wurde .

23 . Die Beklagte hat gewisse Behinderungen nicht bestritten ( 10 ), sondern hat sich im Vorverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, sie sei zur Ergreifung der inkriminierten Maßnahme berechtigt gewesen, da zu Beginn des Jahres 1984 verstärkte Verstösse gegen die nationale Devisengesetzgebung zu verzeichnen gewesen seien und geeignete Maßnahmen gegen eine Kapitalflucht hätten ergriffen werden müssen .

24 . Richtig ist, daß auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Mitgliedstaaten im Rahmen des freien Zahlungsverkehrs nach Artikel 106 EWG-Vertrag berechtigt sind, Kontrollen vorzunehmen, ob es sich bei bestimmten Kapitalbewegungen tatsächlich um Transaktionen auf dem Gebiet des freien Zahlungsverkehrs handelt oder aber um versteckte Aktionen auf dem noch nicht vollständig liberalisierten Gebiet des Kapitalverkehrs ( 11 ). In diesen Grenzen dürfen die Mitgliedstaaten den Devisentransfer Kontrollen unterwerfen . Es bleibt ihnen ausserdem unbenommen, geeignete Maßnahmen gegen Kapitalflucht oder ähnliche gegen ihre Währung gerichtete Spekulationen zu treffen .

25 . Es erscheint jedoch äusserst fraglich, ob sich die beanstandeten Maßnahmen der Beklagten vor diesem Hintergrund rechtfertigen lassen . Es ist vorerst festzuhalten, daß die Beklagte ausser einer pauschalen Behauptung, die Kontrollmaßnahmen seien wegen Verstosses gegen die Devisengesetzgebung und verstärkter Kapitalflucht erforderlich gewesen, keine substantiierte Darlegung eines Bedürfnisses zur Regelung vorgetragen hat .

26 . Wichtiger ist jedoch der Umstand, daß sich das Genehmigungsverfahren bei der Bank von Griechenland zwar äusserlich in das Devisengenehmigungsverfahren eingefügt haben mag . Wie sich jedoch aus den Texten der Erlasse ergibt ( E 6/885; E 6/963 ) - die erst nach Aufforderung durch den Gerichtshof übersandt wurden -, ist der Darstellung der Klägerin zuzustimmen, wonach es sich um einen zusätzlichen Kontrollmechanismus handelt . Schon aus diesen Texten folgt, daß die Anträge dem Komitee zur Regelung der Einfuhren vorzulegen waren, ohne dessen Zustimmung keine Einfuhrgenehmigungen erteilt werden durften .

27 . Zwar war dieses Komitee bei der Bank von Griechenland angesiedelt, Zweck des Verfahrens war jedoch nicht die Kontrolle der Devisenausfuhrströme, sondern eine Reglementierung der Wareneinfuhrströme . Neben dem Wortlaut der Erlasse folgt das auch aus den Darstellungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren selbst . So wurde beispielsweise vorgetragen, das zentralisierte Verfahren sei erforderlich geworden, um den Warenaustausch auf dem Getreidesektor festzustellen . Es hätten Informationen über den Lagerbedarf sowie eine Getreidebedarfsprüfung das Genehmigungsverfahren gerechtfertigt . Bei diesen Argumenten handelt es sich jedoch nicht um zulässige Gründe zur Rechtfertigung eines tatsächlichen oder auch nur potentiellen Handelshemmnisses .

28 . Daß die Klägerin nicht ausdrücklich das Genehmigungsverfahren durch das Komitee zur Regelung der Importe gerügt hat, sondern auf Behinderungen im Rahmen des Devisenausfuhrgenehmigungsverfahrens abgestellt hat, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen, da die Regierung der Beklagten die Übersendung der maßgeblichen Erlasse nachhaltig verweigert hat und die Klägerin daher die behindernden Praktiken nur durch ihre tatsächlichen Auswirkungen zur Kenntnis nehmen konnte .

29 . Da es sich bei dem zentralen Genehmigungsverfahren in Wahrheit um eine Regulierung der Weizeneinfuhren handelte, liegt meines Erachtens hier ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs vor, ohne daß das Prinzip des freien Zahlungsverkehrs, wie es in Artikel 106 EWG-Vertrag niedergelegt wurde, berührt wird .

30 . Sollte der Gerichtshof jedoch der Ansicht sein, daß Artikel 106 EWG-Vertrag betroffen ist, etwa weil sich das Einfuhrgenehmigungsverfahren rein äusserlich in das Devisenausfuhrgenehmigungsverfahren einordnet oder aus materiellen Gründen eine Konnexität hergeleitet wird, so sind die inkriminierten Maßnahmen gleichwohl unzulässig .

31 . Der freie Zahlungsverkehr muß als eine notwendige Ergänzung zu dem freien Waren -, Dienstleistungs -, Kapital - und Personenverkehr verstanden werden . Soweit diese Grundfreiheiten verwirklicht sind, müssen die erforderlichen Zahlungen genehmigt werden . Da der freie Warenverkehr für den Getreidesektor voll verwirklicht ist, dürfen keine neuen Behinderungen des Zahlungsverkehrs eingeführt werden .

32 . Insbesondere die Berufung der Beklagten auf die Artikel 67 und 68 EWG-Vertrag und Artikel 5 der Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 geht ins Leere, da es sich bei dem Devisenausfuhrgenehmigungsverfahren - soweit es Gegenstand des Rechtsstreits ist - nicht um ein Vorgehen im Rahmen des noch nicht gänzlich verwirklichten freien Kapitalverkehrs handelt .

33 . Wie schon angedeutet, verlässt das Genehmigungsverfahren vor dem Komitee die Grenzen der zulässigen Kontrollen der Devisenströme . Um etwaige Zuwiderhandlungen gegen die Devisengesetzgebung, insbesondere Kapitalflucht oder andere Spekulationen, zu verhindern, wären andere den freien Warenverkehr weniger behindernde Maßnahmen möglich gewesen . Auf jeden Fall wäre das generelle Devisenausfuhrgenehmigungsverfahren, dessen Zulässigkeit noch nicht abschließend geklärt ist, ausreichend gewesen . Eine Vertragsverletzung durch das zentrale Einfuhrgenehmigungsverfahren in bezug auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs steht somit fest .

34 . Der mit der Einführung des zentralisierten Verfahrens einhergehende Widerruf vorher erteilter Einfuhrgenehmigungen ( 12 ) ist, da er sich als eine weitergehende Behinderung der Importe darstellt, als vertragswidrig zu qualifizieren . Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb Importeure von einer einmal erlangten Genehmigung keinen Gebrauch machen durften und einen neuen Antrag stellen mussten, wenn diese Verfahrensweise nicht zur Reglementierung der tatsächlichen Einfuhrmengen dienen sollte .

2 ) Verletzung der Mitwirkungspflichten aus Artikel 5

35 . Ausserdem wirft die Klägerin der Beklagten vor, sie habe gegen ihre Pflichten aus Artikel 5 EWG-Vertrag verstossen, da sie auf die beiden Fernschreiben der Klägerin vom 12 . und 15 . März 1984, mit denen die Beklagte darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ein Einfuhrlizenzsystem gegen die gemeinschaftliche Rechtsordnung verstosse, nicht reagiert habe .

36 . Mit Schreiben vom 13 . Februar 1985 habe der Generaldirektor der Kommission für Landwirtschaft die Übersendung der Regelungstexte sowie eine Liste der Anträge und Informationen darüber, wie sich diese zu den Getreideeinfuhren verhielten, erbeten . Die Klägerin forderte weitergehende Auskünfte hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Verfahren . Als Antwort auf diese Auskunftsersuchen übermittelte die Beklagte ausschließlich eine Liste der erteilten Genehmigungen für die ersten sechs Monate des Jahres 1984 .

37 . Schließlich habe die Klägerin wegen der unveränderten Haltung der Beklagten mit einem weiteren Fernschreiben vom 23 . Oktober 1985 interveniert, das gänzlich unbeantwortet blieb .

38 . Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag stellt einen allgemeinen Grundsatz der Mitwirkungspflichten der Mitgliedstaaten auf . Die Vorschrift kann stets dann herangezogen werden, wenn keine ausdrücklichen Vertragsvorschriften die mitgliedstaatlichen Pflichten umschreiben . Durch den Abschluß des Vertrages haben sich die Mitgliedstaaten zu vertragskonformem Verhalten verpflichtet . Es ist der Zweck des Vorverfahrens im Vertragsverletzungsverfahren, eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten zu ermöglichen, was auf eine Mitwirkungspflicht des betroffenen Mitgliedstaats hindeutet . Ohne eine aktive Zusammenarbeit ist weder eine Klärung noch gar eine Ausräumung des etwaigen Vertragsverstosses möglich .

39 . Die ersten Fernschreiben der Klägerin zielten auf eine Klarstellung des Streitgegenstandes . Die Klägerin ließ anfragen, ob die ihr bekanntgewordenen Praktiken der Erteilung von Einfuhrlizenzen im Gewande von Devisenausfuhrgenehmigungen den Tatsachen entsprächen . Sie wies darauf hin, daß es sich dabei um vertragswidrige Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmässige Beschränkungen handeln könne . Schließlich bat sie um Antwort binnen einer bestimmten Frist . Beide Fernschreiben blieben unbeantwortet . Schon diese Weigerung gegenüber dem Auskunftsverlangen der Klägerin muß als eine Mitwirkungspflichtverletzung betrachtet werden .

40 . Als die Klägerin später weitere Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternahm und deshalb um Übersendung der ministeriellen Erlasse sowie statistischer Daten bezueglich beantragter und tatsächlich erteilter Devisenausfuhrgenehmigungen bat, übermittelte die griechische Regierung lediglich eine Liste der erteilten Genehmigungen für das erste Halbjahr 1984 . Dieses Verhalten war nicht dazu angetan, die Tatsachen aufzuklären . Im Gegenteil diente es eher einer Verschleierung der Vorgehensweise, da kein Einblick in Zeitpunkt und Anzahl der gestellten Anträge gewährt wurde . Eine realistische Vorstellung von dem beanstandeten Verfahren konnte man sich aufgrund der übergebenen Listen nicht machen .

41 . Im gerichtlichen Verfahren hat sich die Beklagte darauf berufen, solange das Devisenausfuhrgenehmigungsverfahren durch die rund 3 000 Handelsbanken abgewickelt worden sei, habe sie keinen zuverlässigen Überblick über die tatsächlich anfallenden Anträge gehabt . Deshalb sei auch die Zentralisierung notwendig geworden .

42 . Selbst wenn man diese Behauptungen als wahr unterstellt, so wäre es die Pflicht der Beklagten gewesen, mindestens diese Umstände der Klägerin mitzuteilen und zu erläutern . Gegen die Annahme einer Kooperationsbereitschaft spricht auch das weitere indifferente Verhalten der Beklagten auf das Fernschreiben vom 23 . Oktober 1985, mit dem erneut auf das vertragswidrige Verhalten hingewiesen wurde .

43 . Die Beklagte hat daher gegen ihre im Vertrag verankerten, durch die Aufforderungen der Klägerin konkretisierten Vertragspflichten verstossen .

44 . Die durch Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 EWG-Vertrag normierte Mitwirkungspflicht lässt sich als eine Unterstützungspflicht der Organe umschreiben . Die Beklagte hat daher neben den ihr originär durch den Vertrag auferlegten Pflichten zu vertragskonformem Verhalten auch ihre Pflichten gegenüber der Klägerin bei der Erfuellung ihrer Aufgaben nach Artikel 155 EWG-Vertrag verletzt .

3 ) Kosten

45 . Bei der Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, daß der auf dem späteren Vorverfahren beruhende Teil des Klagebegehrens unzulässig ist, weil die beanstandeten Mißstände bereits ausgeräumt waren, als die mit Gründen versehene Stellungnahme an die Beklagte übermittelt wurde . Dieses Vorgehen beruht jedoch im wesentlichen auf der unkooperativen Haltung der Beklagten . Hätte sie die Klägerin über den Stand des Verfahrens informiert, wozu sie mehrfach aufgefordert worden war, so wäre es sicher zu der zweiten mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht gekommen . Noch im März 1986 vertrat die Beklagte in einem Schreiben an die Klägerin die Auffassung, daß sie zur Ergreifung der inkriminierten Maßnahme berechtigt sei . Auch hielt sie es für entbehrlich, die Klägerin von der Aufhebung der Maßnahmen in Kenntnis zu setzen . Nach alledem halte ich eine Verurteilung der Beklagten zur Tragung der Kosten nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung für angemessen .

C - Schlussantrag

46 . Mein Entscheidungsvorschlag lautet daher wie folgt :

1 ) Die Beklagte hat gegen Artikel 30 EWG-Vertrag in Verbindung mit der Verordnung Nr . 2727/75 des Rates und Artikel 65 Absatz 1 der griechischen Beitrittsakte verstossen, indem sie von Februar 1984 bis April 1986 die Getreideeinfuhren einem zentralen Einfuhrlizenzverfahren vor dem Komitee zur Regulierung der Importe bei der Bank von Griechenland unterworfen hat .

2 ) Sie hat durch eine konstante Verweigerung ihrer Mitarbeit gegen ihre Pflichten aus Artikel 5 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen .

3 ) Im übrigen wird die Klage als unzulässig verworfen .

4 ) Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens .

( 1 ) Schlussanträge des Generalanwalts Carl Otto Lenz vom 28 . Januar 1986 in der Rechtssache 103/84, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik, Slg . 1986, 1759 .

( 2 ) Urteil vom 9 . Juli 1970 in der Rechtssache 26/69, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Französische Republik, Slg . 1970, 565 ff .

( 3 ) Siehe das Urteil vom 7 . Februar 1973 in der Rechtssache 39/72, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik, Slg . 1973, 101; das Urteil vom 5 . Juni 1986 in der Rechtssache 103/84, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik, Slg . 1986, 1759; das Urteil vom 20 . Februar 1986 in der Rechtssache 309/84, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik, Slg . 1986, 599, und das Urteil vom 17 . Juni 1987 in der Rechtssac e 154/85, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik, Slg . 1987, 2717 .

( 4 ) Siehe die zitierten Urteile .

( 5 ) Siehe dort die Randnr . 8 .

( 6 ) Siehe das Urteil vom 11 . Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Staatsanwaltschaft/Benoît und Gustave Dassonville, Slg . 1974, 837 ff ., Randnr . 5 .

( 7 ) Siehe die Verordnung des Rates vom 29 . Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide ( ABl . 1975, L 281, S . 1 ).

( 8 ) Siehe z . B . die Marktordnung für Gefluegelfleisch : Urteil vom 18 . Mai 1977 in der Rechtssache 111/76, Officier van Justitie/Beert van den Hazel, Slg . 1977, 901 ff .; die Marktordnung für Schweinefleisch : Urteil vom 29 . November 1978 in der Rechtssache 83/78, Pigs Marketing Board/Raymond Redmond, Slg . 1978, 2347 ff .; die Marktordnung für Rindfleisch : Urteil vom 16 . Dezember 1986 in der Rechtssache 124/85, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Republik Griechenland, Slg . 1986, 3935 . ( 9 ) Siehe die Rechtssache 83/78, Randnr . 56 ff .

( 10 ) Siehe die Anlage 8 zur Klageschrift, S . 2 : "Es ist möglich, daß es zu Beginn der Anwendung des Systems zu gewissen Verspätungen gekommen ist ."

( 11 ) Siehe das Urteil vom 31 . Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 286/82 und 26/83, Graziana Luisi und Giuseppe Carbone/Ministero del Tesoro, Slg . 1984, 377 ff .

( 12 ) Siehe Nr . E 6/963 vom 21 . Februar 1984 ( Anlage 2 zur Antwort der Beklagten auf die Fragen des Gerichtshofes )